Die Massivblutung stellt neben der schweren Schädel-Hirn-Verletzung die häufigste traumaassoziierte Todesursache dar. Gerinnungsstörungen entwickeln sich rasch und sind bei etwa 25–35 % aller Schwerverletzten bereits bei Schockraumaufnahme nachweisbar [6]. Verglichen mit gerinnungskompetenten Patienten ist eine traumainduzierte Koagulopathie (TIC) mit einem höheren Transfusionsbedarf, einer höheren Rate an Multiorganversagen, einer längeren Intensivaufenthaltsdauer und einer etwa 4fach höheren Mortalität belastet [6]. Etwa ein Drittel aller Todesursachen nach Schockraumaufnahme sind auf Massivblutungen zurückzuführen und etwa 20 % dieser Todesfälle wären durch eine rasche chirurgische Blutstillung und konsequente Therapie der zugrundeliegenden Koagulopathie vermeidbar [29].

Gerinnungsstörungen nach Traumen wurden lange Zeit nur als Folge des Blutverlusts, des Verbrauchs und der Verdünnung von Gerinnungsfaktoren sowie den negativen Effekten von Hypothermie und Azidose verstanden. Rezente Untersuchungen legen allerdings nahe, dass es sich bei der TIC um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt, das völlig unabhängig von den beschriebenen „exogenen“ Ursachen auftreten kann. Als treibende Kraft dafür konnte die schockbedingte Minderperfusion mit einem konsekutiven, komplexen Zellschaden identifiziert werden. Diese „endogene“ TIC wird mutmaßlich über eine Aktivierung von Protein C vermittelt und mündet überschießend in antikoagulatorische und profibrinolytische Aktivierungswege des Gerinnungssystems [6].

Das Gerinnungsmanagement bei Schwerverletzten wird in den meisten Traumazentren nach wie vor anhand von Standardgerinnungstests (SGT) gesteuert. SGT wurden allerdings weder für diese Fragestellung entwickelt, noch validiert. Viskoelastische Testverfahren (VET) sind aufgrund der einfachen Handhabung als „Point-of-care-“ (POC-)Geräte einsetzbar und scheinen die Komplexität einer TIC wesentlich differenzierter widerzuspiegeln als dies mit SGT möglich ist. Basierend auf den schnell verfügbaren Ergebnissen von VET wurden Therapiekonzepte entwickelt, die primär darauf abzielen, die aktuelle hämostatische Kompetenz der Patienten rasch zu erfassen und anschließend zielgerichtet Mangelzustände auszugleichen [25].

Diagnose einer traumainduzierten Gerinnungsstörung

Da es sich bei der TIC um ein lebensbedrohliches Zustandsbild handelt, muss die Diagnose der zugrunde liegenden Gerinnungsstörung zügig erfolgen. Das typische klinische Erscheinungsbild einer TIC ist die diffuse, mikrovaskuläre, chirurgisch schwer stillbare Blutung aus Wundoberflächen, Schleimhäuten oder Kathetereinstichstellen.

Standardgerinnungsbefunde sind zur Diagnose einer TIC wenig geeignet

In vielen Traumazentren werden nach wie vor SGT, wie Quick-Wert, Prothrombinzeit (PT), „international normalized ratio“ (INR) oder die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) zur Diagnose einer TIC herangezogen. SGT wurden aber weder für diese Fragestellung entwickelt, noch validiert und sind nicht in der Lage die Komplexität einer TIC ausreichend differenziert abzubilden [11]. PT und aPTT werden im Plasma gemessen und klammern somit korpuskuläre Elemente, wie Blutplättchen, Erythrozyten oder „tissue factor“ exprimierende Zellen aus, von denen allerdings bekannt ist, dass sie einen wesentlichen Anteil an der Gerinnselbildung leisten. Außerdem liefern SGT keine Informationen über die Qualität und Stabilität des Gerinnsels [25]. Darüber hinaus sind die Testergebnisse selbst in großen Traumazentren oft nur mit einer erheblichen Zeitverzögerung verfügbar.

Stellenwert viskoelastischer Gerinnungstests bei Traumapatienten

VET, wie die Rotationsthromboelastometrie (ROTEM®; Tem International, München, Deutschland) oder Thrombelastographie (TEG®; Hemonetics, Braintree, MA, USA) scheinen wesentlich besser geeignet, eine TIC zu charakterisieren. VET erlauben einen umfassenden Überblick über den gesamten Gerinnungsprozess von der Initiierungsphase der Gerinnung, über die Geschwindigkeit der Gerinnselentstehung bis hin zur maximalen Gerinnselstärke [25]. Im Gegensatz zu SGT können mit Hilfe von VET zeitnahe Hyperfibrinolysen diagnostiziert werden [22]. Die Probenaufbereitung ist nicht notwendig, da es sich bei den Analysen um Messungen im Vollblut handelt. Zusätzlich findet dadurch auch der Einfluss korpuskulärer Blutbestandteile auf die Gerinnung Berücksichtigung im Testverfahren.

Erste Testergebnisse, die Therapieentscheidungen erlauben, sind bereits nach einer Laufzeit von 10 min verfügbar [25]. Eine Reihe unterschiedlicher Reagenzien ermöglicht eine Differenzierung der zugrundeliegenden Gerinnungsstörung [25]. Die Aktivierung der Tests erfolgt entweder extrinsisch mit Hilfe von „tissue factor“ (EXTEM) oder intrinsisch mit Ellagsäure. Durch die Beimengung von Cytochalasin D kann die Plättchenkomponente weitgehend aus dem Gerinnsel eliminiert werden und erlaubt damit eine Abschätzung der Fibrinpolymerisation (FIBTEM [25]).

Viskoelastische Tests eignen sich zur frühen Identifikation von Patienten mit einem hohen Massivtransfusionsrisiko

An Traumapatienten konnte nachgewiesen werden, dass mittels VET die Ursachen koagulopathischer Blutungen wesentlich schneller identifiziert werden konnten und auch signifikant mehr Koagulopathien gefunden wurden, als dies mit SGT möglich war [4]. Abb. 1 zeigt neben einer normalen ROTEM®-Messungen auch typische pathologische Befunde unterschiedlicher Genese.

Abb. 1
figure 1

Beispiele von ROTEM®-Analysen bei Schockraumaufnahme [EXTEM extrinsisch aktivierter Test, FIBTEM Fibrinpolymerisationstest (extrinsisch aktivierter Test mit zusätzlicher Hemmung der Plättchenkomponente durch Cytochalasin D), CT „clotting time“, CFT „clot formation time“, A5, A10, A15, A20 „clot amplitude“ nach 5,10,15, 20 min Laufzeit, MCF „maximum clot firmness“]. a Normaler ROTEM®-Befund. b Fibrinpolymerisationsstörung: Deutlich verminderte A10 im FIBTEM (3 mm) und reduzierte A10 im EXTEM (31 mm); die CT im EXTEM ist normal. Dieser Befund kann als Hinweis auf einen Fibrinogenmangel gewertet werden. c Globale schwere Gerinnungsstörung: Die CT und CFT im EXTEM sind deutlich verlängert, die A10 sowohl im EXTEM als auch im FIBTEM (keine messbare Fibrinpolymerisation) massiv vermindert. d Thrombozytopenie: Im EXTEM-Test findet sich eine reduzierte A10 (< 40 mm), bei normaler FIBTEM A10. Dies kann als Hinweis auf eine Thrombozytopenie gewertet werden

Etwa 80 % aller Blutprodukte werden in den ersten 6–8 h nach Schockraumaufnahme verabreicht. Es sollte daher nahe liegen, Patienten, die ein hohes Risiko für eine folgende Massivtransfusion (MT) aufweisen, möglichst frühzeitig zu identifizieren. Viskoelastische Testergebnisse korrelieren gut mit dem späteren Transfusionsbedarf. In einer retrospektiven Untersuchung wurde gezeigt, dass bereits nach einer Laufzeit von nur 10 min eine Clotamplitude (CA) < 35 mm im EXTEM-Test und < 4 mm im FIBTEM-Test, hochprädiktiv eine spätere MT vorhersagen konnte [21].

Ratiobasierte Gerinnungstherapie mit FFP und Plättchenkonzentraten

Retrospektive Untersuchungen legen nahe, dass Patienten, denen hohe Mengen an Frischplasma („fresh frozen plasma“, FFP) und Plättchenkonzentraten (PC) transfundiert wurden, Überlebensvorteile aufweisen [3]. Das optimale Verhältnis von Erythrozytenkonzentraten (EK) zu FFP und PC ist allerdings immer noch Gegenstand intensiver Forschung [8]. Neben der Tatsache, dass mit Plasma alle Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren verabreicht werden, ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Plasmatransfusion mit erheblichen Nebenwirkungen wie akuten Lungenschädigungen bis hin zum ARDS (adultes respiratorisches Distress-Syndrom), sowie Infektionen, Sepsis und Multiorganversagen assoziiert ist. Da die Aktivität der Gerinnungsfaktoren im Plasma relativ niedrig ist, ist es unumgänglich hohe Volumina (15–30 ml/kgKG) zu transfundieren.

Früher Beginn essentiell

Nicht nur die Menge des zugeführten Plasmas, sondern insbesondere auch die Zeitspanne bis zum Beginn der hämostatischen Intervention stellt eine Schlüsselgröße für das Überleben von koagulopathischen Patienten dar. Es ist daher essentiell FFP möglichst frühzeitig zu transfundieren. In einer rezenten prospektiven Observationsstudie konnte gezeigt werden, dass die Zufuhr eines hohen Verhältnisses von FFP zu EK (ratiobasiertes Gerinnungskonzept) nur dann Überlebensvorteile erbrachte, wenn die Transfusion innerhalb der ersten 6 h erfolgte [3]. Diese Arbeit macht nochmals deutlich, dass lediglich eine frühe und ausreichend bemessene Plasmatherapie zu einer Mortalitätsreduktion beiträgt.

Transfusion von FFP ist zeitintensiv

Plasma wird in den meisten Unfallkliniken tiefgefroren deponiert und muss somit vor dem Einsatz aufgetaut werden. Nur wenige Traumazentren, mit entsprechender Logistik und hohem Anfall an Schwerverletzten, lagern „vorgetautes“ Plasma. Eine potenzielle Alternative stellt lyophilisiertes Plasma dar, das nach sehr kurzer Rekonstitutionszeit verabreicht werden kann. Es liegen allerdings zum Einsatz von Lyoplasma augenblicklich nur wenige Studien vor.

Zielgerichtete Gerinnungstherapie basierend auf viskoelastischen Testergebnissen

Ein weiterer Nachteil des fixen, ratiobasierten Gerinnungskonzepts besteht darin, dass Patienten potentiell sowohl über- als auch untertransfundiert werden können [8]. In einer Reihe von Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass Schwerverletzte die nicht massiv transfundiert wurden, also weniger als 10 EK in der ersten 12–24 h erhielten, von der Plasmagabe wenig bis gar nicht profitierten und die Nebenwirkungen der Plasmatransfusion eher überwogen [9]. In einer rezenten, prospektiven, randomisierten Studie wurde ein ratiobasiertes Gerinnungsmanagement mit einer rein laborgesteuerten Hämostasetherapie verglichen. Es konnte kein signifikanter Überlebensvorteil zwischen den beiden Gruppen gefunden werden. Die Komplikationsraten waren allerdings in der ratiobasierten Therapiegruppe im Trend (p= 0,053) höher [14].

Im Gegensatz dazu beruht das Konzept einer individualisierten, zielgerichteten Gerinnungstherapie darauf, die hämostatische Kompetenz des Patienten rasch mittels viskoelastischer Analyseverfahren zu erfassen. Basierend auf den Testergebnissen wird die weitere hämostatische Therapie, individuell gesteuert und den identifizierten Mangelzuständen angepasst. Gerinnungstherapie erfolgt initial zumeist mit Hilfe von Faktorkonzentraten. Dabei werden im Wesentlichen drei unterschiedliche Pathologien einer TIC therapiert:

Optimierung der Gerinnselstabilität

Behandlung der Hyperfibrinolyse

Rezente Studien an Schwerverletzten legen nahe, dass eine TIC ganz wesentlich über die Aktivierung von Protein C vermittelt wird. Dies führt überschießend sowohl zu antikoagulatorischen als auch zu profibrinolytischen Effekten [6]. Dabei spielt die schockbedingte Hypoperfusion, oft gepaart mit einem substanziellen Gewebstrauma, eine zentrale Rolle [6]. Die exakte Inzidenz von traumaassoziierten Hyperfibrinolysen ist nach wie vor nicht völlig geklärt, liegt aber je nach untersuchtem Kollektiv zwischen 2 und 8 % [22, 25] Eine Reihe von Untersuchungen zeigen, dass Hyperfibrinolysen bei Traumapatienten mit einem signifikant höheren Transfusionsbedarf und einer deutlich gesteigerten Gesamtmortalität belastet sind [3].

VET werden als Goldstandard zur Detektion einer Hyperfibrinolyse angesehen [22].

Rezente Untersuchungen legen allerdings nahe, dass nur ausgeprägte Formen profibrinolytischer Aktivierung mit Hilfe von VET diagnostizierbar sind (Abb. 2). Raza et al. [15] fanden in einer prospektiven Untersuchung Hyperfibrinolysen mittels ROTEM®-Analysen nur dann, wenn Plasmin-Antiplasmin-Komplexe 30fach erhöht waren. Die derzeit verfügbaren Assays erlauben die Diagnose einer Lyse zumeist nur mit erheblicher Zeitverzögerung. VET sind somit nur bei fulminanten Lysen für Therapieentscheidungen hilfreich. Eine antifibrinolytische Therapie solle daher auch nach pragmatischen Gesichtspunkten erfolgen, wie Anzeichen eines ausgeprägten Schocks bei Aufnahme, BE < − 6 mmol/l, Hb < 10 g/dl, Hypothermie < 34 °C und substanzielle Gewebeverletzung mit ISS-Werten > 15.

Abb. 2
figure 2

Hyperfibrinolyse bei einem Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma und einer Körperkerntemperatur von 26,2°C bei Schockraumaufnahme. Zusammenbruch des Gerinnsels nach 40 min Laufzeit. Die In-vitro-Zugabe von Aprotinin (APTEM-Test: extrinsisch aktivierter Test mit Aprotinin) hemmt die Hyperfibrinolyse. Im APTEM-Test (im Gegensatz zum EXTEM-Test) bleibt das Gerinnsel daher stabil. Eine Gerinnungstherapie mittels Tranexamsäure ist zwingend notwendig

Eine (Hyper)fibrinolyse kann rasch, suffizient und kostengünstig mit Tranexamsäure (TXA) behandelt werden. TXA blockiert die Lysinbindungsstelle am Plasminogenmolekül und verhindert damit seine Bindung an Fibrin. Dadurch wird die biochemische Spaltung von Plasminogen zu Plasmin stark verzögert.

Die Daten der CRASH-2-Studie („Clinical Randomisation of an Antifibrinolytic in Significant Haemorrhage Study“) zeigten an etwa 20.000 Patienten, dass die frühe Verabreichung von TXA die Mortalität Schwerverletzter signifikant reduziert, (4,9 % vs. 5,7 %; p = 0,0077 [26]). Interessanterweise wurde in einer Post-hoc-Analyse gefunden, dass TXA, wenn später als 3 h nach dem Initialtrauma verabreicht, die Mortalität erhöht [16]. Daher wird empfohlen, TXA möglichst früh zu applizieren. Die MATTERs-Studie („Military Application of TXA in Trauma Emergency Resuscitation Study“) analysierte an schwerverletzten Soldaten den Effekt von TXA auf das Überleben. Im Gegensatz zur CRASH-2-Studie wurden in dieser Untersuchung alle Patienten einer chirurgischen Inititalversorgung zugeführt und mit EK transfundiert. Die Mortalität in der TXA-Gruppe war im Vergleich zu Placebo um 6,5 % geringer (p = 0,03). Bei massiv transfundierten Patienten war die Sterblichkeit mit 14,4 % in der TXA-Gruppe vs. 28,1 % in der Placebogruppe (p = 0,004) noch deutlich günstiger [12]. Diese Studien untermauern eindrücklich den Stellenwert von TXA als integralen Bestandteil einer initialen Gerinnungstherapie von schwerverletzten Patienten.

Optimierung der Gerinnselstärke

In einer Reihe von Observationsstudien konnte gezeigt werden, dass eine verminderte Gerinnselstärke mit einer gesteigerten Blutungsneigung, einem vermehrten Transfusionsbedarf und einer höheren Mortalität assoziiert ist. Daraus lässt sich ableiten, dass der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung einer normalen Gerinnselqualität eine hohe Therapiepriorität zukommt. Die Gerinnselfestigkeit resultiert aus der Interaktion von aktivierten Thrombozyten, dem Fibrinnetzwerk und aktiviertem Faktor XIII [25]. Eine Verbesserung der maximalen Gerinnselstärke kann somit durch Verabreichung von einer oder mehreren dieser Komponenten erreicht werden.

Fibrinogensupplementierung verbessert die Gerinnselfestigkeit

Fibrinogen spielt eine zentrale Rolle im gesamten Gerinnungsablauf. Es handelt sich dabei nicht nur um das Substrat der Gerinnung, an dessen Ende die Formation des Fibrinnetzwerk steht. Fibrinogen bindet darüber hinaus mit hoher Affinität an Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptoren, welche auf den Oberflächen aktivierter Thrombozyten exprimiert werden [18]. Fibrinogen spielt somit auch eine bedeutende Rolle in der Aggregation von Blutplättchen. In einer rezenten Untersuchung wurde gezeigt, dass niedrige Fibrinogenwerte bei Schockraumaufnahme eng mit der Schwere des Schocks, dem Aufnahmehämoglobin und dem Ausmaß des Gewebetraumas korrelieren [19]. Ein Fibrinogenmangel ist somit vermutlich der häufigste initiale Gerinnungsdefekt beim Polytrauma [1].

Eine Reihe von Studien fand eine enge Beziehung von vermindertem Fibrinogengehalt und der Mortalität nach Trauma. Inaba et al. [10] konnten eine niedrige Fibrinogenkonzentration bei Aufnahme an der Intensivstation als unabhängigen Prädiktor der Frühmortalität identifizieren. Ein Anheben des Fibrinogenspiegels scheint die Sterblichkeit von Traumapatienten positiv zu beeinflussen. An schwerverletzten, massiv transfundierten Soldaten konnte gezeigt werden, dass signifikant mehr Patienten überlebten, wenn eine hohe Ratio von Fibrinogen zu EK (> 0,2 g Fibrinogen für jede Einheit von RBC) verabreicht wurde [28].

Die aktuellen Europäischen Traumaleitlinien empfehlen den Fibrinogenspiegel bei blutenden Patienten auf Werte von 1,5–2,0 g/l anzuheben [27]. Werden VET zur Therapiekontrolle herangezogen, sollte die maximale Clotstärke im FIBTEM 10–12 mm betragen [20, 23]. Diese Vorgabe ist allerdings mit FFP aufgrund des niedrigen Fibrinogengehalts nur schwer realisierbar. Rourke et al. hatten nach Transfusion von jeweils 4 EK die Fibrinogenkonzentrationen im Plasma der Empfänger bestimmt. Die Transfusion von FFP und EK im Verhältnis von 1:2 führte zu einem sukzessiven Absinken des Fibrinogenspiegels. Nur bei Patienten die zusätzlich Kryopräzipitat erhielten, konnte die Fibrinogenkonzentration im unteren Normbereich stabilisiert werden [17]. Der Fibrinogengehalt in FFP ist üblicherweise niedrig (~ 2,5 g/l) und erfordert somit die Transfusion hoher Volumina, um die Fibrinogenkonzentration beim Empfänger suffizient anzuheben.

Als Alternative zu FFP kann Fibrinogenkonzentrat (FC) zur raschen Erhöhung der Plasmafibrinogenspiegel verabreicht werden [20]. FC muss nicht aufgetaut werden, unterliegt keiner Blutgruppenangleichung und enthält eine konstante Menge an Fibrinogen. Initial werden üblicherweise 25–50 mg/kgKG appliziert, das entspricht etwa 2–4 g (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

a ROTEM®-Analyse bei Aufnahme im Schockraum (ISS = 34). Deutliche Verminderung der A10 im EXTEM (29 mm) und FIBTEM (6 mm). b Nach Substitution von 6 g Fibrinogenkonzentrat normalisieren sich alle Parameter

Die Ergebnisse der MATTERs-II-Studie, die an über 1300 schwerverletzten Patienten aus dem Irakkrieg durchgeführt wurde, zeigten, dass eine Fibrinogensubstitution in Form von Kryopräzipitat ähnlich gute Ergebnisse in Hinblick auf Mortalität erbrachte wie die alleinige Gabe von Tranexamsäure. Die Kombination von TXA und Fibrinogensubstitution führte zu den besten Überlebensraten [13]. Aus pathophysiologischer Sicht macht es durchaus Sinn, primär eine überschießende Lyse zu blockieren und anschließend Gerinnungssubstrat, in diesem Fall Fibrinogen, zuzuführen.

Verbesserung der Thrombinbildung

Unmittelbar nach dem Trauma wird die Thrombinbildung stark aktiviert und scheint somit, mit Ausnahme von schwersten Verletzungen, kein initales Problem bei Schockraumaufnahme darzustellen [5]. Die Diagnose einer kompromittierten Thrombinbildung ist allerdings schwierig. Weder eine verlängerte PT oder aPTT, noch eine prolongierte „clotting time“ in der ROTEM®-Analytik spiegeln das Ausmaß der Thrombingenerierung hinreichend genau wider. Dunbar u. Chandler [5] fanden bei Traumapatienten mit verlängerter PT (> 18 s) eine 3fach höhere Thrombinbildung als dies bei nur mäßig verletzten Patienten mit normaler PT der Fall war (p = 0,01).

Zur suffizienten Anhebung des Thrombinpotentials kann neben FFP auch Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB) oder aktivierter rekombinanter Faktor VII (rFVIIa) verabreicht werden. Zwei randomisierte kontrollierte Studien konnten allerdings keinen nennenswerten Überlebensvorteil bei Schwerverletzten durch die Gabe von rFVIIa nachweisen. Die Gabe von rFVIIa wird deshalb nur mehr als Ultima-Ratio-Therapie empfohlen [27].

In dem von uns erarbeiteten Therapiealgorithmus wird die Thrombinbildung erst dann unterstützt, wenn die extrinsisch aktivierte Gerinnungszeit (EXTEM CT) > 80 s beträgt [25]. Die EXTEM CT überschreitet erst dann den Normalwert von 80 s, wenn die Aktivität der Gerinnungsfaktoren unter 35 % abfällt [30]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass vor der Gabe von PPSB die Gerinnselfestigkeit im FIBTEM-Test auf 10–12 mm angehoben werden sollte. Auch dadurch lässt sich die EXTEM CT oftmals korrigieren, da mehr Substrat zur Verfügung steht und damit die initiale Gerinnselbildung beschleunigt wird.

Zum Einsatz von PPSB bei Traumen liegen gegenwertig nur wenige Untersuchungen vor. In einer retrospektiven Studie an Schwerverletzten, die ≥ 5 EK innerhalb von 24 h erhielten, wurden die Patienten nahezu ausschließlich mit FC und PPSB behandelt. Es fand sich eine günstigere Überlebensrate als dies nach dem TRISS- und RISC-Score zu erwarten gewesen wäre [23]. Eine weitere Studie zeigte, dass mit Faktorenkonzentraten behandelte Traumapatienten weniger EK und PC erhielten und seltener massiv transfundiert wurden als dies bei vergleichbaren Patienten, die nur FFP erhielten, der Fall war. Es konnte allerdings kein Unterschied in der Mortalität nachgewiesen werden [24].

Bislang liegen keine ausreichenden Sicherheitsdaten für die Verabreichung von PPSB bei Traumapatienten vor. Daher wird die Gabe von PPSB nach den aktuellen Europäischen Traumaguidelines nur dann empfohlen, wenn Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten ein Trauma erleiden und substanziell bluten [27].

Abb. 4 zeigt den Therapiealgorithmus für blutende Traumapatienten, der am AUVA-Unfallkrankenhaus in Salzburg etabliert wurde. Anhand der Testergebnisse von ROTEM®-Analysen und in Einzelfällen durch ergänzende Plättchenfunktionstestungen (Multiplate®) werden hämostatische Therapieoptionen vorgeschlagen [25].

Abb. 4
figure 4

Therapiealgorithmus der TIC basierend auf ROTEM®- und Mulitplate®-Testergebnissen (AUVA Unfallkrankenhaus Salzburg). (Aus [25] mit freundl. Genehmigung von Lippincott Williams & Wilkins)

Fazit für die Praxis

  • Die Komplexität der TIC lässt sich mit SGT nicht ausreichend erfassen. VET scheinen hierfür besser geeignet zu sein.

  • Zum Unterschied einer ratiobasierten Gerinnungstherapie mit FFP und PC, ermöglicht die ROTEM®-Analytik eine zielgerichtete hämostatische Therapie. Profibrinolytische Prozesse können suffizient mit TXA blockiert werden.

  • Hypofibrinogenämie ist der häufigste initiale Gerinnungsdefekt bei Schwerverletzten und geht mit einer verminderten Gerinnselstärke einher.

  • Ein suffizientes Anheben des Fibrinogenspiegels ist mit FC wesentlich effektiver und schneller möglich als mit der Transfusion von FFP.

  • Eine CT-Verlängerung im EXTEM > 80 s kann mit Einschränkung als Zeichen verminderter Thombingenerierung angesehen werden.

  • Die Thrombinbildung respektive CT-Verlängerung kann nach ausreichender Fibrinogensubstitution mittels FFP, PPSB und in Ausnahmefällen mit rFVIIa angehoben werden.