Zusammenfassung
Diese Übersicht untersucht die klinische Diagnostik und notwendige Sofortmaßnahmen bei polytraumatisierten Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen. Klinische Studien wurden über systematische Literatursuchen (Medline, Cochrane und Handsuchen) und Klassifikation nach Evidenzgüte (Level 1–5 nach Oxforder Schema) zusammengetragen.
Eine ausführliche Literaturanalyse mit Empfehlungen wurde von der „Brain Trauma Foundation“ zu diesem Thema erarbeitet und im World Wide Web publiziert (http://www2.braintrauma.org/).
Bei Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen sollten im Schockraum folgende Sofortmaßnahmen durchgeführt werden: 1. Erhebung einer genauen Anamnese, um Risikofaktoren für ein schweres SHT zu erkennen, 2. Kontrolle des „Glasgow Coma Scales“ (GCS), der Pupillenmotorik und des Blutdruckes, 3. Diagnostik mittels CT und 4. schnelle chirurgische Dekompression, sofern indiziert.
Abstract
This overview reviews the literature on multiply injured patients with traumatic brain injuries. Clinical trials were systematically collected (MEDLINE, Cochrane, and hand searches) and classified into evidence levels (1 to 5 according to the Oxford system).
A detailed analysis of the literature of traumatic brain injuries has been elaborated by the Brain Trauma Foundation and has been published in the World Wide Web (http://www2.braintrauma.org/).
The following procedures should be performed in the emergency room for multiply injured patients with traumatic brain injuries: (1) recording of precise history to identify risk factors for severe traumatic brain injury, (2) measurement of the Glasgow Coma Scale (GCS), pupillary reflex, and mean arterial pressure, (3) diagnostic evaluation with a CT scan, and (4) rapid surgical decompression if indicated.
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Epidemiologie
Das akute Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist die häufigste Ursache für Todesfälle und Behinderungen bei jungen Patienten. In den USA erleiden jährlich ca. 1.6 Mio. Patienten ein SHT, wovon ca. 270.000 hospitalisiert werden, 52.000 versterben und 80.000 erleiden eine relevante neurologisch Behinderung [16]. Exakte Zahlen über Häufigkeit und Schweregrad von SHT liegen in Deutschland zzt. nicht vor.
Aus den Erhebungen des Bundesamtes für Statistik geht hervor, dass im Jahre 1998 insgesamt 279.029 Patienten mit SHT hospitalisiert wurden, dies entspricht 17,6% aller stationären Aufnahmen [23]. Die Letalität aller hospitalisierten Patienten betrug in der oben genannten Statistik 2,2% und war bei Patienten mit SHT signifikant höher (3,4%, p<0,0001); mit 26,6% stellte das SHT eine der Haupttodesursachen dar.
Aus den statistischen Erhebungen zeigt sich deutlich, dass v. a. die jüngeren Altersgruppen betroffen sind und dass dieses Krankheitsbild eine wichtige sozialökonomische Bedeutung hat.
Glasgow-Coma-Scale
Die Beurteilung der Bewusstseinslage lässt sich mit dem Glasgow-Coma-Scale (GCS) einfach und reproduzierbar durchführen [16, 40, 55]. Der GCS beinhaltet die Rubriken „Augenöffnen“ (1–4 Punkte), „motorische Antwort“ (1–6 Punkte) sowie „verbale Antwort“ (1–5 Punkte), woraus sich Werte zwischen 3–15 Punkten ergeben. Die Einteilung in 3 Gruppen lässt eine Beurteilung der Verletzungsschwere zu: leichtes SHT (GCS=13–15), mittleres SHT (GCS=9–12) und schweres SHT (GCS≤8). Eine Unterklassifizierung des leichten SHT in 3 weitere Kategorien erfolgt durch folgende Parameter: Vorhandensein und Dauer eines Bewusstseinsverlusts oder einer posttraumatischer Amnesie sowie Vorhandensein von Risikofaktoren (s. Tabelle 2). Diese Unterteilung stellt die Grundlage zum Management bei leichtem SHT dar, wie sie von der „European Federation of Neurological Societies“ (EFSN) vorgeschlagen wird [55]. Zur Beurteilung der Bewusstseinslage bei Kindern wird der „Pediatric GCS“ gebraucht, welcher auf dem ursprünglichen GCS basiert, durch altersabhängige Maximalscores aber maximal 14 Punkte ergeben kann [30, 55].
In seiner ursprünglichen Fassung sollte der GCS 6 h nach dem Unfallereignis, d. h. nach hämodynamischer und pulmonaler Stabilisation wiederholt werden. Da die frühzeitige Indikation zur Intubation von polytraumatisierten Patienten mit schwerem SHT außer Frage steht, kommen viele Patienten intubiert, relaxiert und beatmet in den Schockraum. Oft lässt sich deshalb kein aktueller GCS erheben und die Risikoeinschätzung beruht auf den anamnestischen Angaben des Notarztes (z. B. GCS nach Trauma und vor Intubation). Bei tiefem GCS müssen extrakranielle Ursachen für ein neurologisches Defizit ausgeschlossen werden (z. B. Hypoxie, Medikamente etc).
Als einzelner Prädiktor für das Outcome des Patienten korreliert der GCS sowohl für die Gruppe mit isoliertem SHT (p<0,0001) sowie für die Gruppe polytraumatisierter Patienten mit SHT (p<0,02), [23].
Primärer und sekundärer Hirnschaden
Der primäre Hirnschaden ist die direkte Folge stumpfer oder penetrierender Gewalt, die auf den Kopf in Form von Akzeleration, Dezeleration oder Rotation einwirkt. Diese Verletzungen äußern sich z. B. als Kontusionsblutungen oder als diffuse axonale Verletzungen, sog. „shearing injuries“. Durch Sofortmaßnahmen im Rahmen der Schockraumbehandlung lassen sich diese durch den Unfall gesetzten Verletzungen nicht beeinflussen. Hingegen können sekundäre Hirnschädigungen vermieden bzw. reduziert werden, wenn eine Hypoxie, eine Hypotonie oder eine drohende oder manifeste Kompression des Gehirns verhindert bzw. kontrolliert werden kann (z. B. durch Stabilisation von Atmung und Kreislauf, durch Evakuation einer epiduralen oder subduralen Blutung oder durch Eindämmung des posttraumatischen Hirnödems). Die Erfolge in der Behandlung des schweren SHT in den letzten 25 Jahren können vereinfacht gesagt auf folgenden Nenner gebracht werden: „Reduktion des sekundären Hirnschadens mittels Hindurchpressen von oxygeniertem Blut durch ein geschwollenes Gehirn“ [16]. Im Rahmen eines Polytraumas mit massiven Volumenschwankungen, Blutverlust, Schock, Gerinnungsstörung etc. kommt der Aufrechterhaltung einer adäquaten zerebralen Durchblutung eine zentrale Bedeutung zu.
Kernfragen
Das Ziel dieser Arbeit war, die vorhandene Literatur von Patienten mit SHT zu analysieren und nach Evidenz zu werten, um folgende Kernfragen betreffend des Schockraummanagements beantworten zu können:
-
1.
Welchen Stellenwert hat die Anamnese?
-
2.
Welche klinischen Untersuchungsmethoden sind im Schockraum relevant?
-
3.
Welchen Stellenwert bzw. welche Indikation hat die radiologische Diagnostik: konventionelles Röntgen des Schädels, CT und Magnetresonanzuntersuchung (MRT)?
-
4.
Wo liegen die therapeutischen Zeitfenster bei intrakraniellen Verletzungen?
Methodik
Zu den einzelnen Teilaspekten des Themas erfolgten Literatursuchen in Medline (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/PubMed/), in der Cochrane Library und im World Wide Web (Tabelle 1, 2). Es zeigte sich, dass die „Brain Trauma Foundation“ eine ausführliche Literaturanalyse zu diesem Thema erarbeitet und publiziert hat (http://www2.braintrauma.org/, Brain Trauma Foundation, 523 East 72nd Street, New York, NY 10021). Nach Durchsicht der Abstracts wurden potenziell relevante Artikel in Kopie beschafft. Ergänzt wurde die Datenbankrecherche durch eine Handsuche kleinerer Zeitschriften sowie das Sichten der Literaturverzeichnisse. Inhaltlich relevanten Artikeln wurde entsprechend ihres Studiendesigns ein Evidenzlevel zugeordnet. Die Graduierung erfolgte nach dem Schema des „Centre for Evidence-based Medicine“ in Oxford (http://www.cebm.net/levels_of_evidence.asp). Die Festlegung der Evidenzlevel bezog auch die inhaltliche Relevanz der Studien mit ein (z. B. Abwertung von Studien zum Monotrauma). Das Projekt wurde teilweise von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt (Nr. NE 385/5-3).
Ergebnisse
Die von der „Brain Trauma Foundation“ erarbeiteten Richtlinien für die Behandlung von Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen sind in den Tabellen 3 (Erwachsene), 4 (Kinder und Jugendliche) und 5 (chirurgische Behandlung) zusammengefasst [1, 6, 42].
Welchen Stellenwert hat die Anamnese?
Die Risikofaktoren für ein mildes SHT (GCS=13–15) sind in Tabelle 2 zusammengefasst [55]. In analoger Weise gelten diese Risikofaktoren auch für polytraumatisierte Patienten. Neben den klinischen Befunden lassen sich einige Risikofaktoren nur durch eine genaue Anamnese erfassen, so kann z. B. die Angabe über die Art der Fahrzeugbeschädigung oder die Absturzhöhe entscheidende Informationen über die Gewalteinwirkung und das mögliche Ausmaß einer Verletzung liefern. Bei polytraumatisierten Patienten kommt erschwerend hinzu, dass diese oft intubiert, relaxiert und beatmet in den Schockraum gebracht werden. Das behandelnde Schockraumteam kann sich somit oft nur auf fremdanamnestische Angaben stützen—und muss diese gezielt erfragen—um das Ausmaß der Gewalteinwirkung abschätzen zu können.
Aufgrund dieser Studien erscheint es im Regelfall sinnvoll, bei polytraumatisierten Patienten mit SHT eine genaue Anamnese zu erheben, um Risikofaktoren zu erkennen.
Welche klinischen Untersuchungsmethoden sind im Schockraum relevant?
Die klassischen klinischen Untersuchungen mit prognostischer Signifikanz bei Patienten mit schwerem SHT sind GCS, Pupillenreaktion, Hirnstammreflexe und das Vorhandensein einer posttraumatischen Hypotension [15, 16, 42]. Interessanterweise ist ein Alter von >60 Jahren ein wesentlicher und unabhängiger Faktor für ein signifikant schlechteres Outcome, da ein schlechtes Outcome nicht durch eine erhöhte Rate von postoperativen Komplikationen oder intrazerebralen Hämatomen erklärt werden kann [42].
Aufgrund dieser Studien erscheint es im Regelfall sinnvoll, bei polytraumatisierten Patienten mit SHT folgende Parameter zu erfassen: GCS, Pupillen und Pupillenmotorik, Blutdruck.
Welchen Stellenwert bzw. welche Indikation hat die radiologische Diagnostik (Schädelröntgen, CT, MRT)?
Konventionelles Schädelröntgen
Frühere Studien haben bei mildem SHT eine konventionelle Schädelaufnahme als Screeningmethode vorgeschlagen [4, 25, 41], da bei radiologisch nachgewiesener Schädelfraktur das Risiko einer intrakraniellen Blutung deutlich erhöht ist. In neueren Studien wird der Wert des Schädelröntgens für die Diagnostik bei mildem SHT im Vergleich zur CT-Untersuchung in Frage gestellt, insbesondere weil die Sensitivität (0,38) für den Nachweis einer Schädelfraktur im konventionellen Röntgenbild bei im CT erwiesener intrakranieller Blutung niedrig ist [4, 20]. Dies gilt analog auch für polytraumatisierte Patienten mit leichtem oder schwerem SHT.
Computertomographie
Die Computertomographie (CT) ist der „golden standard“ bei Patienten mit Risikofaktoren für intrakranielle Komplikationen (s. Tabelle 2) nach einem milden SHT [55] und in analoger Weise auch für polytraumatisierte Patienten [42].
Magnetresonanztomographie
Die Magnetresonanztomographie (MRT) wird bei Patienten mit einem akuten SHT nicht als Routineuntersuchung empfohlen [55], obwohl es für die Diagnose von intrakraniellen Pathologien sensitiver ist als ein CT. Im Management von polytraumatisierten Patienten im Schockraum gibt es bisher keine Indikation für ein MRT des Schädels. Die MRT-Untersuchung wird v. a. bei Patienten mit Langzeitbeschwerden ohne pathologischen CT-Befund empfohlen.
Aufgrund dieser Studien erscheint es im Regelfall sinnvoll, bei polytraumatisierten Patienten mit SHT und Risikofaktoren eine CT durchzuführen.
Wo liegen die therapeutischen Zeitfenster bei intrakraniellen Läsionen?
Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen:
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Schädel-Hirn-Verletzungen, welche eine chirurgische Dekompression erfordern,
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Verletzungen, welche keine chirurgische Dekompression aber ein Monitoring des intrakraniellen Druckes (ICP) zur Bestimmung des zerebralen Perfusionsdruckes (CPP) erfordern und
-
Verletzungen, welche kein intrakranielles Monitoring erfordern.
Epidurales Hämatom
In Studien, die den Zusammenhang von CT-Parametern und Outcome nach akutem epiduralem Hämatom (EDH) untersucht haben, konnte gezeigt werden, dass die Faktoren Hämatomdicke >15 mm, Hämatomvolumen >30 ml und „midline shift“ >5 mm einen prädiktiven Wert bezüglich Outcome haben [6]. Es wird deshalb empfohlen, dass bei Patienten mit den oben genannten Kriterien, unabhängig vom GCS, eine chirurgische Dekompression erfolgen sollte. Bei wachen Patienten, welche die oben genannten Bedingungen nicht erfüllen, wird eine konservative Behandlung und eine Kontroll-CT 6–8 h nach Trauma empfohlen. Es gibt bisher keine Studien, die die operative und konservative Behandlung in komatösen Patienten untersucht haben.
Der wichtige Faktor „Zeit“ ist weniger abhängig von der Dauer zwischen Unfallereignis und Operation sondern beginnt mit Auftreten der neurologischen Symptome und dauert bis zur chirurgischen Dekompression. Eine 2-h-Grenze für eine operative Dekompression nach Einsetzen der Bewusstlosigkeit wurde von Hasleberger et al. [19] beschrieben (60 Patienten mit EDH: <2 h, 17% Mortalität und 67% gutes Resultat; >2 h, 56% Mortalität und 13% gutes Resultat).
Eine signifikante Korrelation zwischen Outcome und Herniation (gemessen an einer Anisokorie [22]) sowie einer Anisokorie von <70 min [8] unterstreicht die Bedeutung des Zeitintervalls. Die direkte Zuweisung in ein Zentrum und die damit gewonnene Zeit spiegelt sich auch in der Studie von Poon et al. [29] wider: Das Outcome nach 6 Monaten war in der Gruppe, die direkt in ein Zentrum verlegt und nach 0,7±1 h operiert wurde besser als in der Gruppe, die indirekt überwiesen und nach 3,2±0,5 h operiert wurde.
Subdurales Hämatom
In Studien, die den Zusammenhang von CT-Parametern und Outcome nach initial konservativer Behandlung eines akuten subduralen Hämatoms (SDH) untersucht haben, konnte gezeigt werden, dass die Faktoren Hämatomdicke >10 mm und „midline shift“ >5 mm einen prädiktiven Wert bezüglich Outcome haben [6]. Es wird deshalb empfohlen, dass bei Patienten mit den oben genannten Kriterien unabhängig vom GCS eine chirurgische Dekompression erfolgen sollte.
Bei komatösen Patienten (GCS<9), die die oben genannten Kriterien nicht erfüllen, kann eine konservative Therapie eingeleitet werden, sofern:
-
ein ICP-Monitoring durchgeführt wird,
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der ICP<20 mmHg ist,
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keine neurologische Verschlechterung eintritt und
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keine Veränderung der Pupillen oder Pupillenmotorik vorliegt.
Verschiedene Studien haben den Zusammenhang zwischen Frühdekompression (innerhalb 2–4 h) und Outcome untersucht [11, 19, 21, 33, 37, 57].
Parenchymverletzungen
Parenchymläsionen sind heterogene Verletzungen, die sich in 2 große Gruppen aufteilen lassen:
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fokale Läsionen wie akute intrazerebrale Hämatome, verzögert auftretende intrazerebrale Hämatome, Kontusionen und Infarkte und
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nichtfokale Läsionen wie Hirnödem, Hemisphärenschwellung und diffuse Hirnschädigung [6].
In Studien, welche den Zusammenhang von CT-Parametern und Outcome nach konservativer Behandlung von Parenchymverletzungen untersucht haben, konnte gezeigt werden, dass die Entwicklung einer progressiven Neurologie, ein erhöhter ICP trotz adäquater nichtoperativer Behandlung und radiologische Zeichen eines Masseneffekts einen prädiktiven Wert bezüglich des Outcomes haben [6]. Die dekompressive Kraniektomie wird als mögliche Therapie bei posttraumatischem Hirnödem, Hemisphärenschwellung oder diffuser Verletzung aufgeführt.
Es gibt wenige Angaben über den Zeitfaktor [56]. In der Untersuchung von Polin et al. [28] zeigte sich ein deutlicher Unterschied im Outcome je nach Operationszeitpunkt: eine Operation vor 48 h ergab 46% „favorale results“, die Operation nach 48 h zeigte 0% „favorable results“.
Aufgrund dieser Studien erscheint es im Regelfall sinnvoll, bei polytraumatisierten Patienten mit SHT eine intrakranielle Blutung, falls chirurgisch indiziert, so schnell wie möglich zu entlasten.
Diskussion
Das Hauptziel der Schockraumbehandlung von polytraumatisierten Patienten mit einem SHT ist die Aufrechterhaltung einer adäquaten Sauerstoffversorgung des Gehirns durch eine suffiziente kardiopulmonale Reanimation. Insbesondere gilt es zu vermeiden, dass der Patient hypoton (systolischer Blutdruck <90 mmHg) oder hypoxisch wird (Apnoe, Zyanose, paO2<60 mmHg, O2-Sättigung <90%), um sekundäre Hirnschädigungen zu vermeiden. In den Richtlinien (s. Tabelle 3) wird ein mittlerer zerebraler Perfusionsdruck von 70 mmHg gefordert. Es besteht kein Zweifel, dass eine Hypotonie einen maßgebenden Einfluss auf das Outcome hat. In diesem Zusammenhang gibt es beim Erwachsenen nur eine Klasse-1-Studie [54] und 15 Klasse-2-Studien [48], bei Kindern gibt es keine Klasse-1- und 4 Klasse-2-Studien [2].
Erwähnenswert ist die Analyse von prospektiv erfassten 717 Patienten der“ Traumatic Coma Data Bank“ [7, 26], in der eine Hypotension und Hypoxie bei etwa 1/3 aller Patienten dokumentiert wurde. Die Studie hat gezeigt, dass sowohl der Faktor Hypotension, gemessen als systolischer Blutdruckwert <90 mmHg wie der Faktor Hypoxie, gemessen als Apnoe oder Zyanose bzw. ein paO2<60 mmHg, unter den 5 wichtigsten Variablen waren, die mit einen schlechteren Outcome einhergingen. Hypoxie und Hypotension waren statistisch gesehen unabhängig von anderen wichtigen Risikofaktoren wie Alter, GCS bei Eintritt, Pupillenstatus oder intrakraniellen Diagnosen.
Die Rolle der prophylaktischen Hyperventilation wurde eingehend untersucht (s. Tabellen 3, 4). In den ersten 24 h nach SHT sollte eine Hyperventilation (paCO2-Werte <35 mmHg) vermieden werden, weil dadurch eine bereits durch das SHT verminderte zerebrale Perfusion weiter reduziert wird. Zu diesem Problem gibt es aber keine Klasse-1-Evidenz.
Im Reviewartikel der „Cochrane Database“ [35] werden die vorhandenen Studien und Daten als inadäquat bezeichnet, um mögliche Vorteile oder Nachteile einer Hyperventilation beweisen zu können.
Das nächste Ziel des Managements beim Patienten mit SHT ist die Erkennung der intrazerebralen Verletzungen durch eine rasche und adäquate Diagnostik. Hier hat sich das Schädel-CT als „golden standard“ etabliert. Bei erkanntem intrakraniellem Kompartmentsyndrom soll eine rasche chirurgische Dekompression durchgeführt werden, sofern dies indiziert ist (s. Tabelle 5). Zweifelsohne ist die Kombination eines schweren SHT mit einem Polytrauma eine besondere Herausforderung für das behandelnde Team.
Die Pupillenweite und der Pupillenreflex sind 2 Parameter, die eingehend untersucht wurden. Zur klinischen Erfassung und Dokumentation wird folgendes Vorgehen empfohlen:
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Erfassung des Pupillenstatus für jedes Auge einzeln (Größe, Reaktion auf helles Licht und Reaktionsgeschwindigkeit).
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Ein Wert von >4 mm wird als Größe für eine dilatierte Pupille angegeben.
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Bei asymmetrischer Pupillenreaktion soll die Seite genau dokumentiert werden.
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Hypotension und Hypoxie sollten vor der Beurteilung der Pupillen korrigiert sein.
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Ein direktes Trauma der Augen sollte ausgeschlossen sein.
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Die Beurteilung des Pupillenstatus sollte nach der chirurgischen Dekompression wiederholt werden [42].
Bisher wurde noch in keiner prospektiven randomisierten Studie untersucht, ob die ICP-Messung per se (oder das Unterlassen der ICP-Messung) das Outcome beeinflusst. Es gibt 2 Klasse-1-Studien [12, 27] und genug Evidenz, die zeigt, dass das ICP-Monitoring:
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eine verzögert auftretende Massenblutung früher erkennen lässt,
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den intrakraniellen Druck durch Liquordrainage senken kann (sofern ein Ventrikelkatheter verwendet wird),
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eine unkontrollierte (oder unnötige) hirndrucksenkende Therapie mit potentiell schwerwiegenden Nebenwirkungen verhindern kann und
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helfen kann, eine Prognose zu stellen.
Aus diesen Gründen wird das ICP-Monitoring vielerorts routinemäßig eingesetzt. Empfohlen wird ein ICP-Monitoring bei komatösen Patienten (GCS=3–8) mit abnormalen CT-Befunden (s. Tabelle 3, 4).
Komatöse Patienten mit normalem CT haben ein geringes Risiko für einen erhöhten Hirndruck, das Risiko steigt jedoch, wenn die Patienten >40 Jahre alt sind oder wenn ein systolischer Blutdruck <90 mmHg gemessen wird. Bei Patienten mit mildem (GCS=13–15) oder mittlerem SHT (GCS=9–12) wird kein routinemäßiges ICP-Monitoring empfohlen. Bei Kindern gelten die gleichen Empfehlungen, unabhängig davon, ob die Fontanellen noch offen oder bereits geschlossen sind (s. Tabelle 4).
Die Rolle von Steroiden wurde in 9 prospektiv randomisierten Studien untersucht [5, 9, 10, 13, 14, 17, 18, 24, 34]. Zur Senkung des ICP oder zur Verbesserung des Outcomes wird die Gabe von Steroiden nicht empfohlen (s. Tabelle 3). In den Schlussfolgerungen der Cochrane-Datenbank wird allerdings erwähnt, dass weder ein geringer Benefit noch geringe schädliche Wirkungen von Steroiden [3] oder Aminosteroiden [31] ausgeschlossen werden können.
Betreffend Mannitol gibt es 2 Klasse-1-Studien [36, 38] und genügend Daten [32, 53], die eine senkende Wirkung von Mannitol auf den ICP zeigen und dessen Einsatz zur Senkung des ICP empfehlen (s. Tabelle 3). Dabei sollte die Serumosmolalität kontrolliert werden (<320 mOsm) und eine Mannitol-Gabe bei Hypovolämie vermieden werden, was den Einsatz von Mannitol im akuten Management von polytraumatisierten Patienten in Frage stellt.
In der Cochrane-Datenbank [32] wird festgehalten, dass hochdosiertes Mannitol präoperativ besser zu sein scheint als in der gewöhnlichen Dosierung. Hingegen gibt es wenig Evidenz bezüglich der Vorteile einer kontinuierlichen Mannitol-Applikation und bei Patienten mit erhöhten ICP und intrakraniellen Hämatomen, welche nicht operiert werden. Zum Einsatz von Mannitol in der präklinischen Phase gibt es zu wenig Daten, die sowohl einen Nutzen oder einen Schaden durch Mannitol beweisen könnten.
Schlussfolgerung
Die Literaturanalyse hat gezeigt, dass es für das Management von polytraumatisierten Schockraumpatienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen kaum eine sog. Klasse-I-Evidenz gibt, die ein Standardvorgehen fordern oder Leitlinien formulieren lässt. Hingegen gibt es viele Studien mit Klasse-II- und Klasse-III-Evidenz, aus denen folgende Richtlinien formuliert werden können:
Bei Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen sollte im Schockraum:
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die Anamnese genau erhoben werden, um Risikofaktoren zu erkennen und das Ausmaß der Gewalteinwirkung abschätzen zu können;
-
die für das Outcome wichtigen klinischen Parameter GCS, Pupillen inklusive Pupillenmotorik und Blutdruck erfasst und kontrolliert werden (systolischer Blutdruck <90 mmHg mit dem Ziel, einen zerebralen Perfusionsdruck von 70 mmHg zu halten);
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die Diagnostik mittels CT durchgeführt werden und
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eine schnelle chirurgische Dekompression erfolgen, sofern diese indiziert ist.
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Heinzelmann, M., Imhof, HG. & Trentz, O. Schockraummanagement bei polytraumatisierten Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen. Unfallchirurg 107, 871–880 (2004). https://doi.org/10.1007/s00113-004-0846-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00113-004-0846-3