Patientenbezogene Aufzeichnungen dienen der Lehre und Forschung sowie der Kontrolle und Überprüfung von in Zweifel oder in Vorwurf geratenem ärztlichem Handeln. Sie werden zunehmend auch dazu verwendet, administrative Anforderungen zu erfüllen. Seit Ende der 1970er-Jahre ist die ärztliche Dokumentation durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eindeutig als vertragliche Nebenpflicht des Behandlungsvertrags definiert (BGH-Entscheidung vom 27.06.1978, NJW 1978, 337; [6]) und damit eindeutig ärztliche Tätigkeit.

Im Rahmen des Gesundheitsreformgesetzes 2000 wurde die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für die Vergütung von Krankenhausleistungen beschlossen. Dabei wurden die Australian Refined Diagnosis Related Groups (AR-DRG) als Grundlage für die Entwicklung eines deutschen DRG-Systems verwendet, über das seit 2003 optional und seit 2004 obligat die Erlöse für stationäre Leistungen berechnet werden. Von diesem Moment an hat die ärztliche Dokumentation einen über das ärztlich notwendige deutlich hinausgehenden finanziellen Aspekt.

Liegt der zeitliche Aufwand der ärztlichen Dokumentation nach Erhebungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in chirurgischen Fächern bei 2,42 h täglich, sind in internistischen Fächern 3,15 h pro Tag aufzubringen [2]. Etwa 40 min dieser Zeit sind ausschließlich administrative Tätigkeit [2]. Unter den neuen wirtschaftlichen Bedingungen, denen das gesamte Gesundheitswesen unterliegt, sind die teueren Personalressourcen wertvoll geworden. Vor allem die ärztlichen Stellenpläne der Kliniken werden immer wieder auf Rentabilität überprüft und an der Leistung in der Patientenversorgung gemessen. Hier ist der Faktor Fall pro Vollkraft ein Marker des Benchmarkings geworden. Damit erhöht sich auch in diesem Bereich der Kostendruck. Die Frage stellt sich, wie die Zeit des Arztes erhöht werden kann, in der er am Patienten versorgend tätig ist. Denn: „Der Chirurg verdient am OP-Tisch für die Klinik das Geld und nicht kodierend vor dem PC.“ [2]

In dem Mutterland der DRG, Australien, ist mit dem Einführen des Fallpauschalensystems eine neue Berufsgruppe der Kodierer entstanden. Statt dem lästigen, nebenberuflichen Kümmern um Kodes und Groupen von Fällen kümmern sich hier professionelle Partner der Ärzte um diese finanziell wichtigen Tätigkeiten. Für diese Berufsgruppe ist das Kodieren Berufsaufgabe und nicht lästige und zeitaufwendige Nebentätigkeit. In Deutschland allerdings hat sich dieser Berufsstand kaum durchgesetzt, nur sehr vereinzelt sind medizinische Dokumentationsassistenten in der Unfallchirurgie eingeführt [4, 5].

In unserer Unfallchirurgie wurde im Jahre 2003 als Pilotprojekt eine aus der unfallchirurgischen Pflege kommende Kraft als medizinischer Dokumentationsassistent (MDA) eingesetzt, der die jährlich 2800 stationären Fälle unserer Klinik bearbeitet. Nach 5 Jahren Tätigkeit kann eine überaus positive Bilanz gezogen werden.

Tätigkeitsfeld

Grundlage der Arbeit sind die Erfassung aller patientenbezogenen Daten (Anamnese) und die ärztliche Verschlüsselung aller ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen. Diese müssen unmittelbar im Anschluss eines operativen Eingriffes oder einer Untersuchung stattfinden und sind von dem anwesenden Oberarzt oder Facharzt zu kontrollieren. Nur mit diesen Informationen kann der MDA tätig werden.

Die Tätigkeit des MDA in der Unfallchirurgie ist vielfältig und trägt damit zu einer deutlichen Entlastung des ärztlichen Personals bei (Tab. 1). Durch die Teilnahme an der allmorgendlichen Besprechung können die in der Rettungsstelle bei Neuaufnahmen im System hinterlegten Aufnahmediagnosen zeitnah konkretisiert oder auch nacherfasst werden. Im direkten Kontakt zu den Ärzten auf der Station werden auch die bei geplanten Neuzugängen zu hinterlegenden Diagnosen im Zweifelsfall besprochen und korrigiert. Auch die operativen Prozeduren werden durch den MDA als zweite Instanz auf Vollständigkeit überprüft. Hier ist die Fachkompetenz notwendig, sich in der Unfallchirurgie auszukennen. In Rücksprache mit dem Operateur werden im Bedarfsfalle Prozeduren hinzugefügt oder geändert. Während der Chefarzt- oder Oberarztvisiten, also mindestens 2-mal pro Woche, werden die Diagnosen, die sich während des stationären Aufenthaltes zusätzlich aus Untersuchungen und Behandlungen ergeben, zur Falldokumentation hinzugefügt und durch den MDA kodiert. Dies gilt in der Regel v. a. für Nebendiagnosen, die im Verlauf des stationären Aufenthaltes eine Relevanz erlangen.

Tab. 1 Workflow-Chart des medizinischen Dokumentationsassistenten

Durch diese Maßnahmen kann fortlaufend die DKR-konforme Falloptimierung nach DRG-Relevanz durch Einzelfallüberprüfung auf erlössteigernde Maßnahmen erfolgen.

Bei diesen Visiten erfolgt auch die Foto-Wunddokumentation mit Archivierung im PACS und Krankenblatt.

Ein Erfolg des engen Kontaktes zwischen ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitern und dem MDA ist das zeitgerechte Entlassungsmanagement, bei dem unter strikter Beachtung des Gesundheitszustandes und der ambulanten Nachbehandlungsmöglichkeiten der Patienten nur in Ausnahmefällen die untere oder obere Grenzverweildauer durchbrochen wird, in solchen Fällen berät der MDA über die Möglichkeiten der Fallsteuerung.

Nach der Entlassung der Patienten gehen alle Patientenakten zum MDA. Dort ist dann die Akte auf Vollständigkeit zu überprüfen, d. h. Überprüfung und Kontrolle der Vollständigkeit der Kurven (Eintrag Pflege- und Arztvisite), Überprüfung auf Erfassung der Verbandwechsel und Wunddokumentation, Überprüfung der Eintragung der physiotherapeutischen Maßnahmen und Vorhandensein und Abheften der Befunde, Operationsdokumentation und Epikrisen. So wird gewährleistet, dass die Akte bei der Überprüfung, sei es durch den MDK oder auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, vollständig archiviert ist.

Die vom Operateur angelegten BQS-Formulare müssen v. a. bei Verlegungen von Patienten zu weiterbehandelnden Kliniken auf Vollständigkeit und Weiterführen geprüft werden. So kann auch hier eine Vollständigkeit gewährleistet werden.

Durch das medizinische Controlling der Klinik erfolgt eine fortlaufende Schulung und Unterrichtung des MDA. Dieser gibt in regelmäßigen Abständen sein Wissen an die ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter der Klinik weiter. Nur durch diese regelmäßige Schulung ist eine suffiziente Zuarbeit möglich, denn die jährlichen Änderungen des lernenden DRG-Systems benötigen einen erheblichen Schulungsaufwand.

Durch die großen Kenntnisse des MDA im Krankenhausinformationssystem ergeben sich Erleichterungen im wissenschaftlichen Arbeiten, so z. B. bei der gezielten Suche nach bestimmten Patientengruppen.

„Wert“ des MDA

Im ersten halben Jahr der Einführung des MDA in unserer Klinik konnte durch Verbesserung der Kodierung eine Reserve von 350.000 EUR gehoben werden. Diese Summe hat sich im Verlauf der Zeit durch konsequente Information und Schulung der ärztlichen Mitarbeiter verringert. Trotzdem kann durch Konkretisierung der Verschlüsselung noch immer eine Erlössteigerung einzelner Fälle erzielt werden. Beispielsweise konnte durch Ergänzung CC-relevanter Nebendiagnosen in einem aktuellen Fall von der I08D (mit Rel.-Gew. 1,771) auf I08C (mit Rel.-Gew. 2,325) gesteigert werden. Auch wurde nach Kodierung der operativ durchgeführten Vakuumversiegelung mit Ergänzung der OPS 8-190.12 (Dauer der VAC-Behandlung) eine Steigerung von I02C (mit Rel.-Gew. 3,536) auf I98Z (mit Rel.-Gew. 6,052) erzielt. Ebenso ergab die Überprüfung und Kodierung der transfundierten Blutprodukte eine Sicherung der Zusatzentgelte. Solche und ähnliche additiven Maßnahmen brachten im Zeitraum von Januar bis September 2008 einen zusätzlichen Erlös von 11,9733 Bewertungsrelationen im Durchschnitt pro Monat für unsere Klinik (Tab. 2). Zur Ermittlung des Mehrerlöses wurde der Erlös der einzelnen Fälle vor und nach der Korrektur der Kodierung (v. a. bei komplexen operativen Eingriffen nach Rücksprache mit dem Operateur), der Einfügung und Kodierung der bei den „großen“ Visiten erarbeiteten erlösrelevanten Nebendiagnosen oder auch Änderung der Hauptdiagnosen durch den MDA verglichen.

Tab. 2 Durch den MDA durch Nachbesserung der Kodierung erwirtschaftete zusätzliche Erlöse

Noch nicht zu beziffern ist der Nutzen der strukturierten Nachkontrolle der Krankenakten. Welche Erlöse durch die Nachvollziehbarkeit der Fälle bei der MDK-Begutachtung erzielt werden oder wie hoch der abgewendete Schaden bei juristischen Auseinandersetzungen ist, ist von uns statistisch noch nicht ausgewertet worden.

In der Gegenrechnung belaufen sich die Kosten für den MDA auf etwa 13 BWR pro Jahr.

Diskussion

Im Gegensatz zu Australien sind in Deutschland mit Verweis auf die ärztliche Dokumentationspflicht keine Strukturen geschaffen worden, die eine professionelle und korrekte Darstellung der erbrachten Leistungen durch einen eigenen Berufsstand ermöglichen [6]. Zu Beginn der Einführungsphase gab es nur vereinzelt Versuche, auf dieses Problem aufmerksam zu machen und Pilotprojekte einzuführen [3, 4, 5]. Auch in unserem Hause war die Einführung eines MDA als Pilotstudie gedacht.

Nur wenige Veröffentlichungen belegen den Wert des MDA in verschiedenen Fachdisziplinen [2, 8]. So konnte z. B. Haak [2] zeigen, dass die Kodierqualität eines MDA deutlich besser ist, wenn man seine Arbeit mit einem Assistenzarzt vergleicht. Er führt dies darauf zurück, dass Kodieren nicht zu den Arbeiten gehört, die der Arzt als Selbstverständnis seines Berufes sieht. Tischendorf [8] schlussfolgert, dass es mit der Einführung des MDA zu einer besseren Abbildung der therapeutischen Leistungen kommt und damit eine bessere Kosteneffizienz bei gleicher therapeutischer Leistung erreicht wird.

Schütz [7] berichtet über die verbesserte Darstellung der erbrachten Leistungen mit Einführung eines kodierenden Facharztes. Dieses Modell ist in einer Universitätsklinik entstanden und ist bei den engen ärztlichen Stellenplänen nicht auf Versorgungshäuser zu übertragen.

In unserem Hause ist der MDA ein erfahrener Pfleger der Unfallchirurgie, der die Krankheitsbilder und Abläufe der Klinik kennt. Durch eine intensive und sich regelmäßig wiederholende Schulung durch das Controlling kommt zu der Fachkenntnis das Know-how der Kodierung und v. a. des Groupings. Wir sind der Überzeugung, dass ein Facharzt, v. a. wenn der MDA in die Abläufe der Klinik eng mit einbezogen ist und in ständiger Kommunikation mit den Leistungserbringern der Klinik steht, keine wesentlichen Vorteile bietet.

Selbstverständlich ersetzt der MDA nicht die Kodierung der im Operationssaal erbrachten Leistungen, dies ist und bleibt ärztliche Aufgabe. Eine deutliche Erleichterung des Alltages bringt jedoch die Kodierung und Zufügung der bei den Chef- und Oberarztvisiten und bei durchgeführten Zusatzuntersuchungen gefundenen abrechnungsrelevanten Nebendiagnosen und deren Dokumentation sowie das Vorschlagen DKR-konformer Falloptimierung. Auch die Dokumentation abrechnungsrelevanter Prozeduren, wie z. B. der verabreichten Blutkonserven oder Anzahl der VAC-Wechsel, erleichtert die tägliche ärztliche Arbeit und bildet die erbrachten Leistungen ab.

Bei dem Werben um ärztliche Arbeitskräfte scheint der MDA als Vorteil gesehen zu werden. Eine private Klinikkette wirbt in neuester Zeit in Stellenanzeigen mit der Unterstützung der ärztlichen Dokumentation durch MDA („Erst 7000 Briefdiktate, 1000 Antibiotikainfusionen und Kodieren von DRG’s – geht das auch anders?“). Dies ist auch mit Zahlen zu belegen. Linczak [3] und Püschmann [6] zitieren die Ergebnisse einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstitutes, die zeigt, dass in chirurgischen Fächern täglich 2 h und 40 min für die Dokumentation aufgewendet werden müssen. Davon fallen ein Fünftel für administrative Dokumentationen an, das entspricht etwa einer halben Stunde, bei 8 Assistentenstellen kann damit bei Übernahme dieser Tätigkeiten täglich eine halbe Stelle für eigentliche ärztliche Tätigkeiten freigesetzt werden.

Zusammenfassend sind wir nach 5 Jahren Erfahrung mit einem MDA in unserer Klinik übereinstimmend mit den wenigen Erfahrungsberichten im Schrifttum der Auffassung, dass ein MDA sowohl in der Darstellung der erbrachten Leistung und damit in der Erlössituation als auch in der Klarheit der Dokumentation einen festen Platz in einer Unfallchirurgie hat. Der „Wert“ ist in der Tab. 1 dargestellt. Auch in der Attraktivität der ärztlichen Arbeitsstelle spielt der vorhandene MDA eine erhebliche Rolle.

Fazit für die Praxis

Die Einführung eines medizinischen Dokumentationsassistenten bietet in der täglichen Arbeit einer unfallchirurgischen Klinik eine deutliche Verbesserung der Darstellung der erbrachten Leistungen. Alleine durch die verbesserten Abrechnungsmöglichkeiten nach der Überarbeitung der Leistungsdarstellung finanziert sich der MDA in kürzester Zeit selbst. Auch stellt der MDA eine Verbesserung der Attraktivität der Arbeitsstelle durch eine erhebliche zeitliche Entlastung der Mitarbeiter dar.