Die traumatische Luxation stellt eine schwere Verletzung des Kniegelenks dar. Sie führt häufig zu einer ausgedehnten ligamentären Verletzung und ist oft mit vaskulären und nervalen Schäden vergesellschaftet. Zusätzlich beinhaltet die offene Luxation einen relevanten Weichteilschaden und kann trotz mehrfacher operativer Eingriffe in einem Gelenkinfekt bis hin zur Gelenksteife enden. Nur die konsequente und schnelle Diagnostik und Therapie vaskulärer Begleitverletzungen kann vor einem Verlust der Extremität schützen.

Behandlungskonzepte einer komplexen Kniegelenkluxation mit Begleitverletzung und ausgedehntem Weichteilschaden reichen von der frühzeitigen Stabilisierung mit kurzfristiger Gipsruhigstellung, über längere Gelenkruhigstellungen im Gips oder mittels starrem Fixateur bis zur primären Arthrodese bei starker Gelenkflächenzerstörung und größeren Knochendefekten v. a. beim älteren Menschen. Um die negativen Effekte einer prolongierten Ruhigstellung auf die Beweglichkeit und den Gelenkknorpel zu minimieren, therapieren wir komplexe Kniegelenkluxationen in Analogie zur Ellenbogenluxation mit einem dynamischen gelenkübergreifenden Fixateur externe. Unter Entlastung der Gelenkflächen wird die Gelenkbewegung in einer für das Knie reduzierten Amplitude durch den äußeren Kraftträger geführt und die rekonstruierten Kniebinnenstrukturen werden bis zur Einheilung dynamisch geschützt.

Klinische Aspekte und Therapie

Traumatische Luxationen des Kniegelenks sind selten und meistens Ursachen eines Hochenergieunfalls [1]. Die klinische Untersuchung beginnt mit einer Prüfung des Gefäß- und Nervenstatus, einer Einschätzung der Weichteilsituation gefolgt von einer Stabilitätsprüfung des Kniegelenks [6]. Das Übersehen oder ein zu spätes Erkennen einer Gefäßverletzung kann katastrophale Folgen bis hin zur Amputation der Extremität nach sich ziehen.

Ein Übersehen von Gefäßverletzungen kann einen Verlust der Extremität nach sich ziehen

Eine weitere schwerwiegende Folge einer Knieluxation ist eine zumindest transiente Schädigung des N. tibialis oder N. peronaeus, die in bis zu 25% aller Knieluxationen vorkommt [19]. Da eine große Anzahl der Kniegelenkluxationen spontan reponiert, erfordert die Standardröntgenaufnahme in 2 Richtungen eine subtile Analyse: Gelenkasymmetrien, geringe Subluxationen, kleine Abrissfrakturen oder Impressionen können ein Hinweis auf diese schwere Verletzung sein [6]. In der Akutsituation kann eine Untersuchung des Patienten in Narkose hilfreich sein, um die Instabilitäten aufzudecken. Obwohl es Berichte über isolierte vordere oder hintere Kreuzbandverletzungen bei Luxationen gibt, sind meistens beide Kreuzbänder gerissen. Durch die Kombination mit Verletzungen der posterolateralen oder posteromedialen Kapsel-Band-Strukturen resultieren kombinierte und komplexe Instabilitäten [9].

Der Zeitpunkt der Versorgung komplexer Bandverletzung nach Kniegelenkluxation wird kontrovers diskutiert. Der Benefit einer frühen Bandrekonstruktion und Stabilisierung des Kniegelenks muss gegen das Arthrofibroserisiko und das Infektrisiko einer frühen ausgedehnten Operation in der Schwellungssituation ausbalanciert werden [6]. Neben der direkten Refixation oder Naht knöchern ausgerissener Strukturen [5] bestehen Empfehlungen zur Behandlung der Instabilitäten in der Rekonstruktion des Außenbandes und der posterolateralen Ecke, der Rekonstruktion der Kreuzbänder, des Innenbandes und der posteromedialen Ecke [5, 6, 9, 14, 15].

Offene Luxationen und/oder Gefäßverletzungen sind Indikationen für einen Fixateur externe

Ausgedehnte Weichteilschädigungen mit Kompartmentsyndrom, offene oder nicht reponible Luxationen oder Verletzungen der neurovaskulären Strukturen sind Indikationen für eine notfallmäßige Operation [6]. Die Verletzung vaskulärer Strukturen wird als Notfall gefäßchirurgisch angegangen. Eine offene Kniegelenkluxation bedarf der aggressiven Spülung und des Débridements, der Einlage von Antibiotikaträgern und evt. einer Vakuumversiegelung bis hin zur plastischen Deckung. In dieser Notfallsituation wird die Rekonstruktion ligamentärer Strukturen durch allo- oder autoplastischen Ersatz nicht durchgeführt. Sie erfolgt nach Konsolidierung der Weichteile [6]. Eine primäre Rekonstruktion ist nur bei knöchern ausgerissenen Bandstrukturen oder durch die offene Luxation freiliegenden Bandstrukturen sinnvoll [5].

Die verbleibende Restinstabilität des verletzten Kniegelenks bedarf weiterer Therapie. In dieser Situation sowie bei neurovaskulärer Schädigung wird ein starrer gelenkübergreifender Fixateur empfohlen [14, 15]. Ein Etappendébridement mit einer zweizeitigen Bandnaht in Kombination mit einem starren gelenkübergreifenden Fixateur externe ergab mäßige Ergebnisse [4, 13, 18]. Therapiekonzepte umfassen die ventrale starre externe Fixation gefolgt von interner Fixation, sequenziellem Débridement und Weiteildeckung [4, 11, 13, 16, 17, 18].

Eine prolongierte Ruhigstellung des Gelenks hat negative Folgen für den Knorpel, die Meniskus- und Bandheilung

Experimentelle Daten im Tiermodell zeigen negative Effekte einer prolongierten Gelenkruhigstellung auf die Knorpelfunktion und auf eine Meniskus- und Bandheilung [3, 8, 12]. Im Hundemodell konnten Behrens et al. [3] zeigen, dass eine limitierte Bewegung zu einer geringeren Hemmung der Proteoglykansynthese und zu weniger Proteoglykanverlust am Kniegelenkknorpel führt als eine komplette Ruhigstellung. Deshalb empfehlen die Autoren eine möglichst kurzfristige Ruhigstellung und den Einsatz eines Fixateurs mit Bewegungseinheit, um eine Gelenkbewegung zu erlauben [3]. Gosh et al. [8] sahen positive Effekte auf die Matrixformation im regenerativen Gewebe nach Meniskusregeneration bei Hunden im Vergleich zu Knorpeldegeneration im Falle einer starren Fixierung des Gelenks. Klein et al. [12] zeigten im Hundemodell, dass eine passive Gelenkbewegung einer Band- und Meniskusatropie entgegenwirkt. Die knöchernen Strukturen atrophieren jedoch trotz passiver Bewegung unter Entlastung [16]. Salter et al. [21] übertrugen ihre experimentelle Erfahrung der passiven kontinuierlichen Gelenkbewegung auf dem Menschen.

Der dynamische gelenkübergreifende Fixateur externe erlaubt in begrenztem Umfang eine frühe Bewegungstherapie am Kniegelenk

Um negative Effekte der prolongierten Ruhigstellung des reponierten Gelenks zu verhindern, wurde ein transartikulärer Bewegungsfixateur externe zunächst für das Ellenbogengelenk entwickelt, um eine frühe Gelenkbewegung nach Frakturversorgung zu ermöglichen. Der Aufbau des Fixateurs erlaubt die aktive und passive Bewegung des verletzen Gelenks unter geringer die gelenkflächenentlastender Distraktion. Eine kurzfristige Ruhigstellung von 4–14 Tagen ist allein weichteilbedingt sinnvoll [7, 20]. Bisher war eine dynamische Distraktion des Kniegelenks auf Sonderfälle wie die Gelenksteife und Beugekontrakturen beschränkt [2, 10, 24] und die äußere Fixierung eines Gelenks in der Unfallsituation beschränkte sich auf eine starre Fixierung.

Im Gegensatz zum Ellenbogengelenk ist das Kniegelenk kein sphärisches Gelenk, in dem sich das Drehzentrum während der Beugung und Streckung verschiebt. Es liegt in der Kreuzung beider Kreuzbänder und bleibt nur bei einer limitierten Bewegungsamplitude des Knies annähernd konstant, sodass in diesen Grenzen eine passive und aktive Bewegung des Gelenks unter leichtem Zug möglich ist. Der Transfer des Ellenbogenfixateurs mit einem starren, nicht wechselnden Drehzentrum auf das komplexe Drehverhalten eines Roll-Gleit-Gelenks wie das Knie ist keine ideale Lösung, erlaubt jedoch eine limitierte aber stabile Bewegung in der Verletzungssituation.

Neben der offenen Kniegelenkluxation wird die Anwendung eines dynamischen Fixateur externe in der Kombination aus Luxations- und Fraktursituation beschrieben: Bei der Tibiakopffraktur wird die Inzidenz ligamentärer Verletzungen zwischen 33% und 90% angegeben [6]. Von 103 Tibiakopffrakturen identifizierten Stannard et al. [23] 26% Luxationsfrakturen. Nach initialer Weichteilkonsolidierung und anschließender Osteosynthese empfehlen Fanelli et al. [6] in der 3. Behandlungsphase der Luxationsfraktur neben der Bandrekonstruktion die Anlage eines Bewegungsfixateurs zur geführten Sicherung der rekonstruierten Bandstrukturen [6].

Operationstechnik

Die Anlage des dynamischen Gelenkfixateurs am Kniegelenk beginnt mit der Identifikation des idealisierten Drehzentrums. Es befindet sich anatomisch in der transepikondylären Achse nahe dem Ansatz des hinteren Kreuzbandes (HKB, [25]). Zusammen mit dieser klinisch schwierig zu identifizierenden Achse bietet die Kreuzung der Femurlängsachse mit der Blumensaat-Linie im lateralen Strahlengang radiologisch eine Hilfestellung ([22], Abb. 1 a). In diesen idealisierten Drehpunkt wird unter Röntgenkontrolle von exakt seitlich ein 2-mm-Kirschner-Draht eingebracht. Dieser bedient das Drehzentrum des von medial angebrachten Fixateur externe. In Analogie zur Applikation eines dynamischen Fixateur externe am Ellenbogengelenk hält der Kirschner-Draht im Drehzentrum von Kraftträger und Kniegelenks die korrekte Position (Abb. 1 b), sodass die femoralen Pins mit einer Länge von 140 mm im Regelfall und einem Gewinde von 40 (140/40) mm und die tibialen Pins (130/40 mm) über Stichinzisionen und vorsichtigem Spreizen mit der Schere eingebracht werden (Abb. 1 cde).

Unter vorsichtiger Präparation werden die femoralen Weichteile leicht nach dorsal weggeschoben, der Knochen mit einen Stößel getastet und die A. und V. femoralis sicher geschont (Abb. 1 f). Im Anschluss an die femoralen Pins erfolgt das Einbringen der tibialen Pins (Abb. 1 g). Die Feineinstellung von Achse und Rotation des instabilen Gelenks erfolgt über sphärische Zusatzgelenke zwischen Fixateurkörper und Backen. Die korrekte Position des Drehzentrums zeigt sich im stabilen Leichenknie darin, das sich der Kirschner-Draht sich bei Beugung und Streckung in den Grenzen von 0-0-80° nicht verbiegt (Abb. 1 hi). Die radiologische Kontrolle des Gelenkspalts unter Durchleuchtung nach der Entfernung des Kirschner-Drahts bestätigt dies. Ein laterales Anbringen mit einer femoralen Pinplatzierung durch den Tractus ileotibialis behindert eine Gelenkbewegung und wird nicht empfohlen. Im Anschluss daran wird der Fixateur in 10°-Beugung fixiert und das Gelenk wird in Analogie zur Distraktionsarthrolyse des steifen Ellenbogens mit einer speziellen kleinen Vorrichtung auf leichten Zug gebracht, um den Gelenkknorpel zu entlasten. Die kurzfristige Ruhigstellung von 4–14 Tagen richtet sich nach der Weichteilsituation des luxierten Knies, bis die Bewegung des Gelenks beginnend mit 0-0-50° und später auf maximal 0-0-80° Beugung freigegeben wird. Die Entfernung des Fixateur externe wird wie am Ellenbogengelenk nach etwa 6 Wochen ambulant durchgeführt. Etwaige zusätzlich nötige ligamentäre Rekonstruktionen können im reizfreien Zustand durchgeführt werden.

Abb. 1
figure 1

a–i Montageschritte des Kniegelenkfixateurs am Leichenmodell (s. Text): Die A. und V. femoralis (f) sind gepunktet dargestellt

Patienten

Bei 4 Patienten lag eine Luxation des Kniegelenks vor, welche mit einem dynamischen äußeren Kraftträger von medial versorgt wurde. Bei 2 Patienten ergab sich ein Verschluss der A. femoralis mit gefäßchirurgischer Intervention, bei 2 weiteren die offene Luxation die Indikation zur Anlage des Fixateur externe. Tab. 1 zeigt eine Patientenübersicht von 4 behandelten Patienten. Abb. 2 zeigt das Knie einer 34-jährigen mehrfach verletzten Fahrradfahrerin, die von einem Laster überfahren wurde mit einer drittgradig offenen Kniegelenkluxation im klinischen (Abb. 2 a) und radiologischen (Abb. 2 b) Bild. Es bestand ein ausgedehntes Décollement über 30 cm am rechten Bein, beginnend am proximalen Drittel des Oberschenkels bis zur Tuberosits tibiae, in einer lateralen Ausdehnung bis zum Tractus ileotibialis.

Tab. 1 Patientendaten

Bei der Inspektion und intraoperativen Untersuchung des rechten Kniegelenks zeigte sich eine vollständige Instabilität mit einer zerrissenen dorsomedialen Kapsel, einem dislozierten Innenmeniskus und einem distal abgerissenen Innenband. Das vordere Kreuzband (VKB) war aus der femoralen Notch ausgerissen, die ventralen Anteile des HKB waren zerrissen, das Außenband war zerquetscht und subtotal zerrissen. 90% der Patellarsehne war abgerissen. Nur die posterolateralen Strukturen des Kniegelenks waren intakt. Die Refixation des VKB erfolgte mit nicht resorbierbaren transossären Nähten durch das Femur. Die Patellarsehne wurde ebenfalls mit nicht resorbierbaren Nähten rekonstruiert und mit einer Mclaughlin-Schlinge gesichert, gefolgt von der Naht des Innenmeniskus und der Befestigung der dorsomedialen Gelenkkapselstrukturen mit 3 Feingewindeschrauben (1,6 mm, FFS Orthofix™, Bussolengo, Italien) mit Unterlegscheiben am tibialen Ansatz. Das Innenband wurde mit einer 2,2-mm-Feingewindeschaube (FFS) mit einer Krallenunterlegscheibe am tibialen Ansatz reinseriert (Abb. 2 c). Die Rekonstruktion der zerstörten Kniebinnenstrukturen wurde durch einen Fixateur externe, der in oben beschriebener Weise angebracht wurde, geschützt (Abb. 2 d). Sechs Monate nach dem Unfall kehrte die Patientin mit einer Beweglichkeit von 0-0-120° und einem stabilen Kniegelenk in ihren Beruf als Polizistin zurück (Abb. 2 ef).

Abb. 2
figure 2

a–f Knie einer 34-jährigen Patientin von der Einlieferung bis zum Behandlungsabschluss. Die rekonstruierten Kniebinnenstrukturen und die Weichteilsituation wurden durch einen dynamischen Fixateur externe geschützt. (Mit freundl. Genehmigung von Wolters Kluwer Health)

Fazit für die Praxis

Die Kniegelenkluxation mit Gefäßläsionen oder Weichteildefekten im Sinne einer offenen Verletzung sowie Luxationsfrakturen sind komplexe, die Extremität gefährdende Verletzungen. Neben dem Weichteilmanagement und der Versorgung der Gefäßverletzung steht die Stabilisierung des Gelenks und dessen knöcherne Rekonstruktion im Vordergrund. Die Versorgung der Gefäßverletzung kann durch die vorherige Stabilisierung des Gelenks mit einem Bewegungsfixateur erleichtert werden. Aufwändige Kapsel-Band-Rekonstruktionen werden in der Notfallsituation auf ein Minimum begrenzt. In dieser Situation erlaubt die Anlage eines Bewegungsfixateurs eine im Vergleich zum starren Fixateur dynamische Gelenkstabilisierung und erleichtert die Reposition. Nach der Konsolidierung der Weichteilsituation kann die definitive Bandrekonstruktion ggf. unter dem Schutz des Bewegungsfixateurs durchgeführt werden.