Epidurale Empyeme entstehen einerseits durch Ausbreitung paraspinaler Infektionen oder durch Streuung bei systemischen Infektionen. Vor der Einführung der kernspintomographischen Diagnostik in der Medizin war die Diagnose nur schwer zu stellen und wurde deshalb häufig übersehen. Seit der flächendeckenden Einführung der kernspintomographischen Diagnostik scheint die Diagnose häufiger gefunden zu werden. So wird aktuell die Häufigkeit auf etwa 2 Fälle/10.000 Krankenhauseinweisungen geschätzt [11]. Daneben scheint auch die Verbreitung der paraspinalen Injektionstechniken [12, 21] auch im ambulanten Bereich zu einer Zunahme der iatrogenen Infektion mit spinalem Empyem geführt zu haben [9]. Bei einer Letalität von bis zu 23% [11] in der Literatur ist die zunehmende Zahl an iatrogenen Infektionen äußerst bemerkenswert.

Es gibt für das spinale Empyem keine typische Klinik. Häufig bestehen unspezifische Lokalsymptome und bei Zunahme der Raumforderung radikuläre Schmerzen oder im Weiteren neurologische Ausfälle. Eine allgemeine Abgeschlagenheit kann, muss aber nicht auftreten. Subfebrile oder febrile Temperaturen finden sich häufig, sind aber nicht immer zu finden. Bei Patienten mit Rückenschmerzen und Fieber muss jedoch in jedem Fall an eine derartige Infektion gedacht werden, insbesondere bei immungeschwächten Patienten wie z. B. bei Diabetikern, Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz oder Drogenkonsum.

Der häufigste Erreger in der Literatur ist mit etwa 60% der Staphylococcus aureus [11, 13, 19], gefolgt von Staphylococcus epdermidis [19] und Streptococcus pneumoniae mit je etwa 5% [11]. Mahlfeld et al. [14] berichten über eine spinale Infektion durch Salmonella typhimurium. Allgemein sollte auch an Tuberkulose und an Candida [1] gedacht werden.

Die Erstdiagnostik der Wahl ist die Magnetresonanztomographie (MRT), nach Möglichkeit mit T2- und T1-gewichteten Sequenzen ohne und mit Gadolinium in den 3 Standardebenen. Gerade schmal auslaufende und wenig raumfordernde epidurale Empyeme sind nicht in allen Ebenen sicher zu erkennen. Die Durchführung einer protonendichtegewichteten Untersuchung erleichtert die Bestimmung des Ausmaßes des Befundes. Differentialdiagnostisch ist allein von der Bildgebung auch an Blutungen und zerfallene Metastasen zu denken. Eine Myelographie oder diagnostische Lumbalpunktion sollte nicht durchgeführt werden, es sei denn ein meningitisches Bild steht im Vordergrund. Bei rein epiduraler Infektion könnte durch die Punktion der Erreger nach intradural verschleppt werden.

In der Literatur findet man für die Therapie eines intraspinalen Empyems eine Vielzahl von Therapieoptionen. Hier besteht das Maximum der Therapie in einer Laminektomie [8, 19] mit Membranexzision [22] und offener Wundbehandlung [7, 20]. Dagegen wird in anderen Publikationen eine möglichst begrenzte Therapiemaßnahme mittels erweiterter interlaminärer Fensterung [17], ggf. mit Spülung und Drainage [8, 17], vorgeschlagen. Wir wollen nun im Folgenden unser Therapiekonzept für spinale epidurale Empyeme vorstellen und über unsere Erfahrungen aus den letzten Jahren berichten.

Methode

Die Therapie des spinalen Empyems wird bei uns nach einem einheitlichen therapeutischen Konzept durchgeführt (Abb. 1). Hierbei wird der kleinstmöglichste unilaterale Zugang (meist eine erweiterte interlaminäre Fensterung) als Zugang zum Empyem in mikrochirurgischer Technik gewählt. Bei längerstreckigen Empyemen wird etwa pro 15 cm eine Fensterung angelegt. Danach wird eine epidurale Spüldrainage (meist ein schmaler Silikonkatheter, wie er z. B. als externe Ventrikeldrainage Verwendung findet) nach epidural eingelegt. Daneben wird auf den Fensterungsdefekt eine Robinson-Drainage zwischen 8 und 12 Charr als Ablaufdrainage gelegt. Bei längerstreckigen Empyemen mit mehreren Öffnungen wird jeweils so lange gespült und mit dem Schlauch epidural getastet bis die Spüllösung frei von einem Fenster zum anderen Fenster fließen kann.

Abb. 1
figure 1

Einheitliches Therapiekonzept des spinalen Empyems

Membranen werden prinzipiell nicht entfernt. Es wird lediglich eine Probeentnahme durchgeführt, um ggf. seltene Erreger wie Pilzinfektionen oder Tuberkelbakterien histologisch nachzuweisen. Die kontinuierliche epidurale Spülung muss für 4 Tage durchgeführt werden. Hierbei wird am 1. und 2. Tag mit 2000 ml Ringer-Laktatlösung mit 4 Amp. Nebacetin®/1000 ml Ringer-Laktatlösung gespült. Für den 3. und 4. Tag wird mit 1000 ml/24 h wieder mit 4 Amp. Nebacetin/1000 ml Ringer-Laktatlösung gespült. Hier ist es außerordentlich wichtig, eine engmaschige Bilanz durchzuführen. Ein Verlust von bis zu 100 ml/12 h ist jedoch meist unbedenklich. Für die Dauer der Spültherapie besteht Bettruhe und eine entsprechende antithrombotische Therapie. Bei fehlenden Hinweisen für eine Diszitis wird nach Beendigung der Spültherapie die Bettruhe aufgehoben.

Präoperativ sollte nach Möglichkeit keine Antibiose gegeben werden, um ein verlässliches Antibiogramm zu gewinnen. Hierbei wird bei uns neben mehreren Abstrichen im Bereich des Empyems, die auch auf Pilze untersucht werden müssen, Pus in Spritzen asserviert und nach Möglichkeit je 2 ml in aerobe und anaerobe Blutkulturen injiziert. Danach beginnen wir in der Regel mit einer 3fach-Antibiose i. v. mit einem modernen Cephalosporin, einem Aminoglykosid und Metronidazol. Das Aminoglykosid wird bei fehlendem Antibiogramm 5 Tage gegeben. Die beiden anderen Antibiotika werden für insgesamt 2 Wochen i. v. weitergegeben oder entsprechend einem Antibiogramm geändert. Danach werden für 4 weitere Wochen je nach Keim 1 oder 2 Antibiotika oral weitergegeben.

Ergebnisse

Wir haben bisher 12 Patienten (7 Frauen, 5 Männer) mit einer derartigen Therapie behandelt. Hierbei lag das Alter im Median bei 61,5 (22–89) Jahren. Bei 6 Patienten, also bei der Hälfte der Patienten, lag eine iatrogene Ursache für das Empyem vor. Hierbei handelte es sich meist um Injektionstherapien im ambulanten Bereich. Bei 2 Patienten war eine spontane Diszitis nach intraspinal durchgebrochen. Bei 2 anderen Patienten bestand eine Systemerkrankung auf dem Boden einer chronischen Osteomyelitis mit rezidivierender Streuung und Endokarditis. Bei den verbleibenden 2 Patienten konnte keine Ursache eruiert werden.

Im Durchschnitt waren 5–6 (im Median=4, Spanne=2–13) Wirbelkörperhöhen betroffen (Abb. 2). Am häufigsten waren die mittlere Brustwirbelsäule (BWS) und der lumbosakrale Übergang betroffen (Abb. 3). Bei keinem der Patienten war die Diagnose beim ersten Arztkontakt gestellt worden. Einmal hatte ein Orthopäde bei persistierenden Schmerzen im Bereich der BWS auch am Tag vor der Diagnosestellung weiter infiltriert. Bei Patienten mit neurologischen Ausfällen gab es vor dem Auftreten der Ausfälle schon mehrere Arztkontakte bzw. eine Patientin entwickelte einen Querschnitt während des Aufenthalts in einer anderen Klinik. In der Hälfte der Fälle wurde sogar das MRT nicht richtig interpretiert.

Abb. 2
figure 2

Empyem über 13 Wirbelkörperhöhen

Abb. 3
figure 3

Verteilung der betroffenen Etagen

Nur 2 Patienten hatten präoperativ Fieber. Die durchschnittliche Temperatur präoperativ lag bei 37,0°C [Median=36,9°C, Standardabweichung (SD) =0,8°C]. Am 1. postoperativen Tag betrug die durchschnittliche Temperatur 37,1°C (Median=37,5°C, SD=0,9°C). Bei Entlassung war dagegen die durchschnittliche Temperatur dann 36,9°C (Median=36,8°C, SD=0,6°C). Der präoperative Wert für die Leukozyten schwankte von 4,8/nl–41,1/nl (Durchschnitt=13,9/nl, Median=10,4/nl, SD=11,4/nl). Erhöhte Leukozytenwerte sanken in jedem Fall bereits am 1. postoperativen Tag. Normale präoperative Leukozytenwerte stiegen am 1. postoperativen Tag in jedem Fall an. Auch die Werte für das C-reaktive Protein (CRP) variierten präoperativ erheblich (Spannweite=2,7–40,0; Durchschnitt=17,1; Median=13,6; SD=12,1 mg/dl). Der einzige bei jedem Patienten auffällige Entzündungsparameter war die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) n.W. Hier betrug der niedrigste Wert bei 54/73 n.W. präoperativ.

Bei 3 Patienten mussten 3 erweiterte interlaminäre Fensterungen angelegt werden, bei 2 Patienten 2 und bei 3 Patienten 1 erweiterte interlaminäre Fensterung. Einmal wurde das Empyem über eine Hemilaminektomie im oberen LWS-Bereich entlastet. Bei 1 Patienten wurde, da man präoperativ von einer anderen Entität ausgegangen war, der Spinalkanal über eine Laminektomie eröffnet. Bei 2 Patienten war die Ursache für das Empyem eine Diszitis in der HWS, sodass der Zugang zum Spinalkanal über eine ventrale Diskektomie erfolgte. Auch hier wurde, wie bei jedem dieser beiden Patienten, eine kontinuierliche epidurale Spülung über die Diskektomie durchgeführt.

Die Hälfte der Patienten hatten neben der intraspinalen Infektion noch weitere Infektionsherde bzw. Problemherde. Eine Patientin mit einem spinalen epiduralen Empyem hatte zusätzlich ein Pleuraempyem, das transforaminal, vom Spinalkanal kommend, entlastet werden konnte (Abb. 4). Eine andere Patientin hatte zusätzlich ein sehr großes präsakrales Empyem, das ebenfalls entlastet werden musste. 2 Patienten hatten generalisierte Streuherde im gesamten Körper, so war bei einem verstorbenen Patienten in jedem Muskel, der bei der Obduktion angeschnitten wurde, an allen 4 Extremitäten und im Bereich des Körperstamms Pus nachzuweisen. Bemerkenswert ist daneben, wie bereits oben erwähnt, dass 50% der Empyeme iatrogen verursacht waren. Lediglich bei 2 Patienten, die antibiotisch vorbehandelt waren, konnte in der oben beschriebenen Methode kein Keim nachgewiesen werden. Bei 9 Patienten wurde Staphylococcus aureus nachgewiesen und bei 1 Patienten Staphylococcus epidermidis.

Abb. 4
figure 4

Axiales MRT (T1 mit Gd): BWS mit spinalem Empyem und Pleuraempyem

Wir haben keine Allergie auf die lokale Antibiotikatherapie gesehen, ebenso traten keine Probleme durch Resorption der Antibiotika auf. Bei einer Fehlbilanz mussten wir in keinem Fall revidieren bzw. es trat nie eine Zunahme an neurologischen Störungen auf. In jedem Fall war durch die Therapie die lokale Infektion zu beherrschen. Einmal musste der Operationssitus revidiert werden, da zusätzlich zu dem epiduralen Empyem auch ein subdurales Empyem vorlag, das bei der ersten Operation nicht entlastet worden war.

Alle Patienten, die die Akutphase überlebt haben, sind nach 3 Monaten und meist auch später nachuntersucht worden; 5 der Patienten erreichten eine Restitutio ad integrum. Bei 3 Patienten persistierte ein neurologisches Defizit. Bei 1 Patientin, die querschnittsgelähmt zur Aufnahme kam, persistierte die Querschnittslähmung. Diese Patientin hatte zusätzlich ein subdurales Empyem im Konusbereich nach PDK-Anlage. 3 Patienten sind verstorben, wobei 2 Patienten an Multiorganversagen bei generalisierter Sepsis mit Empyemen im gesamten Körper verstarben. 1 Patient verstarb an der nicht beherrschbaren begleitenden Durchwanderungsmeningitis. 2 dieser 3 verstorbenen Patienten sind obduziert worden (Verlauf s. Tab. 1). Bei beiden Obduktionen war das Operationsgebiet saniert. Es war kein Hinweis mehr auf eine floride Entzündung zu finden. Wichtig ist bei diesen Patienten die Suche nach Infektionsherden im gesamten Körper, da der spinale Befund gegebenenfalls nur ein Symptom eine sehr viel weitergehenden Infektionserkrankung ist.

Tab. 1 Klinische Verläufe der 12 Patienten

Diskussion

Neben der unspezifischen Klinik hat sich bei uns gezeigt, dass auch die Laborparameter und der Temperaturverlauf nicht verlässlich auf eine Infektion hinweisen. Es gibt in der Literatur einen hohen Anteil an berichteten Fehldiagnosen [5, 16, 18]. Lediglich die BSG war bei unseren Patienten wegweisend. Diese Feststellung hatten nur wenige Autoren gemacht [16]. Obwohl die Bestimmung der BSG sehr einfach ist, wird im klinischen Alltag leider zunehmend darauf verzichtet. Hier kann ein wichtiger diagnostischer Parameter in Zukunft verloren gehen.

Der Staphylococcus aureus ist der häufigste gefundene Keim [5, 6, 9, 13, 18, 19]. Auffallend und alarmierend ist die Zunahme iatrogener spinaler Infektionen (auch letaler Infektionen) durch unkritische Injektionen v. a. im ambulanten Bereich [9], aber auch durch die zunehmende Zahl an spinalen Narkoseverfahren [12, 21]. Chen et al. [4] berichteten sogar über einen Fall, bei dem ein zervikales epidurales Empyem durch eine Akupunkturbehandlung verursacht war. Ein spinales Empyem durch einen offenen Dermalsinus [3] ist ebenso selten wie durch ein infiziertes tiefes Dekubitalulkus sakral [2]. Dunsker [7] schrieb 1983, dass derartige Infektionen sehr selten sind und nur wenige Chirurgen damit Erfahrung sammeln.

Aufgrund der Erfahrungen mit den letalen Verläufen ist es bei uns zum Standard erhoben worden, dass bei jedem Patienten mit einem spinalen epiduralen Empyem ein Computertomogramm (CT) des Thorax und des Abdomens einschließlich des Beckens und ein MRT der gesamten Neuroachse, also der gesamten Wirbelsäule und des Schädels angefertigt wird. Diese gesamte Diagnostik muss auch am Wochenende zeitnah zur Aufnahme erfolgen.

Um die Strahlenbelastung zu reduzieren, wäre prinzipiell auch ein MRT des Thorax und Abdomens möglich. Dies kann jedoch nicht direkt mit der Untersuchung der Wirbelsäule kombiniert werden, da hierzu andere Spulen notwendig sind bzw. bei gleicher Untersuchungstechnik die Auflösung der Befunde im Spinalkanal zu gering ist. Daneben ist bei den teilweise sehr kranken Patienten eine derart umfangreiche MRT-Untersuchung nicht zumutbar, da die Untersuchungszeit im MRT im Vergleich zum CT um mehr als das 10fache erhöht ist.

Der Trend zu gering invasiven Techniken in der täglichen Routine spiegelt sich noch nicht in gängigen Standardwerken wieder. Meist wird bei einem spinalen epiduralen Empyem noch eine Laminektomie [6, 20, 22, 23], ja sogar eine exzessive Laminektomie [10] auch über mehrere Höhen, empfohlen. Eine dauernde Spülung ist sehr umstritten. Ursprünglich war die Spülung nur für hartnäckige, nicht beherrschbare Infektionen empfohlen worden [10].

In den älteren Arbeiten [8] wird im Gegensatz zu unserer Therapie eine kontinuierliche aktive Absaugung und nicht eine Schwerkraftdrainage, wie es bei uns üblich ist, empfohlen. Ebenso wurde hierbei [8] die Laminektomie als Standardzugang dargestellt. 1983 war noch die offene Wundbehandlung bei derartigen Infektionen die Standardtechnik [7]. Oft wird auch eine Exzision der Kapsel und des Granulationsgewebes empfohlen, wohingegen die Bedeutung der histologischen Untersuchung nur sehr selten erwähnt wird.

Löhr et al. [13] fanden bei Patienten mit spinalem Empyem im Vergleich einer Fensterung mit einer Laminektomie keinen Unterschied im Verlauf der Behandlung. Die gute Praktikabilität und Wirksamkeit der Spülung über eine treppenweise Anordnung von interlaminären Fenstern muss betont werden. Dass mit dieser Methode bei jedem Patienten die lokale Entzündung ohne neuerliche operative Evaluation des epiduralen Raums ausgeheilt ist, unterstreicht die Effektivität. Da die operative Morbidität einer erweiterten interlaminären Fensterung zweifellos geringer ist als bei einer Laminektomie, ist bei gleicher Effektivität der Fensterung der Vorzug zu geben. Daneben kann sicher bei sehr gering ausgeprägten Befunden konservativ behandelt werden [15].

Fazit für die Praxis

Als erster Schritt in der Diagnostik eines spinalen epiduralen Empyems müssen weitere Entzündungsherde im Körper zeitnah ausgeschlossen werden. Mit einer anschließenden, möglichst minimalistischen Operation und andauernder Spülung ist auch mit wenig Aufwand eine Restitutio ad integrum möglich.