Verletzungen des Streckapparats in der Knieendoprothetik treten mit einer Inzidenz zwischen 0,2 und 6,4% auf [3]. Operationsbedingte Ursachen sind die direkte Ligamentruptur, die Patellafraktur in Folge einer unsachgemäßen Patellaresektion oder einer Devaskularisation der Patella durch ein ausgeprägtes laterales Release. Zu den postoperativen Ursachen zählt man die infektionsbedingten Gewebenekrosen, das Komponentenmalalignement und das Trauma [5].

Die Therapie stellt aufgrund des limitierten Regenerationspotentials des bradytrophen Gewebes eine Herausforderung dar. Bislang konnte sich kein Standard durchsetzen. Bei Therapieversagern bleibt als Ultima ratio nur die Arthrodese, da ohne aktive Extension kein sicherer Gang möglich ist.

Vier Rekonstruktionskonzepte können unterschieden werden: die primäre Sehnennaht, die Verwendung von Autografts, Allografts und synthetischen Materialien [1].

Das Risiko von Fresh-frozen-Allografts bleiben Infektionen, die zur Amputation zwingen können [4]. In unserer Arbeit beschreiben wir erstmals eine Operationstechnik zur Rekonstruktion des Streckapparats unter Verwendung eines allogenen Peressigsäure-sterilisierten, gefriergetrockneten Patellatransplantats.

Fallbeschreibung

Ein 54-jähriger Patient erlitt im Jahr 2000 ein Polytrauma mit Tibiakopf- und Patellafraktur links, die osteosynthetisch versorgt wurden. Bei posttraumatischer Gonarthrose erhielt der Patient 2004 eine Endoprothese mit unauffälligem postoperativen Verlauf. Aufgrund eines eingeschränkten Bewegungsumfangs von 0–5–80° wurde 2005 eine offene Arthrolyse durchgeführt.

2 Monate später kam es während der Rehabilitation zu einer Fraktur des unteren Patellapols mit kompletter Diskontinuität des Streckapparats. Die Versorgung erfolgte durch eine Zuggurtungsosteosynthese, die durch eine McLaughlin-Cerclage entlastet wurde. Postoperativ entwickelte sich durch einen perforierenden Draht eine Infektion, die sich in das Gelenk ausbreitete. Nach Entfernung des Osteosynthesematerials folgten 3 lokale Revisionen mit Spülung, Débridement und Lavage.

Bei intraartikulärem Nachweis von Staphylococcus aureus wurde die Prothese ausgebaut und das Gelenk im Pallacosspacer temporär ruhig gestellt (Abb. 1). Der Streckapparat war bereits zu diesem Zeitpunkt dehiszent (Abb. 2). Die Patella samt Ligament waren anteilig nekrotisch und malazisch verändert. Lediglich ein mediales Patellafragment zeigte eine Verbindung zum Quadrizeps. 8 Wochen nach dem Ausbau erfolgte der Wiederaufbau mit einem teilgekoppelten, modularen System (PFC-TC3, Fa. DePuy, Warsaw, IN, USA; Abb. 3).

Abb. 1
figure 1

Präoperatives Röntgen mit temporärem Spacer

Abb. 2
figure 2

Defektsituation

Abb. 3
figure 3

Postoperatives Röntgen

Die Rekonstruktion des Streckapparats erfolgte mit einem mit Peressigsäure sterilisierten, allogenen Gewebetransplantat (Abb. 4). Diese Sterilisation von muskuloskeletalen Gewebetransplantaten ist hinsichtlich ihrer Inaktivierungspotenz umfangreich validiert sowie biomechanisch und klinisch geprüft.

Abb. 4
figure 4

Transplantat

Vor der Herstellung des Transplantats wird der Gewebespender auf eine Vielzahl von Infektionskrankheiten untersucht (z. B. Hepatitis, Tuberkulose, HIV). Das Transplantat wird unter sterilen Bedingungen vom Spenderknie gewonnen. Nach Entfernung von Fett und Bindegewebe wird das Transplantat zurechtgeschnitten und mit sterilem Wasser (hoher Druck, 37°C, 30 min) gespült, um das Blut vom Knochen zu entfernen. Anschließend folgt die Sterilisation mittels 2% Peressigsäure, 96% Ethanol 1,2 Propandiol (Raumtemperatur, 200 mbar, 4 h). Danach erfolgt die Lyophilisation, sodass das Transplantat eine Restfeuchte <6% behält. Bevor das Transplantat verwendet wird, wird eine 30-minütige Rehydrierung in physiologischer Kochsalzlösung empfohlen [7].

Intraoperativ wurde nach Prothesenimplantation die korrekte Länge und Position des Transplantats bestimmt. Die Gelenklinie wurde durch den Abstand zur Fibulaspitze und dem Tuberculum adductorium ermittelt. Angestrebt wurde eine postoperative Flexion von 40°. Das Transplantat wurde in vertikaler Richtung halbiert, anschließend an die körpereigene, noch perfundierte mediale Patellahälfte mittels Schraubenosteosynthese adaptiert.

Ein Lager mit entsprechender Größe in der Tuberositas mit einem nach dorsal offenen Winkel von 30° wurde präpariert und die Transplantattuberositas im autologen Knochen in Press-fit-Technik eingebolzt und zusätzlich über eine Schraube gesichert. Die Sehnenanteile des Transplantats wurden mit den körpereigenen Sehnen vernäht (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Intraoperativer Situs mit Transplantat

Rehabilitation

Postoperativ erhielt der Patient aufgrund des ausgeprägten Weichteildefekts eine Knieruhigstellungsschiene für 4 Wochen, welche auf 40° Beugung limitiert war. Anschließend wurden isometrische Spannungsübungen des M. quadriceps durchgeführt und die Beugung um 10°/Woche freigegeben. Der Patient ist beschwerdefrei, kann das Bein aktiv heben und hat 6 Monate postoperativ eine Beweglichkeit von 0–5–60°.

Diskussion

Eine Verletzung des Streckapparats bei vorhandener Knie-TEP stellt immer eine Operationsindikation dar. In der Literatur sind zahlreiche Rekonstruktionstechniken beschrieben, ohne dass sich ein Verfahren als Standard durchsetzen konnte.

Eine erhöhte Infektionsgefahr konnte bei der Transplantation reiner Fresh-frozen-Allografts nachgewiesen werden. Hier sind neben Infektionen, septische Verläufe bis hin zum letalen Ausgang beschrieben. Nazarian u. Booth [4] mussten 22% ihrer Patienten mit Fresh-frozen-Transplantat revidieren, bei 2 Patienten war aufgrund von Reinfektionen die Amputation der betroffenen Extremität erforderlich. Pearle et al. [6] beschrieben nach Anwendung eines Fresh-frozen-Transplantats in der Rekonstruktion des Streckapparats eine Clostridium-perfringens-Infektion. Diese Ergebnisse zeigen, dass das Infektionsrisiko bei Fresh-frozen-Transplantaten erhöht ist und eine Inaktivierung von Bakterien und Viren mittels Peressigsäuresterilisation zu fordern ist.

Wir verwendeten daher ein inaktiviertes, in vertikaler Richtung halbiertes allogenes Transplantat, das an den medialen Anteil der körpereigenen Patella des Patienten osteosynthetisch adaptiert wurde, um Anschluss an die Vaskularisation zu erlangen. Dazu ist die Reinigung des Transplantats von spendereigenen Proteinen und Zellen notwendig, um als Matrix für empfängereigene einwachsende Zellen zu dienen. Durch die Reduktion der Menge an Fremdprotein und die Lagerung bei −70°C wird die Antigenität zusätzlich gesenkt, sodass Abstoßungsreaktionen minimiert werden.

Entgegen der Annahme, dass die Inaktivierung die mechanischen und viskoelastischen Qualitäten eines Transplantats reduziert [2], konnten Scheffler et al. [8] zeigen, dass keine Unterschiede zwischen Peressigsäure behandelten, gefriergetrockneten Transplantaten und Fresh-frozen-Transplantaten hinsichtlich dieser Eigenschaften bestehen. Unklar ist jedoch, ob diese auch im Langzeitverlauf erhalten bleiben.

Schlussfolgerung

Die vorgestellte Operationstechnik stellt unter Verwendung lyophilisierter, sterilisierter Allografts eine sichere und möglicherweise langfristig erfolgreiche, da regenerationsfähige, Alternative zur Versorgung großer Defekte des Streckapparats dar.