Zusammenfassung
Die Patellaluxation ist ein häufiges Ereignis im Kindes- und Jugendalter und kommt als traumatische, rezidivierende, habituelle und chronische Form vor. Es gibt eine Reihe luxationsbegünstigender anatomischer Faktoren. Die Therapie der traumatischen Erstluxation ist generell konservativ. Nur bei Vorliegen osteochondraler Fragmente oder sehr schweren Weichteilverletzungen kommt eine primäre operative Behandlung in Frage. Für die rezidivierende, habituelle und chronische Luxation sind operative Therapiemaßnahmen überlegen. Es kommt die Versetzung des M. vastus medialis, die Rekonstruktion des Lig. patellofemorale mediale, die Doppelung des medialen Retinakulums in Kombination mit einem lateralen Release und Zügelungen der Patella oder Versetzungen des Ansatzes des Lig. patellae zum Einsatz. Ein anderer Ansatz ist die Verbesserung des femoropatellaren Gleitlagers durch die Trochleaplastik. Alle Langzeitergebnisse, v. a. die mit knöchernen Eingriffen am Patellarsehnenansatz oder der Trochlea, weisen gute Ergebnisse in Bezug auf die Verhinderung weiterer Luxationsereignisse aber mittelmäßige im Hinblick auf die Entstehung einer Femoropatellargelenkarthrose auf.
Abstract
Dislocation of the patella represents a frequent knee problem in childhood and adolescence. There are traumatic, recurrent, habitual and chronic forms. Many anatomical variations, which promote patellar dislocation, are known. The first traumatic dislocation is primarily treated conservatively with the exception of concomitant osteochondral fragments or very large soft tissue damage which justify surgical interventions. Recurrent, habitual and chronic dislocations are best cured surgically by vastus medialis advancement, reconstruction of the medial patellofemoral ligament, strengthening of the medial retinaculum together with a lateral release and by fixation of the patella using tendon grafts or medialisation of the insertion of the patellar ligament. To improve the femoropatellar groove by trochleaplasty is a different surgical concept. The long-term results following medialisation of the patellar ligament insertion or trochleaplasty are good with regards to patellar stability but mediocre in terms of avoiding degenerative changes in the patellofemoral joint.
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Der Begriff Patellaluxation bezeichnet das Ausrenken der Kniescheibe aus dem femoropatellaren Gleitlager, das fast immer nach lateral eintritt. Es gibt viele verschiedene Erscheinungsformen der Patellaluxation: die akute traumatische Patellaluxation, die rezidivierende, die habituelle und die chronische Patellaluxation. Darüber hinaus kommen auch eine kongenitale Form und eine mit neuromuskulären Erkrankungen verknüpfte Patellaluxation vor, die im Beitrag aber ausgeklammert werden. Die Einteilung in diese Erscheinungsformen ist hilfreich, da die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ganz charakteristische Befundkonstellationen mit sich bringt und nach einem differenzierten Therapiekonzept verlangt.
Die traumatische Erstluxation der Kniescheibe kommt selten vor dem 10. Lebensjahr vor. Sie ereignet sich in 61% der Fälle bei Ausübung sportlicher Aktivitäten und kann auf ein adäquates Trauma zurückgeführt werden [8]. In Finnland beträgt die Inzidenz 43/100.000 Kinder <16 Jahren. Eine andere finnische Studie zeigte eine Inzidenz der akuten traumatischen Patellaluxation unter männlichen Rekruten von 77,4/100.000 Personen/Jahr [23]. In 39% der Fälle waren begleitende osteochondrale Frakturen beobachtet worden [17]. In vielen Fällen entsteht aus einer akuten traumatischen Luxation im weiteren Verlauf eine rezidivierende Patellainstabilität mit wiederkehrenden Luxationsereignissen. Jugendliche, die bereits Episoden einer patellaren Instabilität vor der ersten Luxation erfahren haben, weisen ein vielfach höheres Risiko auf, eine rezidivierende Patellaluxation zu erleiden. Sie sind außerdem häufiger weiblichen Geschlechts und auch älter als die Patienten, die eine akute Patellaluxation bekommen [8]. Die Präzisierung der Diagnostik legt dann häufig luxationsbegünstigende anatomische Faktoren offen, die bei der Behandlung berücksichtigt werden müssen.
Die habituelle Patellaluxation betrifft in der überwiegenden Zahl Mädchen. Anamnestisch findet man kein zur Auslösung einer Luxation geeignetes Trauma, wenngleich sehr oft eine Art Bagatelltrauma als Ursache benannt wird. In den Fällen, in denen die Kniescheibe bei jedem Kniebeugevorgang aus dem Gleitlager luxiert und nie reponiert ist, spricht man von einer chronischen Patellaluxation. Sie kommt nicht selten in Verbindung mit syndromalen Erkrankungen, wie beispielsweise dem Down-Syndrom vor.
Dieser Überblick beleuchtet die aktuellen Aspekte zu Diagnostik und Therapie aller angesprochenen Formen der Patellaluxation.
Luxationsbegünstigende anatomische Varianten des Patellofemoralgelenks
Die Patella ist das größte Sesambein des menschlichen Körpers und eingebettet in den Streckapparat des Kniegelenks. Der M. quadriceps femoris setzt mit seinen Teilkomponenten und mit seiner kräftigen Sehne an der kranialen Hälfte der Patella an. Die Patellasehne verbindet dann den distalen Patellapol mit der Tuberositas tibiae und ermöglicht so die muskuläre Kraftübertragung vom Ober- auf den Unterschenkel. Zusätzlich liegt die Patella in einem ausgeklügelten System bindegewebiger Strukturen, die man als mediales und laterales Retinakulum bezeichnet und welche ein Teil der Kniegelenkkapsel darstellen. In letzter Zeit ist eine ligamentäre Struktur, die als bedeutendster stabilisierender Faktor der Patella identifiziert wurde, in den Mittelpunkt des Interesses gerückt: das Lig. patellofemorale mediale (MPFL). Es verläuft variabel vom oberen Drittel der proximalen medialen Patella zum posterioren Teil des medialen Kondylus und inseriert ca. 1 cm distal des Tuberculum adductorium. Das MPFL ist kein isometrisches Band. Seine Spannung ist in Streckstellung am größten und wird mit zunehmender Flexion geringer. Dieses Band gilt als der kräftigste und wichtigste Weichteilstabilisator der Patella.
Die Patella ist während des Beugevorgangs des Kniegelenks im femoropatellaren Gleitlager des distalen Femurs zentriert. Die Patellaform und die Tiefe des Gleitlagers beeinflussen die Patellaführung. Man kennt 4 verschiedene Formvarianten der Patella, die sog. Wiberg-Typen. Sie unterscheiden sich in Form und Schenkellänge der medialen und lateralen Patellafacette (Abb. 1). Das Gleitlager passt sich üblicherweise an diese Patellaform an und kann durch den Sulkuswinkel genauer charakterisiert werden. Auch durch den Kongruenzwinkel und den lateralen patellofemoralen Winkel kann das Femoropatellargelenk radiologisch beschrieben werden (Abb. 2).
Einige anatomische Varianten begünstigen die femoropatellare Instabilität und werden als prädisponierende Faktoren für eine Patellaluxation angesehen. Die verschiedenen Wiberg-Typen konnten bisher nicht sicher mit einer bestimmten Luxationstendenz in Verbindung gebracht werden. Dagegen ist die Luxationsneigung bei einem Patellahochstand, gemessen durch den Insall-Salvati-Index, erhöht (Abb. 3 a). Begünstigend wirkt auch die Dysplasie des femoropatellaren Gelenks mit pathologischem Sulkus-, Kongruenz- und lateralem patellofemoralen Winkel. Die Trochleatiefe kann auch im seitlichen Röntgenbild beurteilt werden (Abb. 3 b). Von besonderer Bedeutung ist das „crossing sign“ nach Dejour [5]. Zwei sehr wichtige Achsfehlstellungen erweisen sich prädisponierend für die Patellaluxation: das Genu valgum und die erhöhte Antetorsion des Femurhalses, insbesondere in Kombination mit einer vermehrten tibialen Außentorsion. Das Valgusmoment der Patella beim Genu valgum kann durch die Bestimmung des Q-Winkels dargestellt werden (Abb. 4).
Klinik und Diagnostik der Patellaluxation
Die akute Patellaluxation ist Folge eines direkten traumatischen Ereignisses und führt zu einer Ruptur des medialen patellofemoralen Ligaments und des medialen Retinakulums.
Die akute Patellaluxation ist Folge eines direkten traumatischen Ereignisses und führt zu einer Ruptur des medialen patellofemoralen Ligaments und des medialen Retinakulums.
Ferner kommt es zu einer Kontusion der medialen Patellafacette und des lateralen Femurkondylus. Die Luxation kann aber auch eine Abscherung eines chondralen oder osteochondralen Fragments von der medialen Patellafacette, dem Patellafirst oder dem lateralen Femurkondylus nach sich ziehen. Eine akute Patellaluxation ist mit einem Hämarthros verbunden. Anamnestisch findet sich bei den Kindern und Jugendlichen meist ein adäquates Unfallgeschehen. Dennoch erkennt man in der weiteren Diagnostik in vielen Fällen zur Luxation prädisponierende Faktoren (s. Infobox 1 und 2).
In der akuten Verletzungssituation bestehen klinisch eine stark schmerzhafte Bewegungseinschränkung, eine erhebliche Schwellung mit blutiger Ergussbildung und eine reduzierte Belastbarkeit des betroffenen Beins. Nicht selten lässt sich die Patella nicht ohne Sedierung reponieren, eine Spontanreposition ist aber auch möglich. Häufig kann man einen starken Druckschmerz über dem medialen Retinakulum auslösen. Bei rezidivierenden Luxationen, der habituellen oder der chronischen Luxation ist der klinische Befund meist abweichend. Zwar findet man v. a. bei der rezidivierenden Luxation immer wieder traumatische Geschehnisse als Auslöser, doch sind diese bei genauerem Nachfragen von eher geringerer Intensität. Es kann zu einem Kniegelenkerguss kommen. Die Ergussneigung nimmt aber mit der Häufigkeit der Luxationsereignisse ab.
In der Regel reponiert sich die Kniescheibe spontan oder zeigt nur eine persistierende Luxationsneigung (Abb. 5). Klinisch kann dann als einziges Zeichen das positive Apprehensionzeichen, also die manuelle Luxierbarkeit der Patella nach lateral, zu finden sein. Bei der chronischen Luxation begibt sich die Kniescheibe bereits mit Beginn des Beugevorgangs sichtbar in Luxationsstellung (Abb. 6). Lange unbehandelt gebliebene rezidivierende und habituelle Luxationen können auch ein retropatellares Krepitationsgeräusch zeigen. Assoziierte, eine patellare Instabilität unterhaltende Fehlstellungen wie eine valgische Beinachse oder ein Rotationsfehler müssen erkannt werden.
Wir kennen einige Systemerkrankungen, mit denen eine generalisierte ligamentäre Laxizität verbunden ist. Das bekannteste Beispiel ist die Trisomie 21. Ein Hauptbefund am Bewegungsapparat beim Down-Syndrom ist die habituelle Patellaluxation, die sehr schwer behandelbar ist. Sie tritt einerseits bereits deutlich vor dem 10. Lebensjahr auf, andererseits neigt sie bei diesem Patientengut zu häufigen Rezidiven.
Die bildgebende Diagnostik umfasst zunächst ein Röntgenbild des Kniegelenks in 2 Ebenen und eine Patellatangentialaufnahme in 30° Flektion. Man sucht nach knöchernen Läsionen an der medialen Patellafacette und am Patellafirst sowie am lateralen Femurkondylus. Außerdem fahndet man nach osteochondralen Fragmenten. Die femoropatellare Dysplasie und das Vorliegen einer Patella alta müssen überprüft werden. Die erweiterte Bildgebung beinhaltet die Durchführung eines Magnetresonanztomogramms (MRT), welches v. a. bei akuten Ereignissen und Hämarthrosbildung obligat ist. Es lassen sich die Weichteilzerreißungen, die Kontusionsherde und auch chondrale oder osteochandrale Läsionen aufspüren. Bei Patienten mit häufigen Luxationen und zusätzlichen klinischen Auffälligkeiten wie Achsfehlstellungen können Ganzbeinstandaufnahmen oder Rotationswinkelbestimmung mit Computertomogramm (CT) oder MRT nötig sein.
Therapiemöglichkeiten
Akute Patellaluxation
Wenn die luxierte Patella sich nicht sofort spontan reponiert, muss sie unter Gabe von analgesierenden und sedierenden Medikamenten reponiert werden. Bei einer starken schmerzhaften Ergussbildung kann eine Aspiration des Hämarthros hilfreich sein. Die weitere Therapie wird in den meisten Fällen konservativ geführt, kann aber auch einmal primär operativ sein.
In der akuten Phase wird das Kniegelenk im gespaltenen Oberschenkeltutor ruhig gestellt. Behelfsweise kann auch eine immobilisierende Knieschiene verwendet werden. Es muss dann entschieden werden, ob eine primäre chirurgische Intervention erforderlich ist oder ob die konservative Behandlung fortgeführt wird.
Die Indikationen für eine operative Therapie ergeben sich bei Nachweis intraartikulärer chondraler und osteochondraler Fragmente.
Bei sehr ausgedehnten Weichteilverletzungen wird zunehmend die primäre operative Behandlung angeraten, auch wenn keine knorpelige oder knöcherne Schädigung eingetreten ist.
Die konservative Therapie besteht in unseren Händen aus einer 4-wöchigen Immobilisation des Kniegelenks in einem Gipstutor mit sich anschließendem Muskelaufbautraining der patellastabilisierenden Oberschenkelmuskulatur. In Abhängigkeit von der Schmerzsymptomatik lassen wir eine allmähliche Belastung des verletzten Beins zu. Für 6 Wochen besteht eine generelle Sportkarenz, für kniebelastende Sportarten werden 12 Wochen Pause empfohlen.
Die operative Behandlung wird vom Verletzungsausmaß diktiert. Die Kniegelenke werden zunächst arthroskopisch untersucht, chondrale und osteochondrale Fragmente geborgen und auf Refixierbarkeit überprüft. Eine arthroskopische Stabilisierungsoperation ist möglich [24], allerdings präferieren wir die offene Vorgehensweise. Neben der Refixation osteochondraler Fragmente mit resorbierbaren Schrauben oder Pins werden gelegentlich auch Metallschrauben benutzt (Abb. 7).
Bei der Weichteilrekonstruktion konzentrieren wir uns auf die Wiederherstellung des Lig. femoropatellare mediale [7]. Eine Naht ist selten möglich, sodass sich in unseren Händen die Rekonstruktion mit einem gestielten Quadrizepsstreifen bewährt hat [20]. Die Refixation am medialen Femurkondylus gelingt sehr gut mit Knochenankern. Alternativ kann eine Rekonstruktion mit der Semitendinosussehne vorgenommen werden. Zusätzlich ergibt sich nicht selten auch die Möglichkeit einer Rekonstruktion des medialen Retinakulum zur Verbesserung der Stabilisierung. Von einer gleichzeitigen Spaltung des lateralen Retinakulum sehen wir bei der Akutversorgung ab, es sei denn eine erfolgreiche Zentrierung der Patella erfordert diese Maßnahme ausdrücklich. Viel schwieriger ist die Beratung in Richtung einer primären operativen Maßnahme, wenn keine Knorpel- oder osteochondralen Schäden eingetreten sind. Aufgrund der hohen Rezidivrate nach konservativer Therapie beraten wir die Kinder und ihre Eltern doch zunehmend in Richtung der Primäroperation, v. a. wenn das MRT eine massive Weichteilschädigung darstellt. Dieser Trend wird auch in Berichten in der Literatur beobachtet [25].
Rezidivierende, habituelle und chronische Patellaluxation
Das Therapieziel bei allen mit einer hochgradigen patellofemoralen Instabilität einhergehenden Formen ist die dauerhafte Stabilisierung des femoropatellaren Gelenks.
Therapieziel ist die dauerhafte Stabilisierung des femoropatellaren Gelenks
Dies ist mit konservativen Maßnahmen nur ausnahmsweise erreichbar. Es wurde eine Fülle von operativen Behandlungsverfahren beschrieben. Sie beinhalten die Rekonstruktion des Streckapparats, die Stabilisierung der Patella durch Zügelungsoperationen oder die weichteilige oder knöcherne Versetzung des Patellarsehnenansatzes. Ein anderer Therapieansatz ist die operative Wiederherstellung des dysplastischen Gleitlagers durch die Trochleaplastik [22]. Zu beachten ist, dass knöcherne Stabilisierungsoperationen nur nach Verschluss der Wachstumsfugen an der Tuberositas tibiae und am distalen Femur vorgenommen werden dürfen. In der Therapie der chronischen patellofemoralen Instabilitäten gehört das laterale Release zum Standardrepertoire.
Bei einfachen Instabilitäten beschränken wir unseren operativen Eingriff auf ein laterales Release und eine Distalisierung des Ansatzes des M. vastus medialis [13]. Eine Rekonstruktion des Lig. femoropatellare mediale und eine Doppelung des Retinaculum mediale sind ergänzend bei größeren Instabilitäten optional. Für Rezidiveingriffe und schwere habituelle und chronische Luxationen kommt im Wachstumsalter zur proximalen Rekonstruktion die Semitendinosusplastik [11] oder die hälftige Versetzung des Patellarsehnenansatzes nach Goldthwait [6, 14] oder beides zusammen in Frage [9, 15].
Nach Wachstumsabschluss präferieren wir die Tuberositasversetzung nach Elmslie-Trillat mit guten mittel- und längerfristigen Ergebnissen (Abb. 8). Eine ganz andere Philosophie verfolgt die direkte Therapie der Trochleadysplasie durch die Trochleaplastik. Im Wachstum nicht anwendbar, verfolgt sie die Rekonstruktion des femoropatellaren Gleitlagers am Ort der Dysplasie. Die wenigen Literaturberichte beschreiben diese Methode als sehr erfolgreich.
Eine ganze Reihe von Patienten hat aber Begleitfehlstellungen der Achsen der unteren Extremität, ohne deren gleichzeitige Beseitigung eine erfolgreiche Therapie der Patellaluxation nicht denkbar ist. Im Wachstumsalter können Genua valga mit einer temporären Epiphyseodese korrigiert werden, danach durch Korrekturosteotomien. Rotationsfehler, die die Patellaluxation unterhalten, müssen durch Rotationsosteotomien beseitigt werden. Nur eine präzise Betrachtung und Behandlung der Gesamtzusammenhänge wird einen Therapieerfolg bringen.
Komplikationsraten
Die beiden wesentlichen zu erwähnenden Komplikationen sind persistierende femoropatellare Schmerzen bei erreichter Patellastabilität und das Luxationsrezidiv. Die Rate persistierender femoropatellarer Schmerzen liegt relativ konstant in der Größenordnung von knapp 15% [11, 14]. Die Rezidivluxationsrate variiert in Abhängigkeit der Art der Luxation und der verwendeten Therapiemethode. Bei der traumatischen Erstluxation finden wir mit etwa 70% Reluxationsrate die höchsten Werte, wobei 52% der Rezidive innerhalb der ersten 2 Jahre nach dem Erstereignis auftreten [21]. Es ist dabei unerheblich, ob die Erstluxation konservativ oder operativ behandelt wurde.
Die stabilisierenden operativen Verfahren haben ganz unterschiedliche Reluxationsraten zu bieten. Für die arthroskopische Retinakulumnaht stehen ca. 20% Rezidive zu Buche [24]. Für die alleinige Rekonstruktion des Lig. patellofemorale mediale werden >25% an Reluxationen angegeben [3], eine Quote, die sich aber nicht durchgehend für dieses Verfahren in der Literatur wiederfindet [19]. Deutlich niedrigere Rezidivneigungen versprechen Kombinationsverfahren. So kann die Rezidivquote durch eine Medialisierung des Patellasehnenansatzes auf Werte von 4–7% gesenkt werden [1, 11, 12]. Die besten Werte erreicht man durch die Trochleaplastik, die zuverlässig ohne Reluxationen auszukommen scheint. Allerdings werden längerfristig doch femoropatellare Schmerzsyndrome beobachtet [10].
Diskussion
Die Therapie aller Formen der Patellaluxation ist nicht unumstritten. Die wichtigsten Fragen kreisen um Sinn und Notwendigkeit einer operativen Primärtherapie der traumatischen Erstluxation sowie um die Auswahl der geeignetsten Methode zur Stabilisierung des femoropatellaren Gelenks. Die Verfügbarkeit von längerfristigen Ergebnissen mit Nachweis von vorzeitigen Femoropatellararthrosen hat die herkömmlichen Therapiemethoden auf den Prüfstand gestellt und Verfahren wie der Trochleaplastik mehr Kredit gebracht. Weitgehend unumstritten sind die Notwendigkeit einer primären Refixation abgerissener osteochondraler Fragmente, die Vermeidung knöcherner Eingriffe im Wachstumsalter und die gleichzeitige Korrektur übergeordneter Achsfehlstellungen [25].
Die Primärtherapie der traumatischen Erstluxation wird meistens initial konservativ geführt
Die Primärtherapie der traumatischen Erstluxation wird von den meisten Autoren initial konservativ geführt, weil es keine Evidenz gäbe, dass durch eine chirurgische Primärbehandlung bessere Resultate erzielt werden könnten [18, 21]. Insbesondere arthroskopische Rekonstruktionstechniken konnten keine besseren Resultate als die konservative Behandlung vorweisen [24]. Allerdings gibt es auch Arbeitsgruppen, die eine deutliche Überlegenheit der operativen Therapie bei der akuten Patellaluxation gefunden haben [2]. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die kurzfristigen Resultate zwar günstiger ausfallen, dieser Effekt aber im Langzeitverlauf wieder verloren geht [21]. Eine schlüssige therapeutische Strategie für die akute Patellaluxation könnte darin bestehen, die chirurgische Primärtherapie für alle Patienten mit chondralen und osteochondralen Frakturen, mit ausgedehnten medialen Weichteilschäden und sehr starker Patellalateralisation vorzuschlagen. Den übrigen Patienten sollte eine primär konservative Behandlung angeboten werden [25].
Zur Korrektur der rezidivierenden Patellaluxation führen Kombinationen von Eingriffen zu besseren Ergebnissen [4, 6, 9, 11, 12, 14, 15] als beispielsweise die isolierte Rekonstruktion des Lig. patellofemorale mediale [3]. Mit einer zusätzlichen knöchernen Tuberositasversetzung in der Technik der Elmslie-Trillat-Operation können in >90% erfolgreiche Ergebnisse erwartet werden [1]. Diese Eingriffe haben aber durch den Nachweis der Ausbildung einer femoropatellaren Arthrose in Langzeitstudien viel von ihrem Glanz verloren [16]. Dabei spielt die Entstehung femoropatellarer Schmerzen eine viel größere Rolle als etwa das Wiederauftreten einer Patellainstabilität. Bei alleinigen Weichteileingriffen, beispielsweise durch Rekonstruktion des Lig. patellofemorale mediale, scheint das Risiko der Femoropatellararthrose auch auf lange Sicht deutlich geringer [19].
In letzter Zeit wurden Operationstechniken zur direkten Korrektur der Trochleadysplasie entwickelt. Sowohl die Kurzzeitergebnisse [26] als auch mittelfristige Resultate zeigten, dass die Trochleaplastik erfolgreich zur Therapie der rezidivierenden Patellaluxation angewandt werden kann [22]. Längerfristige Ergebnisse offenbarten dann aber die Entstehung degenerativer Veränderungen im Femoropatellargelenk in 30% der Fälle. Patellarezidivluxationen konnten durch die Methode aber zuverlässig verhindert werden [10].
Da aber durch rezidivierende Patellaluxationen ohnehin Schädigungen des Femoropatellargelenks gesetzt werden, die mittel- und langfristig in eine schmerzhaften Arthrose münden, muss die zuverlässige Vermeidung der fortbestehenden Luxation von einer erfolgreichen Operationsmethode verlangt werden. Mit dem skizzierten Konzept der proximalen Rekonstruktion des Patellahalteapparats, der zusätzlichen Patellazügelung oder Medialisierung des Patellaansatzes an der Tibia oder mit der Verbesserung des femoropatellaren Gleitlagers wird dieses Ziel im und nach dem Wachstum erreicht.
Fazit für die Praxis
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Die Behandlung der traumatischen Patellaerstluxation wird trotz eines Trends zu operativen Erstbehandlungen primär konservativ geführt. Eine Überlegenheit der Primäroperation kann die Literatur nicht nachweisen.
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Operative Primärinterventionen sind nur bei schweren Zerreißungen des medialen Kapsel-Band-Apparats und immer bei Nachweis osteochondraler Fragmente gerechtfertigt. Für die rezidivierende, habituelle und chronische Luxation hingegen empfiehlt sich die chirurgische Vorgehensweise.
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Die Rekonstruktion des Patellahalteapparats, die Zügelung der Patella nach medial, die Versetzung des Ansatzes des Lig. patellae und die Trochleaplastik stellen insbesondere als Kombinationsbehandlung geeignete Verfahren zur Vermeidung weiterer Luxationen dar. Allerdings müssen die Patienten langfristig auf die Entstehung degenerativer Veränderungen im Femoropatellargelenk und schmerzhafter Episoden vorbereitet werden.
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Wirth, T. Patellaluxationen. Unfallchirurg 114, 388–395 (2011). https://doi.org/10.1007/s00113-011-1968-z
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00113-011-1968-z
Schlüsselwörter
- Patellaluxation
- Lig. patellofemorale mediale
- Trochleadysplasie
- Osteochondrales Fragment
- Vastus-medialis-Versetzung