Die Klavikulafraktur ist mit etwa 10% aller Knochenbrüche eine der häufigsten Frakturen des Erwachsenen, wobei 70–80% im Bereich der Diaphyse lokalisiert sind [16]. Trotz dieser hohen Inzidenz der Klavikulaschaftfraktur ist deren Therapie weiterhin Gegenstand kontroverser Diskussionen bezüglich des geeigneten Behandlungskonzepts.

Traditionell wird eine nicht-operative Strategie in über 90% der Frakturen vorgeschlagen [16, 18, 22, 23]. Diese basiert auf früheren Veröffentlichungen, die zeigten, dass die konservative Therapie eine faktisch zu vernachlässigende Pseudarthroserate aufwies [18] und damit bessere Ergebnisse als die zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen operativen Verfahren erzielte [25].

Zwischenzeitlich wurden jedoch Studien publiziert, die nach konservativer Therapie nicht nur eine deutlich höhere „nonunion“-Rate von bis zu 15%, sondern auch eine erhöhte „malunion“-Rate, mit entsprechend erhöhter Patientenunzufriedenheit, dokumentierten [4, 11, 31]. Dabei werden als prädisponierende Risikofaktoren unter anderem eine starke Frakturdislokation genannt und konsequenterweise in diesen Fällen ein primär operatives Vorgehen gefordert, wobei in der Regel die Plattenosteosynthese durchgeführt wird [4, 11, 24, 29, 30, 31]. Dem gegenüber steht der große Zuspruch, den die elastisch-stabile intramedulläre Nagelung (ESIN) zur Versorgung der Klavikulaschaftfraktur in letzter Zeit erfahren hat [13, 14, 15, 28].

In der Literatur sind Zahlen über die tatsächliche Anwendung der genannten Therapieverfahren sowie einer Frakturklassifikation in der täglichen Praxis nicht zu finden. Die real praktizierte Abgrenzung zwischen konservativer und operativer Therapie sowie des spezifisch angewendeten Verfahrens zur Versorgung der Klavikulaschaftfraktur ist damit ungeklärt. Die ungebrochen hohe Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen dokumentieren die Aktualität und Dissonanz bezüglich der optimalen Behandlungsstrategie.

Ziel der vorliegenden Erhebung war es daher, die reale Praxis der Diagnostik, Klassifikation und Therapie der Klavikulaschaftfraktur in deutschen unfallchirurgischen/orthopädischen Kliniken darzustellen und zu analysieren.

Material und Methoden

Ein anonymer Fragebogen zur Diagnostik, Klassifikation und Therapie der Klavikulafraktur wurde an 240 Unfallkliniken in Deutschland verschickt. Die Auswahl der Kliniken erfolgte anhand des deutschen Krankenhausadressbuchs nach folgendem Algorithmus: Primär wurden alle Universitätskliniken (n=31) und alle BG-Unfallkliniken (n=9) berücksichtigt; zusätzlich wurden aus jeder Postleitzahlenregion 20 Krankenhäuser mit chirurgischer/unfallchirurgischer oder orthopädischer Abteilung anhand eines computergestützten Zufallsverfahrens (randomisierte Zahlenliste) ausgewählt (n=200).

Der Fragebogen war anonym konzipiert und gliederte sich in folgende Fragenkomplexe:

  1. 1.

    Angaben zur Klinik mit Einteilung in Klinikart, Anzahl der unfallchirurgisch/orthopädischen Betten, Anzahl der Behandlungen pro Jahr und Anzahl der Operationen pro Jahr.

  2. 2.

    Anzahl der konservativen und operativen Behandlungen pro Jahr mit der Diagnose einer Klavikulafraktur.

  3. 3.

    Frage nach durchgeführter Diagnostik bei Verdacht auf Klavikulaschaftfraktur.

  4. 4.

    Frage nach der Klassifikation der Klavikulaschaftfraktur.

  5. 5.

    Frage zur Therapieentscheidung zwischen konservativer und operativer Behandlung in Abhängigkeit von unterschiedlichen Zusatzverletzungen und Patientengruppen.

  6. 6.

    Frage zur Therapieentscheidung zwischen konservativer und operativer Behandlung in Abhängigkeit des Dislokationsgrads und der Anzahl der Schaftfrakturfragmente.

  7. 7.

    Spezifizierung des konservativen Verfahrens bei der Klavikulaschaftfraktur inklusive Nachbehandlung.

  8. 8.

    Spezifizierung des operativen Verfahrens inklusive der Nachbehandlung und Zeitpunkt der Metallentfernung.

Die Auswertung umfasste eine univariate Datenanalyse mit der Angabe von Häufigkeit, sowie der Berechnung von Mittelwert, Median und Standardabweichung.

Ergebnisse

Von den angeschriebenen 240 Kliniken (31 Universitätskliniken, 9 BG-Kliniken, 81 akademische Lehrkrankenhäuser und 119 übrige Krankenhäuser) wurden 142 auswertbare Fragebögen zurück gesandt. Die Rücklaufquote war bei den Universitätskliniken 68% (n=21), BG-Kliniken 44% (n=4), akademischen Lehrkrankenhäusern 65% (n=53) und den übrigen Krankenhäusern 54% (n=64). Dies entspricht einer Rücklaufquote von insgesamt 59%.

Von den teilnehmenden Kliniken waren 55% unfallchirurgische Zentren (n=78): 15% Universitätskliniken, 3% BG-Kliniken und 37% akademische Lehrkrankenhäuser. Die übrigen Krankenhäuser (n=64) machten 45% des teilnehmenden Kollektivs aus (Tab. 1).

Tab. 1 Verteilung der angeschriebenen und teilnehmenden Kliniken nach Klinikart (n=142)

Von den teilnehmenden Kliniken verfügen 66% über eine eigenständige unfallchirurgische/orthopädische Abteilung mit folgender Bettenanzahl: 53% bis 49 Betten, 36% zwischen 50 und 99 Betten sowie 11% mit mehr als 100 Betten.

Jährlich werden von diesen Kliniken zusammen nahezu 9000 Klavikulafrakturen behandelt, davon durchschnittlich 26% operativ. Ein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich der Rate operativ stabilisierter Klavikulafrakturen in Abhängigkeit von der versorgenden Klinikart ließ sich dabei nicht feststellen: Unfallchirurgische Zentren stabilisieren durchschnittlich 27% (Universitätskliniken 26%, BG-Kliniken 31%, akademische Lehrkrankenhäuser 26%) während die übrigen Kliniken durchschnittlich 26% der Frakturen operativ fixieren (p=0,45).

Diagnostik und Klassifikation

Bei Verdacht auf Klavikulaschaftfraktur wird von allen Kliniken eine Röntgenuntersuchung in einer Ebene durchgeführt. Die Darstellung einer 2. Ebene erfolgt in 81%. Nur 1% der Kliniken verwenden die Sonographie als Zusatzdiagnostik.

Von den teilnehmenden Kliniken verwenden 14% die Klassifikation nach Allman [1], 9% nach Gustilo [9], 3% nach dePalma [6], 2% nach Robinson [23] und 7% der Kliniken verwenden sonstige Klassifikationen [19].

Therapieentscheidung konservativ vs. operativ

Grundsätzlich sind die Kliniken eher geneigt, bei Leistungssportlern (64%), körperlich schwer arbeitenden Erwachsenen (52%) und Patienten mit Überkopfarbeit (44%) eine operative Stabilisierung der Klavikulaschaftfraktur durchzuführen. Die Operationsindikation bei Büroarbeitern unter 40 Jahren (17%), Büroarbeitern über 40 Jahren (10%) sowie bei Jugendlichen (7%) und Kindern unter 12 Jahren (1%) wird dagegen zurückhaltend gestellt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Entscheidungskriterien: konservative vs. operative Therapie in Abhängigkeit von Alter und Aktivitätslevel des Patienten

Die Mehrzahl der Kliniken würde bei zusätzlichen schweren Weich- und Hartgewebsverletzungen wie drohender Durchspießung der Haut (97%), offenen Frakturen (95%) [10], neurovaskulären Zusatzverletzungen (87%) und gleichseitiger Schulterverletzung (z. B. Acromioclaviculargelenk-Sprengung, proximale Humerusfraktur, „floating shoulder“) (81%) die operative Behandlung durchführen. Bei synchroner kontralateraler Schulterverletzung (29%), Verletzung der unteren Extremität (26%) und Rippenfraktur (20%) wird die Operationsindikation weniger häufig gestellt (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Entscheidungskriterien: konservative vs. operative Therapie in Abhängigkeit von Zusatzverletzungen

Von besonderem Interesse war die Frage nach den frakturspezifischen Parametern, die die Entscheidung der Kliniken zwischen operativer und konservativer Therapie der Klavikulaschaftfraktur beeinflussen. Da keine allseits anerkannte Klassifikation der Klavikulaschaftfraktur vorliegt, wurde von uns eine simple, zweidimensionale Matrix mit 9 Frakturbildern entworfen und zur Therapieentscheidung den befragten Kliniken vorgelegt. Zur Fragmenttypisierung wurden die Buchstaben A (einfache Fraktur), B (Stückfraktur) und C (Mehrfragmentfraktur) sowie zur Determinierung des Dislokationsgrads die Ziffern 1 (vollständiger Knochenkontakt), 2 (partieller Knochenkontakt) und 3 (kein Knochenkontakt) festgelegt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Klassifikation der Klavikulaschaftfraktur: Graphische Darstellung von 9 Frakturtypen mit Zunahme der Fragmentanzahl und des Dislokationsgrads

Die Antworten der befragten Kliniken werden in Tab. 2 dargestellt und lassen folgenden Trend beobachten: Je komplexer die Fraktur und je geringer der Knochenkontakt zwischen den Fragmenten ist, desto eher wird eine operative Stabilisierung der Klavikulaschaftfraktur durchgeführt. So wird eine einfache Fraktur mit vollständigem Knochenkontakt (Typ A1) ausschließlich konservativ behandelt, während bei derselben Frakturart mit partiellem Knochenkontakt (Typ A2) bereits 6% bzw. ohne Knochenkontakt (Typ A3) 56% der Kliniken eine operative Stabilisierung der Klavikulaschaftfraktur durchführen würden. Ein vergleichbarer Trend ist ebenfalls bei der Versorgung der B- und C-Frakturen zu erkennen: B1 (14%), B2 (28%) und B3 (76%) sowie C1 (18%), C2 (39%) und C3 (63%). Dabei ist kein signifikanter Unterschied in der Indikationsstellung zur operativen Stabilisierung anhand der Klassifikation der Klavikulaschaftfraktur zwischen den unfallchirurgischen Zentren und den übrigen Kliniken festzustellen (Tab. 2).

Tab. 2 Angabe der Operationsindikation in Abhängigkeit zum Dislokationsgrad und Fragmentanzahl (geordnet nach Klinikart)

Konservative Therapie

Zur konservativen Therapie nehmen 9% der Kliniken einen Patienten mit Klavikulafraktur stationär auf. Die weitaus größte Anzahl der Klinken verwenden den Rucksackverband (88%) zur schmerzlindernden Ruhigstellung; andere Verfahren wie die Armschlinge (6%), Gilchristverband (5%) und Desaultverband (1%) spielen in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle (Abb. 4). Die Ruhigstellungsdauer beträgt 4,2±1,2 Wochen. Der Median für die Anzahl durchgeführter Röntgenverlaufskontrollen ist 3.

Abb. 4
figure 4

Bevorzugtes konservatives Therapieverfahren

Operative Therapie

Im Mittel nehmen 94% der Kliniken die Patienten zur operativen Therapie für 5±3 Tage stationär auf. Alle Kliniken verwenden die Platte als Osteosyntheseverfahren. Die Plattenauswahl fällt dabei vorwiegend auf die Rekonstruktionsplatte (56%). Die „low contact dynamic compression plate“ (LCDCP) (27%), „dynamic compression plate“ (DCP) (10%) und andere Plattenarten (7%) werden seltener verwendet (Abb. 5). Bei geeignetem Frakturtyp führen durchschnittlich 43% der befragten Kliniken die Stabilisierung mit einem Nagel durch, wobei diese Technik signifikant häufiger von unfallchirurgischen Zentren (55%) als von den übrigen Kliniken (31%) verwendet wird (p=0,01). Als Osteosynthesematerial kommt dabei nahezu ausschließlich ein elastischer Titannagel (87%) zur Anwendung: 38% Prevotnagel, 34% „titanium elastic nail“ (TEN), 15% „embrochage centromédullaire élastique stable“ (ECMES). Andere intramedulläre Verfahren spielen eine untergeordnete Rolle (13%) (Abb. 6). Postoperativ belassen 67% der Kliniken im Mittel für 2±2 Tage einen Ruhigstellungsverband, 85% empfehlen eine krankengymnastische Nachbehandlung für 4±2 Wochen.

Abb. 5
figure 5

Bevorzugtes Therapieverfahren bei Plattenosteosynthese

Abb. 6
figure 6

Bevorzugtes Therapieverfahren bei intramedullärer Osteosynthese

Der Zeitpunkt der Metallentfernung wird jeweils von 41% der Kliniken vor Ablauf bzw. zum Zeitpunkt des ersten postoperativen Jahrs durchgeführt, nur 18% entfernen das Osteosynthesematerial zu einem späteren Zeitpunkt (Median 12±6 Monate).

Diskussion

Seit der Einführung von operativen Stabilisierungsmethoden wird die Diskussion bezüglich Indikation und Verfahren der konservativen vs. operativen Therapie der Klavikulaschaftfraktur teilweise kontrovers geführt und hat sich durch die Verbreitung von minimalinvasiven Verfahren in der letzten Zeit nochmals zugespitzt [4, 8, 13, 14, 15, 18, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31]. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht eine gewisse Übereinkunft, die Schaftfraktur ohne wesentliche Dislokation konservativ zu therapieren und bei stark dislozierten Frakturen mit drohender Hautperforation, begleitenden neurovaskuläre Verletzungen, „floating shoulder“ sowie offenen Frakturen zu operieren [10, 16, 23, 28]. Manche Autoren machen die Therapieempfehlung von patientenspezifischen Parametern abhängig. Insbesondere junge Erwachsene und schulteraktive Patienten mit Klavikulafraktur sollten demzufolge zur optimalen Wiederherstellung der Symmetrie des Schultergürtels operativ reponiert und stabilisiert werden [13, 16]. Dieses Bild kann auch durch die vorliegende Erhebung bestätigt werden.

Klassifikation

Eine allseits akzeptierte Definition des Begriffs Dislokation im Zusammenhang mit der Klavikulaschaftfraktur ist nicht bekannt. Einige Autoren verwenden diesen Begriff, um eine Fragmentdislokation in Abhängigkeit der Schaftbreite, andere um ein Verkürzungs- oder Rotationsmaß zu beschreiben [11, 20, 29].

Grundlage jeglicher moderner Frakturversorgung ist jedoch eine einfach aufgebaute, aber dennoch exakte Klassifizierung des Knochenbruchs. Beschreibung von Lokalisation und Form der Fraktur inklusive der Darstellung von zusätzlichen Fragmenten, sowie des Dislokations- und Instabilitätsgrads werden von einer validen Klassifikation erwartet, um unmittelbaren Einfluss auf das Therapieregime zu nehmen. Zur Charakterisierung von Brüchen der langen Röhrenknochen der oberen und unteren Extremität hat sich die AO-Klassifikation in diesem Sinn bewährt [17]. Dem gegenüber stehen zahlreiche unterschiedliche Darstellungen zur Einteilung der Klavikulafraktur. Die ursprüngliche Klassifikation von Allman [1] charakterisiert dabei ausschließlich die Bruchstelle (I=mittleres Drittel; II=laterales Drittel; III=mediales Drittel). Weitere Klassifikationen der Schaftfrakturen sind beschrieben [19, 21].

Es ist bemerkenswert, dass in dieser Erhebung nur 35% der Kliniken überhaupt eine Klassifizierung der Klavikulaschaftfrakturen durchführen. 14% verwenden die Allman- und 3% die dePalma-Klassifikation [1, 6], die jedoch beide keine Aussage über die Fragmentanzahl oder den Dislokationsgrad machen, sondern nur die Frakturlokalisation bezeichnen.

Das bedeutet, dass mehr als 80% der Kliniken keinen klassifikationsbasierten Entscheidungsalgorithmus bezüglich der Behandlungsstrategie von Klavikulaschaftfrakturen besitzen und somit die Entscheidung zwischen konservativer und operativer Therapie in der Regel vermutlich individuell gestellt werden muss.

Das Fehlen einer einheitlichen Klassifikation der Klavikulaschaftfraktur stellt demzufolge ein wesentliches Ergebnis dieser Umfrage dar und weist möglicherweise indirekt darauf hinauf hin, dass eine sinnvolle Klassifikation noch nicht existiert. Diese Lücke könnte durch die in diesem Manuskript unter Abb. 3 vorgestellte Systematik geschlossen werden.

Indikation konservative vs. operative Therapie

Bis heute gilt die konservative Therapie als Standardverfahren der Klavikulaschaftfraktur. Diese Behandlungsempfehlung basiert auf zahlreichen Studien mit guten bis sehr guten Ergebnissen [3, 18, 22, 23]. Insbesondere in den letzten zehn Jahren mehren sich jedoch die wissenschaftlichen Publikationen, die eine differenzierte Betrachtung der Klavikulaschaftfrakturen hinsichtlich einer Therapieentscheidung zwischen operativem und konservativem Vorgehen fordern [4, 11, 14, 29, 31]. In einer systematischen Literaturanalyse von 2144 Klavikulaschaftfrakturen nach den Kriterien der „evidence-based medicine“ wurde unlängst festgestellt, dass die Pseudarthroserate konservativ behandelter Patienten bei dislozierten Frakturen erhöht ist [31]. Dieses Ergebnis wird durch eine aktuelle, prospektiv randomisierte Multicenterstudie der „Canadian orthopaedic trauma society“ bestätigt, die 132 Patienten mit einer dislozierten Klavikulaschaftfraktur entweder mit einer Armschlinge oder mit einer Plattenosteosynthese behandelten. Dabei war die Versorgung mit der Platte bezüglich „nonunion“- und „malunion“-Rate sowie der Patientenzufriedenheit hinsichtlich Kosmetik und Schulterfunktion der konservativen Therapie signifikant überlegen [4]. Vergleichbare Ergebnisse sind auch für intramedulläre Implantate veröffentlicht [14].

Die durchschnittliche Operationsrate der Klavikulafraktur lag, unabhängig von der Klinikart (p=0,45), in dieser Erhebung bei 26% und damit deutlich über den in der Literatur regelmäßig zu findenden Angaben von unter 10% [16, 22, 23].

Unabhängig vom Frakturtyp würden mehr als die Hälfte der Kliniken eine Klavikulaschaftfraktur ohne Knochenkontakt der Fragmentenden operativ stabilisieren. Es scheint sich daher ein Wandel in der Therapie der Klavikulafraktur in Richtung operative Therapie in Deutschland zu vollziehen, obwohl immer noch drei von vier Brüchen konservativ behandelt werden.

Konservative Therapieverfahren

In einer prospektiven, randomisierten Studie wurde die Verwendung einer Armschlinge vs. eines Rucksackverbands zur konservativen Behandlung einer Klavikulafraktur untersucht [3]. Unabhängig vom Frakturtyp kam es bei allen 61 Patienten zu einer knöchernen Ausheilung der Fraktur und vergleichbaren funktionellen und kosmetischen Ergebnissen, wobei die Patientenzufriedenheit unter Verwendung der Armschlinge erhöht war. Die Verwendung der Armschlinge, wurde in dieser Erhebung nur von 6% der Kliniken angegeben. Dies mag sich dadurch erklären, dass in der deutschsprachigen Literatur vorwiegend der Rucksackverband zur konservativen Therapie empfohlen wird, obwohl bekannt ist, dass die meisten Frakturen trotz primärer Reposition doch in der ursprünglichen Stellung konsolidieren [16]. Das Ergebnis dieser Erhebung bestätigt die hohe Verwendungsrate des Rucksackverbands: 88% der Kliniken in Deutschland verwenden dieses konservative Therapieverfahren. Die angegebene Anwendungsdauer von durchschnittlich 4 Wochen deckt sich mit den Angaben der Literatur [16].

Operative Therapieverfahren

Zahlreiche Publikationen werten die Plattenosteosynthese als Verfahren der Wahl bei der Versorgung der dislozierten Klavikulaschaftfraktur [4, 8, 15, 26]. Dies wird auch mit der vorliegenden Erhebung bestätigt, da alle Kliniken die Platte als operatives Stabilisierungsverfahren anwenden, mehr als die Hälfte exklusiv. In einer biomechanischen ex-vivo-Analyse an humanen Klavikulapräparaten war die 3,5 mm LCDCP sowohl der DCP als auch der Rekonstruktionsplatte hinsichtlich der Belastbarkeit überlegen [12]. Das Ergebnis dieser Erhebung zeigt, dass die LCDCP nur von etwa jeder vierten Klinik zur Stabilisierung der Klavikulaschaftfraktur angewendet wird, wohingegen die Rekonstruktionsplatte von mehr als der Hälfte der Anwender benutzt wird. Das mag darin begründet sein, dass die Rekonstruktionsplatte sich der S-förmigen Klavikulageometrie intraoperativ individuell anpassen lässt. Anatomische Platten spielen offensichtlich zum jetzigen Zeitpunkt keine wesentliche Rolle.

Die intramedulläre Fixierung wird in der Literatur unterschiedlich bewertet [5, 13, 14, 15, 16, 27, 28, 31]. Unter dem Hinweis auf eine erhöhte Pseudarthroserate heißt es diesbezüglich in der Übersichtsarbeit von Klonz [16]: „Die Kombination einer offenen Reposition mit einer relativ instabilen Osteosynthese ist umstritten.“ Dem gegenüber steht eine erst kürzlich veröffentlichte Literaturanalyse, die zeigte, dass durch die Verwendung eines intramedullären Implantats die Pseudarthroserate bei dislozierten Klavikulaschaftfrakturen nur bei 2,0% liegt und damit besser abschneidet als bei konservativer Therapie (15,1%), was einer Reduktion des Pseudarthroserisikos um 87% entspricht, oder bei operativer Therapie mittels Platte (2,2%) [31].

Neuere Arbeiten aus dem Inland zeigen ebenfalls überwiegend sehr gute Ergebnisse bei der Verwendung eines elastischen, intramedullären Titannagels [13, 14, 15, 28]. Dabei wird betont, dass durch die Herstellung der Symmetrie des Schultergürtels die glenohumeralen Gelenkveränderungen reduziert werden können [2, 13] und die erzielten Ergebnisse somit bezüglich Schmerzreduktion, aber auch funktionell und kosmetisch besser sind als bei konservativer Therapie [14]. Diese Erhebung konnte zeigen, dass über 43% der Klinken in Deutschland diese Behandlungsform in das Konzept der Klavikulaschafttherapie aufgenommen haben. Dabei scheint es aber den individuellen Fähigkeiten und Neigungen des Operateurs überlassen zu bleiben, welche operative Stabilisierungsform im Einzelfall angewendet wird. Die vorliegende Erhebung zeigt jedoch, dass diese Technik signifikant häufiger an unfallchirurgischen Zentren (55%) zur Anwendung kommt als an den übrigen Kliniken (31%) (p=0,01). Das deutet darauf hin, dass dieses Verfahren in Deutschland noch in einem Etablierungsprozess steht. Obwohl zahlreiche verschiedene intramedulläre Implantate beschrieben sind, verwenden deutsche Kliniken nahezu ausschließlich einen elastischen Titannagel als intramedulläres Implantat.

Laut der deutschen Krankenhausgesellschaft gab es im Jahr 2005 in Deutschland 1527 Kliniken, die über eine chirurgische/unfallchirurgische oder orthopädische Fachabteilung verfügten [7]. Daher wurde im Rahmen dieser Erhebung nahezu jede sechste deutsche Fachabteilung (n=240) (16%) erreicht und etwa jede zehnte deutsche Klinik (n=142) (10%) beteiligte sich aktiv durch die Rücksendung eines vollständig ausgefüllten Fragebogens an dieser Studie. Durch das postleitzahlenassoziierte, zufallsgesteuerte Auswahlverfahren sollte grundsätzlich jede Unfallklinik eine gleichwertige Chance haben, in diese Umfrage aufgenommen zu werden, da die Therapie der Klavikulaschaftfraktur als tägliche Praxis jeder unfallchirurgisch-orthopädischen Abteilung in Deutschland angesehen werden muss. Durch die Auswahl aller Universitäts- und BG-Kliniken entsprechen die in dieser Arbeit erhobenen Behandlungsdaten jedoch nicht den Kriterien einer repräsentativen Umfrage. Diese Kliniken, die zusammen mit den zufällig gewählten akademischen Lehrkrankenhäusern 55% der hier vorliegenden Behandlungsdaten generierten, sollten jedoch gezielt aufgenommen werden, da sie sowohl in wissenschaftlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung eine Schlüsselstellung einnehmen. Die von diesen Abteilungen vertretenen Therapiekonzepte müssen sich daher im Besonderen an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen messen lassen.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die meisten Kliniken in Deutschland auf eine standardisierte Klassifikation der Klavikulaschaftfraktur verzichten. Die Behandlung der einfachen und nicht bzw. partiell dislozierten Schaftfraktur wird konservativ und vorzugsweise mit dem Rucksackverband (88%) durchgeführt.

Die konservative Therapie ist das allgemein anerkannte Standardverfahren zur Behandlung der Klavikulafraktur. Mittlerweile wird jedoch gleichermaßen an unfallchirurgischen Zentren als auch an den übrigen Kliniken etwa jede vierte Klavikulafraktur operativ stabilisiert. Neben dem flächendeckenden Einsatz der Plattenosteosynthese verfügen mehr als 40% der Kliniken über minimalinvasive Techniken zur Stabilisierung der Klavikulaschaftfraktur wie die elastisch-stabile intramedulläre Nagelung, wobei diese Technik insbesondere von unfallchirurgischen Zentren angewendet wird (p=0,01). Der in dieser Erhebung dargestellte Trend deutscher Unfallkrankenhäuser zu einer operativen Stabilisierung dislozierter Klavikulaschaftfrakturen steht im Einklang mit neueren Publikationen, die eindeutig überlegene Ergebnisse für dieses Verfahren im Vergleich zur konservativen Behandlung zeigen konnten.