Kinder und junge Erwachsene sind im Alltag durch Unachtsamkeit, falsche oder unvollständige Wahrnehmung und ungebremste Neugier sehr verletzungsgefährdet. Zumeist sind die erlittenen Traumen jedoch banal und nicht lebensbedrohlich. Selten erleiden Kinder Hochrasanztraumen mit Mehrfachverletzungen, die eine akute vitale Bedrohung darstellen. Betrachtet man jedoch in den industrialisierten Ländern die häufigsten Todesursachen bei Kindern >1 Jahr, nimmt der Unfalltod die 1. Stelle ein [6, 35, 42].

Die Behandlung lebensbedrohlich verletzter Kinder erfolgt überwiegend in großen Traumazentren. Der Anteil der Kinder am Gesamtaufkommen mehrfachverletzter Patienten ist selten >20% [13, 21]. Aussagekräftige Fallzahlen lassen sich nur bei langen Untersuchungszeiträumen oder durch Multicenterstudien erzielen.

In den wenigen vorliegenden Arbeiten der letzten 10 Jahre, die einen Vergleich zwischen polytraumatisierten Kindern und Erwachsenen vornehmen, sind Unterschiede für die Unfallart und das Verletzungsmuster beschrieben worden [30, 31, 40]. Des Weiteren sind pathophysiologische Eigenarten hinsichtlich der Regulation von Kreislauf, Wasser- und Elektrolythaushalt sowie Besonderheiten des kindlichen Skeletts für den klinischen Verlauf von Bedeutung [8, 15, 18].

Die eigene Untersuchung analysiert über einen 11-Jahres-Zeitraum retrospektiv Patientenaufkommen, Unfallmechanismen, Verletzungsmuster sowie Daten der präklinischen und klinischen Phase in einem Kollektiv von schwerstverletzten Kindern im Vergleich mit Erwachsenen.

Folgende Fragen sollen in dieser Arbeit beantwortet werden:

  1. 1.

    Worin unterscheidet sich das Polytrauma des Kindes von dem des Erwachsenen?

  2. 2.

    Woran verstirbt das polytraumatisierte Kind bzw. welche Komplikationen sind im Vergleich zum Erwachsenen zu erwarten?

Patientengut und Methode

Zwischen dem 01.07.1990 und 31.12.2001 wurden im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) 714 polytraumatisierte Patienten behandelt. Als Polytrauma wurden die Patienten gewertet, welche die Definition nach Tscherne und Trentz erfüllten („eine gleichzeitig entstandene Verletzung mehrerer Körperregionen oder Organsysteme, wobei wenigstens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer lebensbedrohlich ist“ [46]) und einen „Injury Severity Score“ (ISS [2]) von ≥16 Punkten erreichten. Als Ausschlusskriterien für diese Studie galten eine Sekundärverlegung, ein unmittelbares Versterben am Unfallort oder während des Transports und eine unvollständige Datenlage.

Daten von 586 Patienten wurden ausgewertet. 81 Patienten waren Kinder bis zum Alter von ≤16 Jahren, 417 Patienten waren zwischen 17 und ≤59 Jahren alt. Im Mittel konnten jährlich Angaben von 7 (±5) Kindern und 36 (±15) Erwachsenen analysiert werden.

Dokumentiert wurden Werte zur Epidemiologie, zur präklinischen Versorgung und zum klinischen Verlauf bis zur definitiven Entlassung. Besondere Aufmerksamkeit fand die Analyse der Verletzungshäufigkeit und -schwere sowie die erlittenen Komplikationen und die Todesursachen der Unfallverletzten.

Die Verletzungsschwere der Patienten wurde unter anatomischen Gesichtspunkten nach dem „Abbreviated Injury Scale“ (AIS [1]), dem darauf aufbauenden ISS und dem Hannover Polytraumschlüssel (HPTS [26]) klassifiziert. Die Bewertung des Bewusstseinszustands erfolgte nach dem „Glasgow Coma Scale“ (GCS [47]).

Eine Pneumonie wurde nach den Empfehlungen von Kropek et al. [19] diagnostiziert, die Definition einer Sepsis folgte den Vorgaben der „American College of Chest Physicians/society of Critical Care“ [22]. Bei Einzelorganversagen musste ein Scorewert von 2 Punkten nach Goris et al. [10] an mindestens 3 aufeinander folgenden Tagen vorliegen. Traf dieses Kriterium auf ≥2 Organe zeitgleich zu, wurde ein Multiorganversagen (MOV) diagnostiziert. Die Diagnose des „adult respiratory distress syndrome“ (ARDS) wurde nach den Kriterien von Murray et al. [24] gestellt, wenn in der Summe >2,5 Scorepunkte erreicht wurden.

Statistik

Die Behandlungsdaten wurden retrospektiv standardisiert erfasst und EDV-gestützt dokumentiert. Die Berechnungen wurden mit dem Programm SPSS© für Windows (Version 10.0.7) durchgeführt. Statistisch signifikante Abweichungen von der Normalverteilung wurden mit dem Test nach Kolmogorow-Smirnow überprüft. Im Falle von Variablen aus 2 unabhängigen Stichproben mit rein qualitativer Ausprägung wurde der χ2-Test benutzt. Der Korrelationsgrad von kategoriell verteilten Variablen wurde nach Pearson, für kontinuierlich verteilte Variablen nach Spearman berechnet. Als statistisch signifikant wurden Korrelationen angesehen, bei denen eine Irrtumswahrscheinlichkeit von α<0,05 vorlag, als hochsignifikant solche, bei denen sich eine Irrtumswahrscheinlichkeit von α<0,01 errechnete.

Ergebnisse

Epidemiologie

In beiden Patientenkollektiven dominierte das männliche Geschlecht. 58% der Kinder waren männlich gegenüber 70% der Erwachsenen. Kinder verunfallen überwiegend zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr, die Erwachsenen zwischen dem 17. und 30. Lebensjahr (Abb. 1, 2). Im Mittel waren die mehrfachverletzten Kinder 9 (1,5–16,0) und die Erwachsenen 34 (17–59) Jahre alt. 96,3% der Kinder verunfallten zwischen 6 und 22 Uhr gegenüber 82,7% der Erwachsenen (Abb. 3).

Abb. 1
figure 1

Altersverteilung Kinder

Abb. 2
figure 2

Altersverteilung Erwachsene

Abb. 3
figure 3

Unfallzeit Kinder vs. Erwachsene

Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen waren Unfälle im Straßenverkehr in 77,8% bzw. 62,6% mit Abstand die häufigste Verletzungsursache (Tabelle 1). Kinder verunfallen hierbei vorwiegend als Fußgänger oder Pkw-Insassen, Erwachsene als Pkw-Fahrer oder Fußgänger. Kinder werden im Vergleich zu Erwachsenen signifikant (p=0,021) häufiger als Fußgänger verletzt (Kinder 42%, Erwachsene 12,5%). Weitere Verletzungsursachen waren Stürze bzw. Sprünge aus großer Höhe in suizidaler Absicht. Sowohl bei den Kindern als auch den Erwachsenen waren unfallbedingte Stürze aus großer Höhe (Kinder 9,9%, Erwachsene 17,7%) signifikant (p=0,016) häufiger zu dokumentieren als Sprünge in suizidaler Absicht (Kinder 2,5%, Erwachsene 7,0%). Gewaltdelikte als Verletzungsursache fehlten in der Gruppe der Kinder, betrafen jedoch 8,4% der polytraumatisierten Erwachsenen. In beiden Kollektiven waren Sportunfälle (4,9% vs. 0,7%) ausschließlich mit dem Reitsport verbunden und betrafen mit nur einer Ausnahme die weiblichen Patienten (Tabelle 1).

Tabelle 1 Verletzungshergang und Verkehrsteilnehmer

In Bezug auf die Verletzungsregion überwogen in beiden Patientengruppen die Kopfverletzungen. Bei den Kindern erlitten 90,1% der Patienten eine Kopfverletzung im Vergleich zu 76,3% der Erwachsenen. Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) 2. Grades war bei Kindern signifikant (p=0,013) häufiger zu dokumentieren als bei Erwachsenen.

Abdominelle Läsionen wurden bei den Kindern nichtsignifikant häufiger als bei den erwachsenen Patienten festgestellt. Thorax-, Becken- und Wirbelsäulentraumen fanden sich bei Kindern nichtsignifikant seltener (Tabelle 2). Frakturen der Extremitäten standen in beiden Kollektiven an 2. Stelle der Verletzungshäufigkeit. 49 Kinder (60,5%) und 299 Erwachsene (71,7%) erlitten im Rahmen des Polytraumas eine oder mehrere Frakturen der Extremitäten. Im Erwachsenenkollektiv wurden mehr Frakturen pro Patient dokumentiert als im Kollektiv der Kinder (1,7 vs. 1,3 Frakturen pro Patient).

Tabelle 2 Verletzte Körperregion und Verletzungskombinationen
Tabelle 3 Verletzte Körperregion: Extremitäten (n)

Eine signifikante Präferenz der verletzten Seite zeigte sich in keiner der beiden Gruppen. Sowohl bei den Kindern als auch den Erwachsenen waren in der Mehrzahl die unteren Extremitäten betroffen (Kinder 57,1%, Erwachsene 57,5%). 12,7% der Frakturen bei Kindern und 19,5% der Frakturen bei Erwachsenen wurden als offene Frakturen klassifiziert. Offene Frakturen betrafen in beiden Kollektiven nichtsignifikant häufiger die untere Extremität.

An der oberen Extremität überwogen bei den Kindern die Frakturen des Humerus gegenüber Frakturen des Unterarms. Bei den Erwachsenen war das Verhältnis umgekehrt. Frakturen der unteren Extremität betrafen bei den Kindern nahezu gleich häufig den Ober- wie den Unterschenkel. Bei den Erwachsenen wurden mehr Frakturen am Unterschenkel (inklusive OSG-Frakturen) im Vergleich zum Oberschenkel dokumentiert. Frakturen bei Kindern waren überwiegend im Bereich der Diaphyse lokalisiert. Metaphysäre oder intraartikuläre Frakturen wurden im Gegensatz zu Erwachsenen nur in Einzelfällen dokumentiert. Frakturen des Hand- und Fußskeletts fehlten im Kollektiv der Kinder, betrafen jedoch 15,2% der Erwachsenen. Hier überwogen Frakturen des Handskeletts gegenüber Läsionen des Fußskeletts (Tabelle 3). Fußverletzungen der Erwachsenen traten in der überwiegenden Mehrzahl nach Stürzen und Sprüngen aus großer Höhe sowie bei Pkw-Fahrer-Unfällen auf.

Hinsichtlich der Verletzungskombinationen zeigten sich bei Kindern in 46,9% überwiegend Zweifachverletzungen, während bei Erwachsenen 3fach-Verletzungen in 38,1% der Fälle dominierten. Sechsfachverletzungen, die in 1,7% der erwachsenen Patienten ermittelt wurden, fehlten bei Kindern (Tabelle 2).

Der retrospektiv errechnete ISS-Wert betrug im Mittel bei den Kindern 35,1 (±13) Punkte und bei den Erwachsenen 34,7 (±13,3) Punkte. Für den HPTS-Score fand sich bei den Kindern ein Mittelwert von 24,7 (±10,1) Punkten im Vergleich zu 28,3 (±12,3) Punkten der Erwachsenen. Dabei korrelierte die Summe der verletzten Körperregionen hochsignifikant mit dem ISS und PTS (Korrelationskoeffizient nach Spearman R=0,43 bzw. 0,66 bei p=0,0001).

Präklinische Therapie und Verlauf

Am Unfallort mussten 2 (2,5%) Kinder und 10 (2,4%) Erwachsene primär reanimiert werden. Kinder wurden in 81,5%, Erwachsene in 81,3% der Fälle am Unfallort intubiert. Eine Thoraxdrainage musste am Unfallort bei 5 (6,2%) Kindern und 47 (11,3%) erwachsenen Patienten gelegt werden (Tabelle 4).

Tabelle 4 Frequenz von Intubationen, Anlage von Thoraxdrainagen und Reanimationen

Der am Unfallort ermittelte GCS betrug im Mittel 8,2 (±4,3) Punkte bei den Kindern und 9,2 (±5,0) Punkte bei den Erwachsenen (p=0,05). Die Rettungszeit (Alarm bis Übergabe im Schockraum) war bei Kindern nichtsignifikant kürzer. Kinder erreichten im Mittel 56 (±24) min nach dem Alarm den Schockraum, Erwachsene nach 62 (±24) min.

Der Hubschraubertransport (RTH) war bei den Kindern in 64,2% genau doppelt so häufig wie die Einlieferung mittels Notarztwagen (32,1%). Bei den Erwachsenen wurden 53,2% der Patienten mit dem Notarztwagen und 45,3% mittels RTH eingeliefert.

Klinischer Verlauf

11,1% der Kinder und 11,5% der Erwachsenen wurden im Schockraum sekundär intubiert. Bei 7,4% der Kinder und 13,2% der Erwachsenen wurde nachträglich eine Thoraxdrainage gelegt. 2 (2,5%) Kinder wurden im Schockraum reanimiert. Ein am Unfallort primär reanimiertes Kind überlebte, beide im Schockraum reanimierte Kinder verstarben. Bei den Erwachsenen mussten 7 Patienten im Schockraum, 3 Patienten auf der Intensivstation und 2 Patienten im weiteren Verlauf reanimiert werden. 5 der 10 am Unfallort reanimierten Patienten überlebten im Vergleich zu 3 im Schockraum und jeweils einem auf der Intensiv- oder peripheren Station reanimierten Patienten (s. Tabelle 4).

Primäre klinische Diagnostik

Standardmäßig wurden alle Patienten im Schockraum abdominell und ggf. ergänzend thorakal sonographiert. Sofern keine dringende Operationsindikation vorlag, erfolgte im Anschluss an die Primärversorgung die konventionelle und computergestützte Röntgendiagnostik. Hierbei zeigten sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Zahl konventionell angefertigter Röntgenaufnahmen zwischen den Kollektiven. Eine computertomographische Diagnostik wurde bei 97,5% der Kinder und 89,7% der Erwachsenen durchgeführt. Am häufigsten erfolgte die kraniale Computertomographie (CT) bei 93,8% der Kinder und 82,5% der Erwachsenen.

Operative Versorgung — Intensiv- und Normalstation

Primäroperationen

61,7% der Kinder und 68,1% der Erwachsenen wurden primär operiert. Die Latenz bis zur Operation (Eintreffen Schockraum bis Operationsschnitt) betrug bei den Kindern im Median 127 min, bei den Erwachsenen 195 min, dieser Unterschied war statistisch hochsignifikant (p=0,002). Die Dauer der Primäroperationen betrug in beiden Kollektiven im Median 90  (Kinder: 30–360, Erwachsene: 30–660) min. Insgesamt wurden Kinder mit Ausnahme von neurochirurgischen Eingriffen (in 87% Einbringen von Hirndrucksonden), in allen dokumentierten Bereichen signifikant (p=0,023) seltener operiert.

In beiden Patientengruppen wurden als Primäroperationen am häufigsten Stabilisierungen von Frakturen der Extremitäten und Laparotomien durchgeführt (Tabelle 5). Die primäre Operation bei Läsionen parenchymatöser Organe (Milz, Leber) wurde bei Kindern trotz höherer Verletzungsrate (45,7% vs. 29,5%) nichtsignifikant seltener durchgeführt als bei Erwachsenen (17,3% vs. 21,6%). Hinsichtlich der Erstversorgung der Frakturen der Extremitäten erfolgte bei 23,8% der Kindern und 25,1% der Erwachsenen eine primär definitive Stabilisierung mittels Plattenosteosynthese, intramedullärer Schienung [Marknagel/Prevot-Schienung (ESIN)] oder Kirschner-Draht bzw. Schraubenosteosynthese).

Tabelle 5 Operationen, Operationsfrequenzen und Anzahl Sekundäroperationen

Der Fixateur externe als primäres Osteosyntheseverfahren kam hochsignifikant (p=0,008) häufiger bei den Erwachsenen als bei den Kindern (30,8% vs. 15,9%) zur Anwendung. Bei 8 Frakturen (12,7%) der unteren Extremität im Kollektiv der Kinder und bei 27 Frakturen (5,3%) im Erwachsenenkollektiv wurde primär eine Extension angelegt. Ein Verfahrenswechsel vom Fixateur externe oder einer primären Extensionsbehandlung auf ein anderes Osteosyntheseverfahren (Platten-, Nagel-, Schrauben-, Kirschner-Draht-Osteosynthese) erfolgte in 6,3% der Fälle bei Kindern und in 25,1% der Erwachsenen. Bei 11,1% der Kinder und 8,2% der Erwachsenen mit Extremitätenverletzungen, welche primär konservativ behandelt worden waren, konnte keine definitive operative Stabilisierung erfolgen, da diese Patienten vor dem geplanten Eingriff verstarben.

Sekundäroperationen

33,4% der Kinder und 55,9% der Erwachsenen wurden sekundär operiert. Die Frequenz der Folgeoperationen ist bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen hoch signifikant (p=0,0001) erniedrigt (Tabelle 5).

Die mediane Zeit zwischen der Aufnahme im Schockraum und dem Eintreffen auf der Intensivstation war bei den Kindern mit 4,0 h im Vergleich zu 5,1 h bei den Erwachsenen nicht signifikant kürzer. Unter Ausschluss der primäroperierten Patienten reduzierten sich die Übergabezeiten auf median 2,5 h bei den Kindern und 3,1 h bei den Erwachsenen.

Die Beatmungszeit betrug für die Kinder im Mittel 6,6 (±8,4) Tage, für die Erwachsenen nahezu doppelt so lange mit 12,7 (±17,9) Tagen. Die Kinder waren im Mittel 9,1 (±10,3) Tage und die Erwachsenen 15,4 (±19,4) Tage intensivpflichtig. Dieser Unterschied war hochsignifikant (p=0,008). Die Beatmungsdauer korrelierte dabei hochsignifikant mit der Höhe des ISS (Korrelationskoeffizient nach Spearman R=0,33 bei p=0,003). Auch die Liegezeit auf der Intensivstation korrelierte signifikant mit der Höhe des ISS (Korrelationskoeffizient nach Spearman R=0,33 bei p=0,021).

Der stationäre Aufenthalt von der Aufnahme bis zur Entlassung war bei den Kindern nicht signifikant verkürzt. Im Mittel konnten die Kinder nach 23,3 (±20,5) Tagen und die Erwachsenen nach 36,2 (±31,7) Tagen verlegt oder nach Hause entlassen werden. 28,4% der Kinder und 14,4% der Erwachsenen wurden nach der Behandlung ambulant weiterbehandelt.

Im Vergleich zu Kindern waren Erwachsene hochsignifikant (p=0,001) häufiger vorerkrankt (22,2% vs. 56,1%). Es dominieren Erkrankungen des psychiatrischen Formenkreises und der chronische Alkoholabusus vor Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Nierenerkrankungen. Bei Kindern sind Atemwegserkrankungen und chronischer Drogenabusus die vorherrschenden Komorbiditäten (Tabelle 6).

Tabelle 6 Vorerkrankungen bei Kindern und Erwachsenen

Komplikationen

Komplikationen sahen wir in 22,2% der Fälle bei den Kindern und in 37,2% bei den Erwachsenen. Sowohl bei den Kindern (12,3%) als auch den Erwachsenen (15,8%) ist die Pneumonie die häufigste Komplikation. Wundinfekte wurden bei den Kindern in 2,5% nichtsignifikant seltener gesehen als bei den Erwachsenen in 6,5%. Das ARDS wurde bei Kindern nicht diagnostiziert im Gegensatz zu einem Auftreten bei 2,4% der Erwachsenen. 7% der Erwachsenen boten im Krankheitsverlauf septische Zustände im Vergleich zu 3,7% der Kinder (Tabelle 7).

Tabelle 7 Komplikationen, Verstorbene, Frühletalität

19 (23,5%) Kinder und 79 (18,9%) Erwachsene verstarben innerhalb des Behandlungszeitraums. Innerhalb der ersten 24 h verstarben 4 (4,9%) Kinder und 23 (5,5%) erwachsene Patienten. Die mittlere Überlebenszeit war mit 3,9 ( 4,2) Tagen bei den Kindern gegenüber 11,7 (±24,2) Tagen bei den Erwachsenen signifikant (p=0,043) kürzer. Hinsichtlich der Letalität konnte eine hochsignifikante Abhängigkeit von der Verletzungsschwere gefunden werden (Korrelationskoeffizient nach Pearson R=0,39 bei p=0,001). In beiden Kollektiven war der dissoziierte Hirntod die Haupttodesursache (13,6% bzw. 10,1%), was sich in der hochsignifikanten Korrelation zur Höhe des GCS widerspiegelte (Pearson R=−0,44 bei p=0,0001). Zweithäufigste Todesursache war das Multiorganversagen (3,7% bzw. 4,3%). 3,7% der Kinder verstarben im Vergleich zu 1,2% der Erwachsenen am hämorrhagischen Schock (s. Tabelle 7).

Diskussion

Die Literatur zum polytraumatisierten Erwachsenen ist umfangreich [3, 11, 12, 15, 27, 29, 32, 33, 34, 44]. Nur wenige Arbeiten berücksichtigen hingegen die Altersgruppe der <17-Jährigen und vergleichen diese mit dem erwachsenen Patientenkollektiv [30, 31, 40]. Die Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen in Hinblick auf die Anatomie, Pathophysiologie und das altersspezifische Verhaltensmuster machen einen Vergleich dieser Kollektive sinnvoll.

Daten von 81 mehrfach verletzten Kindern und 417 Erwachsenen konnten in dieser Studie ausgewertet werden. In beiden Kollektiven war im Untersuchungszeitraum die jährliche Anzahl polytraumatisierter Patienten weitgehend konstant. Der Anteil der Kinder am Gesamtaufkommen Schwerstverletzter betrug pro Jahr zwischen 10% und 25% und entspricht damit anderen Arbeiten [3, 30].

Verletzungsschwere

Betrachtet man die Verletzungsschwere in Bezug auf die mit dem ISS ermittelten Werte, wiesen die von uns untersuchten Patienten sowohl bei den Kindern als auch den Erwachsenen im Mittel höhere ISS-Punktwerte auf als in vergleichbaren anderen Arbeiten. Im Mittel ergaben sich für den ISS 35,1 Punkte bei den Kindern und 34,7 Punkte bei den Erwachsenen. Die mittleren ISS-Punktwerte betrugen bei der Untersuchung von Reichmann et al. (unteres Einschlusskriterium ≥17 Punkte [30]) für die Kinder 26,1 und für die Erwachsenen 26,9 Punkte.

Schalamon et al. [36] berichten über einen ISS von im Median 24,6 Punkten (unteres Einschlusskriterium ≥16 Punkte) im untersuchten Kollektiv mehrfach verletzter Kinder. Condello et al. [7] dokumentieren einen durchschnittlichen ISS-Wert von 23,6 Punkten (unteres Einschlusskriterium ≥12 Punkte). Bardenheuer et al. [3] errechnen für die Patienten des Polytraumaregisters der DGU einen durchschnittlichen ISS-Wert von 22,2 Punkten. Lediglich in der Arbeit von van der Sluis et al. [50] wird über einen durchschnittlich ermittelten ISS der Kinder von 28 Punkten berichtet (unteres Einschlusskriterium ≥16 Punkte).

Die unterschiedliche Verletzungsschwere anhand des ISS erklärt sich in voneinander abweichenden Interpretationen der Autoren, ab welchem ISS-Punktwert ein Kind oder Erwachsener als Polytrauma zu werten ist. Dies macht den direkten Vergleich der eigenen Ergebnisse mit anderen Arbeiten z. T. unscharf.

Unfallzahlen

Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern ereigneten sich die meisten Unfälle im Straßenverkehr. Kinder verunfallen signifikant häufiger als Fußgänger und Fahrradfahrer, Erwachsene als Pkw-Fahrer, Fußgänger und Motorradfahrer. Die Bemühungen des Gesetzgebers und der Automobilindustrie zur Verbesserung des Pkw-Insassen- und Passantenschutzes (Anschnallpflicht, Kindersitze, Verbesserung der passiven Sicherheit) greifen in Bezug auf die Reduktion der tödlich verletzten Kinder und Erwachsenen, jedoch nur kaum auf die Verminderung der Schwer- und Leichtverletzten. In Hamburg sank die Zahl der im Straßenverkehr zwischen 1990 und 2000 tödlich verletzten Unfallopfer um ca. 60%. Für die Schwer- und Leichtverletzten zeigte sich hingegen nur ein Abfall um ca. 10%. Die Zahl der Personenunfälle und insgesamt im Straßenverkehr verunglückten Personen stagnierte im gleichen Zeitraum nahezu [43].

Hansen [12] vermutete bereits 1987, dass durch die zunehmende Rasanz und Dichte des Straßenverkehrs sogar von einer Erhöhung der Unfallzahlen bei Kindern und Erwachsenen auszugehen ist. Allein zwischen 1990 und 2000 wuchs in Deutschland der Pkw-Bestand um 48% [49]. Während in der passiven Unfallsicherheit Fortschritte zu verzeichnen sind, wird die Bedeutung der Unfallprävention für die Verletzungshäufigkeit von Kindern weit unterschätzt. In einer australischen Studie konnte nachgewiesen werden, dass 17% tödlicher Unfälle im Straßenverkehr durch reine Überwachung der Heranwachsenden vermeidbar gewesen wären [52].

In dem von uns untersuchten Kollektiv waren die männlichen Verletzten signifikant häufiger von schweren Unfällen betroffen als weibliche Personen. Hierüber berichten auch andere Untersucher [15, 30, 34, 40, 50]. Bei Sportunfällen hingegen waren ausschließlich beim Reitsport verunfallte Mädchen und Frauen betroffen. Giebel [9] und Schmidt [38] beschrieben bereits in Untersuchungen zu Reitunfällen bei Kindern und jungen Erwachsenen das hohe Verletzungspotential bei dieser Sportart.

In der eigenen Studie verunfallten v. a. Kinder im Alter zwischen 6 und 12 Jahren und Erwachsene zwischen 17 und 30 Jahren. Daraus errechnete sich ein durchschnittliches Patientenalter der Kinder von 9 und von 34 Jahren bei den Erwachsenen. Diese Zahlen decken sich mit anderen Arbeiten [15, 30, 40]. Bei den Kindern sehen wir in Übereinstimmung mit Kasperk u. Paar [16] und Remmers et al. [31] die Ursachen der Unfallhäufung in diesem Alter im aktiven Heraustreten aus dem elterlichen Schutzbereich und die damit verbundene Konfrontation mit den Gefahren des Alltags beim Spielen oder auf dem Heimweg vom Kindergarten oder der Schule. Bei den Erwachsenen fällt in das Alter der 17- bis 30-Jährigen der Erwerb des Führerscheins und die damit verbundene zunehmende Motorisierung, die für die erhöhte Unfallhäufigkeit verantwortlich ist.

Rettungssystem

Im eigenen Kollektiv fiel auf, dass Kinder in 64,2% im Vergleich zu 45,3% der Erwachsenen mit dem Rettungshubschrauber transportiert wurden. Im Vergleich mit einer Untersuchung polytraumatisierter Kinder der Jahre 1980–1988 aus der eigenen Klinik zeigt sich beinahe eine Verdoppelung der Hubschraubertransporte [18]. Reichmann et al. [30] berichten, dass in einem nachuntersuchten Patientenkollektiv der Jahre 1975–1995 die Unfallverletzten unabhängig vom Alter in 75% mit dem Notarztwagen transportiert wurden. Ein Grund für die im Vergleich zu Erwachsenen höheren Transportzahlen der Kinder mit dem RTH ist unserer Ansicht nach darin zu sehen, dass Kinder häufiger zur Tagzeit, in denen der Hubschrauber vermehrt eingesetzt wird, verunfallen als Erwachsene. Der von Haas et al. [11] beschriebene kontinuierliche Ausbau des Rettungshubschraubernetztes in Deutschland in den letzten 20 Jahren findet in der insgesamt zunehmenden Anzahl von Hubschraubertransporten seinen Niederschlag.

Die ermittelten Rettungszeiten zeigen im eigenen Patientenkollektiv keine signifikanten Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen und sind verglichen mit anderen Autoren kurz. So liegt die Rettungszeit im eigenen Kollektiv bei den Kindern im Median bei 55 und bei den Erwachsenen bei 57 min. Ruchholtz et al. [34] berichten in einer vergleichenden Arbeit über die Versorgung polytraumatisierter Patienten in verschiedenen Kliniken von Rettungszeiten im Mittel bis zu 90 min. Die Gründe der günstigen Rettungszeiten im eigenen Kollektiv sehen wir im engmaschigen, im Rendezvoussystem organisierten Rettungssystem Hamburgs und den überwiegend kurzen Anfahrtswegen im Hamburger Stadtraum. Für Regel et al. [29] stellen die kürzere Rettungszeit und die verbesserte präklinische Primärversorgung Unfallverletzter eine Hauptursache der Senkung der Todesfälle der letzten Jahrzehnte dar. Gerade bei Kindern sind kurze Rettungszeiten prognoserelevant, da Volumenverluste, Störungen der Ventilation sowie Auskühlung und posttraumatische Ödeme wesentlich rascher zu lebensbedrohlichen Verläufen führen als bei Erwachsenen [15, 53].

Intubationsfrequenz

Für die Intubationsfrequenz und die Anzahl eingelegter Thoraxdrainagen am Unfallort zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Erwachsenen- und Kinderkollektiv. Bei den 11% in beiden Kollektiven nicht primär intubierten Patienten wurde die Verletzungsschwere initial unterschätzt. In der Mehrzahl der Fälle wurden diese Patienten jedoch im Schockraum bzw. auf der Intensivstation nachträglich intubiert. Die Intubationsfrequenz der eigenen Patienten am Unfallort lag mit 81,5% bei den Kindern und 81,3% bei den Erwachsenen nahezu doppelt so hoch wie in vergleichbaren anderen Studien. Reichmann et al. [30] berichten von präklinischen Intubationsfrequenzen von 42,7% bei Kindern und 46% bei Erwachsenen. Schmidt et al. [37] berichten über einen Anteil von 37,1% Intubationen am Unfallort im deutschen im Vergleich zu 13,4% im amerikanischen Rettungssystem, bei jedoch niedrigerer Verletzungsschwere der Patienten. 62 von 152 polytraumatisierten Kindern waren in der Studie von Jakob et al. [15] präklinisch intubiert. Wir sehen die Gründe für die hohe primäre Intubationsrate der eigenen Patienten in der im Vergleich zu anderen Arbeiten höheren Verletzungsschwere sowie der überdurchschnittlichen Rate von Hubschraubertransporten im Hamburger Einzugsgebiet. Im Vergleich mit dem amerikanischen Rettungssystem muss berücksichtigt werden, dass dort der Unfallverletzte am Unfallort nicht von einem Arzt, sondern von mit Funk unterstützten Rettungssanitätern primärversorgt wird [37].

Verletzungsarten und -regionen

Hinsichtlich der Verletzungsarten und -regionen dominierten in beiden Patientenkollektiven die Kopfverletzungen. Kinder sind signifikant häufiger am Kopf verletzt als Erwachsene. Als Gründe sehen wir das bei Kindern ungünstigere Verhältnis von Kopfgröße zum Körper. Überdies ist die Schädelkalotte bei Kindern dünner als bei Erwachsenen und das Gehirn daher vor traumatischen Stößen weniger geschützt [15, 17]. Wie von Hix [14] beschrieben, muss auch die niedrigere Kopfhöhe der Kinder im Vergleich zu den Erwachsenen bei Unfällen als Fußgänger oder Fahrradfahrer mit Pkws besonders berücksichtigt werden. Nach Untersuchungen von Sharples et al. [39], Spence et al. [41] und Thomas et al. [48] hätten viele der v. a. bei Fahrradunfällen erlittenen Kopfverletzungen durch das Tragen eines Helmes vermieden werden können.

Extremitätenverletzungen

Extremitätenverletzungen nehmen bei Kindern und Erwachsenen die 2. Stelle der verletzten Körperregionen ein, wobei in beiden Kollektiven die untere Extremität stärker betroffen ist. Die Verletzungen der unteren Extremität haben v. a. hinsichtlich der Spätmorbidität eine große Bedeutung. In einer Aufstellung der Schülerunfallversicherung von 1995 von 533 Verletzten mit Frakturen von Hüfte, Becken oder Oberschenkel resultierte bei 120 Schülern (22%) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, bei 21 (3,8%) betrug diese >20% MdE. Im Vergleich dazu wurde in der Folge von Hirnkontusionen bei insgesamt 1519 Schülern lediglich 46 (3%) eine MdE zugesprochen, davon in 1,5% eine MdE >20% [4]. Diese Ergebnisse werden von Magin et al. [21] und Snyder et al. [40] weitgehend bestätigt. Beide Autoren weisen jedoch darauf hin, dass das Langzeitergebnis polytraumatisierter Kinder vornehmlich von den Folgen des SHT dominiert wird.

In Bezug auf die jeweilige Verletzungslokalisation und -art der Extremitätenfrakturen zeigen sich Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen. Kinder sind nichtsignifikant häufiger an Ober- und Unterarm verletzt als Erwachsene. Hier kommt zum Ausdruck, das Kinder aufgrund der kleineren Statur, v. a. als Fußgänger im Straßenverkehr vermehrt im Bereich der oberen Extremität verletzt werden. Offene und intraartikuläre Frakturen finden sich im Vergleich mit den Erwachsenen bei Kindern seltener und Frakturen des Hand- und Fußskeletts fehlen.

Die Gründe für diese Ergebnisse können nur vermutet werden. Die niedrigere Rate höhergradiger offener Frakturen bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen sehen wir in einen günstigeren Verhältnis von Weichteilmantel zum Knochen und der größeren Flexibilität kindlicher Knochen, die eine Zersplitterung und die Gefahr der Durchspießung von innen nach außen verringert, erklärt. Das Überwiegen von diaphysären Frakturen und die nur vereinzelt dokumentierten intraartikulären Frakturen bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen, bei denen intraartikuläre Frakturen und Kompressionsbrüche v. a. im Rahmen von Sturz- und Sprungunfällen häufig vorzufinden sind, kann durch den hohen knorpeligen Anteil im Bereich der Meta- und Epiphysen erklärt werden. Überdies können Läsionen des Knorpels im konventionellen Röntgen nur schwer oder allenfalls indirekt erkannt werden. Hierin mag auch die fehlende Dokumentation oder das Fehlen von Frakturen des Hand- und Fußskeletts bei Kindern begründet sein. Entweder blieben mögliche Läsionen unerkannt oder der Dokumentation wurde aufgrund des bekannt hohen Korrekturpotentials dieser Verletzungen zu wenig Beachtung geschenkt.

Berücksichtigt man die hohen Verletzungsraten des Fußskeletts bei Erwachsenen im Rahmen von Sturz- und Sprungunfällen sowie als Pkw-Fahrer muss jedoch im Vergleich zu Kindern zweierlei beachtet werden. Zum einen werden Kinder bei Stürzen und Sprüngen aus großer Höhe im Vergleich zu den Erwachsenen häufiger am Kopf und der Wirbelsäule verletzt [20]. Der Grund ist, wie die Studie von Wang et al. [51] darlegt, in einem im Vergleich zum Erwachsenen veränderten Körperschwerpunkt und daher voneinander abweichenden Anprallorten zu sehen. Zum anderen entfallen als Pkw-Fahrer erlittene Fußverletzungen bei Kindern.

Hinsichtlich der operativen Primär- und Sekundärbehandlung von Extremitätenfrakturen bei Kindern und Erwachsenen zeigt sich, dass beide Kollektive primär überwiegend mit dem Fixateur externe behandelt werden. Während bei Kindern jedoch, in Übereinstimmung mit den guten Erfahrungen in der Literatur [25], 77,8% der primär mit dem Fixateur externe behandelten Frakturen hiermit ausbehandelt wurden, ist diese Behandlungsoption bei Erwachsenen eine Rarität. Hier dominiert der Verfahrenswechsel vom Fixateur externe auf eine sekundär definitive Platten- oder Marknagelosteosynthese. Bei diesem Vergleich muss berücksichtigt werden, dass sich der bei Erwachsenen häufig durchgeführte Umstieg vom Fixateur externe auf eine Marknagelosteosynthese bei Kindern bis zum 16. Lebensjahr, aufgrund der größtenteils noch offenen Wachstumsfugen, verbietet. Erst mit der schrittweisen Einführung der Prevot-Nagelung (ESIN, elastic stable intramedullary nailing) steht die Behandlungsoption der intramedullären Stabilisierung zur Verfügung.

Die primäre Extensionsbehandlung bei Frakturen der unteren Extremität wurde bei Kindern im untersuchten Zeitintervall mehr als doppelt so häufig durchgeführt wie bei den Erwachsenen. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass seit Mitte der 90er Jahre die Extensionsbehandlung bei Erwachsenen vollständig durch die Primärbehandlung mit dem Fixateur externe oder mit dem Gips/Cast abgelöst wurde. Auch bei den Kindern sank im Zeitverlauf die Frequenz der primären Extensionsbehandlung. Gerade bei diaphysären Frakturen des älteren Kindes gewann, begünstigt durch die positiven Erfahrungen in der Literatur [28, 45], die intramedulläre Schienung mittels Prevot-Nagelung (ESIN) an Bedeutung. Hierdurch konnte z. T. die langdauernde Extensionsbehandlung vermieden werden. Nur bei Kleinkindern und Säuglingen gehört die Ausbehandlung von Femurfrakturen in der „Overhead-Extension“ weiterhin zum Standard.

Dass mehr Kinder als Erwachsene sowohl primär als auch im Verlauf konservativ behandelt wurden, erklärt sich in der niedrigeren Rate von intraartikulären Läsionen und dem allgemein höheren Korrekturpotential von Frakturen bei Kindern [8]. Ausschließlich konservativ klassifizierte Behandlungsverfahren an den Extremitäten resultieren in beiden Kollektiven z. T. daraus, dass Patienten vor der geplanten operativen Stabilisierung versterben, oder eine Operation aufgrund einer vitaler Bedrohung für den Patienten nicht möglich war.

Becken-, Wirbelsäulen- und abdominelle Verletzungen

Becken- (16,0% vs. 27,8%) und Wirbelsäulenverletzungen (14,8% vs. 39,3%) waren im eigenen Kollektiv wie auch in der Mehrzahl anderer Arbeiten [30, 31] bei Kindern signifikant seltener als bei Erwachsenen, abdominelle Traumen häufiger (45,7% vs. 29,5%). In Bezug auf die knöchernen Verletzungen kommt zum Tragen, dass mit steigendem Patientenalter die Flexibilität des Skeletts deutlich abnimmt [8].

Bei Kindern ist die Rate abdomineller Verletzungen gegenüber den Erwachsenen erhöht. Durch den physiologischen Zwerchfelltiefstand ist die knöcherne Überdeckung der parenchymatösen Organe (Milz, Leber) vermindert. Die bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen überdies relativ noch deutlich vergrößerten parenchymatösen Organe sind daher wesentlich anfälliger für traumatische Läsionen [17]. In der Arbeit von Reichmann et al. [30] sind doppelt so viele Kinder wie Erwachsene von einer Milzruptur betroffen.

Die sich unterscheidenden Verletzungsmuster und Operationsindikationen bei Kindern und Erwachsenen spiegeln sich in der Operationsfrequenz wieder. 28,4% der Kinder wurden weder primär noch sekundär operiert im Vergleich zu 15,6% der Erwachsenen. Es überwiegen in beiden Kollektiven Laparotomien (17,3% vs. 21,6%) vor Extremitätenoperationen (22,2% vs. 47,0%). Diese Zahlen decken sich mit anderen Arbeiten [21], wobei Snyder et al. [40] über niedrige Frequenzen von „großen“ Erstoperationen bei Kindern und Erwachsenen berichtet (Kinder 34,6%, Erwachsene 35,6%), die Verletzungsschwere des Gesamtpatientenkollektivs jedoch unscharf bleibt. Obwohl mehr Kinder als Erwachsene abdominell verletzt waren, war der prozentuale Anteil der Laparotomien bei Kindern im Vergleich mit Erwachsenen vermindert. Hier zeigt sich der schon in anderen Arbeiten gesehene Trend, die Indikation zur Laparotomie bei Parenchymverletzungen von Leber und Milz im Kindesalter zurückhaltend zu stellen [23]. In Bezug auf die Operationsfrequenz der kindlichen Frakturen muss, wie oben bereits erläutert, bedacht werden, dass Kinder eine weitaus größere spontane Korrekturfähigkeit von Fehlstellungen haben als erwachsene Patienten und daher häufiger konservativ behandelt werden können [8].

Die durchschnittliche Beatmungsdauer und Intensivbehandlung war bei den Kindern signifikant kürzer als bei den Erwachsenen. Reichmann et al. [30] berichten über eine mittlere Beatmungsdauer von 6 Tagen und eine Intensivzeit von 8 Tagen bei den Kindern und 14 respektive 18 Tagen bei den Erwachsenen. Die ermittelten Werte decken sich mit den von uns gefundenen Daten. Snyder et al. [30] sehen in ihrer Arbeit ebenfalls prolongierte Beatmungs- und Intensivzeiten der Erwachsenen im Vergleich zu den Kindern. Als Gründe werden u. a. die höhere Rate an Thoraxtraumen und Verletzungskombinationen der Erwachsenen im Vergleich mit den Kindern angegeben [40].

Komplikationen

Erwachsene sind im Vergleich zu Kindern signifikant häufiger vorerkrankt. Es überrascht daher nicht, dass in diesem Kollektiv auch eine signifikant erhöhte Rate an Komplikationen gefunden wird. In unserem Kollektiv war die Pneumonie in beiden Patientengruppen die führende Komplikation, gefolgt von septischen Zuständen. Ein ARDS oder ein Schockorgan fanden sich bei Kindern nicht, im Gegensatz dazu entwickelte sich ein ARDS bei 2,4% und ein Schockorgan bei 1,2% der Erwachsenen. In der Untersuchung von Reichmann et al. [30] wurde in 2,6% der mehrfachverletzten Kinder ein ARDS diagnostiziert im Vergleich zu 10% Erwachsenen. Jakob et al. [15] berichten über das Auftreten eines ARDS in 2,6% der Fälle, bei 8,6% der Kinder wurde eine Pneumonie nachgewiesen.

76,5% der Kinder und 80,1% der Erwachsenen überlebten die erlittenen Verletzungen. Berücksichtigt man die Verletzungsschwere gemessen am ISS-Punktwert sind die Zahlen mit der internationalen Literatur vergleichbar. Van der Sluis et al. [50] berichten über eine Letalitätsrate von 20% bei den Kindern. Reichmann et al. [30] berichten über Letalitäten von 12% bei den Kindern und 20% bei den Erwachsenen, bei jedoch durchschnittlich niedrigerer Verletzungsschwere und einer geringeren Anzahl von SHT im Kollektiv der Kinder. 9,9% der Kinder verstarben in der Untersuchung von Jakob et al. [15]. Hier muss jedoch der Einschluss von Kindern mit Monotraumen berücksichtigt werden. In der Arbeit von Condello et al. [7] verstarben 20% der polytraumatisierten Kinder, der ISS Punktwert lag jedoch mit durchschnittlich 23,6 Punkten deutlich unter dem von uns ermittelten Wert. Überdies waren in dieser Studie der prozentuale Anteil höhergradiger SHT niedriger als in der von uns untersuchten Gruppe. Gerade das SHT ist jedoch hauptverantwortlich für die Prognose [15, 16, 17, 36].

In beiden von uns untersuchten Kollektiven war der dissoziierte Hirntod hauptverantwortlich für die Letalität. Bei Kindern ist der Anteil signifikant größer als bei Erwachsenen. In anderen Studien über polytraumatisierte Kinder war in 60–90% das SHT die Haupttodesursache [39, 52]. In diesem Zusammenhang wird eine besondere Anfälligkeit des kindlichen Gehirns gegen Hypoxie und Hyperkapnie mit Neigung zur Ödembildung diskutiert [5, 17]. Weiterhin ist bei Kindern mit schwerem SHT häufiger ein erhöhter Hirndruck nach Trauma zu beobachten als bei Erwachsenen. Kinder sollen im Gegensatz zu Erwachsenen vermehrt eine uniforme Schwellung des Gehirns aufweisen, die Bruce et al. [5] als malignes Hirnödem bezeichnet haben. Dieses Krankheitsbild soll mehr auf einer Hyperämie des Gehirns beruhen als auf einem echten Ödem. Auffällig ist, daß sich in keiner der aktuellen Studien eine wesentliche Verbesserung der Langzeitprognose für Kinder und Erwachsene mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma zeigte. Die Möglichkeiten der Prognoseverbesserung sind anscheinend weiterhin eingeschränkt.

Erwachsene erleiden signifikant häufiger ein MOV als Kinder. Dies führt zumeist erst zu einem Versterben nach Tagen bis Wochen und erklärt die bei Erwachsenen signifikant verlängerte Überlebenszeit. Reichmann et al. [30] berichten, dass Erwachsene im Mittel nach 21 Tagen versterben, Kinder hingegen bereits nach 6 Tagen.

Im Anschluss an die Krankenhausbehandlung konnten 28,4% der Kinder und 14,4% der Erwachsenen in die ambulante Weiterbehandlung nach Hause entlassen werden. Zweifellos ein Indiz für die bessere und schnellere Rekonvaleszenz der Kinder, die sich bereits bei den im Vergleich mit den Erwachsenen signifikant verkürzten Intensivliege- und Beatmungszeiten angedeutet hat.

Fazit für die Praxis

Polytraumatisierte Kinder verunfallen häufiger im Verkehr als Erwachsene, hierbei v. a. als Fußgänger oder Fahrradfahrer. Der Verletztentransport der Kinder erfolgt im Vergleich zu den Erwachsenen nahezu doppelt so häufig mit dem Rettungshubschrauber. Kopfverletzungen dominieren in beiden Patientenkollektiven, sind jedoch bei Kindern signifikant häufiger zu diagnostizieren.

Kinder sind häufiger am Abdomen verletzt als Erwachsene, jedoch seltener im Bereich des Thorax, des Beckens, der Wirbelsäule und den Extremitäten. Läsionen parenchymatöser Organe und Frakturen der Extremitäten werden bei Kindern häufiger konservativ behandelt als bei Erwachsenen.

Der Verfahrenswechsel vom primären Fixateur externe oder der Extension zur definitiven Plattenosteosynthese oder intramedullären Schienung (Marknagel/Prevot-Nagelung) ist bei Erwachsenen häufiger. Kinder erleiden niedrigere Verletzungskombinationen als Erwachsene und werden seltener sekundär operiert. Kinder werden kürzer beatmet und der Aufenthalt auf der Intensiv- bzw. peripheren Station ist im Vergleich zu Erwachsenen signifikant reduziert. Sie erleiden seltener und andere Komplikationen als Erwachsene. Das SHT ist bei Kindern und Erwachsenen hauptverantwortlich für die Letalität. Kinder können nach der stationären Behandlung häufiger in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden als Erwachsene.