Komplexverletzungen der Extremitäten sind meist Folge hochenergetischer Rasanztraumata und durch eine gleichzeitige schwerwiegende Verletzung mehrerer Gewebetypen gekennzeichnet, d. h. einer kombinierten ausgedehnten Verletzung von Knochen, Gelenken und Weichteilen (Muskel, Haut, Sehnen und/oder Nerven). Eine schwerwiegende Verletzung mit kombinierter Defektbildung von 2 oder mehr Gewebetypen, d. h. simultaner osteoligamentärer Destruktion, Gefäß- oder Nervenläsionen und Haut- bzw. Weichteildefekten („composite/multilayer defects“) wird auch als „compound defect“ bezeichnet [1]. Die Rekonstruktion solcher komplexen (Compound-) Verletzungen ist meist nicht durch einfache Osteosynthesen oder direkten Weichteilverschluss zu erreichen und erfordert fast immer ein aufwendiges und mehrstufiges Vorgehen (Ilizarov-Verfahren mit Segmenttransport und Kallus-/Weichteildistraktion, lokaler/freier Gewebetransfer einschließlich vaskularisierter Knochentransplantation, Lappendeckungen, autologe Spongiosaplastiken, Nerven-/Sehnentransplantation).

Fast die Hälfte aller Patienten mit offenen Extremitätenfrakturen erleiden zusätzlich andere schwere muskuloskeletale Verletzungen. Ein Fünftel der Patienten zeigt einen Injury Severity Score (ISS) von >15. Hierbei gibt es eine positive Korrelation zwischen der Inzidenz multipler offener Extremitätenfrakturen und ansteigendem ISS [2].

Die Behandlung stellt aufgrund der Komplexität der Verletzung und der Gesamtsituation polytraumatisierter Patienten immer eine Herausforderung dar. Sie erfordert ein klares Behandlungskonzept, welches je nach Verletzungsschwere die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener chirurgischer Subspezialitäten (Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, plastische Chirurgie, ggf. Neurochirurgie und Hand-/Mikrochirurgie) erfordert. Obwohl sich im letzten Jahrzehnt die Anzahl an Verletzungen nicht wesentlich geändert hat, haben sich aufgrund der verbesserten Überlebensrate polytraumatisierter Patienten und der Einführung neuer chirurgischer Rekonstruktionstechniken Veränderungen in der Behandlungsstrategie ergeben [3]. Neue, weichteilschonende (minimal-invasive Zugänge, perkutane winkelstabile Osteosynthesetechniken) und innovative mikrochirurgische Techniken, inklusive lokaler und freier/vaskularisierter Gewebetransfers (Knochen, fasziokutane Lappen, Muskellappen) in Verbindung mit weiterentwickelten Implantaten haben ihren wertvollen Beitrag dazu geleistet und stellen heute integrale Bestandteile des prioritätenadaptierten Behandlungskonzepts dar.

Die klinische Problematik komplexer offener Extremitätenverletzungen liegt zu Beginn v. a. in der schwierigen Einschätzung des primären Weichteilschadens, der damit verbundenen kritischen Perfusion des verletzten Weichteilmantels, der Entwicklung postprimärer Weichteil- und Myonekrosen und dem damit progressiven Gewebeverlust (Sekundärschaden ) mit perspektivisch komplizierter Weichteildeckung. Im weiteren Verlauf kommt dann das bei offenen Frakturen hohe Infektionsrisiko des Knochens und der umliegenden Weichteile mit der Gefahr einer chronischen Osteomyelitis noch erschwerend hinzu.

So tritt das „Problemfeld Knochen“ als einzelne Verletzungskomponente in der prognostischen Bedeutung schwerer, offener Extremitätenfrakturen immer mehr in den Hintergrund. Aufgrund zahlreicher Methoden zur Frakturstabilisierung und Wiederherstellung knöcherner Kontinuität ist selbst ein segmentaler Knochenverlust durch Kallusdistraktion bzw. Segmenttransport oder freien vaskularisierten Knochentransfer im Verlauf lösbar – insofern der Weichteilmantel intakt, gut perfundiert und infektfrei ist. Ganze Trümmerzonen, deperiostierte und avitale Knochenfragmente werden im Interesse der Weichteilkonsolidierung, Reduktion des Kompartmentvolumens und konsekutiven Druckabnahme sowie einer interponatfreien direkten Gefäßrekonstruktion reseziert (primäre Verkürzung). Nach Erholung der Weichteile kann der betroffene Knochen wieder verlängert werden (sekundäre Verlängerung). Die Prognose und der Erfolg der Behandlung solcher Komplexverletzungen werden vielmehr durch den Grad des assoziierten Weichteilschadens, dessen initiale präzise Evaluation sowie der sequenziellen Versorgung unter Berücksichtigung eines festen Behandlungsalgorithmus determiniert. Prinzipiell erfolgt nach Analyse des Frakturtyps, des entstandenen Weichteilschadens und neurovaskulärer Begleitverletzungen das radikale, serielle Débridement und ggf. die Kompartmentspaltung, gefolgt von schrittweiser Rekonstruktion des Knochens, der Gefäße, Sehnen und Nerven mit abschließender, plastischer Weichteildeckung.

Epidemiologie und Klassifikation

In einer umfassenden epidemiologischen Studie zeigten Court-Brown et al., dass offene Extremitätenfrakturen mit einer Häufigkeit von 11,5/100.000 Einwohner pro Jahr auftreten. Das männliche Geschlecht ist dabei häufiger betroffen. Die überwiegende Ursache sind Verkehrsunfälle (ca. 60%), gefolgt von einfachen Stürzen (ca. 20%). Weitere 10% sind Folge von Stürzen aus großer Höhe und ca. 5% gehen auf Sportunfälle zurück. In weiteren 5% der Fälle sind direkte Anpralltraumen, Körperverletzungen oder Quetschverletzungen ursächlich für die offenen Frakturen [2].

Die möglichst genaue Klassifikation der Verletzung ist der erste Schritt in der Behandlung und ist maßgeblich für die Auswahl der zur Verfügung stehenden Therapieformen. Die Klassifikation des Weichteilschadens nach Gustilo und Anderson , welche 1976 entwickelt und 1987 modifiziert wurde (Tab. 1; [25, 26]) wird von einigen Autoren aufgrund einer nicht unerheblichen Interobservervariabilität kritisiert [27, 28], gilt aber insgesamt als weltweit akzeptiert. Obwohl zumindest in erst- und zweitgradig offenen Frakturen nach Gustilo/Anderson die Größe der Hautwunde, welche in direkter Verbindung zur Frakturzone steht, als Klassifizierungsmerkmal dient, können Großteile des Weichteilschadens unter der intakten, aber gequetschten Haut verborgen liegen. Eine klare Korrelation besteht zwischen der Schwere des Weichteilschadens und der Infektionsrate, wobei diese von 0–2% für Grad-I-, 2–5% für Grad-II-, 5–10% für Grad-IIIA-, 10–50% für Grad-IIIB- bis 25–50% für Grad-IIIC-Frakturen reicht [8, 26].

Obwohl nahezu alle modernen bildgebenden Verfahren qualitative Aussagen über den posttraumatischen Weichteilschaden erlauben, stehen klinisch brauchbare Testverfahren zur quantitativen Beurteilung des Schadensausmaßes bisher nicht zur Verfügung. Derzeit fehlen eindeutige diagnostische Kriterien [29], die eine sichere präoperative Unterscheidung von reversibel (vital) und irreversibel (avital) geschädigten Weichteilen erlauben und damit differenzialtherapeutische und prognostische Folgeschlüsse zulassen. Biologische Therapiekonzepte, die eine aktive Gewebsprotektion zum Ziel haben, stehen derzeit nur limitiert zur Verfügung. Das wahre Ausmaß des Weichteilschadens wird bei der initialen Untersuchung oft unterschätzt. Der intraoperative Befund im Rahmen der Débridements zeigt sehr häufig einen höheren Weichteilschaden als präoperativ eingestuft. Daher kann der Grad der Weichteilschädigung erst postprimär, d. h. intraoperativ klassifiziert werden [30].

Tab. 1 Klassifikation des Weichteilschadens offener Frakturen nach Tscherne und Gustilo/Anderson

Die Definition einer subtotalen Amputation beinhaltet als Hauptkriterium immer die Durchtrennung der wichtigsten anatomischen Strukturen, einschließlich der Hauptgefäßverbindung mit einer residualen Weichteilbrücke von weniger als ein Viertel der Zirkumferenz und impliziert damit immer eine Ischämie, d. h. eine Grad IIIC offene Fraktur [31, 32].

Pathophysiologie des offenen Weichteilschadens

Pathomorphologisches Korrelat für den traumatischen Weichteilschaden ist die lokale Perfusionsstörung mit Ischämie, Hypoxie und den daraus resultierenden nutritiven und metabolischen Veränderungen. Neben einer unmittelbaren traumatischen Zerstörung von Gefäßen und Parenchym kommt es in Folge des Traumas zu weiteren prolongierten pathologischen Veränderungen der Mikrozirkulation [33].

Ferner führt die direkte Destruktion von Gewebe zur Aktivierung und Rekrutierung von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten und Ausschüttung proinflammatorischer Mediatoren (Histamin, Kinine, Arachidonsäuremetabolite; [34]). Dies wiederum führt über endotheliale Permeabilitätsstörungen zu einer Ausbildung eines Gewebsödems mit interstitieller Druckerhöhung. Posttraumatisch vermehrt freigesetzte Glukokortikoide und Katecholamine verstärken während des Schockgeschehens die Vasokonstriktion und potenzieren die Ischämie und hypoxische Grundstoffwechsellage.

Pathophysiologisch bleibt der traumatische Weichteilschaden in Abhängigkeit von individuellen Faktoren, vom Ausmaß und der Schwere der Begleitverletzungen, bedingt durch einsetzende Reparaturmechanismen, zunächst lokal begrenzt [33] und schlägt erst nach Überschreiten einer bestimmten Schwelle auf den Gesamtorganismus über. Hierbei können bei entsprechender Traumaschwere freigesetzte Entzündungsmediatoren verletzungsferne Strukturen und Organe in einen generalisierten Entzündungsprozess mehrerer Organsysteme einbeziehen (Systemic Inflammatory Response Syndrome , SIRS; [35, 36]). Der dabei systemisch einsetzende immunologische Abwehrprozess kann außer Kontrolle geraten, und die hochaktiven Abwehrkaskaden (Zellen des mononukleären Phagozytensystems, Komplementsystem) schädigen Endothelien und Parenchymzellen. Es kommt zum Zusammenbruch der körpereigenen Abwehrmechanismen (Protease-Inhibitoren, Antioxidanzien) und zum Zellschaden („remote organ failure“). Hierbei können sequenziell mehrere lebenswichtige Organsysteme reversibel und irreversibel involviert werden (Multiple Organ Dysfunction Syndrome , MODS; [37]). Es gibt weiterhin Hinweise dafür, dass das Stickstoffmonoxid („nitric oxide“; NO-System) bei der Entwicklung der posttraumatischen Mikrozirkulationsstörungen im verletzten Skelettmuskel beteiligt ist [38, 39, 40, 41]. Die im Rahmen der durch Ischämie und/oder Reperfusion verursachte Reduktion der NO-Synthese mit Zunahme der Leukozytenadhärenz und Produktion von Superoxidradikalen ist eines der ersten Anzeichen endothelialer Dysfunktion. Experimentelle Untersuchungen konnten zeigen, dass traumatische Skelettmuskelverletzungen mit einer Aktivierung der induzierbaren NO-Synthetase und NO-Synthese als Zeichen eines NO-vermittelten „Host-defence-Mechanismus“ vergesellschaftet sind [41, 42].

Initiale Untersuchung und Beurteilung

Da komplexe, offene Extremitätenverletzungen oft in Zusammenhang mit polytraumatisierten Patienten vorkommen, ist zunächst das standardmäßige Vorgehen nach dem Protokoll des „Advanced Trauma Life Support“ (ATLS ®) zu verfolgen, um die vitalen Funktionen des Patienten zu sichern [6]. Die therapeutische Strategie offener Extremitätenverletzungen ist hierbei abhängig von der Gesamtsituation des Patienten mit seinen Begleitverletzungen, der Ischämiezeit der Extremität und der weiteren Organschäden in Verbindung mit der hämorrhagischen Schocksituation. Bei allen Bestrebungen zum Extremitätenerhalt und der Wiederherstellung von Anatomie und Funktion darf der Patient in seiner Gesamtprognose hierdurch nicht gefährdet werden. Insbesondere das Vorliegen multipler Verletzungen anderer Organsysteme in Verbindung mit manifester hämorrhagischer Schocksituation macht es dringend erforderlich, den Extremitätenerhalt realistisch abzuschätzen und die Replantationsfähigkeit kritisch zu evaluieren. Replantationen insbesondere der unteren Extremitäten sind bei kritischer Gesamtsituation und hohem Polytraumascore kontraindiziert [7].

Weniger im akuten Fall, sondern eher im Rahmen des abgestuften Behandlungskonzepts sind grundsätzliche Faktoren wie Begleiterkrankungen des Patienten sowie Überlegungen hinsichtlich einer zu erwartenden Compliance einzubeziehen. Bezüglich der Frage nach einer primären Amputation oder Rekonstruktion bei komplexen, höhergradig offenen Extremitätenverletzungen wurden in der Vergangenheit für die untere Extremität verschiedene Scores entwickelt, die unterstützend für die Entscheidungsfindung gelten können (Tab. 2). Jedoch sind diese aufgrund einer geringen Sensitivität für die akute klinische Situation nur bedingt einsetzbar [4]. Bei einem Monotrauma wird die Entscheidung grundlegend klinisch getroffen und wird dabei durch das Maß des Weichteilschadens, assoziierte irreversible Nervenverletzungen, den Kontaminationsgrad und die Dauer der abgelaufenen Ischämiezeit beeinflusst ([5]; Abb. 1).

Tab. 2 Komponenten verschiedener Verletzungsscores für die untere Extremität. (Mod. nach [4])
Abb. 1
figure 1

Makroreplantation. 50-jähriger Patient mit Amputationsverletzung des rechten distalen Unterschenkels nach Überrolltrauma durch eine S-Bahn. a Klinisches Bild. b Seitliche Röntgenaufnahme des Unterschenkelstumpfs nach kompletter Amputation mit massiver Kontamination. c Fußamputat mit separat vorliegender, traumatisch exartikulierter distaler Tibia. d Primäre Verkürzung durch Osteotomie nach ausführlichem Débridement und Jetlavage. e Osteosynthetische Stabilisierung und tibiotalare Arthrodese des oberen Sprunggelenks mittels winkelstabilem Implantat. f End-zu-End Anastomosierung der A. tibialis posterior. g Temporäre Weichteildeckung. h „Schwebende Extremität“ nach Fixateur-externe-Konstruktion zur Weichteilschonung. i Postoperative Röntgenaufnahmen (a.p. und seitlich). j Sekundäre Weichteildeckung durch freien myokutanen Latissimus-dorsi-Lappentransfer

Anamnese, Antibiose

Falls möglich, sollte eine kurze, aber gründliche (Fremd-)Anamneseerhebung bezüglich des Unfallhergangs und -orts zur Abschätzung der stattgehabten Krafteinwirkung (spitze, stumpfe Gewalt, tangentiale Krafteinwirkung: Décollement, Degloving, Explosionsverletzungen etc.) und des damit zu erwartenden Weichteilschadens erfolgen. Die Anamnese macht gegebenenfalls die Ableitung des zu erwartenden Kontaminationsgrads und der Kontaminationsart möglich, welches in Bezug auf die Antibiotikaauswahl hilfreich sein kann (z. B. landwirtschaftliche Verletzungen , Schusswunden, Explosionsverletzungen).

Da die allermeisten offenen Wunden kontaminiert sind, ist die Antibiotikagabe nicht als prophylaktisch, sondern als Behandlungsmaßnahme anzusehen. Die Auswahl des Antibiotikums sollte sowohl gramnegative als auch grampositive Keime erfassen und zügig, nach Möglichkeit innerhalb von 3 h nach dem Trauma und nach Entnahme eines mikrobiologischen Wundabstrichs gegeben werden. Die Gabe zu einem späteren Zeitpunkt birgt ein höheres Risiko für Infektionen [8].

Empfohlen wird die Gabe eines Cephalosporins der 1. Generation (z. B. Cefazolin), welches den grampositiven Bereich, abdeckt in Kombination mit einem Aminoglykosid (z. B. Gentamycin oder Tobramycin), welches bei gramnegativen Keimen wirksam ist. Als Alternative zu Aminoglykosiden kommen Chinolone, Aztreonam oder Cephalosporine der 3. Generation in Betracht. Bei Verdacht auf eine Wundkontamination mit Anaerobiern (z. B. Clostridien), wie zum Beispiel durch landwirtschaftliche Unfälle, wird die zusätzliche Gabe von Ampicillin oder Penizillin empfohlen [9, 10].

Wie bei offenen Wunden per se, sollte insbesondere bei offenen Frakturen die Tetanusprophylaxe sichergestellt werden (alle Patienten ohne Impfung in den letzten 5 Jahren und unklarem Immunstatus).

Inspektion, Schienung

Dislozierte offene Extremitätenfrakturen werden im Rahmen des Schockraummanagements einmal durch den Erfahrensten im Team inspiziert, klinisch klassifiziert, fotodokumentiert und sofort – so gut wie möglich – reponiert. Die Wunde wird nach mikrobiologischer Abstrichentname desinfiziert, mit sterilen Verbandskompressen oder Bauchtüchern verbunden und über die angrenzenden Gelenke hinweg temporär geschient. Wiederholtes Öffnen der Verbände zur erneuten Demonstration außerhalb des Operationssaals sollte vermieden werden, um weitere Weichteilirritationen, persistierende Exposition freiliegenden Knochens (Kontamination) und neurovaskuläre Schäden zu verringern.

Als Schienung eignen sich hier Lutfkammerschienen, Vakuumschienen oder gepolsterte Drahtleiterschienen („Kramer-Schiene“). Hierbei sollte aber darauf geachtet werden, die Luftkammerschiene nicht zu stark zu befüllen, um nicht die Blutzufuhr zu kompromittieren und nicht den ohnehin erhöhten intrakompartimentellen Druck durch externe Kompression übermäßig zu steigern. Bei Verdacht auf ein Kompartmentsyndrom sind sie absolut kontraindiziert. Da Drahtleiterschienen nicht röntgendurchlässig sind, sollten in solchen Fällen Vakuumschienen vorgezogen werden.

Primäre Diagnostik

Zunächst werden Standardröntgenaufnahmen im anterior-posterioren und seitlichen Strahlengang der betroffenen Extremität mit den jeweils angrenzenden Gelenken angefertigt.

Zur klinischen Prüfung des vaskulären Status gehören neben der Erhebung des Pulsstatus auch die Dokumentation des Hautkolorits der betroffenen Extremität, der Hautturgor sowie die Prüfung der Rekapillarisierung („capillary refill“).

Falls keine Pulse palpiert werden können, sollte eine schnelle dopplersonographische Untersuchung angeschlossen werden. Diese sollte bei initial unauffälligem Befund nach erfolgter Reposition wiederholt werden, da bei bestimmten Frakturformen Gefäße interfragmentär interponiert sein können oder im Rahmen des Traktionsschadens eine Intimaläsion mit konsekutivem Verschluss und Ischämie entwickeln. Umgekehrt können bei starker Dislokation, Luxationsfrakturen und frakturbedingter Verkürzung oder Achsdeviation initial pulslose Extremitätenareale durch ein entsprechendes Abknicken und Verschluss des versorgenden Gefäßlumens („kinking“) nach Reposition und Wiederherstellen der Achse und Länge wieder perfundiert sein. Wichtig ist auch bei diesen Verletzungen das klinische (Rekapillarisierung, Erholung des Hautkolorits und des Hautturgors) und technische (kontinuierliche Sauerstoffsättigungsmessung, Dopplersonographie) Monitoring im zeitlichen Verlauf.

Obwohl die dopplersonographische Untersuchung in Bezug auf Sensitivität mindestens gleichwertig zu der arteriellen Angiographie ist, bleibt die Aussagekraft untersucherabhängig [11, 12]. Die Indikation zur arteriellen Angiographie ergibt sich unserer Erfahrung nur

  1. 1.

    dann, wenn die Fraktur geschlossen ist und die Lokalisation der Gefäßläsion klinisch nicht klar eingegrenzt werden kann.

  2. 2.

    bei Verdacht auf Intimaläsion („Intimaflap“) infolge eines Traktionsschadens (d. h. erhaltene äußere Gefäßkontinuität bei bestehender Ischämie). Insbesondere relevant ist die Angiographie bei kurzstreckigen Verschlüssen und einer realistischen Interventionsoption, d. h. endovaskuläre Therapie mit beispielsweise Stenteinlage.

  3. 3.

    bei fehlender Übereinstimmung des peripheren Perfusionsausfalls, bzw. Ischämiemusters und der Lokalisation der Weichteilwunde bzw. offenen Fraktur.

  4. 4.

    bei Etagen-/Kettenverletzungen der betroffenen Extremität und der Möglichkeit multipler mehrsegmentaler Gefäßläsionen/Ischämieursachen (aber auch hier kann die Angiographie von limitiertem Wert sein, da bei angiographisch proximalem Gefäßabbruch die distale Läsion nicht sicher erkennbar sein muss).

In ausgewählten Fällen mit entweder mehrsegmentaler Gefäßverletzung oder absehbar komplizierter Gefäßrekonstruktion (lange Interponate, multiple Anastomosen etc.) kann die intraarterielle Schleuse der Angiographie auch temporär in situ verbleiben und steril mit abgedeckt werden. So besteht die intraoperative Möglichkeit der angiographischen Darstellung per Kontrastmittelbolus und digitaler Subtraktionsangiographie oder auch einfachem Bildwandler. Dies kann zum Wiederauffinden der Gefäßruptur, aber auch zur Kontrolle der Revaskularisierung nach Rekonstruktion des Gefäßes und unklarem klinischem Befund dienen. Ferner können bei marginaler peripherer Erholung und kapillärer Reperfusion intraarterielle vasoaktive Substanzen (rTPA, Heparin, Ilomedin etc.) verabreicht werden.

Während die konventionelle digitale Subtraktionsangiographie zwar die beste Bildqualität liefert, ist sie als invasives Verfahren immer an entsprechende personelle und infrastrukturelle Voraussetzungen von Seiten der Interventionsradiologie gebunden und im Falle einer Ischämie zusätzlich zeitaufwendig. Heute können qualitativ hochwertige Kontrastmittelcomputertomographien mit multiplanaren 2D- und 3D-Rekonstruktionen (Abb. 2; im Rahmen der Polytraumadiagnostik schnell durchführbar), periphere Gefäßverletzungen einschließlich Intimaläsionen, kleine Kontrastmittelextravasate und Pseudoanaeurysmen selbst im kruralen Bereich zuverlässig erfassen [13, 14, 15].

Bei den meisten Grad IIIC offenen Verletzungen ist bei sichtbaren Gefäßstümpfen und/oder klarer Übereinstimmung der Lokalisation und des Musters der Fraktur mit dem peripheren Perfusionsausfall unseres Erachtens nach keine Angiographie erforderlich. Hier sollte die direkte Exploration intraoperativ erfolgen, um die Ischämiezeit so kurz wie möglich zu halten.

Abb. 2
figure 2

29-jähriger Patient nach Verkehrsunfall mit Grad IIIC offener Unterschenkelfraktur. a Klinischer Aufnahmebefund des subtotal amputierten Unterschenkels mit kompletter Ischämie und massiver Kontamination. b Präoperatives Röntgenbild mit mehrsegmentaler Unterschenkelfraktur. c CT-Angiographie mit Darstellung der kompletten Ruptur der A. fibularis und A. tibialis posterior sowie Intimaläsion der A. tibialis anterior. d Intraoperativer Situs nach Débridement, Jetlavage, primärer Verkürzung um 5 cm und Stabilisierung mit Fixateur externe. e End-zu-End Anastomose der A. tibialis posterior. f Intraoperativer Situs nach Anastomose der A. tibialis posterior (Pfeil gelb) und Silikonspacerimplantation in den N. tibialis bei Defektsituation (Pfeil grün). g Postoperative Röntgenkontrolle nach primärer Fixateur-externe-Stabilisierung. h Postoperative Röntgenkontrolle nach postprimärem Verfahrenswechsel mittels unaufgebohrter Verriegelungsmarknagelung (Expert Tibia-Nagel). i, j Definitive Weichteildeckung mit freiem Latissimus-dorsi-Lappentransfer. k, l Röntgenkontrolle und klinisches Bild 10 Monate postoperativ

Diagnostik des Kompartmentsyndroms

Unabhängig vom peripheren Pulsstatus muss nach dem Vorliegen eines drohenden oder manifesten Kompartmentsyndroms gefahndet werden. Bei offenen Tibiafrakturen liegt die Rate von gleichzeitig auftretendem Kompartmentsyndrom bei ca. 10% [16]. An der oberen Extremität ist das Auftreten von Kompartmentsyndromen weitaus seltener [17, 18, 19]. Die Indikation zur Fasziotomie sollte unserer Erfahrung zufolge weder leichtfertig noch zu zurückhaltend gestellt werden. Als initiale Kardinalsymptome gelten beim bewusstseinsklaren Patienten mit Monotrauma der analgetikaresistente Schmerz, die deutliche Schwellung und die glänzende Haut mit verhärteten Muskellogen. Erst im späteren und abgelaufenen Stadium treten Spannungsblasen, sensomotorische Defizite und Weichteilnekrosen auf. Entscheidend ist der klinische Eindruck in Verbindung mit dem Gesamtzustand des Patienten.

Da die entscheidende Determinante für das Auftreten eines Kompartmentsyndroms der Abfall des kapillären Perfusionsdrucks ist (Differenz zwischen diastolischem Druck und intrakompartimentellem Druck sollte 20–30 mmHG nicht unterschreiten; [20, 21, 22]), können Kompartmentsyndrome bei polytraumatisierten, analgosedierten und beatmeten Patienten mit hämorrhagischem Schock viel häufiger und v. a. unbemerkt auftreten. Bestehen klinische Zweifel kann auf die intramuskuläre Druckmessung als zusätzliches diagnostisches Mittel zurückgegriffen werden [23, 24]. Kompartmentsyndrome können aber auch bei längeren Ischämiezeiten im Rahmen des Reperfusionsödems beobachtet werden. Hier kann nach abgeschlossener Revaskularisation und in Abhängigkeit von der Länge der Ischämiezeit und des venösen Abstroms eine prophylaktische Fasziotomie erforderlich sein.

Behandlungsprinzipien

Die Schwierigkeit der Behandlung von höhergradig offenen Frakturen liegt v. a. zu Beginn in erster Linie in der Weichteilschadenskomponente und weniger in der Behandlung der knöchernen Verletzung. Das initiale operative Management ist daher zunächst vordergründig vom intensiven Weichteilmanagement geprägt und wird übergeordnet in 3 Behandlungsziele gegliedert, deren sequenzielle Umsetzung prioritätenadaptiert in einem strukturierten Algorithmus erfolgt (Abb. 3):

  • Prävention der Infektion: Initiale Wundbehandlung, Gefäßrekonstruktion, Débridement,

  • ungestörte Frakturheilung: Frakturstabilisierung,

  • Wiederherstellung der Funktion: Weichteil-/ Muskelrekonstruktion.

Da die Behandlung von Komplextraumen der Extremitäten sowohl lokale, als auch systemische Faktoren berücksichtigt, gilt jeder Abschnitt als Leitlinie, welche je nach individueller Situation den vorliegenden Verhältnissen angepasst werden muss. Bezüglich der Versorgung von Verletzungen der oberen und unteren Extremität gibt es aufgrund der anatomischen, biomechanischen, sensorischen und funktionellen Unterschiede zwar unterschiedliche Rationalen in den Osteosynthesetechniken, den lokalen Weichteildeckungsoptionen und v. a. in der Indikation zur Notfallamputation. Die generellen Grundsätze des radikalen Débridements, der initialen knöchernen Stabilisierung und frühen Weichteildeckung unterscheiden sich jedoch prinzipiell nicht von denen der unteren Extremität.

Abb. 3
figure 3

Behandlungsalgorithmus offener Frakturen der Extremitäten mit schwerem Weichteilschaden

Initiale Wundbehandlung

Débridement

Obzwar der Begriff „Débridement“ von der Konzeption her jedem traumatologischen und rekonstruktiven Chirurgen generell klar ist, liegen erhebliche Unterschiede in der Art und Weise der praktischen Umsetzung. Genereller Konsens besteht in dem Ziel des Débridements, eine saubere Wunde zu erreichen. In diesem Zusammenhang wird häufig der Begriff des radikalen Débridements verwendet. Das Ziel des radikalen Débridements ist es, eine maximale Dekontamination der Weichteile zur Vermeidung von Infektionen zu erzielen. Dabei werden alle Fremdkörper entfernt, alle nekrotischen und avitalen Gewebeanteile ohne Rücksicht auf Funktionsdefizite exzidiert. Bei jeder offenen Fraktur, insbesondere aber bei Komplextraumen mit prolongierter Ischämiezeit, kommt dem initialen Débridement eine Schlüsselposition zu. Inkonsequentes Débridement und Belassen residualer Myonekrosen steigert den Sekundärschaden, gefährdet aufwendige Rekonstruktionen und bahnt infektbedingte Lappenthrombosen und Osteosyntheseversagen. Das Zeitintervall zwischen Unfall und Débridement ist im Vergleich zur Radikalität des Débridements eher nachrangig. Die einzige Ausnahme in Bezug auf die Radikalität ist das Débridement von Nerven. Auch bei starker Kontusion sollten Nerven, deren Kontinuität erhalten ist, aufgrund der Möglichkeit einer spontanen Funktionswiederkehr erhalten werden.

Aufgrund der pathophysiologischen Abläufe nach schwerem Weichteilschaden mit protrahiertem mikrovaskulärem Perfusionsversagen der Skelettmuskulatur kommt es in der Grenzzone zwischen unverletzten und destruierten Gewebearealen zu einem progredienten Untergang von initial vitalem Gewebe (Sekundärschaden). Die Entwicklung des Sekundärschadens geht mit einer weiteren inflammatorischen Reaktion und erhöhtem Risiko für bakterielle Infektionen einher. Daher sollte neben der Entfernung von offensichtlichen Verschmutzungen und Fremdkörpern die Exzision der Weichteile bis in saubere Wundbereiche erfolgen. Da hierbei oft die Erweiterung der Wunde notwendig ist, sollten dabei Zugangswege für nachfolgende Operationen (Frakturstabilisierungen, Weichteildeckungen) berücksichtigt werden. Andererseits können Verletzungswunden eventuell als atypische Zugangswege genutzt werden. Hautbrücken, in welchen für den Rückstrom wichtige Venen liegen, werden nach Möglichkeit geschont.

Zur Spülung der Wunden ist die Anwendung von gepulsten Jetlavagesystemen vorteilhaft. Über die Menge der Spülflüssigkeit gibt es keine validen Daten. Je nach Grad der Verletzung werden 3–12 l kristalline, bzw. antiseptische Lösung (z. B. Polihexanidlösung, Lavasept®, Fa. Braun, Melsungen Deutschland) empfohlen [43].

Da bei der initialen Wundbehandlung vitales von fraglich avitalem Gewebe nicht immer eindeutig voneinander differenziert werden kann und die Manifestation des Sekundärschadens in Ausdehnung und zeitlicher Dynamik schwierig vorherzusehen ist, sollten als Konsequenz serielle „Second-look-Eingriffe“ zur programmierten Revision und erneutem Redébridement im Rhythmus von 24–48 h durchgeführt werden [44, 45]. Die Kriterien für die intraoperative Vitalitätsbeurteilung sind beim Knochen die Blutung aus den Frakturenden und der Zustand der periostalen Bedeckung von Fraktursegmenten. Bei denudierten Fragmenten ist meist die Nekrose vorprogrammiert, da hier die Nutrition weder durch medulläre, noch durch periostale Blutgefäße gewährleistet ist. Die Vitalität der Muskulatur zeigt sich durch Blutungen an Anschnittstellen, eine kräftige rote Farbe, eine mäßig prall-elastische Konsistenz und durch Kontraktion bei mechanischer Stimulation. Die Haut ist vital bei Blutungen an Anschnittstellen und fehlenden Verfärbungen und Blasenbildungen [46].

Therapie des Kompartmentsyndroms

Pathophysiologisches Korrelat des Kompartmentsyndroms ist ein Anstieg des interstitiellen Gewebedrucks innerhalb eines abgeschlossenen osteofaszialen Raums über das Niveau des kapillären Perfusionsdrucks. Es kommt also zum mikrovaskulären, d. h. kapillären Perfusionsversagen des in der betroffenen Muskelloge liegenden Gewebes. Das kausal-pathogenetische Problem liegt somit auf mikrozirkulatorischer Ebene und erklärt, warum periphere Pulse und Makrohämodynamik erhalten sein können. Für die Manifestation eines Kompartmentsyndroms sind sowohl Angaben über den Unfallmechanismus (Hochrasanztrauma, Crush-Verletzung etc.) als auch eine Analyse der Frakturmorphologie (Trümmerfrakturen, Etagenfrakturen, Fremdkörper- oder Lufteinschlüsse, segmentaler Knochenverlust und starke Dislokation) diagnostisch wegweisend.

Basierend auf der zugrunde liegenden Mikrozirkulationsstörung des Kompartmentsyndroms wird neben den gemessenen Absolutwerten vor allem die Differenz von diastolischem Druck zu intrakompartimentellem Druck als entscheidende Hilfe zur Indikationsstellung für eine Dermatofasziotomie erachtet. Ein Differenzdruck von <20 mmHg wird v. a. bei kreislaufinstabilen [21] Patienten, bis <30 mmHg [22] bei normotonen Patienten als kritischer Schwellenwert akzeptiert. Unabhängig von erhobenen Messwerten bleibt das Kompartmentsyndrom in erster Linie eine klinische Diagnose und die Indikation zur Fasziotomie mit Druckentlastung der einzelnen Kompartimente sollte insbesondere bei polytraumatisierten Patienten und bei Vorliegen oben genannter Verletzungsmustern, aber auch nach langen Ischämiezeiten (zu erwartendes Reperfusionsödem) großzügig gestellt werden, um sekundäre, irreversible Schäden zu vermeiden. Nach protrahierten Gefäßrekonstruktionen, bei hochgradigen offenen oder geschlossenen Weichteilschäden oder einer Ischämiezeit >4 h führen wir die prophylaktische Fasziotomie durch.

Bei segmentalem Knochenverlust kann die primäre Verkürzung der Extremität auch über die konsekutive Erhöhung des intrakompartimentellen Volumens zu einer Reduktion des Kompartmentdrucks und damit zur Behandlung eines drohenden und/oder manifesten Kompartmentsyndroms dienen. Während Kompartmentsyndrome im Rahmen von Komplextraumata v. a. am Unterschenkel auftreten, sind sie am Oberschenkel vergleichsweise eher selten zu beobachten. Die seltenen posttraumatischen Kompartmentsyndrome an der oberen Extremität manifestieren sich zumeist am volaren Unterarm, weniger häufig in Kombination an Ober- und Unterarm [47].

Gefäßrekonstruktion

Die erfolgreiche Revaskularisierung ist die wichtigste Determinante in Bezug auf potenzielle Komplikationen nach einer Grad IIIC offenen Extremitätenverletzung und steht am Anfang des therapeutischen Algorithmus. Alle anderen nachfolgenden therapeutischen Schritte, Verfahren und Entscheidungen hängen von der erfolgreichen Reperfusion ab. Neben dieser ist die Kontrolle des Blutverlustes wichtigstes Ziel.

Die beste Exposition ergibt sich immer über großzügige Längsinzisionen. Nach Möglichkeit sollten immer spannungsfreie End-zu-End-Anastomosen angestrebt werden. Eine primäre Verkürzung bei segmentalem Knochenverlust oder nach Resektion avitaler und/oder deperiostierter Knochenfragmente erlaubt neben der Kompartmententlastung oftmals auch eine interponatfreie Rekonstruktion durch Direktnaht (Abb. 2). Sollte dies aufgrund langstreckiger segmentaler Destruktionen oder bei zu hoher Spannung der Anastomose nicht möglich sein, ist die Interposition eines Grafts indiziert. Autologe Venengrafts sind allogenen Materialien aufgrund der besonders hohen Infektionsgefahr bei Schwerverletzten und bei umfangreichem Weichteilschaden immer zu bevorzugen. In Betracht kommen die V. saphena magna, V. saphena parva oder die V. femoralis superficialis der verletzten oder bevorzugt der kontralateralen Extremität, da posttraumatisch bedingt ohnehin eine erhöhte Thrombosegefahr des tiefen Venensystems vorliegt. V.-cephalica-Transplantate eignen sich weniger und neigen langfristig zur aneurysmatischen Dilatation. Vorausschauend sollte daher im Operationssaal die unverletzte Extremität zur Entnahme eines Venengrafts mit abgewaschen und abgedeckt werden [5, 48]. Liegt eine nicht replantationsfähige Amputation vor, können die entfallenden Gefäße aus dem Amputat verwendet werden.

Besteht eine versorgungspflichtige Gefäßläsion im Rahmen einer Extremitätenfraktur/-luxation mit hochgradigem Weichteilschaden, hängt die Reihenfolge der Behandlungsschritte von verschiedenen Einflussfaktoren ab. Falls es die Ischämietoleranz (<4 h) erlaubt, sollte die Reposition und osteosynthetische Stabilisierung (zumeist mit Fixateur externe) vor der Gefäßrekonstruktion durchgeführt werden. Die mechanische Stabilität bietet den Gefäßanastomosen Schutz vor Traktions-, Scher- und Rotationskräften, welche sonst bei Repositionsmanövern und Lagerungen zu Rupturen, Intimaläsionen, Dissektionen und/oder zu einem „Gefäßkinking“ führen können.

Ist die Ischämiezeit bereits fortgeschritten und liegt außerhalb der Toleranzschwelle von >4 h, bzw. ist mit einem protrahierten Débridement oder einer zeitaufwendigen Frakturstabilisierung zu rechnen, sollte im ersten Schritt die Gefäßrekonstruktion durchgeführt werden. Im Ausnahmefall kann die temporäre Einlage von interluminalen Shunts (heparinisierte Silikonschläuche) für den Fall perakuter Operationen an anderer Stelle oder bei notwendigen Verlegungen des Patienten in ein für die Gesamtversorgung kompetentes Zentrum nützlich sein [49]. Zu beachten ist jedoch, dass es dann nach Reperfusion zu nicht unerheblichen Blutungen aus offenen Venen kommt.

An der oberen Extremität sind Verletzungen der A. subclavia und der A. axillaris selten, da sie durch den knöchernen Thorax und den muskulären Weichteilmantel gut geschützt sind. Gefäßverletzungen in dieser Region sind hinweisend auf ein schweres Trauma und sind oft mit einer ausgeprägten muskulären Zerreißung und traumatischen Plexusläsionen vergesellschaftet („fore quarter amputation“). Bei neurologischen Ausfällen sollte daher nach erfolgter Gefäßrekonstruktion auch die Exploration des Plexus erfolgen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass gerade im Bereich von Schulter und Ellenbogen die Angiographie einen besonderen Stellenwert besitzt, da nach arterieller Verletzung aufgrund der exzellenten Kollateralperfusion häufig gute Pulse zu tasten und ein guter Dopplerfluss zu messen ist.

Obwohl im Bereich des Unterarms die Versorgung eines infrabrachialen Gefäßes für die Versorgung des Unterarms und der Hand ausreichend ist, sollte bei Verletzung einer der beiden Arterien dennoch die Rekonstruktion durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere für jüngere Patienten und für Fälle, bei denen noch aufwendige Knochen- und Weichteilversorgungen notwendig sind [50].

Etwa 15% aller Gefäßverletzungen betreffen die Arterien der Femoral- und Leistenregion. Die Rekonstruktion erfolgt nach oben genannten Maßgaben. Bei multifragmentären sowie bei suprakondylären Femurfrakturen ist besonders nach einer Gefäßbeteiligung zu fahnden. Eine wichtige Stellung bei den rekonstruktiven Überlegungen nimmt die A. profunda femoris ein, da sie einen wichtigen Beitrag zu den Kollateralkreisläufen im Bein liefert. Für Verletzungen der Unterschenkelarterien ist zu beachten, dass in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Gefäßstatus mindestens 2 der 3 Arterien bzw. ein die Sprunggelenksebene überschreitendes und den Fuß versorgendes Gefäß notwendig für die ausreichende Versorgung sind, sodass die Ligatur einer Arterie bei Durchgängigkeit der anderen prinzipiell möglich ist.

Endovaskuläre Verfahren (Angioplastie, endovaskuläre Stents) haben im initialen Management eine untergeordnete Rolle und sind eher im Falle von Reverschlüssen rekonstruierter Gefäßsegmente ohne Möglichkeiten der offenen Revison von Bedeutung.

Sehnenrekonstruktion

Die Rekonstruktion von Sehnen ist nach Möglichkeit im Rahmen der Primärversorgung durchzuführen. Falls ein segmentaler Substanzdefekt vorliegt, sollte zunächst das Sehnengleitlager überprüft werden. Ist dieses intakt, kann eine primäre Interposition von Sehnentransplantaten erfolgen. Vornehmlich kommen hier die Sehnen vom M. palmaris longus und des M. plantaris in Betracht. Bei komplexen Defekten reicht das Spektrum rekonstruktiver Optionen nach Sehnenverletzung dabei von primärer Naht, Sehnentransplantationen („intercalated tendon graft“), End-zu-Seit-Nähten, über Sehnentransfers korrespondierender Agonisten (im Gegensatz zu Transplantaten nur eine Sehnennaht) bis hin zu vaskulariserten Sehnentransfers [51].

Aufwendige Sehnenrekonstruktionen im Rahmen von freien Composite/compound-Gewebetransfers (z. B. tendokutaner Dorsalis-pedis-Lappen) bei komplexen Gewebedefekten („compound defects“) werden heutzutage aufgrund der ausgeprägten Entnahmemorbidität eher weniger verwendet. Vielmehr kommen dann eher in den Folgesitzungen freie, nicht vaskularisierte Transplantationen (z. B. Transfer der langen Extensorsehne am Fußrücken) in Kombination mit freien Lappentransfers zum Einsatz. Insbesondere wenn das umliegende Weichteilbett und Sehnenlager noch keine suffiziente Heilung erlaubt, kann temporär ein Silikonschlauch interponiert werden [17, 52].

Nervenrekonstruktion

Die Rekonstruktion von Nerven ist bezüglich der Langzeitprognose ein wichtiger Faktor für die Extremitätenfunktion. Einflussfaktoren sind die Art der Schädigung, die Höhe der Schädigung, die Begleiterkrankungen und das Alter des Patienten. Scharfe Durchtrennungen haben gegenüber Traktions- und Defektverletzungen ein weitaus bessere Prognose [17]. Bei 85% der Nervenschädigungen handelt es sich um komplette Durchtrennungen [53]. Im Rahmen der Gesamtversorgung schwerer Weichteilverletzungen ist gerade in Fragen der Nervenrekonstruktion die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen mikro-, hand- und neurochirurgischen Spezialdisziplinen gefordert.

Falls möglich, sollte die primäre Nervennaht (9-0 oder 10-0, nicht resorbierbarer Faden) unter mikrochirurgischen Bedingungen durchgeführt werden. Periphere Nerven reagieren schnell auf ischämische Bedingungen, und da die Elongation von 10% der Ruhelage bereits in einer Reduktion des Blutflusses von 50% resultieren kann [54], muss unbedingt auf Spannungsfreiheit der Anastomose geachtet werden.

Die primäre Naht erfolgt nach vorsichtiger Mobilisierung unter dem Operationsmikroskop oder mit der Lupenbrille und mit mikrochirurgischem Operationsinstrumentarium im Sinne einer epineuralen End-zu-End-Koadaptation . Zur Rotationskontrolle werden die Blutgefäße längs ausgerichtet. Die Zuordnung des Verlaufs korrespondierender epineuraler Blutgefäße an beiden Nervenenden kann hierbei helfen, Torsionen zu vermeiden.

Die interfaszikuläre Naht hat gegenüber der epineuralen Koadaptation für kleinere Nerven ähnliche funktionelle Resultate mit stärkerer Narbenbildung erbracht [55] und wird daher für kaliberstärkere Nerven empfohlen, bei denen passende motorische und sensorische Anteile zugeordnet werden können [53]. Eine Methylenblaufärbung der Nervenenden erlaubt dabei ein besseres Erkennen der Faszikelanordnung. Voraussetzung für die primäre Naht sind die geringe Kontamination und eine gute Vaskularisierung des Weichteilbetts und des Nerven selbst. Falls nur die sekundäre Versorgung möglich ist, bietet es sich an, eine Markierung der Nervenenden vorzunehmen oder einen Silikonspacer zu interponieren ([56]; Abb. 2).

Bei Vorliegen langstreckiger segmentaler Schäden erfolgt die sekundäre oder tertiäre Versorgung mittels Nerventransplantation. Hierfür werden vornehmlich autogene Nervengrafts angewendet. Diese können bei hochgradig offenen Frakturen idealerweise von einem nicht mehr rekonstruierbaren Extremitätenabschnitt entnommen werden. Sonst kommt die Entnahme vom N. cutaneus antebrachii medialis und lateralis, dem N. cutaneus femoris lateralis, den Interkostalnerven und dem N. suralis in Betracht. Der N. suralis beispielsweise kann in einer Länge von ca. 40 cm entnommen werden, ohne dass eine wesentliche Einschränkung der Funktionalität resultiert [53]. Zu erwähnen ist, dass der Verlauf des Nervengrafts dabei nicht notwendigerweise immer den kürzesten Weg zwischen den beiden Nervenenden nehmen muss. Manchmal kann es notwendig sein, das Nervengraft zu elongieren, um es in ein gut durchblutetes Transplantatlager zu positionieren und damit die Revaskularisation des Grafts zu verbessern. Zur Vermeidung von Spannung an den Anastomosen sollte die minimale Länge des Nervengrafts dabei immer in maximaler Extension der betroffenen Extremität kalkuliert werden [57]. Das bedeutet, dass das entnommene Graft unbedingt etwa 10–20% länger als die tatsächlich gemessene Defektstrecke sein sollte, um ein Polster für folgende fibröse Kontraktionen zu schaffen. Die sekundäre Nervenrekonstruktion sollte innerhalb von 3–6 Monaten erfolgen [58].

Bei 15% der Nervenschädigungen handelt es sich um partielle Läsionen, die durch Kontusion oder Traktion entstanden sind. Bei diesen Fällen sollte erst sekundär interveniert werden, um zuvor die eventuelle Eigenregeneration abzuwarten [59].

Frakturstabilisierung

Die Reposition der Fraktur mit nachfolgend stabiler Fixation in Form verschiedener Osteosynthesen ist zentraler Bestandteil des rekonstruktiven Algorithmus zur Behandlung von Komplexverletzungen der Extremitäten. Die knöcherne Stabilisierung führt zu einer Reduktion der Schmerzen, senkt das Infektrisiko und ist essenzielle Voraussetzung für die Konsolidierung der Weichteile und für eine ungestörte Wundheilung. Weiterhin wird der venöse Rückfluss aus dem Verletzungsgebiet positiv beeinflusst. Beim polytraumatisierten Patienten führt die Stabilisierung der Frakturen zusätzlich zu einer Beruhigung der systemischen Hyperinflammation und Immunantwort und reduziert damit das Risiko eines Multiorganversagens [60, 61].

Das Management der Frakturbehandlung und dessen Timing sind dabei in erster Linie abhängig

  • vom Ausmaß des geschlossenen und offenen Weichteilschadens (Vorliegen eines Kompartmentsyndroms, Ischämiezeit, Grad der Kontamination),

  • von der Lokalisation der Fraktur (obere/untere Extremität, dia-/metaphysär),

  • vom Typ der Fraktur (intraartikulär, einfach, multifragmentär, Defektfraktur, segmentaler Knochenverlust),

  • vom Gesamtzustand (inklusive Begleiterkrankungen) des Patienten.

Als Stabilisierungsmöglichkeiten kommen folgende Verfahren in Betracht:

  • externe Fixation (als primäre oder definitive Versorgung),

  • intramedulläre Verfahren (aufgebohrte/unaufgebohrte – antegrade/retrograde Verriegelungsmarknagelung, elastische Markraumschienung/-drahtung, TENS),

  • Platten- und Schraubenosteosynthesen (offen/minimal-invasiv – perkutan, konventionell/winkelstabil),

  • Kombination der genannten Verfahren.

Bei Verletzungen der oberen Extremität gilt zu beachten, dass sie im Gegensatz zur unteren Extremität kaum axialen Belastungen ausgesetzt ist. Verkürzungen sind funktionell weniger bedeutsam, werden besser toleriert und erfordern später kaum einen sekundären Längenausgleich.

Externe Fixation

Die externe Fixation gilt in der Primärstabilisierung sowohl für die obere als auch untere Extremität bei höhergradig offenen Frakturen mit ausgeprägtem Weichteilschaden und ggf. protrahierten Ischämiezeiten, aber immer wenn eine starke Kontamination der Wunde vorliegt, als akzeptierter Standard (Abb. 2). Im Rahmen des „Damage-control-Prinzips“ wird bei polytraumatisierten Patienten (ISS >16) ebenfalls die zügige Stabilisierung mittels externer Fixation angestrebt [62, 63].

Die Montage ist schnell, einfach durchzuführen und jederzeit leicht zu korrigieren. Die Modularität der Systeme erlaubt durch eine manuelle Grobreposition eine adäquate Reaktion auf die individuellen, manchmal äußerst komplexen Fraktursituationen. So bietet sich eine Frakturstabilisation mit Fixateur-externe-Montage insbesondere bei mehrfachverletzten Patienten, Kettenverletzungen bzw. Mehretagenfrakturen mit schweren offenen oder geschlossenen Weichteilschäden, aber auch bei metaphysären oder intraartikulären Frakturen (welche sekundär aufwändig rekonstruiert werden müssen) zur Gelenktransfixation an [64]. Durch die initiale Transfixation wird aber auch im Falle ausgedehnter Weichteilschäden bzw. gelenküberschreitender Décollements eine bessere Weichteilkonsolidierung mit zirkumferenziellem Zugang zur Läsion und erleichterten Lagerungsbedingungen im Bett erreicht (Konstruktion von „Fixateurständern“ [Abb. 1] oder „Aufhängen“ des Fixateurs am Bettgalgen).

Nach Stabilisierung des Patienten und Beruhigung der Weichteile wird ein Verfahrenswechsel auf ein internes Stabilisierungsverfahren durchgeführt. Nachteilig ist das Risiko für die Entwicklung von Pinstelleninfektionen („pin track infections“) und die mangelnde Mobilisierbarkeit bei gelenküberbrückender Transfixation. Bei verzögertem Verfahrenswechsel können daher vermehrt Infektionen und Heilungsverzögerungen auftreten, sodass für diesen Fall die protrahierte Antibiotikagabe empfohlen wird.

Beim Setzen der Fixateurpins sollten – insofern die suffiziente Frakturstabilisierung dies zulässt – die zukünftigen Zugangswege der zu erwartenden Folgeoperationen bedacht (sekundäre interne osteosynthetische Stabilisierungen, Lappendeckungen) und eine Transfixation von Muskeln oder Sehnen durch Fixateurpins möglichst vermieden werden. Spezielle externe Fixationsverfahren, z. B. Ilizarov-Ringsysteme in klassischer oder Hybridtechnik, können in seltenen Fällen auch als definitive Stabilisierungsverfahren genutzt werden. Zumeist wird jedoch ein sekundärer Verfahrenswechsel auf ein internes Stabilisierungsverfahren im Verlauf notwendig.

Intramedulläre Verfahren

Die Marknagelung mit unaufgebohrten Verriegelungsnägeln hat sich v. a. an der unteren Extremität nicht nur als sekundäres Osteosyntheseverfahren (Abb. 2), sondern auch als primäre Versorgungstechnik bei Grad I bis IIIA offenen Frakturen generell durchgesetzt, sofern es die Gesamtverletzungsschwere unter „Damage-control-Gesichtspunkten“ zulässt. Bei Grad IIIB offenen Ober- und Unterschenkelfrakturen wird die primäre Nagelung kontrovers diskutiert, wobei sich allerdings ein Konsens in Richtung primärer Verriegelungsmarknagelung abzeichnet [65, 66, 67, 68].

Durch die fortgeschrittenen Designs der Implantate ist neben der regulären Indikation für Schaftfrakturen das Indikationsspektrum einiger Marknägel bis nach meta- und epiphysär erweitert. Der Vorteil liegt klar in der höheren biomechanischen Stabilität, der weichteilschonenden Implantation und schnelleren Mobilisierbarkeit der Patienten. Zugangswege für die weitere Weichteildeckung werden nicht durch das Implantat behindert. Zusätzlich entfallen bei primärer Implantation die Risiken eines Zweiteingriffs.

Offene Femurfrakturen

Obzwar prospektiv randomisierte Studien zum Vergleich von primärer Marknagelung und externer Transfixation von Femurschaftfrakturen polytraumatisierter Patienten kaum zur Verfügung stehen [69], vertreten wir die Versorgung von Patienten mit entweder schwerem assoziiertem Schädel-Hirn-Trauma, Thoraxtrauma oder Polytrauma und vorliegender Femurschaftfraktur entsprechend dem „Damage-control-Prinzip“ . Eine prospektiv randomisierte Studie mit allerdings nur 42 Patienten mit offener Femurschaftfraktur (davon 14 Grad III offene Frakturen) die hinsichtlich einer sofortigen vs. verzögerten aufgebohrten Marknagelung randomisiert behandelt wurden, konnte keine nennenswerten Unterschiede hinsichtlich der Infektrate, Malunion oder Zeit bis zur knöchernen Konsolidierung dokumentieren [70]. Obwohl einige Studien auch bei Patienten mit Grad I bis IIIA offenen Femurfrakturen und Schädel-Hirn-Traumata und/oder moderaten Thoraxtraumata geringere pulmonale Komplikationen (Rate von „Acute Respiratory Distress Syndrome“, ARDS) nach primärer Marknagelung belegen, fehlen hierfür weiterreichende prospektiv randomisierte Studien [71, 72].

Eine retrospektive Studie von Tuttle et al. mit Vergleich von 42 Frühversorgungen durch Marknagelung und 55 Fixateur-externe-Anlagen im Rahmen des „damage control“ von polytraumatisierten Patienten mit Femurfrakturen konnte zwar keine Unterschiede in der Inzidenz von pulmonalen Komplikationen, Multiorganversagen, Intensivstationaufenthaltsdauer etc. aufzeigen, belegt allerdings geringere initiale Operationszeiten und reduzierten Blutverlust [73]. Bezüglich Grad I bis IIIA offener Femurschaftfrakturen besteht klarer Konsens zur initialen, aufgebohrten Verriegelungsmarknagelung, soweit der Gesamtzustand des Patienten keine Kontraindikation darstellt. Gerade bei polytraumatisierten Patienten hat sich die frühe (innerhalb 24 h) intramedulläre Stabilisierung als günstig in Bezug auf die pulmonale Komplikationsrate und die Länge des Intensivstations- und Krankenhausaufenthalts erwiesen [71].

Für Komplexverletzungen am Oberschenkel (Grad IIIA bis IIIC offene Verletzungen) sollte eine individuelle Entscheidung das weitere Vorgehen bestimmen. Bei polytraumatisierten Patienten und Grad IIIC offenen Verletzungen ist unserer Erfahrung nach die Fixateur-externe-Versorgung mit sequenzieller, früh-sekundär durchgeführter unaufgebohrter (sofern der Markraumdiameter dies erlaubt) Marknagelung der sicherere Weg. Hierdurch wird entsprechend dem „Damage-control-Prinzip“ der Patient keiner unnötig langen Operationszeit ausgesetzt, der Präferenz der Weichteilverletzungskomponente wird Rechnung getragen, die endostale Gefäßversorgung bleibt weitestgehend unverletzt, das pulmonale Risiko infolge embolischer Komplikationen ist gering und assoziierte Gefäßverletzungen sind auch in leichter Verkürzung durch primäre Naht gut und im Rahmen der Ischämietoleranzzeit bei stabilisierter Fraktur gut zu versorgen. Polytraumatisierte Patienten mit instabilen Becken- und/oder Wirbelsäulenverletzungen sind ohnehin auf dem Extensionstisch nicht sicher lagerungsfähig [5, 71].

Offene Unterschenkelfrakturen

Für offene Tibiaschaftfrakturen wird für Grad I bzw. II offene Frakturen die primäre unaufgebohrte Marknagelung empfohlen. Beim Monotrauma hat die unaufgebohrte Marknagelung bei Grad-IIIA- und -IIIB-Frakturen gute Ergebnisse geliefert, sodass sie auch hier bevorzugt eingesetzt wird [74]. Prospektive Studien zur Analyse der Therapieeffektivität von Fixateur-externe-Versorgungen und intramedullärer unaufgebohrter Marknagelosteosynthese bei offenen Tibiaschaftfrakturen zeigten bei relativ vergleichbaren Resultaten der knöchernen Ausheilung, der Osteomyelitisinzidenz und verzögerten Heilung („delayed union“). Es konnten aber klare, signifikante Vorteile in Hinsicht auf Achsfehlstellung, Reoperationsrate und die Notwendigkeit sekundärer Spongiosaplastiken zu Gunsten der unaufgebohrten Marknagelung nachgewiesen werden [65, 75, 76, 77]. So wird aber die initiale externe Transfixation mit früh-sekundärem Verfahrenswechsel auf unaufgebohrte oder aufgebohrte [78] Marknagelung für komplexe Verletzungen (Grad IIIB und IIIC offene Frakturen) oder aber bei massiv polytraumatisierten Patienten auch von uns durchgeführt und zahlreichen pro- und retrospektiven Studien zufolge empfohlen [79, 80, 81].

Je ausgeprägter der Weichteilschaden, desto zurückhaltender ist die Indikation zur Markraumaufbohrung zu sehen. Auch wenn einige Studien für offene Unterschenkelfrakturen gute Ergebnisse nach aufgebohrter Marknagelung belegen konnten [82, 83], ist insbesondere die Fettemboliegefahr auch nach Tibiaschaftaufbohrung ein potenzielles und realistisches Morbiditäts- bzw. Mortalitätsrisiko bei Patienten mit assoziiertem Thoraxtrauma [63].

Offene Oberarmfrakturen

Therapiekonzepte von Oberarmfrakturen mit schweren offenen und geschlossenen Weichteilschäden differieren zwar nicht prinzipiell von den etablierten Algorithmen der Verletzungen der unteren Extremitäten, zeigen aber aufgrund der unterschiedlichen Gefäßversorgung und Kollateralperfusion, den unterschiedlichen funktionellen Erfordernissen sowie der besseren Toleranz gegenüber Verkürzungen und dem fehlenden Auftreten axialer Belastungen einige nennenswerte Unterschiede.

Obzwar die Marknagelung von offenen Humerusfrakturen im Vergleich zur insbesondere winkelstabilen Plattenosteosynthese vergleichbare Ergebnisse zeigt [84], was Konsolidierungs- und Komplikations- sowie Infektraten betrifft, werden immer wieder zugangsbedingte Verletzungen der Rotatorenmanschette mit entsprechenden Schmerzen und Funktionsdefiziten im Schultergelenk nach antegrader Marknagelung thematisiert [17]. Unsere eigenen Erfahrungen und die anderer Autoren [85] zeigen allerdings gute Ergebnisse für die Marknagelversorgung von Humerusschaftfrakturen, insbesondere bei mehrfragmentären Frakturen, bzw. langstreckigen Stückfrakturen. Bei höhergradigem Weichteilschaden ist das minimal-invasive Verfahren vorteilhaft, da die Zugangswege für Nageleintritt und Verriegelung fern der Fraktur liegen, wohingegen die Plattenosteosynthese eine Exposition der Frakturregion notwendig macht. Andererseits erlaubt die offene Reposition und Plattenosteosynthese eine bessere Verkürzung und Kompression der Fraktur und damit ein verbessertes Management des segmentalen Knochenverlusts sowie eine direkte Darstellung des N. radialis [86, 87].

Generell ist die Plattenostesynthese bzw. Fixateur-interne-Osteosynthese und antegrade Marknagelung bei offenen Humerusschaftfrakturen als gleichwertig anzusehen. Entscheidend ist die suffiziente Weichteildeckung der Frakturzone und des Implantats mit vitalem Weichteilmantel. Die externe Transfixation hat ihre Indikation bei polytraumatisierten Patienten und massiven Weichteilschäden sowie Kettenverletzungen der oberen Extremität. Die Platzierung der Fixateurpins sollte eine Tenodese und Transfixation ortsständiger Muskulatur und Sehnen vermeiden und den Verlauf neurovaskulärer Strukturen (insbesondere N. radialis, ulnaris und musculocutaneus) berücksichtigen.

Unterarm und offener Weichteilschaden

Die Indikation für eine intramedulläre Versorgung von Unterarmfrakturen sollte nur bei absolut labiler und prekärer Weichteilsituation gestellt werden, da hierdurch insbesondere bei Segment- und Mehrfragmentfrakturen keine anatomische Reposition und zufrieden stellende Rotationsstabilität gewährleistet werden kann. Beim schweren Polytrauma bleibt zur schnellen primären Versorgung in Abhängigkeit von den Begleitverletzungen der externe Fixateur Mittel der Wahl. Die sekundäre Stabilisierung wird nach Weichteilkonsolidierung geplant und dann zumeist in Form winkelstabiler Plattenostosynthesen durchgeführt (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

44-jähriger Patient nach Fenstersturz. a Grad IIIb offene distale Unterarmfraktur mit ausgeprägtem segmentalem Knochenverlust (Inset: vom Notarzt am Unfallort eingesammelte Fragmente). b Postoperative Röntgenkontrolle nach initialem Débridement, Resektion avitaler Knochenfragmente und primärer radioulnokarpaler Stabilisierung mit Fixateur externe. c, d Vaskulär gestieltes Fibulatransplantat nach Entnahme und in situ nach Stabilisierung mit winkelstabiler Platte (LCP) sowie Anschluss an die A. ulnaris. e Postoperative Röntgenkontrolle nach vaskulärem Fibulatransfer. f Ausheilungsbild nach operativer Revision mit Plattenwechsel und Anlagerung autologer Beckenkammspongiosa. g Klinisches Ergebnis 8 Monate postoperativ

Offene epi-/metaphysäre und intrartikuläre Frakturen

Nach initialem gründlichem Débridement und Verschluss des Gelenks entweder direkt oder aber mit synthetischen, alloplastischen Materialen (wundokklusive Vakuumverbände , synthetische Hautersatzmaterialien, z. B. Epigard ®, Fa. Orthomed, Wien, Österreich) können intraartikuläre oder weit proximale/distale meta/epiphysäre Frakturen im Bereich von oberer und unterer Extremität, die zu einem späteren Zeitpunkt einer aufwendigen Rekonstruktion und inneren Stabilisation bedürfen, durch gelenküberbrückende Fixateur-externe-Transfixation primär stabilisiert werden. Sekundär sind solche Frakturen – von einzelnen erweiterten Indikationen der Marknägel der neuen Generation (winkelstabile Verriegelungsbolzen) abgesehen – Domäne der Platten- und Schraubenosteosynthese.

Im Hinblick auf die Funktion und Verminderung des posttraumatischen Arthroserisikos ist die anatomische Rekonstruktion der Gelenkflächen obligat. Aufgrund der neuen Entwicklungen im Implantatdesign und minimal-invasiver Implantationstechniken (minimal-invasive Plattenosteosynthese , MIPO; Less Invasive Stabilisation System , LISS) besteht durch die Möglichkeit der perkutanen Implantation auch bei höhergradig offenen Frakturen die Option, weichteilschonende und minimal-invasive Osteosynthesen durchzuführen. Durch die Entwicklung anatomisch vorgeformter, winkelstabiler Implantate sind komplexe Frakturen mit einer hohen Primärstabilität auch ohne Doppelzugänge und zusätzliche mediale oder laterale Abstützungsosteosynthesen zu versorgen. Durch die winkelstabile Schraubenverankerung sind die neuen Implantate ähnlich einem Fixateur interne konzipiert, und der limitierte Kontakt der Platten zum Periostschlauch bietet den Vorteil, die durch das Trauma vorgeschädigte periostale Vaskularisation nicht weiter zu reduzieren.

Primäre Verkürzung und sekundäre Verlängerung

Bei Vorliegen einer Defektsituation durch zirkumferenten Verlust von Haut- und Muskelsubstanz, sowie versprengten oder avitalen und deperiostierten Knochenfragmenten (segmentaler Knochenverlust) bei Grad-IIIB- und -IIIC-Frakturen ist die primäre Verkürzung der Extremität eine probate Strategie [88]. Durch die Verkürzung kommt es zu einer Volumenzunahme und damit Druckabnahme in den Kompartimenten und zu einer Verbesserung der mikrovaskulären Gewebeperfusion. Ferner kann durch eine primäre Verkürzung eine Approximierung von Gefäßstümpfen und damit die direkte spannungsfreie Naht erfolgen, wodurch Veneninterponate und doppelte Anastomosen vermieden werden können (Abb. 2).

Außerdem stehen durch die Verkürzung im Bereich der Frakturzone relativ gesehen mehr Weichteile zur Defektdeckung zur Verfügung und die Entfernung avitaler und deperiostierter Knochenfragmente führt zu größeren Kontaktflächen zwischen den Frakturenden. Bei zirkumferentem Weichteildefekt kann durch die Verkürzung bei ebenfalls vorliegendem Knochenverlust oftmals auch eine Lappendeckung umgangen werden. Da im Randbereich der Periostschlauch eher intakt und damit die Durchblutung erhalten ist, wird die Frakturheilung insgesamt begünstigt [30].

Etwa 6–12 Monate später kann im zweiten Schritt bei signifikanter Längendifferenz durch vaskularisierte Knochentransfers, durch Distraktionsosteogeneseverfahren mit internen (expandierbare Nägel) oder externen Verfahren (Ilizarov-Segmenttransport) die Extremitätenlänge entsprechend der unverletzten Seite angepasst werden. Die primäre Verkürzung und sekundäre Distraktion kann im Vergleich zur „traditionellen“ Etappenrekonstruktion zu einer Reduktion von Folgeeingriffen und besserer Funktionalität für die Patienten führen [88] und ist streng genommen nur an der unteren Extremität relevant. Allerdings ist der Erfolg der Behandlung in hohem Maß abhängig von der Patientencompliance, und die Indikationsstellung sollte je nach Verletzung, Weichteilbefund und funktionellem Anspruch streng gestellt werden [30].

Management des segmentalen Knochenverlusts

Segmentale Knochendefekte können entweder Folge von Hochrasanztraumen, Ergebnis des radikalen Débridements oder aber residual nach bereits durchgeführter primärer Verkürzung entstehen. Letztere hat ihre Grenzen aufgrund eines einsetzenden Gefäßkinkings und peripherer Perfusionsprobleme ab einer Verkürzungsstrecke >3–5 cm. Voraussetzung zur Rekonstruktion segmentaler Knochendefekte ist die Wiederherstellung eines vitalen, gut perfundierten und infektfreien Weichteilmantels. An biologischen Rekonstruktionen stehen neben autologen freien und vaskularisierten Knochentransfers (freie und/oder vaskularisierte Fibula- oder Beckenkammtransplantate) die Distraktionsosteogenese via externer oder interner Osteosyntheseverfahren zur Verfügung. Ilizarov-Fixateurdistraktionen kommen fast nur an der unteren Extremität zum Einsatz und haben den Vorteil einer ausbleibenden Entnahmemorbidität [89, 90, 91], der gleichzeitigen mehrdimensionalen Korrektur von Achsfehlstellungen (Länge, Angulation, Translation und Rotation) und der Vollbelastung während der Zeit der Distraktion [92, 93, 94].

Bei langstreckig strukturellen Defekten besteht im Hinblick auf die Wiederherstellung der Extremitätenintegrität die Möglichkeit der Kombination von mechanischen Stützkonstruktionen (z. B. Cages, Custom-made-Spacer mit dreidimensionalem Gitterkern) mit biologischer Unterstützung durch z. B. autologe Beckenkammspongiosa, Markraumspongiosa durch RIA® (Reamer-Irrigator-Aspirator, Synthes GmbH, Umkirch, Deutschland) und/oder Wachstumsfaktoren wie Bone Morphogenetic Protein (BMP-) 2 und 7. Zusätzlich zur reinen mechanischen Abstützung (hohe Primärstabilität) bietet die Stützkonstruktion ein „Lager“ für die biologischen Zusätze und damit gleichsam eine Leitstruktur/Matrix für das Knochenwachstum (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

23-jährige Patientin mit Grad IIIB offener distaler Unterschenkelfraktur und komplexem Fußtrauma nach suizidalem Fenstersprung mit transkalkanearem (gelber Pfeil) segmentalem Verlust der distalen Tibia. a Röntgenkontrolle nach initialer Transfixation. b Ex-situ-Ansicht. c In-situ-Fixation von 2 Harms-Cages gefüllt mit autologer Beckenkammspongiosa, Bone Morphogenetic Protein 7 und RIA- (Reamer-Irrigator-Aspirator-) Material aus dem ipsilateralen Femur. d Postoperative Röntgenkontrolle mit implantierten Cages als Meta-/Diaphysenersatz und Arthrodese von oberem/unterem Sprunggelenk mit retrogradem Verriegelungsmarknagel (HAN, Hindfoot Arthrodesis Nail, Fa. Synthes, Umkirch, Deutschland)

Am Oberschenkel ist der Einsatz von Ilizarov-Fixateuren aus Weichteilgründen eher problematisch und bleibt Ausnahmeindikationen vorbehalten. Dabei kann das Ilizarov-Fixateurverfahren bei Frakturen mit simultanem segmentalem Knochen- und Weichteilverlust und limitierter Option der Lappendeckung zur akuten Verkürzung verwendet werden. Lerner et al. konnten bei 12 Grad IIIB offenen Frakturen und einer mittleren Defektstrecke von 7,9 cm und der Verwendung des Ilizarov-Ringfixateurs zur akuten Verkürzung gute Ergebnisse berichten und die Notwendigkeit freier Lappentransfers reduzieren [95, 96].

Temporäre, beabsichtigte Angulationen und Achsabweichungen während der akuten Verkürzung mit frühsekundärer Achskorrektur können zu einer verbesserten Wundheilung und Weichteilkonsolidierung in kritischen Bereichen beitragen. Die Achskorrektur erfolgt dann nach Weichteilkonsolidierung über den liegenden Ringfixateur [96, 97]. Eine Kombination des Ilizarov-Verfahrens mit intramedullären Verfahren (Verriegelungsmarknägel) entweder simultan oder sequenziell (nach Abschluss der Distraktion und Regeneratkonsolidierung) erlaubt dann einen achsgerecht geführten Segmenttransport (Monorail) über den Marknagel [98].

An der oberen Extremität kommen aus Gründen der Anatomie, des Weichteilmantels und der Biomechanik zur Rekonstruktion ausgedehnter Knochendefekte immer mehr biologische Verfahren in Form eines vaskularisierten Knochentransfers zum Einsatz. Im Allgemeinen wird eine Defektgröße >6 cm als eine Indikation zu einem vaskularisierten Transfer akzeptiert, da freie, nicht vaskularisierte Transplantate oder Spongiosaplastiken erfahrungsgemäß hier keine vergleichbar gute Konsolidierungsrate zeigen. Zum Einsatz kommen hier neben dem vaskularisierten Fibulatransfer (Abb. 4; mit und ohne Epiphyse) auch gefäßgestielte Beckenkammtransplantate und kortikoperiostale Lappen [99]. Die vaskularisierte Fibula eignet sich aufgrund ihrer tubulären Form und biomechanischen Eigenschaften sehr gut zur Rekonstruktion von längeren Unterarmdefekten oder auch zum diaphysären Segmentaufbau am Humerus [100]. Nach Vaskularisation zeigt das perfundierte Fibulagraft im weiteren Verlauf eine deutliche Hypertrophie und passt sich nicht selten dem Humerusdurchmesser an.

Der mikrovaskuläre Gefäßanschluss kann am Oberarm End-zu-Seit an die A. brachialis, am Unterarm entweder End-zu-End an die A. interossea oder aber End-zu-Seit an die A. ulnaris oder radialis erfolgen. Die Fixierung an den ortsständigen Knochen kann entweder über eine Stufenosteotomie und dann mit einer Schraubenosteosynthese erfolgen oder aber zusätzlich mit rigiden, möglichst winkelstabilen Plattensosteosynthesen durchgeführt werden. Am proximalen und auch distalen Humerus kann ferner versucht werden, das Graft in den Markraum einzupassen. Stufenosteotomien haben zwar den Vorteil der besseren Kontaktfläche, prädisponieren aber bei nicht ganz exakter Planung und Durchführung zu Rotationsfehlern. Aufgrund des zu erwartenden biomechanischen Stresses und der erhöhten Torsionskräfte hat es sich unserer Erfahrung nach bewährt, die gesamte Defektrekonstruktion mit einer Platte zu überbrücken [89, 90].

Heitmann et al. haben über Ergebnisse zur Rekonstruktion von Compounddefekten am Oberarm mit kombinierten Weichteil-Knochensegmentdefekten mit einem osteomyokutanen Fibulatransfer berichtet und konnten mit zusätzlichen Spongiosaplastiken gute Ergebnisse erzielen [101]. Yazar et al. haben ähnliche Resultate auch an der unteren Extremität für kombinierte Knochen-/Weichteildefekte im Rahmen einer einzeitigen „One-stage-Rekonstruktion“ erreichen können [102].

Abschließend bleibt noch die von Masquelet et al. beschriebene Technik zur segmentalen Knochendefektrekonstruktion zu erwähnen. Sie basiert auf einem zweizeitigen Vorgehen bei dem nach Débridement und Resektion residualer Fragmente die gesamte Defektstrecke mit einem Zementspacer (PMMA) temporär gefüllt, stabilisiert und überbrückt wird. Dieser wird 3–4 Wochen nach Weichteilverschluss entfernt. Die um den Zement gebildete synovialisähnliche Membran dient dann als biologische Kammer und Grenzschicht, in welche autologe Spongiosa gefüllt wird. In Verbindung mit zumeist einer Plattenosteosynthese konnte Masquelet dann eine komplette Konsolidierung und Reformation zu biomechanisch suffizientem und tubulärem Knochen beobachten [1, 103].

Weichteilrekonstruktion

Das Ziel der Weichteilrekonstruktion ist es, nach Konsolidierung der Weichteile möglichst früh die vulnerablen neurovaskulären Strukturen und auch freiliegende, denudierte Knochenabschnitte und die Frakturzone mit einem suffizienten Weichteilmantel zu bedecken. Dieser bietet neben dem mechanischen auch biologischen Schutz. Sofern möglich, sollte die Funktion und nachgeordnet auch die Kosmetik der Extremität nicht negativ beeinflusst werden. Am Anfang des Weichteildeckungskonzepts steht die exakte Analyse und Definition des Schadensausmaßes und der Wundgrundbedingungen. Wundgrundqualität, Größe und Lokalisation des Defekts, regionale funktionelle Erfordernisse und Konditionierungsmöglichkeiten sind wesentliche Parameter in der Indikationswahl der Deckungsoptionen.

Der direkte primäre Wundverschluss ist nur für saubere Grad I bis II offene Frakturen zu empfehlen, nachdem zuvor ein ausgiebiges Débridement inklusive Wundrandexzision sowie eine sorgfältige Spülung der Wunde durchgeführt worden und ein spannungsfreier Verschluss möglich ist. Gegenüber dem verzögerten Verschluss hat sich bei diesem Vorgehen keine höhere Infekt- oder verzögerte Heilungsrate gezeigt [104].

Bei grober Verschmutzung und dem Verdacht einer massiven Kontamination der Wunde ist auch für diese Frakturen der verzögerte Verschluss nach programmierten Redébridements und temporärer Deckung mit alloplastischen Hautersatzmaterialien (z. B. Epigard®, Fa. Orthomed, Wien, Österreich) oder Vakuumversiegelungstechniken (Vacuum Assisted Closure, V.A.C.®, Fa KCI San Antonio, TX, USA; Abb. 1) durchzuführen. Dies sollte spätestens nach 5–7 Tagen geschehen und kann meist durch sekundäre Wundnaht oder mittels Spalthauttransplantation erfolgen. Ein Weichteilverschluss durch dynamische Sekundärnaht ergibt sich typischerweise nach Kompartmentdekompression.

Der Erfolg einer Hauttransplantation hängt maßgeblich von der nutritiven Potenz des unterliegenden Gewebes ab, sodass hier die entsprechenden Voraussetzungen gefordert sind. Eine primäre Deckung mit Hauttransplantaten erfordert einen gut vaskularisierten, granulierten Untergrund, der oftmals mehrere systematische Redébridements zur Reevaluation und Konditionierung erforderlich macht. Die Spalthautdeckung von freiliegenden Sehnen, Gefäßen, Nerven oder denudiertem Knochen bleibt selbst bei Ausschöpfung des Potenzials einer Vakuumtherapie in der Regel erfolglos, sodass in solchen Fällen die Indikation zum entweder lokalen oder freien Lappentransfer gestellt werden muss (Abb. 6).

Höhere Aufmerksamkeit verlangen Grad III offene Frakturen, da hier serielle Débridements unabdingbar für die Reevaluation des Sekundärschadens und die Infektvermeidung sind. Aufgrund der hochgradigen Knochen- und Weichteilzerstörung sowie meist starker Kontamination führt die zwangsläufig notwendige Radikalität der Débridements zusätzlich zu vergrößerten Defekten, die im Anschluss häufig eine aufwendige plastische Deckung mit gut durchblutetem Gewebe in Form von Lappentransfers erfordern. Der Lappendeckung geht in der Regel zur Wundkonditionierung ebenfalls eine temporäre Weichteildeckung mittels Hautersatzmaterialen oder Vakuumversiegelungsverbänden voraus (Abb. 1).

Die Frage der Versorgung richtet sich hierbei nach grundsätzlichen und lokalen Faktoren. Als systemische Faktoren sind das Alter und der Funktionsanspruch sowie Begleiterkrankungen des Patienten wie z. B. Diabetes mellitus, vaskuläre Grunderkrankungen (Kollagenosen), periphere arterielle Verschlusskrankheit, chronisch venöse Insuffizienz und Immunschwächesyndrome zu berücksichtigen. Lokal entscheidend sind die Größe, Tiefe und Lokalisation des Defekts, lokale arteriovenöse Anschlussmöglichkeiten sowie die Wundgrundqualität, Vaskularisation und Innervation. Auch stattgehabte Frakturen und vorangegangene Zugänge im Operationsgebiet müssen im Rahmen der präoperativen Planung mit einbezogen werden.

Als Deckungsmöglichkeiten stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:

  • der nicht gestielte Transfer von ortsständigem Gewebe (z. B. lokaler Muskeltransfer mit anschließender Spalthautdeckung),

  • lokale gestielte Muskellappen (z. B. M. gastrocnemius, M. soleus),

  • fasziokutane Lappen (Radialislappen, Suralislappen etc.)

  • der freie Lappentransfer (z. B. M. latissimus dorsi, M. gracilis; Abb. 1, Abb. 6),

  • Fernlappentechniken (Leistenlappen, Bauchhautlappen etc.).

Bezüglich des Timings der Defektdeckung können für das Management von offenen Extremitätenfrakturen 2 Zeitpunkte entschieden werden:

Akute Defektdeckung

Die initiale Defektdeckung im Rahmen der Primärversorgung (<6–24 h) mittels sog. Notfalllappen „emergency free flap“ stellt eine absolute Ausnahme in der Versorgung höhergradig offener Frakturen dar. Ein weiterer Gewebeschaden durch Superinfektion und Austrocknung soll hierdurch vermieden werden („one stage reconstruction“; [102]). Allerdings muss hier das initiale und nur einmalig durchführbare Débridement radikal und enorm sauber durchgeführt werden. Die akute Notfalllappendeckung kann indiziert sein bei freiliegenden Gefäßen, bei glatt begrenzten Defekten mit freiliegenden Nerven oder bei eröffneten Gelenken. Eine gute Indikation ist die Notfallfiletlappendeckung, bei der Gewebe eines amputierten oder nicht rekonstruierbaren Extremitätenabschnitts für die Deckung weiter proximal gelegener, komplexer Defekte genutzt wird [105].

Verzögerte früh-sekundäre Defektdeckung

Die verzögerte früh-sekundäre Defektdeckung (24–72 h) als Standardvorgehen hat den Vorteil, dass der pathophysiologischen Entwicklung und Dynamik des Sekundärschadens durch die seriellen Débridements Rechnung getragen werden kann. Weiterhin können das regrediente posttraumatische Ödem, das Ausmaß des zu débridierenden Gewebes und damit auch potenziell zu erwartende Funktionsdefizite schrittweise reevaluiert werden. Ferner wird die bakterielle Kontamination vermindert. Gerade bei polytraumatisierten Patienten ist die früh-sekundäre, verzögerte Lappendeckung indiziert, da im Rahmen des „Damage-control-Konzepts“ die initiale Operationszeit so gering wie möglich gehalten werden sollte.

Bezüglich des optimalen Zeitpunkts gibt es einige Kontroversen, jedoch wird allgemein die Weichteildeckung innerhalb 72 h favorisiert, um die Zahl von operativen Prozeduren zu minimieren und die Lappenkomplikationsrate zu senken. Ferner scheinen die Osteomyelitisrate und das Auftreten einer verzögerten Frakturheilung von einer frühen Deckung innerhalb der ersten 3 bis maximal 5 Tage zuverlässig gesenkt zu werden [106]. Zeitpunkte länger als 2 Wochen führen zu einer signifikanten Erhöhung der Infektrate durch vorwiegend nosokomiale Hospitalkeime mit der Gefahr des Lappeninfekts/-untergangs [26, 107].

Abb. 6
figure 6

a 26-jährige Patientin mit Weichteilinfekt/-defekt bei Zustand nach Plattenosteosynthese einer Pilon-tibiale-Fraktur (externes Krankenhaus). b Fixateur-externe- und Kirschner-Draht-Fixation nach partieller Implantatentfernung. c, d Präparation und Entnahme eines freien M.-gracilis-Lappens der kontralateralen Seite. e Anschluss an die A. tibialis posterior. f Postoperativer Befund nach Lappentransfer und Meshgraftdeckung

Obere Extremität

Lokale fasziokutane Lappenplastiken an Ober- und Unterarm sind hinsichtlich der Größe des zu deckenden Defekts und der beim ausgedehnten Weichteilschaden oftmals konkomitanten Schädigung des Spenderareals limitiert [108, 109]. Gute Deckungsmöglichkeiten auch großer Defekte, im Bereich von Schulter und Oberarm bis in die Ellenbogenregion reichend, bietet bei geringer Hebemorbidität der gestielte Latissimus-dorsi-Lappen , der sich bei Bedarf unter Erhalt der Innervation auch für einen funktionellen Transfer zur Wiederherstellung der Schulterabduktion oder der Ellbogenstreckung eignet [110, 111].

Im Bereich von Unterarm und Handgelenk eignen sich prinzipiell auch gestielte Lappenplastiken in Form des Radialis- und des posterioren A.-interossea-Lappens, welcher die A. radialis und ulnaris nicht einbezieht. Ersterer besitzt eine nicht unerhebliche Hebemorbidität und setzt zumindest einen intakten Hohlhandbogen voraus, da er die A. radialis opfert, was bei vorliegendem Weichteilschaden und ohnehin eingeschränkter peripherer Durchblutung manchmal problematisch sein kann. Das Pendant zum distal gestielten A.-radialis-Lappen stellt der A.-ulnaris-Lappen dar, welcher allerdings aufgrund der für die Handperfusion häufig dominanten A. ulnaris vergleichsweise selten verwendet wird.

Als Fernlappen kann mit dem gestielten Leistenlappen bei langer Stielbildung jede Stelle im Bereich der Hand und des Unterarms erreicht werden [112]. Insbesondere bei nur durch ein Gefäß gewährleisteter peripherer Perfusion und schwierigen lokalen Anschlussverhältnissen für potenzielle mikrovaskuläre Anastomosen freier Lappen ist der Leistenlappen eine sichere Alternative. Aufgrund der jedoch für mindestens 3 Wochen in die Leiste eingenähten und damit immobiliserten Unterarm-/ Handregion finden bei einem Komplextrauma im Unterarm- und Handgelenksbereich, insbesondere wenn eine relevante Verbesserung der regionalen Perfusion erforderlich ist, freie Lappenplastiken (z. B. M.-latissimus-dorsi-Lappen, Paraskapularlappen, M.-gracilis-Lappen, M.-rectus-abdominis-Lappen, anterolateraler „thigh perforator flap“) vermehrt Anwendung [17, 113, 114, 115, 116, 117]. Extremitätenfiletlappen mit und ohne Mikroanastomosierung können zudem zur Deckung und zum Längenerhalt bzw. zur Stumpfdeckung einer schwer geschädigten oberen Extremität verwandt werden [105, 118].

Untere Extremität

Am Oberschenkel und in der Glutealregion sind lokale oder gar freie Lappentransfers eher die Ausnahme, da der relativ dicke und gut perfundierte Weichteilmantel zumeist einen sekundären Verschluss oder aber nach Wundgrundkonditionierung eine Spalthaut- (Mesh-graft-) Transplantation erlaubt.

Sollten lokale Lappenplastiken erforderlich sein, so eignet sich der Tensor-fascia-lata-Lappen zur Deckung von Defekten der Leisten-, Oberschenkel- und Trochanterregion. Als gestielter Lappen mit einem zuverlässigen Gefäßpedikel sind die funktionellen Defizite nach Lappenhebung, obwohl der M. tensor fascia lata ein aktiver Hüftbeuger und -abduktor ist, eher zu vernachlässigen.

Defekte rund um die Knieregion und im proximalen Drittel des Unterschenkels können hervorragend mit dem medialen oder lateralen Gastroknemiuslappen erreicht werden. Beide Lappen sind extrem zuverlässig und haben jeweils aus der A. poplitea entspringende Gefäßpedikel. Der laterale Gastroknemiusmuskelbauch ist kleiner und sein Aktionsradius ist durch die Fibula und den N. peronaeus eher limitiert. Beide Gastroknemiusmuskellappen können auch miteinander kombiniert werden, um komplexe ausgedehnte Defekte muskulär zu decken. Durch Stichelung des Sehnenspiegels auf der dem M. soleus zugewandten Seite kann der Lappen an Breite gewinnen und der sehnige Übergang zur Achillessehne kann – falls nötig – auch zur Rekonstruktion/Augmentation des Streckapparats (Patellarsehne) verwendet werden. Die funktionellen Defizite nach Entnahme sind sicherlich vorhanden, nur aufgrund der zugrunde liegenden Komplexverletzung der betroffenen Extremität schwierig einzuschätzen.

Weiter nach distal reichende, das mittlere Unterschenkeldrittel einbeziehende Defekte können mit dem proximal oder distal gestielten medialen Hemi- oder totalen Soleuslappen gedeckt werden. Der Lappen ist gleichfalls zuverlässig und hinterlässt nach Entnahme kaum funktionelle Defizite.

Je weiter distal die Defektlokalisation liegt, desto schwieriger wird die suffiziente Weichteildeckung und desto eher sind freie Lappenplastiken indiziert. Für weit distal gelegene Defekte stehen noch neben dem M.-flexor-hallucis-longus-Lappen eine Reihe fasziokutaner Lappen (A.-dorsalis-pedis-Lappen, Suralislappen, A.-tibialis-posterior-Lappen, lateraler Supramalleolarlappen) zur Verfügung. Diese Lappen sind aber bei Komplexverletzungen aufgrund der posttraumatisch gestörten venösen Drainage oftmals trotz intakter arterieller Gefäßversorgung vergleichsweise unsicher und sollten nur dann verwendet werden, wenn das Spenderareal klar außerhalb der Verletzung liegt [119, 120].

Freie Lappentransfers am distalen Unterschenkel richten sich nach Größe und Art des Defekts. Bei freiliegendem Knochen und schlechter lokaler Durchblutung kommen eher Muskellappen (M.-latissimus-dorsi-Lappen, Grazilislappen, M.-rectus-abdominis-Lappen, anterolateraler „thigh perforator flap“) in Betracht ([121]; Abb. 1, Abb. 6). Freiliegende Sehnen und Nerven ohne nennenswertes Perfusions- oder Infektproblem können auch für freie fasziokutane Lappen („thigh perforator flap“, Radialislappen) verwendet werden. Beide Lappentypen können in Abhängigkeit vom Lappentyp zur verbesserten arteriellen Perfusion und reduzierten venösen Stauung aus der Peripherie und aus dem Lappen auch als Durchflusslappen konzipiert und transferiert werden.

Fazit für die Praxis

Die offene Extremitätenverletzung (Fraktur mit offenem Weichteilschaden) ist ein chirurgischer Notfall, dessen Behandlung im Rahmen eines definierten Behandlungskonzepts erfolgt. Dieses Konzept richtet sich nach einem vorgegebenen Algorithmus, der jedoch aufgrund der Individualität der jeweiligen Verletzung und unter Berücksichtigung des Gesamtverletzungsmusters den vorliegenden Gegebenheiten angepasst werden muss. Dies erfordert eine große Erfahrung des Chirurgen und oft die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen wie Unfall-, plastischer-, Neuro-, Hand- und Mikrochirurgie. Von größter Wichtigkeit sind die initiale Einschätzung der Verletzung und des Weichteilschadens, um zügig die notwendigen Schritte der rekonstruktiven Behandlungskaskade in Gang zu setzen und die bedarfsgerechte, präzise Therapieplanung vor dem Hintergrund der bestmögliche Heilung und Funktion der Extremität zu erreichen.

CME-Fragebogen

Welche Aussage bezüglich der Antibiotikagabe bei offenen Frakturen trifft zu?

Die Entscheidung einer Antibiotikagabe stützt sich auf das Ausmaß des offenen Weichteilschadens.

Empfohlen wird die Verabreichung innerhalb eines 6-Stunden-Fensters.

Eine Monotherapie ist in der Regel ausreichend.

Bei landwirtschaftlichen Verletzungen ist von einem speziellen Keimspektrum mit v. a. aeroben Bakterien auszugehen.

Das Infektionsrisiko steigt mit der Schwere des offenen Weichteilschadens.

Welche Aussage bezüglich des Kompartmentsyndroms ist richtig?

Der Sensibilitätsausfall bei gespannten Muskellogen ist ein Frühwarnzeichen für ein Kompartmentsyndrom.

Bei einem manifesten Kompartmentsyndrom sollte eine elastokompressive Wickelung und Hochlagerung der betroffenen Extremität durchgeführt werden.

Das manifeste Kompartmentsyndrom gilt als überwachungspflichtig und sollte für ca. 24 h beobachtet werden.

Ein Kompartmentsyndrom kann nach erfolgter vaskulärer Rekonstruktion im Rahmen des Reperfusionsödems auftreten.

Ein Kompartmentsyndrom findet sich vergleichsweise häufiger an der oberen als an der unteren Extremität.

Welche Aussage trifft für einen 75-jährigen Patienten mit einer Grad IIIC (Gustilo/Anderson) offenen C3-Unterschenkelfraktur zu?

Die Gefäßrekonstruktion muss immer vor der Frakturstabilisierung stattfinden.

Das initiale Débridement sollte so sparsam wie möglich erfolgen.

Bei initial relativ sauberen Wundverhältnissen kann auf geplante Redébridements verzichtet werden.

Bei Patienten >60 Jahren sollte die initiale Amputation der Rekonstruktion vorgezogen werden.

Die primäre Frakturstabilisierung sollte mittels Fixateur externe erfolgen.

Ein 25-jähriger Patient zieht sich im Rahmen eines Motorradunfalls eine offene Fraktur der linken Tibia zu. Bei der klinischen Untersuchung im Schockraum ist die Haut über die Hälfte der Zirkumferenz décollementartig abgeledert, die Tibiadiaphyse ist mehrfragmentär frakturiert und partiell deperiostiert. Der periphere Pulsstatus ist nach Reposition regelrecht. Um welchen Grad des Weichteilschadens handelt es sich?

Gustilo/Anderson II.

Gustilo/Anderson IIIA.

Gustilo/Anderson IIIB.

Gustilo/Anderson IIIC.

Tscherne O2.

Welche Aussage ist richtig? Die Frakturstabilisierung bei komplexen offenen Extremitätenverletzungen...

führt zu einer Beruhigung der systemischen Hyperinflammation beim polytraumatisierten Patienten.

ist unabhängig von der Frakturlokalisation und vom Frakturtyp.

führt bei primärer Verkürzung zu einer Volumenabnahme und Druckzunahme in den jeweiligen Kompartimenten.

vermindert den venösen Rückfluss aus dem Verletzungsgebiet.

sollte vorzugsweise nach der Gefäßrekonstruktion erfolgen.

Welche Aussage bezüglich des Débridements bei komplexen offenen Extremitätenverletzungen trifft nicht zu?

Serielle Débridements sollten im 24- bis 48-h-Rhythmus durchgeführt werden.

Das Ziel des radikalen Débridements ist, die maximale Dekontamination der Wunde zu erreichen.

Beim radikalen Débridement werden alle avitalen Gewebeanteile inklusive Myonekrosen und kontusionierter Nerven exzidiert.

Inkonsequentes Débridement führt zu einer Steigerung des Sekundärschadens.

Kriterium für die intraoperative Vitalitätsbeurteilung von Knochen ist die Blutung aus den Frakturenden und der Zustand der periostalen Bedeckung.

Welche Aussage bezüglich der Gefäßrekonstruktion bei höhergradig offenen Extremitätenfrakturen trifft zu?

Nach Möglichkeit sollten spannungsfreie End-zu-Seit-Anastomosen durchgeführt werden.

Allogene Materialen sind autogenen Materialien aufgrund der Entnahmemorbidität vorzuziehen.

Läsionen der A. subclavia und der A. axillaris sind häufig mit Plexusläsionen assoziiert.

Eine primäre Verkürzung um 6 cm und mehr kann immer ohne relevantes Gefäßkinking durchgeführt werden.

Endovaskuläre Therapien haben keinerlei Stellenwert im Behandlungsschema.

Eine 34-jährige, polytraumatisierte Patientin (ISS >20) mit Schädel-Hirn-Trauma III°, bilateralem Thoraxtrauma, einer Kettenverletzung der oberen Extremität, d. h. einer Grad IIIC offenen Oberarmschaftfraktur (inkl. kompletter Radialisparese) und einer distalen intraartikulären Radiusfraktur nach Sturz aus 10 m Höhe wird in die Notaufnahme eingeliefert. Welche initiale/nachfolgende Maßnahme ist nicht korrekt?

Fotodokumentation des Befunds.

Einmalige präoperative Inspektion des Befunds durch den Erfahrensten im Team.

Initiale Behandlung der Patientin nach dem ATLS-Protokoll.

Sofortige offene Reposition und Marknagelosteosynthese der Humerusfraktur, Darstellung des N. radialis, Plattenosteosynthese der Radiusfraktur.

Ausgedehntes Débridement der Weichteile und Spülung mit gepulstem Jetlavagesystem.

Welche Aussage ist zutreffend? Die arterielle Angiographie in der Diagnostik von Gefäßläsionen bei komplexen offenen Extremitätenfrakturen …

ist dann indiziert, wenn das Muster des peripheren Perfusionsausfalls nicht mit der Lokalisation der offenen Fraktur übereinstimmt.

ist besonders bei langstreckigen Verschlüssen indiziert.

ist in Bezug auf die Sensitivität der Dopplersonographie deutlich überlegen.

wird bei höhergradig offenen Frakturen standardmäßig durchgeführt.

gilt auch bei mehrsegmentaler Gefäßläsion als sicheres Diagnostikum.

Welche Aussage bezüglich der Lappendeckung im Rahmen der Weichteilrekonstruktion einer im landwirtschaftlichen Bereich zugezogenen, initial stark kontaminierten Grad IIIB offenen Fraktur ist korrekt?

Die Lappendeckung sollte frühestens nach 10 Tagen erfolgen.

Eine Lappendeckung später als 2 Wochen steigert signifikant die Infektrate durch nosokomiale Hospitalkeime und erhöht das Risiko von Lappenthrombosen.

Der Gastroknemiuslappen ist gut zur Defektdeckung im Bereich des distalen Unterschenkels geeignet.

Nach Möglichkeit sollte eine akute Lappendeckung im Sinne eines „emergency free flaps“ favorisiert werden.

Der freie Grazilislappen kann an der oberen Extremität auch funktionelle Aufgaben im Sinne einer Schulteradduktion übernehmen.