Zusammenfassung
Die funktionelle Brace-Therapie von diaphysären Humerusfrakturen entstand nach ersten Erfahrungen im Management von diaphysären Tibiafrakturen. Im Laufe der Zeit hat die Brace-Therapie von Tibiafrakturen einen Wandel vollzogen, und das Indikationsspektrum ist inzwischen im Wesentlichen begrenzt auf eine kleine Gruppe von Frakturen: geschlossene, axial instabile Frakturen mit geringer Verkürzung sowie stabile Querfrakturen. Dagegen sind bei der funktionellen Brace-Therapie von Humerusschaftfrakturen die anfangs beschriebenen Indikationen und Kontraindikationen sowie die Methode beibehalten worden.
In diesem Beitrag beschreiben wir das Konzept der funktionellen Brace-Behandlung von Humerusschaftfrakturen und Indikationen sowie Kontraindikationen. Darüber hinaus stellen wir Ergebnisse dar anhand von 620 Fällen mit vollständigem Follow-up. Bei 97,5% der Patienten betrug die durchschnittliche Konsolidierungszeit 11,5 Wochen. Eine operative Intervention wegen Pseudarthrosenbildung war bei 16 Patienten (2,5%) erforderlich, bei 4 Patienten ereignete sich eine Refraktur nach Entfernung des Brace. Nur bei einem von 67 Patienten, bei denen eine Schädigung des N. radialis vorgelegen hatte, kam es nicht zu einer Erholung der Nervenfunktion.
Abstract
Functional bracing of humeral diaphyseal fractures was conceived after initial experiences with a similar method was used in the management of diaphyseal tibial fractures. Over the years, tibial functional bracing underwent major evolutionary changes, and found its indications basically limited to a smaller group of fractures, consisting of closed, axially unstable fractures that experience at the time of the injury an acceptable degree of shortening, and to transverse fracture that are appropriately reduced and rendered stable. On the other hand, functional bracing of diaphyseal humeral fractures has, maintained the initial indications, contraindications and methodology.
This article describes the concept, indications and contraindications of functional bracing of humeral diaphyseal fractures and provides results of 620 fractures with complete follow-up. In 97,5% of the patients, the average healing time was 11.5 weeks. 16 patients (2,5%) required operative intervention because of a nonunion and 4 patients (<1°) of the patient had a refracture after brace removal. Nerve function did not return in only one of the 67 patient who had radial nerve palsy.
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Grundlagen
Die funktionelle Therapie mit einem Brace gründet darauf, dass die rigide Immobilisierung diaphysärer Frakturen unphysiologisch ist und dass der Kallus, der sich dabei bildet, von minderer Qualität ist. Bewegung an der Frakturstelle hingegen induziert inflammatorische Reaktionen, die sich in ausgeprägter Kapillarinvasion manifestiert und schließlich zu einer Induktion von Osteoblasten [5, 12, 13]. Der endgültige Kallus, der einen größeren Durchmesser aufweist als die Diaphyse, widersteht erheblichen Biege- und Drehkräften [5, 7, 13, 14].
Im Fall von Humerusfrakturen gibt es hinsichtlich einer Verkürzung an der Bruchstelle in der Regel keine Bedenken. Eine Distraktion der Hauptfragmente hingegen stellt ein ernstes Problem dar und begünstigt die Bildung von Pseudarthrosen. Die auf die Fraktur wirkende Schwerkraft hilft in den meisten Fällen, eine gewisse Achsenausrichtung zu erzielen [16, 17].
Auch wenn zur Behandlung von Humerusfrakturen unterschiedliche Optionen existieren, so kommen in der chirurgischen Behandlung immer noch die bisher fast unvermeidlichen Komplikationen, insbesondere Infektionen und Nervenverletzungen vor [1, 2, 3, 4]. Intramedulläre Verfahren haben derzeit keinen festen Stellenwert erlangen können, da die Häufigkeit an Komplikationen derzeit inakzeptabel erscheint [22].
Die gegenwärtige Aufmerksamkeit, die auf die anatomische Wiederherstellung von Schaftfrakturen gerichtet ist, erscheint übertrieben [21]. Begonnen hat dieser fehlgeleitete Trend, als die Plattenosteosynthesen in Mode kamen.
Unsere Kritik dieses Trends bedeutet nicht, dass wir Fehlstellungen oder Verkürzungen in Kauf nähmen. Doch bei diaphysären Humerusfrakturen sind kleinere Fehlstellungen keine „Komplikationen“, sondern eher unbedeutende Normabweichungen.
Die funktionelle Brace-Therapie von Humerusfrakturen ist häufig verbunden mit kleineren residuellen Fehlstellungen. Wie wir im folgenden Text darlegen werden, ist der Humerus der Röhrenknochen, der vielleicht mehr als jeder andere Deformitäten toleriert. Drehfehler werden selten beobachtet. Wir vermuten, dass sie sich durch Muskelkontraktionen spontan korrigieren [16].
Die auf die Fraktur wirkende Schwerkraft hilft in den meisten Fällen zur Ausrichtung der Fragmente [16, 17].
Indikationen
Die funktionelle Brace-Therapie von Humerusschaftfrakturen erfordert vom Patienten die Fähigkeit zu stehen. Wenn keine Schwerkraft auf die verletzte Extremität einwirkt, ist die Korrektur von Fehlstellungen häufig nicht möglich.
Die meisten isolierten, geschlossenen diaphysären Frakturen können unabhängig von ihrer Geometrie mit einem funktionellen Brace behandelt werden.
Bei Querfrakturen hingegen, vor allem bei nicht verschobenen, entwickeln sich eher winkelförmige Deformitäten, wenn die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen werden. Wirken Kräfte über Gewichte (Aufstützen auf den Ellenbogen beispielsweise) oder über Muskelbewegungen auf die Fraktur ein, so kann eine Deformität entstehen. Insbesondere bei Trümmer- oder Schrägfrakturen erzeugen Muskelkontraktionen hingegen einen erwünschten Effekt: im Sinne einer „Schienung“
Die Höhe der Fraktur scheint keinen Einfluss auf das Endergebnis zu haben. Frakturen auf verschiedenen Höhen scheinen sich in der gleichen Zeit zu konsolidieren mit ähnlichen Achsenabweichungen. Die Tatsache, dass der Brace sehr proximale bzw. sehr distale Fragmente nicht abdeckt, ist nicht relevant. So lange der Weichteilmantel des Oberarms durch den verstellbaren Brace komprimiert wird und der Arm frei an der Seite des Körpers herunterhängt, besteht eine der Heilung zuträgliche Situation.
Wenn eine N.-radialis-Lähmung direkt nach dem Unfall aufgetreten ist, ist diese keine Kontraindikation für die funktionelle Brace-Therapie. Die Wahrscheinlichkeit für eine spontane Besserung ist hoch [1, 2, 3, 4, 12, 15, 17, 18, 22, 23]. Weil der Arm in physiologischer Stellung an der Seite des Körpers hängen kann, ist eine Schienung des Handgelenks nicht notwendig. Die Schwerkraft bringt das Handgelenk in eine neutrale Position und verhindert eine Beugekontraktur des Gelenks. Empfohlen wird der aktive Gebrauch von Handgelenk und Fingern.
Durch Niedriggeschwindigkeitsgeschosse erzeugte und mit geringer oder nur mäßiger Weichteilschädigung verbundene Frakturen eignen sich in der Regel gut für die funktionelle Brace-Therapie. Wundreinigung und lokale Antibiotikaprophylaxe werden erforderlich.
Adipositas ist nicht per se eine Kontraindikation. Achsenabweichungen sind schwerwiegender bei adipösen Patienten, andererseits werden sie von den größeren Volumina an Fettgewebe recht wirkungsvoll maskiert.
Kontraindikationen
Eine Distraktion der Hauptfragmente ist der häufigste Grund für eine verzögerte Frakturheilung und die Bildung einer Pseudarthrose. Eine Distraktion spiegelt ein hohes Maß von Weichteilgewebeschädigung wider; umso deutlicher, wenn die Weichteilverletzung mit einer Nervenläsion verbunden ist. Dann ist die chirurgische Stabilisierung die Methode der Wahl.
Offene Frakturen mit größerer Weichteilgewebeschädigung schließen ein erfolgreiches Management mit einem funktionellen Brace aus, besonders bei peripherer Nervenläsion. Dann sollten andere Behandlungsmodalitäten gewählt werden. Patienten mit bilateralen Humerusfrakturen sind in der Regel besser versorgt mit chirurgischer Stabilisierung. Auch polytraumatisierte Patienten, die nicht gehen können, werden am besten operativ behandelt. Frakturen, die mit chirurgisch zu versorgenden Gefäßverletzungen verbunden sind und stabilisiert werden müssen, sollten nicht mit einem Brace versorgt werden. Wird die chirurgische Stabilisierung nicht dann vorgenommen, wenn die Versorgung der Gefäßverletzung erfolgt, kann später eine Brace-Behandlung erfolgen.
Methoden
Diaphysäre Humerusfrakturen, die funktionell mit einem Brace behandelt werden, werden initial mit einem Oberarmgips oder einer Armschiene stabilisiert. Dabei wird der Arm von einer Schlinge gehalten und das Ellenbogengelenk ist etwa 80° gebeugt.
Das korrekte Anlegen der Schlinge ist entscheidend, denn ein nicht sachgemäßes Anlegen ist die häufigste Ursache einer Varusfehlstellung. Für dieses Phänomen gibt es eine einfache Erklärung: Wenn die Schlinge angelegt wird, zieht der Patient unbewusst die Schulter hoch, als könne er damit den mit der Anlage verbundenen Schmerz vermeiden. Sobald die Schlinge angelegt ist, entspannt der Patient die Schulter. Da die Länge der Schlinge unverändert bleibt, entsteht so an der Bruchstelle eine deformierende Kraft (Abb. 1).
Radiologisch zeigen die meisten schlingenstabilisierten Humerusfrakturen, insbesondere die im proximalen Drittel gelegenen, eine Varusfehlstellung. Früher ist man davon ausgegangen, dass diese durch Kontraktion des M. deltoideus entsteht. Diese Argumentation ist physiologisch nicht schlüssig, denn nach dem Unfallereignis erfährt der Muskel eine zeitweilige schlaffe Lähmung. Und da ein gelähmter Muskel nicht eine Deformierung herbeiführen kann, muss eine andere Ätiologie vorliegen. Wir vermuten, dass es der behandelnde Arzt ist, der diese Deformität erzeugt durch eine inkorrekte Anlage der Schlinge, nämlich bei hochgezogener Schulter.
Die Abduktion des proximalen Fragments ähnelt der Varusdeformität, die bei intertrochantären Frakturen mit Fraktur des Trochanter minor zu beobachten ist. Diese Deformität wird fälschlicherweise dem ungehinderten Zug des M. glutaeus medius auf den Trochanter major zugeschrieben. Unsere diesbezüglichen elektromyographischen Untersuchungen zeigten, dass die deformierende Kraft nicht der M. glutaeus ist, sondern – wie bei der Schulter – die Adduktoren, also die Muskelgruppe, in der es während der ersten Tage nach dem Unfall zu schmerzbedingter Spastik kommt, während die Abduktoren relaxiert sind (Abb. 2).
So schnell wie möglich sollte mit Pendelübungen begonnen werden, um lang andauernden Einschränkungen der Schulterbeweglichkeit zu mindern bzw. ihnen vorzubeugen.
Es ist wünschenswert, den Gips zu entfernen, wenn keine nennenswerten Symptome mehr bestehen, andernfalls werden ein paar zusätzliche Tage mit Gips empfohlen. Der Brace muss verstellbar sein, um sicherzustellen, dass das Weichteilgewebe des Arms auch dann noch komprimiert werden kann, wenn die Schwellung nachlässt und Atrophie einsetzte (Abb. 3, Abb. 4). Während der ersten zwei Wochen ist ein häufiges Anziehen der Klettverschlüsse erforderlich. Zylinderförmige Hülsen haben leicht die Tendenz, nach distal zu verrutschen und den Bereich der Fossa cubitalis zu irritieren. Der Brace sollte sich etwa Fingerbreit unterhalb der Axilla bis etwa Fingerbreit oberhalb der Humeruskondylen erstrecken.
Bei liegender Blount-Schlinge („collar and cuff“) sollten die Pendelübungen weiter durchgeführt werden. Der Patient sollte den Arm mehrmals täglich aus der Schlinge ziehen zur passiven Beugung und Streckung des Ellenbogengelenks (mit Betonung der Streckung). Je nach Beschwerden werden passive Übungen mit aktiven kombiniert.
Die meisten Patienten können eine Woche nach Anlage des Brace den Arm im Ellenbogengelenk vollständig strecken. Zu diesem Zeitpunkt werden die Pendelübungen weiter durchgeführt mit an der Seite des Körpers herabhängendem Arm. Zu diesem Zeitpunkt kann die Blount-Schlinge („collar and cuff“) entfernt werden. Im Liegen sollte sie so lange verwendet werden, bis die Fraktur klinisch stabil ist. Der Patient sollte in der Lage sein, den Brace ohne Schwierigkeiten an- und abzulegen (Abb. 4).
Der Brace wird auf Dauer abgelegt, sobald die knöcherne Heilung der Fraktur nachgewiesen ist.
Aktive Abduktion und aktives Heben der Schulter müssen vermieden werden, andernfalls können winkelförmige Achsabweichungen entstehen.
Solche Übungen dürfen erst durchgeführt werden, wenn die Fraktur klinisch stabil ist. Aufstützen auf den Ellenbogen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Varusfehlstellungen; diese Komplikation entsteht am häufigsten bei queren, nicht dislozierten Frakturen.
Ergebnisse
Wir haben unsere Erfahrungen mit der funktionellen Brace-Therapie bei diaphysären Humerusfrakturen bereits mehrfach publiziert. Die umfangreichste Darstellung beruhte auf 922 Patienten: Bei 620 (67%) von ihnen war ein Follow-up bis zur vollständigen Konsolidierung möglich. Viele Patienten kamen nicht mehr in unsere Ambulanz, sobald sie ihre verletzte Extremität wieder schmerzfrei einsetzen konnten. Für diese Patienten konnten wir trotz zahlreicher Versuche kein langfristiges Follow-up erreichen. Angaben zur Pseudarthrosenbildung liegen in Literatur der letzten Jahre zwischen 1 und 5,8% [1, 2, 3, 4, 6, 8, 12, 15, 18, 22, 23]. In einer unserer Studien, in die sowohl offene als auch geschlossene Frakturen eingeschlossen worden waren, zeigten sich Pseudarthoseraten von 1,5% bei den geschlossenen und 5,8% bei den offenen Frakturen [18].
Durchschnittlich betrug die Konsolidierungszeit – die Zeit bis zur Entfernung des Brace nach radiologisch und klinisch gesicherter Konsolidierung – 11,5 Wochen (Range 5–22 Wochen).
Die mittlere Konsolidierungszeit für die 465 geschlossenen Frakturen lag bei 9,5 Wochen (Range 5–19), für die 115 offenen Frakturen bei 14 Wochen (8–22). Die durchschnittliche Konsolidierungszeit für die 101 Querfrakturen lag bei 12 (8–22), für die 149 Schrägfrakturen bei 10 (5–17) und für die 364 Trümmerfrakturen 11 Wochen (5–17). Für die 6 komplexen Frakturen betrug die Zeit bis zur Konsolidierung 12 Wochen (8–22).
Die mittlere Konsolidierungszeit betrug 10 Wochen (Range 5–14) bei den 92 Frakturen im proximalen Schaftdrittel, 10 Wochen (6–22) bei den 303 Frakturen im mittleren Drittel, 9 Wochen bei den 219 Frakturen im distalen Drittel und 12 Wochen (8–22) bei den 6 komplexen Frakturen.
Eine operative Intervention wegen Pseudarthrosenbildung war für 16 Patienten (2,5%) erforderlich. Als Unfallmechanismus lagen Sturzereignis (n=4), Autounfall (n=9) und Schusswaffenverletzung (Geschosse niedriger Geschwindigkeit, n=3) zu Grunde. Von den 9 Pseudarthrosen unter den offenen Frakturen befanden sich 4 (2 Quer-, 2 Trümmerfrakturen) im mittleren und 5 (2 Quer-, 3 Trümmerfrakturen) im distalen Humerusdrittel. Von den 7 Pseudarthrosen der geschlossenen Frakturen waren 4 (3 Querfrakturen, 1 Trümmerfraktur) im mittleren und 3 (2 Querfrakturen, 1 Trümmerfraktur) im distalen Humerusdrittel. Eine Distraktion zwischen den Fragmenten zeigte sich bei 7 Patienten, zu sehen auf den im Stehen angefertigten Röntgenaufnahmen.
Vier (<1%) der Patienten erlitten eine Refraktur zwischen der 2. und 8. Woche nach Entfernung des Brace: 2 durch ein Sturzereignis, einer während sportlicher Aktivitäten, beim vierten ist der Unfallmechanismus nicht bekannt. Alle 4 Refrakturen heilten aus nach einer erneuten Brace-Therapie.
Zur Bestimmung der Varusfehlstellung lagen von 565 Patienten (91%) aktuelle Röntgenbilder in a.p.-Richtung vor, von 546 Patienten (88%) aktuelle Seitaufnahmen. Die 101 Querfrakturen heilten aus mit einer Varusfehlstellung von durchschnittlich 9°, bei den 149 Querfrakturen betrug sie durchschnittlich 4° und bei den 364 Trümmerfrakturen betrug die Varusfehlstellung im Durchschnitt 8°. Der Humerusschaft toleriert Fehlstellungen besser als jeder andere lange Röhrenknochen, ohne dass wesentliche kosmetische oder funktionelle Beeinträchtigungen entstehen (Abb. 5, Abb. 6).
Bei einem von 67 Patienten mit primärer Radialislähmung kam es nicht zu einer Erholung der Nervenfunktion (Abb. 7). Wie bereits erwähnt, sind einige Patienten mit operativer Revision des N. radialis in anderen Kliniken weiter versorgt worden und deshalb nicht in diese Studie eingeschlossen.
Sobald die Fraktur klinisch stabil war und sich radiologisch erste Konsolidierungszeichen zeigten, wurden die Patienten gebeten, ihre Schultern aktiv zu beugen, zu abduzieren und zu rotieren. Daten zur Beweglichkeit wurden in speziellen Formularen festgehalten, zuletzt wurden sie aufgezeichnet beim jeweils letzten Kontakt mit einem Patienten. Gar keine Bewegungseinschränkungen hatten 59,8% der Patienten, 28,8% hatten eine Einschränkung von weniger als 10° und 2,3% eine Einschränkung von mehr als 25° (Abb. 8, Abb. 9, Abb. 10, Abb. 11, Abb. 12).
Geringgradige Achsenabweichungen verbleiben letztendlich häufig. Diese sind jedoch in den meisten Fällen weder kosmetisch noch funktionell einschränkend [1, 3, 7, 10, 12, 13]. In einer unserer früheren Untersuchungen berichteten wir, dass 87% aller Frakturen mit einer Varusdeformität von weniger als 15° ausheilten, 2% mit einer Deformität von 25° [10]. Bei adipösen sowie muskulösen Patienten werden Deformitäten am effektivsten verdeckt.
Das Ausmaß einer permanenten Einschränkung der Schulterbeweglichkeit ist in der Literatur nicht eindeutig geklärt. Einig sind sich alle Autoren dahingehend, dass zum Zeitpunkt der Brace-Entfernung in der Regel ein Verlust der Beweglichkeit besteht, insbesondere bei der Außenrotation.
Die Einschränkung der Beweglichkeit im Schultergelenk nach Brace-Abnahme entwickelt sich in den meisten Fällen kontinuierlich zurück.
In unserer aktuellsten Untersuchung haben wir gezeigt, dass 59% der Patienten zum Zeitpunkt der endgültigen Brace-Entfernung eine normale Schulterbeweglichkeit hatten [11]. Weil das Ellenbogengelenk selbst nicht immobilisiert wird, werden von den meisten Autoren keine permanenten Bewegungseinschränkungen gesehen. In einer unserer Studien mit 620 Patienten hatten 76% zum Zeitpunkt der endgültigen Brace-Entfernung eine normale Beweglichkeit im Ellenbogengelenk [18].
Eine Radialislähmung tritt bei 7–18% aller Humerusschaftfrakturen auf. Wenn sie direkt zum Zeitpunkt des Unfalls entsteht, kann in den meisten Fällen eine Spontanremission erwartet werden. Wir dokumentierten für die Radialislähmung eine Inzidenz von 11,1%, nur bei 0,2% zeigte sich in der verhältnismäßig kurzen Nachbeobachtungszeit keine Besserung [10].
Diskussion
Auch wenn in der Frakturversorgung immer noch Fortschritte gemacht werden, so kann doch keine einzelne Methode als Patentrezept für alle Frakturen in allen Situationen angesehen werden. Komplikationen können bei jeder Versorgungsmethode auftreten. Offene Frakturen bleiben eine Herausforderung, Komplikationen treten häufiger auf und ihre Prognose kann nur vorsichtig abgeschätzt werden. Im Fall von diaphysären Humerusfrakturen scheint die funktionelle Brace-Therapie in der ganz überwiegenden Mehrzahl der geschlossenen Frakturen erfolgreich zu sein, in geringerem Maße gilt dies auch für offene Frakturen. Die Inzidenz von Pseudarthrosen ist niedrig, das funktionelle Ergebnis sehr gut und das kosmetische Ergebnis in aller Regel akzeptabel [1, 2, 3, 4, 6, 8, 12, 15, 18, 22, 23].
Die funktionelle Brace-Therapie ist weit davon entfernt, ein Allheilmittel zu sein. Es sind Indikationen wie Kontraindikationen zu berücksichtigen, und in vielen Fällen sind andere Behandlungsoptionen indiziert. Daher ist es unentbehrlich, dass der behandelnde Chirurg Grundlagen und Methoden der verschiedenen Methoden versteht.
Nach einer funktionellen Brace-Therapie ergeben sich zu einem gewissen Prozentsatz radiologisch nachweisbare Achsenabweichungen. Mäßige Abweichungen am Humerus sind jedoch tolerabel und beeinträchtigen weder die kosmetischen noch die funktionellen Resultate. Für ein gutes klinisches Ergebnis ist neben der Compliance des Patienten die konsequente Umsetzung eines Behandlungskonzepts entscheidend.
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Sarmiento, A., Latta, L. Funktionelle Behandlung bei Humerusschaftfrakturen. Unfallchirurg 110, 824–832 (2007). https://doi.org/10.1007/s00113-007-1325-4
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