Anamnese

Ein 58-jähriger Patient stellte sich in unserer Klinik mit eingeschränkter Gehfähigkeit, bedingt durch eine Instabilität des Mittelfußes, vor. Neben einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II mit ausgeprägter Neuropathie bestand eine ausgeprägte Adipositas (BMI 32). Auf der kontralateralen Seite war der Patient bereits aufgrund einer Charcot-Arthropathie mit plantarem Ulkus und schwerer Infektion behandelt worden.

Befund

Bei Aufnahme war der Fuß ödematös geschwollen, ohne Ulzerationen oder Zeichen einer Infektion. Es bestanden eine Rückfußequinusstellung und eine Hypermobilität im Mittelfuß mit beginnendem Schaukelfuß (Abb. 1). Die Gehfähigkeit war aufgrund der Instabilität deutlich eingeschränkt.

Abb. 1
figure 1

Ödematös geschwollener Charcot-Fuß mit aufgehobenem Fußgewölbe und Spitzfußstellung aufgrund einer Achillessehnenverkürzung

Die konventionelle Bildgebung zeigte eine Luxationsfraktur im Chopart-Gelenk mit Destruktion des Os naviculare und des Os cuboideum (Abb. 2 a, b). Der tarsometarasale Winkel zeigte einen Einbruch von ca. 20°.

Abb. 2
figure 2

a Röntgenbild a.p. des Charcot-Fußes mit Destruktion des Os naviculare und Einbruch im Chopart-Gelenk. b Seitliches Röntgenbild des Charcot-Fußes mit einem Talometatarsalewinkel von 20°

Diagnose

Wir diagnostizierten eine diabetisch-neuropathische Osteoarthropathie (DNOAP) mit Einbruch im Chopart-Gelenk und partieller Destruktion der Tarsalia sowie einem Rückfußequinus (Stadium II nach Eichenholtz, Typ III nach Sanders und Frykberg, Typ 2 nach Brodsky, Typ IIIC nach Schon).

Therapie und Verlauf

Aufgrund des Einbruchs mit Hypermobilität und Destruktion im Chopart-Gelenk stellten wir die Indikation zur Operation. Vor der eigentlichen Mittelfußrekonstruktion erfolgte eine offene Achillessehnenverlängerung durch Z-Plastik zur Aufhebung des fixierten Rückfußequinus. Dann wurde die Mittelfußluxation geschlossen reponiert. Anschließend wurde ein Ilizarov-Ringfixateur (Smith & Nephew GmbH, Marl, Deutschland) montiert. Zuerst wurden 2 Ringe an der Tibia angebracht. Dann erfolgte die Montage der Fußplatte, in die der Fuß ohne interne Osteosynthese in korrigierter Stellung mit Drähten fixiert wurde (Abb. 3). Dabei wurden der Kalkaneus und die Metatarsalia gefasst. Durch das Spannen der nach distal gebogenen Vorfußdrähte konnte eine Kompression auf die Fraktur erreicht werden. Der pathologische talometatarsale Winkel von 20° konnte intraoperativ komplett aufgerichtet werden (Abb. 3, Abb. 4 a).

Abb. 3
figure 3

Postoperatives klinisches Bild nach Anlage des Ringfixateures. Das Längsgewölbe des Fußes ist wieder hergestellt

Abb. 4
figure 4

a Postoperative seitliche Röntgenkontrolle mit einem Talometatarsale Winkel von 0°. b Sinterung des Talometatarsalewinkels bis auf 8° im Verlauf

Dem Patienten wurde postoperativ die Belastung der Ferse erlaubt. Eine Infektion der Pineintrittsstellen trat nicht auf. Der Fixateur wurde bei Konsolidierung der Fraktur nach 10 Wochen entfernt (Abb. 4 a). Bis zur Fertigstellung des stabilisierenden Hochschaftschuhs erfolgte eine Ruhigstellung in einem „total contact cast“ (TCC). Im Maßschuh durfte der Patient voll belasten.

Aktuell ist der Patient nach über einem Jahr beschwerdefrei und mit seinem orthopädischen Maßschuh als Bauleiter wieder voll berufstätig. Klinisch ist der Fuß weitgehend abgeschwollen und bei manueller Prüfung und unter Belastung stabil. Der Mittelfuß ist leicht nachgesintert, sodass unter Belastung der Talometatarsalewinkel seit 6 Monaten konstant bei 8° liegt (Abb. 4 b). Bis heute traten keine Ulzeration oder eine pathologische Beschwielung auf.

Diskussion

Die DNOAP ist durch eine Destruktion des Fußskeletts, einhergehend mit Frakturen und Gelenkluxationen, gekennzeichnet. Die Inzidenz der DNOAP liegt bei ca. 0,3%/Jahr, die Prävalenz beträgt in spezialisierten Fußbehandlungseinrichtungen ca. 13%. Eine DNOAP tritt bei 5,9% bis zu 39,3% der Patienten bilateral auf [1] und stellt mit und ohne Infektion ein schwerwiegendes Behandlungsproblem dar. Die Knochen- und Gelenkdestruktionen mit dem daraus folgenden Kollaps des Fußskeletts führen häufig zu plantaren Druckulzerationen. Diese Ulzerationen erschweren als Eintrittspforte für bakterielle Infektionen die Therapie und verschlechtern die Prognose des Extremitätenerhalts. Der akute Charcot-Fuß mit Osteopenie im Bereich des Fußskeletts wird durch eine konsequente Entlastung behandelt. Nach Reossifikation und Wiedererlangen der Stabilität kann der Fuß mit einem entsprechenden Schuh versorgt werden. Das Gleiche gilt für geringfügige Einbrüche. Hier kommt orthopädisches Maßschuhwerk zur Anwendung.

Operative Therapie

Die Indikation zur operativen Therapie besteht bei progredienten, nicht konservativ zu versorgenden Einbrüchen, dem Charcot-Rückfuß oder bei drohenden oder bestehenden Druckulzerationen. Ziel ist die Bildung eines stabilen, belastbaren, plantigraden Fußes. Dadurch kann bei mehr als 90% der Patienten der Fuß erhalten werden [2, 3]. Die Komplikationsrate der operativen Therapie der DNOAP ist mit bis zu 20% relativ hoch [3, 4]. Dies und die Tatsache, dass die Therapie des Charcot-Fußes hauptsächlich in der Hand der Diabetologen liegt, führten zur verbreiteten Ansicht, dass Charcot-Füße primär konservativ behandelt werden sollten oder zur Auffassung, dass die Indikation zur Operation eng gestellt werden sollte. Pinzur [5] empfiehlt die Operation bei Hochrisikopatienten, bei denen ein Ulkus droht. Aktuell wird jedoch vermehrt zur frühelektiven, prophylaktischen, chirurgischen Versorgung bei Charcot-bedingten Destruktionen des Fußskeletts geraten [6]. Dies wird auch durch unsere Erfahrungen bestätigt.

Die Rekonstruktion und Stabilisierung im Frühstadium, in dem die Fehlstellung noch mobil ist, sind technisch einfacher als die Rekonstruktion einer knöchern fixierten Fehlstellung oder einer tiefen Infektion. Mit der Reposition vermeidet bzw. therapiert man drohende oder bestehende Ulzerationen und senkt die Infektionsrate, die Hauptgrund für eine Amputation sind. Voraussetzungen sind jedoch eine erhaltene Vaskularität und die nötige Compliance des Patienten.

Interne/externe Verfahren

Bei der operativen Therapie kommen interne und externe Verfahren zur Anwendung. Nach interner Rekonstruktion mit Platten, Schrauben oder Drähten ist eine komplette Entlastung erforderlich. Diese kann ein Großteil der Patienten nicht einhalten. Durch die fehlende Sensibilität wird die Fußbelastung nicht bemerkt, was zum Ausbruch des Osteosynthesematerials und zum Verlust der Reposition führt.

Bei den externen Verfahren wird vorwiegend der Ringfixateur eingesetzt. Er fixiert die Reposition von außen und erlaubt aufgrund seines Konstruktionsprinzips eine Teil- oder kurzfristige Vollbelastung. Der Fixateur wird meist als Fixationssystem verwendet („neutral frame fixation“ [7]). Wenn er jedoch entsprechend konfiguriert wird, sind mit ihm auch Korrekturmanöver sowohl intra- als auch postoperativ möglich [8, 9, 10].

Einzelne Arbeitsgruppen berichten über die Möglichkeiten der schrittweisen Korrektur eines Charcot-Fußes durch einen externen Fixateur beim Erwachsenen [11] oder Jugendlichen [12]. Durch die graduelle Korrektur der Deformität sind keine Osteotomien notwendig, die originäre Länge des Fußes bleibt erhalten. Wang et al. [8] berichten über 28 Fälle, bei denen ein Ringfixateur zur schrittweisen Reposition mit anschließender Fixation eines Charcot-Einbruchs eingesetzt wurde. Sie konnten in allen Fällen eine stabile Situation ohne erneuten Einbruch erreichen. Die Autoren berichten, dass auf diese Weise auch im Stadium der Osteopenie, Stadien I und II nach Eichenholtz, eine stabile Frakturreposition erreicht werden kann.

Wir führten analog zur Versorgung einer akuten traumatischen Luxationsfraktur eine geschlossene Reposition mit statischer Fixation im Ringfixateur durch. Dies ist dann möglich, wenn die Luxationsfraktur noch nicht fibrös fixiert ist. Durch die geschlossene Reposition entfällt das Problem der Zugangsmorbidität mit den häufig folgenden Komplikationen. Die rigide Fixation im Ringfixateur sichert die Reposition und erlaubt die Fersenbelastung. Das Risiko einer Pininfektion ist gegenüber den Komplikationen offener Verfahren vergleichsweise gering [3, 13]. Im Gegensatz zu konservativen Maßnahmen, wie Orthesen oder TCC, wird die Frakturzone zuverlässiger entlastet, weil die unerlaubte Abnahme nicht möglich ist und ein Verlust der Stabilisierung, der nach Abschwellen der Weichteile im TCC eintritt, nicht zu befürchten ist.

Der seitliche talometatarsale Winkel ist im beschriebenen Fall nach der operativen Versorgung zwar nur wenig verbessert. Wesentlich ist jedoch, dass in dieser Stellung eine belastbare Stabilisierung ohne knöcherne Prominenzen erreicht worden ist. Eine Ulkusentwicklung war nicht zu befürchten und ist auch nicht eingetreten.

Differenzialtherapeutisch würden wir weiterhin im Stadium des Knochenödems ohne oder mit geringer Dislokation die rein konservative Behandlung mit geeigneter Entlastungsmethode und bei erheblicher Fehlstellung die offene Stellungskorrektur mit nachfolgender interner und externer Stabilisierung durchführen. Bei Patienten mit frischem, flexiblem Einbruch jedoch, bei denen keine hinreichende Entlastung durch konservative Methoden zu erwarten ist, halten wir die geschlossene Reposition mit Neutralisation im Ringfixateur für ein aussichtsreiches Verfahren, um die belastbare Durchbauung zu erreichen und damit eine weitere Dislokation zu verhindern.

Fazit für die Praxis

In der hypermobilen Frühphase des Charcot-Fußes lässt sich eine Fehlstellung im Mittelfuß geschlossen reponieren und im Ringfixateur zur Konsolidierung bringen. Mit diesem Verfahren sind deutlich weniger Komplikationen zu erwarten als mit einer interner Stabilisierung. Die Ausheilung erfolgt ohne wesentliche Veränderung der Fußform. Es empfiehlt sich speziell bei Patienten, die wegen des Übergewichts oder ihres Kräftezustands die Entlastung bei konservativen Verfahren nicht einhalten können.