Zusammenfassung
Hintergrund
Aufgrund der demographischen Entwicklung ist zukünftig mit einer deutlichen Zunahme der Inzidenz proximaler Humerusfrakturen und konsekutiv posttraumatischer Fehlstellungen und Pseudarthrosen zu rechnen.
Fragestellung
Diese Übersichtsarbeit stellt Indikation, Technik und Ergebnisse von Korrekturosteotomien für Patienten mit posttraumatischer Fehlstellung oder Pseudarthrose nach proximaler Humerusfraktur dar.
Methoden
Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche unter Berücksichtigung eigener Erfahrungen.
Ergebnisse
Fehlstellungen des proximalen Humerus können nach konservativer und operativer Therapie entstehen. Aufgrund der komplexen Geometrie des proximalen Humerus muss die Analyse der Fehlstellung systematisch erfolgen (epi-, metaphysär). In einem nächsten Schritt muss evaluiert werden, inwieweit die objektivierte Fehlstellung für die vom Patienten berichteten Beschwerden verantwortlich gemacht werden kann. Die benachbarten Weichteilstrukturen (glenohumeraler Kapsel-Band-Apparat, lange Bizepssehne, Rotatorenmanschette, an der Metaphyse inserierende Muskulatur) können unabhängig von der Fehlstellung zu Beschwerden führen und müssen als solche identifiziert werden.
Schlussfolgerungen
In Abhängigkeit von der Lokalisation und dem Ausmaß der posttraumatischen Fehlstellung kommen prinzipiell diverse Korrekturverfahren als Option in Frage. Die hier vorgestellte Single-cut-Osteotomie stellt eine elegante Möglichkeit zur Korrektur mehrdimensionaler Fehlstellungen am proximalen Humerus dar. Pseudarthrosen des proximalen Humerus können durch eine Spongiosaplastik und winkelstabile Plattenosteosynthese in der Vielzahl der Fälle erfolgreich saniert werden.
Abstract
Background
According to the future demographic trends the incidence of proximal humeral fractures and subsequent posttraumatic malunions and nonunions of the proximal humerus are expected to substantially increase.
Objectives
This article reviews the indications, techniques and outcomes of corrective osteotomy for the treatment of posttraumatic nounions and malunions of the proximal humerus.
Methods
A selective literature search was performed and personal surgical experiences are reported.
Results
Malunions of the proximal humerus can occur after both surgical and conservative management of fractures. Due to the complex anatomy of the proximal humerus, malunions have to be systematically assessed regarding epiphyseal and metaphyseal malpositioning. Furthermore, the objective anatomical disorder has to be completely correlated with the subjective patient complaints. The associated soft tissue structures, such as the glenohumeral joint capsule and ligaments, long head of the biceps tendon, rotator cuff and muscles inserting in the metaphysis, can independently cause discomfort to the patient and need to be meticulously identified as such.
Conclusion
A variety of corrective surgical strategies are available, which are indicated depending on the location and extent of the malunion. The depicted single-cut osteotomy technique represents an elegant therapeutic option for multidimensional deformities of the proximal humerus. Nonunions of the proximal humerus can usually be successfully managed with autologous cancellous bone grafting and locking plate osteosynthesis.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Epidemiologie posttraumatischer Fehlstellungen
Normale Anatomie des proximalen Humerus
Die Anatomie des proximalen Humerus ist komplex und unterliegt darüber hinaus hohen individuellen Unterschieden [8]. Die Gelenkfläche des proximalen Humerus weist in der Frontalebene eine Inklination von 140° sowie einen medialen Offset von etwa 6 mm auf. In der Transversalebene zeigt die Gelenkfläche um etwa 17° nach dorsal im Sinne einer Retroversion und weist einen Versatz von 2 mm nach dorsal auf (posteriorer Offset). Die Gelenkfläche überragt die höchste Stelle des Tuberculum majus um etwa 8 mm [30]. Von Relevanz für metaphysäre Korrektureingriffe am proximalen Humerus sind die kopfernährenden Äste der A. circumflexa humeri anterior. Diese müssen bei Osteotomien geschont werden, um das Risiko einer iatrogenen Kopfnekrose zu verringern.
Fehlstellungen und deren Auswirkung auf das Schultergelenk
Fehlstellungen am proximalen Humerus können über verschiedene Mechanismen zu pathologischen Auswirkungen auf das Schultergelenk führen. An der Kalotte kann es durch eine Stufenbildung bei Head-split- oder Impressionsfrakturen nach stattgehabter Luxation zu einer direkten Kompromittierung der glenohumeralen Artikulation kommen.
Fehlstellungen der intakten Kalotte, beispielsweise durch eine Verringerung des medialen Offset, führen über einer Veränderung des Drehzentrums zu einer Alteration der Biomechanik des Schultergelenks. Bereits kleine Veränderungen des Drehzentrums haben eine Auswirkung auf die Hebelverhältnisse der Rotatorenmanschette [22]. Fehlstellungen der Tuberkula verschlechtern den Wirkungsgrad der Rotatorenmanschette, ebenso können sie zu einem Impingement an verschiedenen Stellen führen. Auch bei in Varusfehlstellung verheilten proximalen Humerusfrakturen kommt es über eine Verkürzung des Hebelarms der Rotatorenmanschette zu einer verminderten Kraftentwicklung für die Abduktion [46]. Bei der Varusfehlstellung kommen noch weitere Pathomechanismen hinzu: Ein Impingement des Tuberculum majus im Subakromialraum sowie eine Reduktion der bei Abduktion zur Verfügung stehenden Gelenkfläche der Humeruskalotte [20].
Rolle der Weichteile
Begleitpathologien der Weichteile können vorbestehend oder Folge des Traumas sein. Insbesondere der Zustand der Rotatorenmanschette ist ein entscheidendes Kriterium bei der Evaluation von Patienten mit posttraumatischen Fehlstellungen. Höhergradige vorbestehende Läsionen mit Retraktion und fettiger Infiltration können bereits im initialen CT gesehen werden [26]. Als Folge der Fraktur der Tuberkula kann es innerhalb kurzer Zeit zu einer signifikanten Sehnenretraktion kommen, was eine geplante Korrekturosteotomie erheblich erschweren bzw. unmöglich machen kann. Die Entwicklung einer adhäsiven Kapsulitis in Folge des Traumas ist beschrieben, ebenso posttraumatische oder implantatbedingte subakromiale Konflikte [21, 31]. Ebenso sind frakturbedingte Läsionen der langen Bizepssehne beschrieben [20]. Im Vorfeld sollte daher durch geeignete klinische Tests und bildgebende Diagnostik geklärt werden, inwieweit die begleitende Weichteilpathologie die Beschwerden (mit) verursacht.
Klinik
Die Hauptbeschwerden des Patienten sollten vor jeder Intervention identifiziert werden. Ist das führende Symptom der Schmerz, eine Bewegungseinschränkung oder eine Kraftreduktion? Die exakte klinische Zuordnung der Beschwerden zur verursachenden Pathologie stellt eine besondere Herausforderung dar und ist für die Planung des therapeutischen Vorgehens entscheidend. Schmerzen können durch das fehlstellungsbedingte Impingement verursacht sein, ebenso durch eine Weichteilpathologie. Auch die Bewegungseinschränkung kann ossär oder durch eine begleitende kapsuläre Komponente bedingt sein. Schließlich können sowohl die pathologisch veränderte knöcherne Geometrie als auch eine Weichteilkomponente oder der Schmerz zu einem Kraftverlust führen.
Präoperative Diagnostik
Präoperativ sollten klinische Werte (visuelle Analogskala [VAS], „subjective shoulder value“ [SSV] [24] und Scoringsysteme [z. B. der Constant-Score] [18]) erhoben werden. Der Bewegungsumfang sollte für die aktive und die passive Bewegung dokumentiert werden.
Die Bildgebung umfasst Standardröntgen in 3 Ebenen mit einer Referenzkugel zur digitalen Planung der Osteotomie. Weiterhin ist vor Korrektureingriffen eine Schnittbildgebung erforderlich. Da es sich bei Fehlstellungen definitionsgemäß um ein ossäres Problem handelt, ist zunächst eine Computertomographie erforderlich. Die Magnetresonanztomographie liefert darüber hinaus gute Zusatzinformationen zu den Weichteilen, insbesondere zum Zustand der Rotatorenmanschette. Die Intaktheit der Rotatorenmanschette bzw. die Rekonstruierbarkeit einer vorliegenden Ruptur ist eine Voraussetzung für eine geplante Korrekturosteotomie.
Welche Fehlstellungen sollen korrigiert werden?
Selbst höhergradige Fehlstellungen sind am proximalen Humerus im Gegensatz zur unteren Extremität nicht zwingend korrekturbedürftig. Korrekturbedürftige Fehlstellungen nach proximaler Humerusfraktur können sowohl nach konservativer als auch operativer Behandlung auftreten und stellen eine Herausforderung für den behandelnden Chirurgen dar [20]. Während Fehlstellungen am proximalen Humerus von älteren Patienten häufig gut toleriert werden, können sie bei jüngeren aktiven Patienten einen hohen Leidensdruck mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verursachen [41]. Aufgrund der Heterogenität des Patientenklientels und der Seltenheit von Korrekturosteotomien am proximalen Humerus können Empfehlungen nur mit geringem Evidenzgrad abgegeben werden.
Wie exakt die Geometrie des proximalen Humerus nach einer Fraktur rekonstruiert werden muss, um eine „normale“ Schulterfunktion zu erzielen, ist nicht bekannt [8]. Vor allem bei betagten Patienten korreliert die Röntgenanatomie häufig nicht mit dem klinischen Befund. Patienten weisen trotz starker Fehlstellung am proximalen Humerus häufig eine gute Schulterfunktion auf [31]. Bezogen auf junge Patienten ist nach heutiger Sicht eine „anatomische“ Reposition im Rahmen des initialen operativen Eingriffs anzustreben [36, 44].
Die Röntgenanatomie korreliert bei betagten Patienten häufig nicht mit dem klinischen Befund
Welche Fehlstellungen korrigiert werden sollen, kann anhand der Literatur nur vage abgeleitet werden: Fehlstellungen der Kalotte, insbesondere Inkongruenzen der glenohumeralen Gelenkfläche, führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer posttraumatischen Arthrose und sollten daher möglichst frühzeitig korrigiert werden [7]. Eine eigene Entität an „Fehlstellungen“ (und deshalb hier nur kurz behandelt) stellen die Hill-Sachs-Defekte der Humeruskalotte nach Schulterluxation dar. Burkhart u. DeBeer [14] stellten das Konzept der „engaging“ vs. „non-engaging“ Hill-Sachs-Läsion vor. Die Empfehlung zur operativen Korrektur der Hill-Sachs-Läsion (z. B. durch eine osteochondrale Auto- bzw. Allograftplastik oder eine Remplissage) ergibt sich nicht nur aus der Größe des Defekts, sondern auch aus dem durch die Lokalisation bestimmten möglichen Einhaken („engagement“) des Hill-Sachs-Defekts am anterioren Glenoidrand.
Fehlstellungen der Tuberkula wurden traditionell bis 10 mm akzeptiert [7]. In der akuten Fraktursituation gibt es den Trend, den Grad der akzeptablen Dislokation von 5 auf 3 mm herabzusetzen [11]. Hinsichtlich der Varusfehlstellung gibt es, basierend auf biomechanischen Untersuchungen, die Empfehlung, ab 20° Fehlstellung eine Korrektur zu erwägen [46]. Insgesamt müssen in der Korrektursituation andere Kriterien und Grenzwerte herangezogen werden als in der akuten Fraktursituation.
Klassifikation der Fehlstellungen
Beredjiklian et al. [7] unterscheiden 3 Fehlstellungstypen mit
-
Fehlstellungen der Tuberkula > 1 cm (Typ 1),
-
Inkongruenz der Gelenkfläche (Typ 2) sowie
-
Fehlstellungen der Tuberkula und des Humeruskopfs in Relation zum Schaft (Typ 3).
Typische posttraumatische Folgezustände am proximalen Humerus wurden von Boileau et al. [9, 10] in 4 Gruppen eingeteilt. In Hinblick auf die komplexe Geometrie des proximalen Humerus macht es unserer Ansicht nach Sinn, die möglichen Fehlstellungen nach anatomischen Kriterien systematisch anhand einer Checkliste zu analysieren. Die Fehlstellungen werden dabei in epiphysäre (Kalotte und Tuberkula) sowie metaphysäre Fehlstellungen eingeteilt. Kombinierte Fehlstellungen sind häufig und sollten als solche identifiziert werden. Der Vorteil dieser anatomischen Annäherung an die zugrundeliegende Fehlstellung ist die Ableitung sinnvoller Therapieoptionen. Weitere Pathologien an der Schulter sowie patientenspezifische Faktoren werden in den Entscheidungsprozess mit einbezogen (Abb. 1).
Epiphysäre Fehlstellungen
Epiphysäre Fehlstellungen betreffen die Humeruskopfkalotte und die Tuberkula. Posttraumatische Fehlstellungen der Kalotte sind einer Korrekturosteotomie nur schwer zugänglich und werden daher häufig mit einer Endoprothese versorgt [35]. Entsprechende Fälle in der Literatur mit einer kopferhaltenden Korrektur sind daher rar. Das Tuberculum minus kann in Fehlstellung medialisiert verheilen und somit die Funktion des M. subscapularis kompromittieren. Ebenso kann es zu einem subkorakoidalen Impingement kommen. Auch eine Interferenz mit der anterioren Glenoidkante ist möglich [20]. Resultierend kann es dadurch zu einer Kompromittierung der Innenrotation kommen [29].
Das Tuberculum majus wird bei Fraktur durch den Zug der Rotatorenmanschette zumeist nach posterosuperior disloziert. Bereits eine Fehlstellung von 0,5 cm kann zu einem klinisch relevanten subakromialen Impingement mit Einschränkung der Abduktion und Außenrotation führen [5, 37, 43, 48]. Rein superiore Fehllagen werden in der Röntgenaufnahme im anteroposterioren Strahlengang gut gesehen, die rein posteriore Dislokation wird hingegen nur in der Y- oder axialen Aufnahme abgebildet.
Metaphysäre Fehlstellungen
Die Varusfehlstellung des proximalen Humerus ist die häufigste metaphysäre Fehlstellung nach proximaler Humerusfraktur [6]. Der physiologische Winkel zwischen Humerusschaft und proximalem Humerus wird mit 130–140° angegeben [38].
Die Varusfehlstellung des proximalen Humerus ist die häufigste metaphysäre Fehlstellung
Werte unter 120° werden als klinisch relevante Varusfehlstellung eingestuft [38]. Eine Varusfehlstellung führt zu 3 das Schultergelenk kompromittierenden Effekten: Aufgrund des Höhertretens des Tuberculum majus kommt es zu einem subakromialen Impingement und somit zu einer eingeschränkten Abduktion [25]. Weiterhin kommt es zu einer Beeinflussung des Hebelarms der Rotatorenmanschette und somit zu einer Kraftreduktion für die Abduktion. Und schließlich ist die verfügbare humerale Gelenkfläche zur Artikulation mit dem Glenoid bei Abduktion reduziert [6]. Eine valgisierende Korrekturosteotomie kann in diesen Fällen die physiologischen Bewegungsabläufe wiederherstellen [2, 6]. Grundsätzlich sind Korrektureingriffe bei Fehlstellungen des proximalen Humerus technisch anspruchsvoll und mit einer nicht unerheblichen Rate an Komplikationen und Revisionen vergesellschaftet [13, 17].
Therapieoptionen
Die Auswahl der geeigneten Therapieoption richtet sich nach der Art der Fehlstellung. Patientenspezifische Faktoren sowie Begleitpathologien an Knochen, Knorpel und Weichteilmantel des Schultergelenkes müssen in den Behandlungsplan miteinbezogen werden (Abb. 1; [41]).
Epiphysäre Fehlstellungen
Nach proximaler Humerusfraktur stellen insbesondere die fehlverheilten Tuberkula gute Indikationen für Korrekturosteotomien dar. Beredjiklian et al. [7] berichteten über 90 % zufriedenstellende Ergebnisse nach der Korrekturosteotomie von Tuberculum majus und/oder minus, teils kombiniert mit einer Akromioplastik, bei Patienten mit erhaltener Kongruenz der Gelenkfläche. Insbesondere jüngere Patienten ohne höhergradige arthrotische Veränderungen können von einer Korrekturosteotomie profitieren [17].
In Fallberichten wurden auch erfolgreiche arthroskopische Korrekturen einer medialisiert fehlverheilten Fraktur des Tuberculum minus [29] und einer fehlverheilten Head-split-Fraktur [3] berichtet.
Für Patienten mit symptomatischem subakromialem Impingement durch ein fehlverheiltes Tuberculum majus kann ein rein arthroskopischer Eingriff mit Akromio- oder Tuberkuloplastik ausreichend sein, um eine signifikante Beschwerdebesserung zu erzielen [20, 41]. Lädermann et al. [34] führten bei 9 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 49 Jahren mit fehlverheiltem Tuberculum majus eine arthroskopische Tuberkuloplastik mit anschließender Naht der Rotatorenmanschette durch. Acht von 9 Patienten konnten danach wieder zu ihrem Aktivitäts- und Sportniveau vor der Verletzung zurückkehren. Ähnliche Resultate wurden für eine analoge arthroskopische Technik von Martinez et al. [37] berichtet, in deren Kohorte 7 von 8 Patienten zu ihrem vorigen Aktivitätsniveau zurückkehren konnten.
Metaphysäre Fehlstellungen
Osteotomien am proximalen Humerus wurden zur Korrektur der Rotation bei glenohumeraler Instabilität beschrieben, zumeist im Sinne einer retrovertierenden Osteotomie bei anteriorer Instabilität [12, 32, 33]. Auch für subkapitale Fehlstellungen zeigen Korrekturosteotomien in der Regel gute Ergebnisse [41], wenngleich nur vereinzelte klinische Fallberichte vorliegen [28, 42, 45, 47]. Klassischerweise erfolgt nach deltopektoralem Zugang die extrakapsuläre, subkapitale horizontale Osteotomie 6 cm unterhalb des kranialen Endes des Humeruskopfs [12, 32]. Die Rotation in der Osteotomie um 1 mm resultiert in einer Änderung der Retro-/Anteversion um 2° [12, 32]. Vor Entwicklung der winkelstabilen Implantate wurde die Korrektur meist durch eine mediale und laterale Doppelplattenosteosynthese gesichert [12, 32], inzwischen erfolgt die Osteosynthese zumeist über eine laterale winkelstabile Plattenosteosynthese [35].
Korrekturosteotomien für subkapitale Fehlstellungen zeigen fast immer gute Ergebnisse
Häufig liegen kombinierte Fehlstellungen vor. Die exakte Diagnostik der zugrundeliegenden Fehlstellung(en) ist eine Herausforderung. Sie erfordert unserer Ansicht nach eine bilaterale CT des Humerus. Der hier illustrierte Fall zeigt eine Kombination aus einer Varus-, Antekurvations- und Torsionsfehlstellung. Aufgrund der klinisch verminderten Außenrotation wurde bei der Patientin bereits eine Arthroskopie mit dem Versuch der Arthrolyse durchgeführt. Erst die genaue Analyse zeigte die Torsionsfehlstellung als knöcherne Ursache für die verminderte Außenrotation (Abb. 2).
Eine elegante Lösung für die häufig in Kombination vorliegende Varus- und Antekurvationsfehlstellung ist die sogenannte Single-cut-Osteotomie. In Modifikation der Beschreibung von Gürke et al. [27] ist hier die Technik am proximalen Humerus dargestellt (Abb. 3).
Pseudarthrosen am proximalen Humerus
Die Pseudarthrosenrate nach konservativer Behandlung bei proximaler Humerusfraktur wird zwischen 1,1 und bis zu 10 % bei metaphysärer Trümmerzone und Versatz der Hauptfragmente um 33–100 % der Schaftbreite angegeben [16, 19].
Bei Pseudarthrosen des subkapitalen Humerus zeigen rekonstruktive Eingriffe, z. B. durch Spongiosaplastik und winkelstabile Plattenosteosynthese mit angegebenen Erfolgsraten von über 90 % [16], bessere Ergebnisse als die endoprothetische Versorgung [13]. Badman et al. [4] berichteten 2009 über die Therapieoption des intramedullären kortikalen Allografts, kombiniert mit winkelstabiler Plattenosteosynthese. In ihrem Kollektiv von 18 Patienten mit einem mittleren Follow-up von 27 Monaten konnten hierdurch bei 17 Patienten (94 %) eine Durchbauung der Pseudarthrose und ein gutes klinisches Ergebnis erzielt werden. Neben der klassischen winkelstabilen Platte wurden an Implantaten auch winkelstabile 90°-Klingenplatten (100 %ige Erfolgsrate bei 7 Patienten [1]) und gerade antegrade Humerusnägel (100 %ige Erfolgsrate bei 14 Patienten [49]) mit guten Ergebnissen vorgeschlagen. Als Fallbericht wurde für Rezidivpseudarthrosen auch die intramedulläre Implantation eines hochporösen Tantalzylinders als Alternative zum vaskularisierten Fibulaautograft beschrieben [23]. Die Schulterendoprothese sollte als letzte Option für Patienten mit Humeruskopfnekrose oder bei zu kleinen bzw. qualitativ schlechten proximalen Fragmenten vorbehalten bleiben [16].
Fazit für die Praxis
-
In Fehlstellung verheilte Frakturen des proximalen Humerus können nach konservativer und operativer Therapie entstehen.
-
Aufgrund der komplexen Geometrie des proximalen Humerus muss die Analyse der Fehlstellung systematisch erfolgen (epi-, metaphysär).
-
Von besonderer Bedeutung ist die Korrelation der objektivierten Fehlstellung mit den seitens des Patienten berichteten Beschwerden.
-
In Abhängigkeit von der Lokalisation und dem Ausmaß der Fehlstellung kommen diverse offene oder arthro–skopische Korrekturverfahren in Frage.
-
Die Single-cut-Osteotomie stellt eine gute Option zur Korrektur mehrdimensionaler Fehlstellungen am proximalen Humerus dar.
-
Pseudarthrosen des proximalen Humerus können durch eine Spongiosaplastik und winkelstabile Plattenosteosynthese in der Vielzahl der Fälle erfolgreich saniert werden.
Literatur
Allende C, Allende BT (2009) The use of a new locking 90 degree blade plate in the treatment of atrophic proximal humerus nonunions. Int Orthop 33(6):1649–1654
Aoki SK, Anderson LA, Marchese JW (2011) Recession wedge osteotomy of the greater tuberosity for proximal humeral varus. Orthopedics 34(5):398
As’ad M, Thet MM, Chambler AF (2007) Arthroscopic treatment for malunion of a head-splitting proximal humeral fracture: the need for adequate initial radiologic investigation. J Shoulder Elbow Surg 16(4):e1–e2
Badman BL, Mighell M, Kalandiak SP, Prasarn M (2009) Proximal humeral nonunions treated with fixed-angle locked plating and an intramedullary strut allograft. J Orthop Trauma 23(3):173–179
Bahrs C, Badke A, Rolauffs B et al (2010) Long-term results after non-plate head-preserving fixation of proximal humeral fractures. Int Orthop 34(6):883–889
Benegas E, Zoppi Filho A, Ferreira Filho AA et al (2007) Surgical treatment of varus malunion of the proximal humerus with valgus osteotomy. J Shoulder Elbow Surg 16(1):55–59
Beredjiklian PK, Iannotti JP, Norris TR, Williams GR (1998) Operative treatment of malunion of a fracture of the proximal aspect of the humerus. J Bone Joint Surg Am 80(10):1484–1497
Boileau P, Walch G (1997) The three-dimensional geometry of the proximal humerus. Implications for surgical technique and prosthetic design. J Bone Joint Surg Br 79(5):857–865
Boileau P, Trojani C, Walch G, Krishnan SG, Romeo A, Sinnerton R (2001) Shoulder arthroplasty for the treatment of the sequelae of fractures of the proximal humerus. J Shoulder Elbow Surg 10(4):299–308
Boileau P, Chuinard C, Le Huec JC, Walch G, Trojani C (2006) Proximal humerus fracture sequelae: impact of a new radiographic classification on arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 442:121–130
Bono CM, Renard R, Levine RG, Levy AS (2001) Effect of displacement of fractures of the greater tuberosity on the mechanics of the shoulder. J Bone Joint Surg Br 83(7):1056–1062
Brostrom LA, Kronberg M, Soderlund V (1993) Surgical and methodologic aspects of proximal humeral osteotomy for stabilization of the shoulder joint. J Shoulder Elbow Surg 2(2):93–98
Brunner U, Kohler S (2007) [Shoulder arthroplasty for treatment of the sequelae of proximal humerus fractures]. Orthopade 36(11):1037–1049
Burkhart SS, De Beer JF (2000) Traumatic glenohumeral bone defects and their relationship to failure of arthroscopic Bankart repairs: significance of the inverted-pear glenoid and the humeral engaging Hill-Sachs lesion. Arthroscopy 16(7):677–694
Burkhart KJ, Dietz SO, Bastian L, Thelen U, Hoffmann R, Muller LP (2013) The treatment of proximal humeral fracture in adults. Dtsch Arztebl Int 110(35–36):591–597
Cadet ER, Yin B, Schulz B, Ahmad CS, Rosenwasser MP (2013) Proximal humerus and humeral shaft nonunions. J Am Acad Orthop Surg 21(9):538–547
Cheung EV, Sperling JW (2008) Management of proximal humeral nonunions and malunions. Orthop Clin North Am 39(4):475–482, vii
Constant CR (1997) An evaluation of the Constant-Murley shoulder assessment. J Bone Joint Surg Br 79(4):695–696
Court-Brown CM, McQueen MM (2008) Nonunions of the proximal humerus: their prevalence and functional outcome. J Trauma 64(6):1517–1521
Duparc F (2013) Malunion of the proximal humerus. Orthop Traumatol Surg Res 99(1 Suppl):S1–S11
Erasmo R, Guerra G, Guerra L (2014) Fractures and fracture-dislocations of the proximal humerus: a retrospective analysis of 82 cases treated with the Philos((R)) locking plate. Injury 45(Suppl 6):S43–S48
Fischer LP, Carret JP, Gonon GP, Dimnet J (1977) [Cinematic study of the movements of the scapulo-humeral (articulatio humeri) joint]. Rev Chir Orthop Reparatrice Appar Mot 63(Suppl 2):108–115
Georgiadis GM, Georgiadis AG (2013) Proximal humeral nonunion treated with an intramedullary tantalum cylinder. Orthopedics 36(12):e1555–e1558
Gilbart MK, Gerber C (2007) Comparison of the subjective shoulder value and the Constant score. J Shoulder Elbow Surg 16(6):717–721
Gill TJ, Waters P (1997) Valgus osteotomy of the humeral neck: a technique for the treatment of humerus varus. J Shoulder Elbow Surg 6(3):306–310
Goutallier D, Postel JM, Bernageau J, Lavau L, Voisin MC (1994) Fatty muscle degeneration in cuff ruptures. Pre- and postoperative evaluation by CT scan. Clin Orthop Relat Res 304:78–83
Gurke L, Strecker W, Martinoli S (1999) [Graphical analysis and operative technique of single-cut osteotomy for complex femur deformities]. Unfallchirurg 102(9):684–690
Habermeyer P, Schweiberer L (1992) [Corrective interventions subsequent to humeral head fractures]. Orthopade 21(2):148–157
Hinov V, Wilson F, Adams G (2002) Arthroscopically treated proximal humeral fracture malunion. Arthroscopy 18(9):1020–1023
Iannotti JP, Gabriel JP, Schneck SL, Evans BG, Misra S (1992) The normal glenohumeral relationships. An anatomical study of one hundred and forty shoulders. J Bone Joint Surg Am 74(4):491–500
Krettek C, Wiebking U (2011) [Proximal humerus fracture: is fixed-angle plate osteosynthesis superior to conservative treatment?] Unfallchirurg 114(12):1059–1067
Kronberg M, Brostrom LA (1995) Rotation osteotomy of the proximal humerus to stabilise the shoulder. Five years’ experience. J Bone Joint Surg Br 77(6):924–927
Kumar S, Chopra RK, Kashyap A, Arora S (2013) Missed posterior shoulder dislocation with malunited proximal humerus fracture. Chin J Traumatol 16(6):375–378
Ladermann A, Denard PJ, Burkhart SS (2012) Arthroscopic management of proximal humerus malunion with tuberoplasty and rotator cuff retensioning. Arthroscopy 28(9):1220–1229
Lill H, Voigt C, Jensen G, Warnhoff M, Katthagen JC (2015) [Corrective osteosynthesis of proximal humeral fractures. Technique and prospective results]. Unfallchirurg 118(1):18–28
Maier D, Jaeger M, Izadpanah K, Strohm PC, Suedkamp NP (2014) Proximal humeral fracture treatment in adults. J Bone Joint Surg Am 96(3):251–261
Martinez AA, Calvo A, Domingo J, Cuenca J, Herrera A (2010) Arthroscopic treatment for malunions of the proximal humeral greater tuberosity. Int Orthop 34(8):1207–1211
Paavolainen P, Bjorkenheim JM, Slatis P, Paukku P (1983) Operative treatment of severe proximal humeral fractures. Acta Orthop Scand 54(3):374–379
Palvanen M, Kannus P, Niemi S, Parkkari J (2006) Update in the epidemiology of proximal humeral fractures. Clin Orthop Relat Res 442:87–92
Pentek M, Horvath C, Boncz I et al (2008) Epidemiology of osteoporosis related fractures in Hungary from the nationwide health insurance database, 1999–2003. Osteoporos Int 19(2):243–249
Pinkas D, Wanich TS, DePalma AA, Gruson KI (2014) Management of malunion of the proximal humerus: current concepts. J Am Acad Orthop Surg 22(8):491–502
Russo R, Vernaglia Lombardi L, Giudice G, Ciccarelli M, Cautiero F (2005) Surgical treatment of sequelae of fractures of the proximal third of the humerus. The role of osteotomies. Chir Organi Mov 90(2):159–169
Siegel JA, Dines DM (2000) Proximal humerus malunions. Orthop Clin North Am 31(1):35–50
Soliman OA, Koptan WM (2013) Four-part fracture dislocations of the proximal humerus in young adults: results of fixation. Injury 44(4):442–447
Solonen KA, Vastamaki M (1985) Osteotomy of the neck of the humerus for traumatic varus deformity. Acta Orthop Scand 56(1):79–80
Voigt C, Kreienborg S, Megatli O, Schulz AP, Lill H, Hurschler C (2011) How does a varus deformity of the humeral head affect elevation forces and shoulder function? A biomechanical study with human shoulder specimens. J Orthop Trauma 25(7):399–405
Walch G, Badet R, Nove-Josserand L, Levigne C (1996) Nonunions of the surgical neck of the humerus: surgical treatment with an intramedullary bone peg, internal fixation, and cancellous bone grafting. J Shoulder Elbow Surg 5(3):161–168
Wirth MA (2003) Late sequelae of proximal humerus fractures. Instr Course Lect 52:13–16
Yamane S, Suenaga N, Oizumi N, Minami A (2008) Interlocking intramedullary nailing for nonunion of the proximal humerus with the Straight Nail System. J Shoulder Elbow Surg 17(5):755–759
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
M. Petri ist derzeit Angestellter des Steadman Philippon Research Instituts, und sein AGA-Fellowship-Programm wird von Arthrex gesponsort. P.J. Millett ist als beratender Arzt für Arthrex und Myos tätig und Aktieninhaber bei GameReady and VuMedi. Das Steadman Philippon Research Institute ist ein non-profit Forschungsinstitut und erhält Forschungsförderung von Smith & Nephew, Arthrex, Ossur und Siemens. R. Meller, N. Hawi, C. Krettek, U. Schmiddem geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
Additional information
Redaktion
C. Krettek, Hannover
R. Meller, Hannover
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Meller, R., Hawi, N., Schmiddem, U. et al. Posttraumatische Fehlstellungen und Pseudarthrosen des proximalen Humerus. Unfallchirurg 118, 577–585 (2015). https://doi.org/10.1007/s00113-015-0032-9
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00113-015-0032-9
Schlüsselwörter
- Proximale Humerusfraktur
- Posttraumatische Folgezustände
- Pseudarthrose
- Weichteilstrukturen
- Single-cut-Osteotomie