Hintergrund und Fragestellung

Beckenringfrakturen mit begleitender pelviner Blutung sind seltene aber schwerwiegende Verletzungen, die besondere Anforderungen an das Behandlungsteam und -protokoll stellen. Im Vordergrund der initialen Behandlung steht bei hämodynamischer Instabilität die schnellstmögliche Blutungskontrolle. Da solch schwere Verletzung zumeist infolge eines Hochrasanztraumas mit begleitender Polytraumatisierung resultieren, müssen auch mögliche extrapelvine Verletzungen und potentielle Blutungsquellen im Rahmen der frühklinischen Akutversorgung zügig erfasst und entsprechend therapiert werden. Hierzu hat sich als Goldstandard in der Traumadiagnostik die Multislice-Computertomographie (MSCT) etabliert, die zuverlässig eine aktive Blutung nachzuweisen vermag und anhand von Hämatomen und Kontrastmittelaustritt das betroffene Gefäß bzw. Gefäßterritorium lokalisiert werden kann [19, 25, 29].

Stellte die Angiographie zu Beginn ihrer Anwendung in der akuten Traumadiagnostik ein diagnostisches Instrument zur Blutungsdetektion dar, so wird sie heutzutage vermehrt therapeutisch in Form einer transarteriellen Katheterembolisation (TAE) zur Blutungskontrolle bei Gefäß- und Organläsionen genutzt [9, 11, 16]. Speziell bei Beckenfrakturen mit begleitender pelviner Blutung beschreibt eine Vielzahl von Publikationen den etablierten Stellenwert der TEA als ein komplikationsarmes, minimal-invasives Verfahren mit hoher Erfolgsrate zur Blutungskontrolle [1, 2, 6, 8, 15, 17, 18, 20, 22, 26, 28]. Aufgrund dieser Eigenschaften diskutieren manche Autoren die Durchführung einer Angiographie/TAE auch bei fehlendem initialen Blutungsnachweis oder hämodynamischer Instabilität allein anhand eines potentiellen Blutungsrisikos bei entsprechendem Verletzungsmuster [27].

Kontrovers diskutiert wird hingegen der Zeitpunkt, wann eine TAE bei Beckenfrakturen mit pelviner Blutung optimal zur Anwendung kommen sollte. Während Kritiker aufgrund des vermeintlichen logistischen Aufwands und Zeitbedarfs die TAE als Notfallmaßnahme als ungeeignet ansehen [10, 21], zeigen andere Untersuchungen, dass die Mortalität insbesondere durch die frühzeitige Anwendung der TAE bei Beckenfrakturen mit pelviner Blutung gesenkt werden kann [1, 8].

Eine wissenschaftliche Betrachtung von Behandlungsabläufen und -erfolgen ist aufgrund der niedrigen Inzidenz der Verletzung und Inhomogenität der Patientenkollektive schwierig. Zielsetzung dieses Beitrags ist daher nicht die wissenschaftliche Erörterung von Grundsatz- oder Detailfragen zur TAE bei Beckenfraktur mit pelviner Blutung, sondern vielmehr die deskriptive Vorstellung von eigenen Ergebnissen und Erfahrungen eines frühklinischen Behandlungsalgorithmus unter Integration der TAE als Notfallmaßnahme.

Patienten und Methode

In der retrospektiven Untersuchung einer konsekutiven Patientenserie von 04/2002–12/2006 wurde an einem Level-1-Traumacenter der frühklinische Behandlungsablauf von Patienten analysiert, die aufgrund einer instabilen Beckenfraktur mit nachgewiesener Kontrastmittelextravasation in der MSCT unmittelbar der Angiographie mit nachfolgender TAE zugeführt wurden. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von >16 Jahren, die primär vom Unfallort eingeliefert wurden, eine instabile Beckenfraktur Typ B oder C nach Tile/AO-Klassifikation aufwiesen und bei denen extrapelvine Blutungsursachen ausgeschlossen wurden. Patienten, die zunächst einer operativen Intervention oder intensivmedizinischen Behandlung bedurften und einer interventionellen TAE erst im späteren klinischen Verlauf zugeführt wurden, wurden ausgeschlossen.

Schockraumversorgung

Die Schockraumversorgung erfolgt nach ATLS®-Standard unter Anwendung des klinikeigenen Algorithmus bei Beckenfraktur (Abb. 1). Neben dem initialen Infusionsmanagement entsprechend ATLS® erfolgt die externe Frakturstabilisierung während der Stabilisierungsphase („primary survey“) zunächst mittels einer Tuchschlinge. Einen diagnostischer Eckpfeiler stellt anschließend die MSCT (4-Zeilen-MSCT Siemens Volume Zoom) dar, die sich ebenerdig ca. 5 m unmittelbar neben dem Schockraum befindet. Der MSCT werden die Patienten zugeführt, die unter den initialen Therapiemaßnahmen stabilisiert („responder“) wurden bzw. unter laufender Therapie für die MSCT-Diagnostik stabilisierbar („transient responder“) sind. Patienten in extremis mit sonographisch nachgewiesener freier Flüssigkeit im Abdomen und fehlendem Ansprechen auf die initialen Therapiemaßnahmen („non-responder“) werden erst nach operativer Notfallversorgung der MSCT-Untersuchung zugeführt und sind daher nicht in die Auswertung einbezogen.

Abb. 1
figure 1

Klinikinterner Behandlungsalgorithmus bei schwerem Beckentrauma

Das standardisierte Untersuchungsprotokoll der MSCT beinhaltet die native Untersuchung von Schädel und Halswirbelsäule (HWS) sowie die kontrastmittelverstärkte Untersuchung von Thorax, Abdomen und Becken nach i. v.-Gabe von 120 ml Kontrastmittel mit einer Injektionsrate von 2 ml/s und einem Startdelay von 80–85 s. Die MSCTThorax/Abdomen/Becken dauert nach diesem Protokoll 17 s und wird online am Monitor durch den anwesenden Radiologen und Unfallchirurgen befundet.

In Abhängigkeit der hämodynamischen Situation sowie der Frakturmorphologie des Beckens erfolgt bei nachgewiesenem Kontrastmittelaustritt die Anlage der Beckenzwinge bei gegebener Indikation entweder vor oder nach der Notfallembolisation. Bei massiver Kreislaufinstabilität trotz aggressiver Substitutionstherapie kann die temporäre Ballonokklusion der infrarenalen Aorta bzw. der A. iliaca communis noch im MSCT erfolgen, um somit das Zeitfenster für eine nachfolgende interventionelle Therapie oder Notfalloperation zu erweitern.

Angiographie mit transarterieller Katheterembolisation

Der Angiographieraum befindet sich ebenerdig ca. 20 m vom Schockraum und MSCT entfernt. Zur Anwendung kommen bei der Embolisation in der eigenen Institution bevorzugt Metallspiralen („Coils“) unterschiedlicher Größe, die bei starken Blutungen aus größeren Gefäßdurchmessern exakt platziert werden können, sowie festen Partikeln [z. B. Polyvenylalkohol (Contur®) oder Gelatineschwamm (Gelform®)], die flussgesteuert in Gefäße kleineren Durchmessers und bei diffusen Blutungen eingeschwemmt werden können. Darüber hinaus können flüssige Materialien wie Gewebekleber (Bucrylate®) oder Okklusionsgel (Ethibloc®) additiv zur Anwendung kommen.

Je nach Lokalisation und selektiver Sondierbarkeit werden zwei Vorgehensweisen angewendet: die proximale Embolisation zur Drosselung des Blutzuflusses proximal der eigentlichen Blutung sowie die distale Embolisation superselektiv direkt an der Blutungsquelle. Über einen bevorzugt kontralateralen femoralen oder alternativ transbrachialen Zugang in Seldinger-Technik wird zunächst eine Übersichtsangiographie mittels 5-F-Standard-Pigtail-Katheter angefertigt. Anschließend erfolgt die selektive Platzierung über einen eingewechselten 4-F- oder 5-F-Multipurpose-Katheter in „Cross-over-Technik“ in der Iliakalstrombahn. Zur superselektiven Sondierung der betroffenen Gefäßäste kann ein in Koaxialtechnik eingebrachter 3-F-Mikrokatheter notwendig sein, der dabei durch den normalen Katheter hindurchgeschoben wird. Der blutende Gefäßabschnitt wird dann mittels „Coils“ und ggf. additivem Gewebekleber embolisiert. Ziel der Embolisation ist es dabei, den physiologischen Prozess einer stabilen Thrombusbildung unter Vermeidung einer Minderperfusion nachgeschalteter Organe oder Versorgungsgebiete zu initiieren. In Abb. 2 ist ein Beispiel für eine temporäre Ballonokklusion der infrarenalen Aorta gezeigt (Durchmesser 22 mm, Fa. Cook, eingeführt über die Leiste) und in Abb. 3 ein Beispiel einer Embolisation mittels Coils und additiven Contour-Partikeln.

Abb. 2
figure 2

Beckenfraktur Typ C nach Verkehrsunfall mit Kreislaufinstabilität. a Initiales MSCT: Pfeile auf KM-Extravasation, Weichteilhämatom und eng gestellte Aorta abdominalis; noch im MSCT Platzierung eines temporären Ballonkatheters (22 mm Durchmesser, Fa. Cook, femoraler Zugang) infrarenal (Pfeile) und Anlage einer Beckenzwinge. b Anschließende Angiographie mit selektiver Sondierung der rechten A. iliaca interna und Darstellung des Gefäßabrisses, Embolisation mittels mehrerer Coils, Kreislaufstabilisierung nach Abschluss der Intervention (Pfeilspitzen auf Beckenzwinge und platzierter Coils)

Abb. 3
figure 3

Beckenfraktur Typ B nach Verkehrsunfall: a Nachweis freier Flüssigkeit im Abdomen und hyperdensen KM-Austritt in der MSCT. b Angiographischer Befund mit proximaler Embolisation der A. iliaca interna durch Coils und additiven Contour-Partikeln

Dokumentation des Behandlungsablaufs und Auswertung

Die Dokumentation der Schockraumversorgung inklusive diagnostischer und therapeutischen Maßnahmen sowie deren Zeitbedarf erfolgt parallel durch einen nicht an der Patientenversorgung beteiligten Dokumentationsassistenten, der in den Gruppenruf der Schockraumalarmierung integriert ist. Zur Online-Schockraumdokumentation wird ein Touchscreen-Pen-Computer mit dem Programm „TraumaWatch®“ benutzt, welches analog dem ATLS®-Vorgehen aufgebaut ist. Bei Durchführung einer Maßnahme klickt der Dokumentationsassistent das jeweilige Feld auf dem Touchscreen an, es zeigt sich die aktuelle Uhrzeit, die entsprechend nur bestätigt werden muss und somit die Erfassung „Durchführungszeit gleich Dokumentationszeit“ gewährleistet.

Die Auswertung der so erstellten Behandlungsprotokolle erfolgte hinsichtlich folgender Parameter: demographische Daten, Unfallmechanismus, Frakturklassifikation nach Tile/AO und Verletzungsschwere Becken nach „Abbreviated Injury Score“ (AIS), Begleitverletzungen mit Erhebung der Gesamtverletzungsschwere nach „Injury Severity Score“ (ISS), physiologische Aufnahmeparameter (Kreislaufparameter und initialer Hb-Wert) sowie Transfusionsbedarf während der Schockraumversorgung. Ferner wurde die anatomische Blutungsquelle, die Zeitdauer bis zur TAE (Aufnahmezeitpunkt Klinik bis Beginn Übersichtsangiographie) und die Durchführungsdauer der TAE (Beginn Übersichtsangiographie bis Ende Abschlussangiographie) ermittelt.

Ergebnisse

Demographische Daten und Unfallmechanismus

In dem Erfassungszeitraum ist von 162 Patienten mit instabilen Beckenringverletzungen bei 21 Patienten eine arterielle Blutung durch Kontrastmittelaustritt in der MSCT diagnostiziert worden, was einer Inzidenz von 13% entspricht. Es handelte sich in 57% um männliche (n=12) und in 43% um weibliche Patienten (n=9) mit einem Durchschnittsalter von 45 (17–80) Jahren. Als Unfallmechanismus sind 3 Patienten als Fußgänger und 2 Patienten als Fahrradfahrer von einem PKW erfasst worden, bei 5 Patienten lag ein Sturzereignis aus einer Höhe von >3 m vor. In 11 Fällen handelte es sich um Verkehrsunfälle, davon 9-mal als PKW-Insasse und 2-mal als Motorradfahrer. Alle Patienten wurden (notärztlich erstversorgt) primär vom Unfallort in den Schockraum der Klinik eingeliefert.

Physiologische Aufnahmeparameter und Transfusionsbedarf

76% der Patienten (n=16) erreichten den Schockraum der Klinik intubiert und beatmet, 5 Patienten sind nach Aufnahme im Schockraum intubiert worden. Als stabile Patienten bzw. „responder“ wurden nach 2 l kristalliner Infusionen 52,4% (n=11) der Patienten mit einem durchschnittlichen Hb-Wert von 10,2 (9,8–13,2) g/dl bei Aufnahme und ohne zusätzlichen Katecholaminbedarf eingestuft. Bei 47,6% (n=10) der Patienten lag bei Aufnahme eine Kreislaufinstabilität mit einem systolischen Blutdruck von <90 mmHg und Herzfrequenz von >100/min vor, der initiale Hb-Wert dieser Patienten betrug im Mittel 7,2 (3,2–10,1) g/dl. Bei diesen 10 kreislaufinstabilen Patienten erfolgte neben der permanenten Infusionstherapie und Vasopressorapplikation während der Stabilisierungsphase („primary survey“) zusätzlich eine Transfusion von durchschnittlich 6 (4–13) Erythrozytenkonzentraten. Diese Patienten wurden als stabilisierbar bzw. „transient responder“ der MSCT-Diagnostik durchgeführt. Kein Patient in extremis wurde entsprechend den Ein- und Ausschlusskriterien in die Auswertung mit einbezogen.

Frakturklassifikation Becken, Gesamtverletzungsschwere und Begleitverletzungen

Gemäß der Tile/AO-Klassifikation handelte es sich in 33% um Typ-B- (n=7) und in 67% um Typ-C-Verletzungen (n=14) mit einer durchschnittlichen Verletzungsschwere gemäß AISBecken von 4,4 (3–5) Punkten. Die Gesamtverletzungsschwere entsprechend dem ISS nach Baker lag bei durchschnittlich 37 (21–66) Punkten. An relevanten Begleitverletzungen (AIS≥2 Punkte) waren mit 86% am häufigsten Extremitätenverletzungen (n=18) und mit 81% Thoraxverletzungen (n=17) zu verzeichnen, gefolgt von 43% Abdominal- (n=9) und 33% Schädel-Hirn-Traumen (SHT, n=7).

Zeitbedarf und identifizierte Blutungsquelle

Der Zeitbedarf von Klinikaufnahme bis zur Durchführung der Übersichtsangiographie betrug durchschnittlich 62 (37–115) min. Davon betrug der Zeitbedarf für die Stabilisierungsphase („primary survey“) bis zum Beginn der MSCT durchschnittlich 27 (15–50) min und der Zeitbedarf von Indikationsstellung anhand des MSCT-Befundes bis zu Beginn der TAE im Mittel 35 (22–42) min. Für die Durchführung der TAE (Beginn Übersichtsangiographie bis Ende Abschlussangiographie) wurden durchschnittlich 25 (15–67) min benötigt.

Bei allen 21 Patienten bestätigte sich die computertomographisch diagnostizierte arterielle pelvine Blutung in der Übersichtsangiographie. Als Blutungsquelle wurden dabei ausschließlich Äste aus dem Versorgungsgebiet der A. iliaca interna identifiziert. Im eigenen Vorgehen konnte bei 19% (n=4) eine Embolisation im vorderen (Abgänge: A. obturatoria, A. pudenda interna, A. glutea inferior) und bei 38% (n=8) im hinteren (Abgänge: A. iliolumbalis, Aa. sacralis lateralis, A. glutea superior) Versorgungsgebiet der A. iliaca interna durchgeführt werden. Bei 43% (n=9) bedurfte es zur Blutungskontrolle des proximalen Komplettverschlusses der A. iliaca interna. Eine Zuordnung der arteriellen Blutungsquelle und dem Ort der durchgeführten Embolisation sowie den Frakturtyp zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Anatomische Blutungsquelle mit Häufigkeit, Embolisationsort im Versorgungsgebiet der A. iliaca interna und Frakturklassifikation des Beckens

Erfolgsrate der TAE und Komplikationen

Bei 90,5% (n=19) konnte ein Sistieren der Blutung durch eine Abschlussangiographie zum Ende der TAE nachgewiesen werden. Lediglich bei 2 Patienten (9,5%) sistierte die Blutung nach der Notfall-TAE nicht, beide wurden daraufhin dem sog. operativen „packing“ zugeführt. Bei einem Patienten war dieses Vorgehen erfolgreich, bei dem 2. Patienten war auch nach der Operation ein persistierender Transfusionsbedarf mit Kreislaufinstabilität zu verzeichnen, sodass hier dann eine 2. TAE durchgeführt wurde mit Komplettverschluss der A. iliaca interna durch Coils und anschließendem sistieren der Blutung.

Periinterventionelle Komplikationen wie Infarzierungen nachgeschalteter Versorgungsregionen, Glutealkompartment, Aneurysma spurium oder AV-Fisteln waren nicht zu verzeichnen. Ebenso ist kein Patient aufgrund einer persistierenden Blutung infolge eines Versagens der TAE verstorben. Insgesamt sind 33% der Patienten verstorben (n=7), davon 3 Patienten infolge eines therapieresistenten schweren SHT und 4 Patienten im weiteren intensivmedizinischen Verlauf infolge eines Multiorganversagens.

Diskussion

Hinsichtlich demographischer Daten wie Alter, Geschlechtsverteilung sowie dem zugrunde liegendem Unfallmechanismus unterscheidet sich das hier vorgestellte Patientenkollektiv nicht von den Ergebnissen anderer Untersuchungen bei schweren Beckenfrakturen [1, 2, 8, 12, 13, 18, 21, 22, 26, 27]. Der zugrunde liegende Unfallmechanismus eines Hochrasanztraumas spiegelt sich in der vorliegenden Untersuchung sowohl in der hohen Einzelverletzungsschwere des Beckens (AIS) als auch in der hohen Gesamtverletzungsschwere gemäß dem ISS wider. Auch die verzeichneten Begleitverletzungen sind denen der genannten Untersuchungen ähnlich und bestätigen den hohen Anteil einer Polytraumatisierung bei schweren Beckenverletzungen. Dass in der vorliegenden Untersuchung trotz aktiver arterieller Blutung <50% der Patienten eine Kreislaufinstabilität aufwiesen, führen wir einerseits auf den Kompensationsmechanismus vorwiegend jüngerer Traumapatienten zurück als auch auf den Umstand, dass alle Patienten zeitnah unmittelbar vom Unfallort eingeliefert wurden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Patienten in extremis mit nicht stabilisierbaren Kreislaufverhältnissen ausgeschlossen wurden und es sich somit um eine Positivselektion hinsichtlich der Kreislaufsituation handelt.

Für eine valide Blutungsdetektion hat sich die MSCT in der initialen Traumadiagnostik etabliert [9, 19, 25, 29]. Auch wenn in der hier vorliegenden Untersuchung nur kreislaufstabile bzw. -stabilisierbare Patienten eingeschlossen wurden, konnte bei allen 21 Patienten der initiale MSCT-Befund einer aktiven arteriellen Blutung im Rahmen der Übersichtsangiographie bestätigt werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Patienten, die bei initial negativem MSCT aber klinischen Zeichen einer persistierenden Blutung erst im späteren klinischen Verlauf der TAE zugeführt wurden, nicht in diese Untersuchung eingeschlossen wurden.

Wurde in früheren Arbeiten zumeist eine venöse Blutung aus dem Venenplexus und der Fraktur selbst als führende Blutungsquelle benannt [14, 21], berichten aktuellere Publikationen über arterielle Blutungen in 50–78% bei hämodynamisch instabilen Patienten mit Beckenfraktur [1, 6, 7, 8, 17, 20, 24]. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass eine zunehmende Integration der MSCT in einen standardisierten Behandlungsalgorithmus sowie die technische Weiterentwicklung der diagnostischen CT-Möglichkeiten eine differenziertere Blutungsdiagnostik ermöglichen. Die Inzidenzangaben einer durchgeführten TAE zur Blutungskontrolle bei Beckentrauma betrugen Ende der 1990er Jahre noch 1,9–4,3% [1, 20, 28]. In jüngeren Untersuchungen finden sich hierzu Angaben von 4,6–13,1% [8, 22, 23], was eine vermehrte Anwendung der TAE zur Blutungskontrolle widerspiegelt und sich mit dem hier vorliegenden Ergebnis von 13% deckt.

Hinsichtlich der Zeitangaben bis zur Durchführung einer TAE als Notfallmaßnahme beim schweren Beckentrauma existieren in der Literatur nur wenig Angaben. Wurde in einer historischen Phase über Zeitangaben bis zur Durchführung einer TAE von 13–17 h nach Klinikaufnahme berichtet [5, 13], so fanden sich Ende der 1990er Jahre Zeitangaben von 5–6 h [1, 12, 20] und in aktuelleren Publikationen 1,5–3,7 h [2, 6, 17]. Bei all diesen Untersuchungen ist jedoch die TAE erst im klinischen Verlauf durchgeführt worden und nicht, wie in der vorliegenden Arbeit, als Notfallmaßnahme unmittelbar nach Stabilisierungsphase. Daher lassen sich die vorliegenden Ergebnisse auch nur bedingt mit den erwähnten Literaturangaben vergleichen.

Literaturangaben zur Durchführungsdauer einer Notfall-TAE bei Beckentrauma liegen ebenfalls nur spärlich vor. Agolini et al. [1] beschreiben in ihrer Untersuchung von 1997 einen Zeitbedarf von durchschnittlich 90 (50–140) min. Die eigenen Ergebnisse liegen mit 60 min im Mittel darunter. Dies spiegelt die Evolution der TAE über die Jahre hin zu einer Notfallmaßnahme bei gleichzeitig zunehmenden Indikations- und Anwendungsspektrum und dadurch generierter Erfahrung wider [9, 15]. Ferner wurde im eigenen Vorgehen eine proximale Embolisation im Hauptstromgebiet der A. iliaca interna mittels Coils durchgeführt, was in der Akutsituation aus unseren Erfahrungen eine zeitsensitive und zugleich ausreichend sichere Vorgehensweise darstellt. Bestätigt wird dieses Vorgehen durch die hohe primäre Erfolgsrate der TAE zur Blutungskontrolle mit >90%.

Steigt das Risiko einer pelvinen Blutung mit zunehmendem Instabilitätsgrad der Fraktur und lässt den zu erwartenden Blutverlust abschätzen [3, 30], so ist eine valide Vorhersagbarkeit einer arteriellen Blutung anhand der Frakturmorphologie bzw. -klassifikation nicht möglich [23, 26]. Geht die Beckenfraktur jedoch mit einer erheblichen Zerreißung und Dislokation insbesondere des hinteren Beckenrings einher, so haben verschiedene Autoren die Assoziation mit einer arteriellen Blutung beschrieben [4, 12, 30] – auch in den hier vorgestellten Ergebnissen lag in 67% eine instabile Typ-C-Verletzungen vor.

Ebenso decken sich die eigenen Ergebnisse hinsichtlich der identifizierten Blutungsquelle mit denen anderer Autoren, die ebenfalls als Hauptblutungsquelle überwiegend Äste der A. iliaca interna benennen [3, 9, 16]. Hierzu sei jedoch angemerkt, dass die Abzweigungsmuster und Astfolge der A. iliaca interna anatomisch erheblich variieren, was eine genaue Zuordnung während der Notfall-TAE oftmals schwierig gestaltet. So waren auch 2 arterielle Blutungen in der vorliegenden Untersuchung nicht eindeutig anatomisch zuzuordnen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine additive Verwendung von Contour-Partikeln und Gewebekleber gerade in der Notfallsituation und bei eingeschränkter Blutgerinnung ein hervorragendes und schnell wirkendes Embolisationsmaterial darstellt.

Limitierend an der vorgestellten Arbeit ist sicherlich das Studiendesign als Single-center-Beobachtungsstudie und die geringe Fallzahl. Anhand einer PC-gesteuerten Onlinedokumentation durch einen nicht an der direkten Patientenversorgung beteiligten Dokumentationsassistenten ist jedoch die größtmögliche Validität der vorliegenden Datenerhebung gegeben. Daher zeigen die hier präsentierten Ergebnisse und Erfahrungen, dass die TAE als Notfallmaßnahme in den frühklinischen Behandlungsablauf bei schweren Beckenfrakturen mit pelviner Blutung integriert werden kann. Voraussetzungen hierzu sind stabile bzw. stabilisierbare Kreislaufverhältnisse, ein in der MSCT nachgewiesener Kontrastmittelaustritt bei gleichzeitig ausgeschlossener extrapelviner Blutungsursache und eine kurzfristige Durchführbarkeit der TAE. Daher wird diese effektive Methode zur Blutungskontrolle bei Beckentrauma weiterhin spezialisierten Zentren mit entsprechender Infrastruktur und Ressourcen an apparativer, personeller und logistischer Ausstattung vorbehalten bleiben.

Fazit für die Praxis

Die vorliegenden Ergebnisse und Erfahrungen des eigenen Vorgehens bei schweren Beckenfrakturen mit arterieller Blutung belegen, dass die TAE als Notfallmaßnahme in den frühklinischen Behandlungsablauf integriert werden kann. Voraussetzung dafür sind stabile bzw. stabilisierbare Kreislaufverhältnisse und eine zügige MSCT-Diagnostik zur Blutungsdetektion und Stratifizierung der Patienten. Neben einer effizienten Infrastruktur mit Vorhaltung entsprechender apparativer, personeller und logistischer Ressourcen bedarf es insbesondere einen in der interventionellen Therapie erfahrenen Radiologen als ständig verfügbares Mitglied eines interdisziplinären Behandlungsteams.