Medikationsirrtümer spielen bei der Pharmakotherapie eine nennenswerte Rolle, die meist unterschätzt wird. Speziell in den chirurgischen Fachbereichen wird der Begleitmedikation der behandelten Patienten oft nur mäßige Beachtung geschenkt, da das Augenmerk auf mögliche Fehler oder Komplikationen beim chirurgischen Procedere gerichtet ist. Leider werden bei chirurgischen Visiten immer noch Medikamente einfach „erst mal“ abgesetzt oder ohne weiteres Nachdenken großzügig weiterverordnet.

Bereits 1962 wurde in einer Studie aus den USA gezeigt, dass jede 6. Arzneimittelverordnung im Krankenhaus fehlerhaft ist [1]. Seit den 80er und 90er Jahren wurde das Bewusstsein für Medikationsirrtümer in den USA sukzessive so weit geschärft, dass von den entsprechenden Fachgesellschaften Guidelines (http://www.ascp.com), [2, 3] und freiwillige Fehlermeldesysteme entwickelt wurden. Diese Meldesysteme sind über das Internet kostenlos zugänglich (http://www.ashp.com; http://www.ahrq.gov) und sollen durch gezielte Ursachenforschung zu einer Fehlerprävention führen. In Europa wurde erst 1998 eine „Nonprofit-Organisation“ gegründet, die EFAHP (European Foundation for the Advancement of Healthcare Practioners), auf deren Homepage (http://www.efahp.org) ebenfalls ein Meldebogen für Medikationsirrtümer implementiert ist. Somit existiert erst seit wenigen Jahren ein für Europa praktikables Meldesystem.

Begriffsbestimmung

Die umfassende Definition von Medikationsfehlern—“Any preventable event that may cause or lead to inappropriate medication use or patient harm while the medication is in the control of a health care professional, patient or consumer. Such events may be related to professional practice, health care products, procedures and systems, including prescribing, order communication, product labelling, packaging and nomenclature, compounding, dispensing, distribution, administration, education, monitoring and use „ [9]—führt dazu, dass in den verschiedenen Arbeiten jeweils nur Teilaspekte dieser Definition betrachtet werden können. Prozentuale Angaben verschiedener Autoren sind deshalb nur in wenigen Fällen vergleichbar. Bei der von uns genutzten Definition des korrekturbedürftigen Medikationsirrtums wurde eine pharmazeutische Intervention als die Veränderung definiert, die für den Patienten eine Optimierung der Therapie nach sich zieht. Dies bedeutet im Einzelnen, dass in dieser Arbeit nur die Interventionen betrachtet werden, bei denen sich die Art der Medikation aufgrund eines vorherigen Fehlers ändert und nicht die Änderungen der Medikation im Sinne eines Aut-idem-/Aut-simile-Austausches berücksichtigt werden.

Die Ermittlung und v. a. Vermeidung von Medikationsirrtümern wird durch die Einführung der DRG, der Verkürzung der stationären Verweildauer und der vermehrten ambulanten Behandlung in Deutschland sowohl für den Krankenhaussektor, als auch für den ambulanten Bereich an Bedeutung gewinnen, sodass in Zukunft die Möglichkeiten zur Fehlerermittlung und Fehlerprävention verstärkt genutzt werden müssen [4]. Durch die bereits existierenden freiwilligen Meldesysteme der verschiedenen Fachgesellschaften werden in der Regel Fehler, die im Krankenhaus gemacht werden, erfasst. Diese Fehler entstehen trotz der direkten Präsenz des medizinischen Fachpersonals, wobei diese direkte Präsenz andererseits dazu führt, dass die Fehler in der Regel zeitnah bereinigt und erfasst werden können.

Die Überwachbarkeit der Patientenmedikation im ambulanten Bereich ist im Vergleich zum Krankenhaus deutlich schwieriger, da hier die permanente ärztliche Anwesenheit fehlt. Wie bereits aufgezeigt, sind jedoch gerade die Medikationsirrtümer und -fehler, die im ambulanten Bereich stattfinden, ein weiteres für die Zukunft interessantes Feld. Im ambulanten Bereich ist die Studienlage zu Medikationsirrtümern durch die schwierigere Überprüfbarkeit deutlich schlechter, jedoch ist der in einer australischen Studie gefundene Wert von 16,6% krankenhausexterner medizinischer Fehler bezogen auf die Gesamtanzahl der Klinikeinweisungen als relevant zu bezeichnen [5].

Im ambulanten Bereich muss v. a. mit 2 Arten von Fehlern gerechnet werden:

  • Fehler, die durch den/die behandelnde(n) Arzt/Ärzte verursacht werden, wie z. B. Doppelverordnungen durch den Allgemeinarzt und den Facharzt,

  • Fehler, die durch den Patienten selbst verursacht werden (Complianceprobleme).

Im Rahmen des Kooperationsprojekts „Umstellung der Hausarztmedikation“ der Klinik für Unfallchirurgie und der Klinikapotheke, das bei uns schon seit mehreren Jahren durchgeführt wird [6, 7], ist es möglich, dem Apotheker eine rasche und vollständige Bestandsaufnahme der Gesamtmedikation eines Patienten zu übermitteln und von ihm eine Überprüfung des aktuellen Status quo mit Vorschlägen zur Aut-idem- oder Aut-simile-Umsetzung auf die hausinterne Liste, sowie bei mehr oder weniger offensichtlichen Fehlern oder Unklarheiten zusätzlich Optimierungsvorschläge zu erhalten.

Die in einer Unfallchirurgie behandelten Patienten sind hinsichtlich ihrer Nebenerkrankungen und deren Medikation erheblich variabler als in einer internistischen Fachabteilung, da der Großteil der „mitgebrachten Medikation“ nicht im Zusammenhang mit der behandelten chirurgischen Haupterkrankung steht. Aus diesem Grund ist die Überprüfung der Medikation dieser Patienten mit Unterstützung durch die Apotheke von besonders großem Interesse. Zusätzlich zur chirurgischen Behandlung ist es somit möglich, Fehler bei der „Dauermedikation“ zu erkennen und zu bereinigen, um auf diese Weise die Pharmakotherapie dieser Patienten zu optimieren. Außerdem kommt durch die Rückkopplung der Medikationsinformation zwischen Apotheker und Arzt der—von Chirurgen oft nur als nebensächlich angesehenen—Dauermedikation verstärkte Beachtung zu. Die Entstehung von Folgefehlern und damit verbundenen Komplikationen wird dadurch verringert. Die Überprüfung der ambulanten Medikation ist somit eine Qualitätssicherungsmaßnahme für die medikamentöse Dauertherapie.

Methodik

Das Studiendesign und die ersten Ergebnisse wurden bereits im September 2002 unter pharmazeutischen Gesichtpunkten in der Krankenhauspharmazie veröffentlicht [8]. In dieser Publikation stehen das praktische Vorgehen bei der täglichen Arbeit und häufige und relevante Fehlerbeispiele im Vordergrund.

Die Medikamentenumstellungen auf die in unserem Haus gelisteten Präparate nach einer stationären Aufnahme auf Vorschlag der Apotheke erfolgen durch die behandelnden Ärzte auf allen 5 unfallchirurgischen Stationen mit insgesamt 138 Betten [6, 7].

Patientenkollektiv

Die Vorstellung der Patienten zur Begutachtung der Medikation durch die Apotheke erfolgt nur dann, wenn die aktuelle Medikamentenanamnese des Patienten bei Aufnahme Präparate enthält, die in unserem Haus nicht oder unter einem anderen Namen gelistet sind. Dadurch ergibt sich eine zufällige Selektion der Patienten mit einem deutlichen Schwerpunkt bei älteren multimorbiden Patienten. Patienten ohne Komedikation oder mit einer Komedikation von 1–2 Standardmedikamenten werden somit in der Studie nicht erfasst.

Maßnahmen

Die vom aufnehmenden Arzt oder der aufnehmenden Schwester eruierte „Dauermedikation“ wird bei Besonderheiten, Unklarheiten oder im Haus nicht gelisteten Präparaten auf einem Formblatt erfasst.

Die Formblätter werden durch den Apotheker bis 13 Uhr auf der jeweiligen Station persönlich abgeholt. Dabei werden zunächst Aut-idem- und Aut-simile-Umstellungen vorgenommen, wobei zusätzlich vermerkt wird, inwieweit Dosierungsangaben ungenau sind und—evtl. durch Rücksprache mit der Hausarztpraxis—abgeklärt werden müssen.

Bei fraglichen oder offensichtlichen Medikationsfehlern werden kommentierte Umstellungsvorschläge angefügt (Abb. 1). Der Rücklauf der Anfrage mit ggf. erforderlichen Sonderbestellungen erfolgt noch am gleichen Tag. Um dabei die klinische Relevanz im Blickfeld zu behalten nimmt der Apotheker täglich auf einer Station an der morgendlichen ärztlichen Visite teil.

Abb. 1
figure 1

a Formblatt Medikamentenumstellung Vorderseite. b Formblatt Medikamentenumstellung Rückseite

Durch die Bearbeitung der Erfassungsbögen in enger persönlicher Zusammenarbeit mit der Station sind Rückfragen zu unklaren Dosierungen oder direkte Absprachen der erforderlichen Interventionen mit dem behandelnden Stationsarzt erheblich vereinfacht.

Bei nach Compliance und klinischer Relevanz ausgewählten Patienten wird in Absprache mit dem Stationsarzt ein „konsiliarisches“ Gespräch zwischen Apotheker und Patient durchgeführt, in dem dem Patienten die Änderungen der Medikation hinsichtlich Präparat, Dosierung und Einnahmezeitpunkt ausführlich erläutert werden, um eine möglichst konsequente Fortführung der erzielten Abschlussmedikation zu erreichen.

Damit der in der Klinik erzeugte Benefit auch für den ambulanten Bereich gewährleistet werden kann, ist es nötig, die neue Medikation dem Hausarzt als gesonderte Information neben dem Entlassungsbrief zu vermitteln.

Für das Entlassungsgespräch wurde ein Formblatt mit Einnahmehinweisen kreiert, das in ausführlicherer Form dem Arztbrief beigelegt wird (Tabelle 1). Dem Patienten wird nur der rechte Teil des Formblattes kopiert und mit nach Hause gegeben. In der ausführlicheren Version für den Arzt werden nicht nur die klinikeigenen Präparate, sondern auch handelsübliche Alternativen vorgeschlagen. Wir orientieren uns hierbei an den Vorgaben des § 3 des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V für die „Fortsetzung der Arzneimitteltherapie nach Krankenhausbehandlung“ (Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V, DAZ 2002, 142: 404), [9].

Tabelle 1 Formblatt für den Arzt und Medikamentenplan für Patient X.Y.

Durch die tägliche Anwesenheit des Apothekers bei der Visite (auf einer Station ca. 45 min Zeitaufwand) kann bereits im Vorfeld leichter gemeinsam entschieden werden, inwieweit der Patient „compliant“ ist. Zusätzlich ist der Apotheker so in der Lage, den optimalen Zeitpunkt für das Gespräch festzulegen. Für den Patienten gewinnt dieses Gespräch mit dem Apotheker an Bedeutung, da es als Konsil des Apothekers beim Patienten durchgeführt wird.

Methodik der Auswertung

Im Rahmen dieser Umstellung bei Neuzugängen wird eine Statistik der pharmazeutischen Interventionen geführt. Hierbei wird die Anzahl der Medikationsfehler bezogen auf die Anzahl der verordneten Medikamente festgestellt.

Diese Studie wird seit Mai 2000 kontinuierlich durchgeführt. Die Auswertung der Medikationsfehler wird in dieser Arbeit anhand einer stichpunktartigen Analyse über 4 Monate auf allen unfallchirurgischen Stationen unseres Hauses dargelegt und erfolgt nach einem selbst definierten Punktescore von 1–10, der mit zunehmender Beeinträchtigung des Patienten ansteigt (Tabelle 2).

Tabelle 2 Auswertung nach Schweregrad des Fehlers

Ergebnisse

Quantitative Auswertung der Interventionen

Aus Tabelle 3 ergibt sich, dass bei 6,17% aller im Zeitraum von 3 1/2 Jahren überprüften 15.951 Verordnungen eine Intervention nötig war. Patientenbezogen heißt dies, dass bei 20,22% der uns vorgestellten Patienten die externe Verordnung überarbeitet werden musste, um eine optimale Wirkung der Arzneimittel gewährleisten zu können.

Tabelle 3 Interventionsstatistik bezogen auf alle betreuten Stationen (5/2000–9/2003)

Insgesamt wurde die Medikation bei 4944 Patienten überprüft. Dies entspricht rund 32% der in diesem Zeitraum stationär in der Unfallchirurgie behandelten Patienten.

Die in unserer Untersuchung gefundenen Werte der monatlichen Häufigkeitsanalyse zeigen große Schwankungen und keine Normalverteilung. Die Werte lassen sich somit nur bedingt als Maßstab für eine interne Qualitätskontrolle verwenden. In der täglichen Arbeit zeigte sich für den Apotheker, dass, trotz des knappen Zeitrahmens für die Umstellungen von maximal 10 min/Patient innerhalb der Tagesroutine, die Anzahl der gefundenen Fehler mit dem Zugewinn an Routine und dem dabei zusätzlich erworbenen pharmazeutischen Fachwissen ansteigt (s. Jahresmittelwerte der Tabelle 3). Somit ist der prozentuale Anteil der gefundenen Interventionen pro Anzahl der geprüften Verordnungen direkt proportional zur pharmazeutischen Qualität.

Differenzierte Auswertung der Interventionen über 4 Monate auf 5 unfallchirurgischen Stationen

Um die Wertigkeit der Interventionen abschätzen zu können, wurde zusätzlich zu der bereits vorgestellten Interventionsstatistik (s. Tabelle 3) eine differenzierte Auswertung der notwendigen Interventionen auf 5 unfallchirurgischen Stationen durchgeführt.

Über 4 Monate erfolgte eine Sammlung aller Einzelfälle, um eine spezifischere Beurteilung hinsichtlich Art und Schweregrad des Fehlers zu ermöglichen. Die Auswertung der gefundenen Fehler nach Schweregrad und Häufigkeit ist in Tabelle 2 enthalten.

Die Fehler wurden verschiedenen Bereichen zugeordnet (Tabelle 4). So wurde unterschieden zwischen falscher Dosierung, Übertragungsfehler, fehlende Prüfung auf Interaktionen und Nebenwirkungen, falscher Applikationszeitpunkt, Weiterverordnung bei fehlender klinischer Symptomatik und falscher Umgang mit galenischen Sonderformen. Dabei zeigte sich, dass die Beeinträchtigung für den Patienten abhängig von der Fehlerart ist (s. Tabelle 4).

Tabelle 4 Auswertung nach Fehlerart—von 5 unfallchirurgischen Stationen über 4 Monate

Höhere Punktescores wurden bei fehlerhafter Dosierung, fehlender Beachtung von Interaktionen und Nebenwirkungen und bei Übertragungsfehlern ermittelt. Die Tabelle 4 zeigt die entsprechenden Durchschnittscores mit jeweils einem repräsentativen Beispiel. Die kompletten Tabellen der ermittelten Fehler im Auswertungszeitraum wurden bereits 2002 in der Krankenhauspharmazie veröffentlicht [8].

Bei der Betrachtung der Häufigkeitsverteilung der Fehler innerhalb unseres Punktescores fällt auf, dass die Beurteilung des Schweregrades bei den meisten Fälle durch die ersten 3 Kategorien des Punktescores nach Tabelle 2 abgedeckt werden. Dies korreliert mit dem in dieser Arbeit betrachteten Patientenkollektiv. Bei allen Patienten war die notwendige chirurgische Behandlung der Grund für die Einweisung in die Klinik. Daher ist nur in den wenigsten Fällen eine fehlerhafte Pharmakotherapie der internistischen Zusatzerkrankungen bereits mit einer behandlungsbedürftigen klinischen Symptomatik—entsprechend Kategorie IV und V unseres Punktscores—gekoppelt. Vielmehr ist bei dem von uns betrachteten Patientenkollektiv zu erwarten, dass die durch Medikationsirrtümer erzeugten Beeinträchtigungen für den Patienten kaum spürbar sind und erst bei längerer fehlerhafter Gabe zu klinisch messbaren Symptomen führen. Aus den in Tabelle 2 ermittelten Zahlen lässt sich schließen, dass die Einschätzung der Wertigkeit der von uns gefundenen Medikationsirrtümer durch unseren eigenen Punktescore eine realistische Einschätzung hinsichtlich der klinischen Relevanz unserer Interventionen widerspiegelt.

Bei der Fortführung des Projekts über mittlerweile 3 1/2 Jahre hat sich eine gewisse Häufung bestimmter Fehler gezeigt, zusätzlich sind mitunter besonders gravierende Medikationsirrtümer aufgefallen. Einige davon sind in Fallbeispielen (Tabelle 5) aufgeführt und mit Hilfe unseres Punktescores bewertet.

Tabelle 5 Fallbeispiele

Anhand der aufgelisteten Beispiele ist zu erkennen, dass etliche der genannten Medikationsfehler sicher nur pharmakologisch sehr versierten chirurgischen Kollegen aufgefallen wären und für eine sichere Beurteilung und Gewährleistung der Fehlerentdeckung und -behebung eben das bei uns praktizierte vorausgehende Check-up durch den Apotheker nötig ist.

Diskussion

Eine Beurteilung der Medikation von Patienten aus dem niedergelassenen Bereich ist nur erschöpfend durchführbar, wenn die gesamte Medikation des Patienten bekannt ist. Daher konnte diese Statistik nur im Rahmen des Projekts „Umstellung der Hausarztmedikation auf der Unfallchirurgie“ durchgeführt werden und nicht bei den routinemäßigen Umstellungen der Apotheke im Rahmen der Arzneimittelausgabe, die für das gesamte Klinikum durchgeführt wird. Bei diesen routinemäßigen Umstellungen ist nur das umzustellende Medikament des Patienten bekannt; somit können weder falsche Dosierung noch Interaktionen erkannt werden.

Durch unsere kooperative Serviceleistung erhielten 20,22% der 4944 von uns bislang kontrollierten chirurgischen Patienten über die eigentlich erforderliche Behandlung hinaus einen zusätzlichen Benefit. Dieser Prozentsatz ist mit den in der Literatur beschriebenen 16,6% [5] vergleichbar. Die Bewertung mittels eines Punktescores ermöglichte es uns, die Relevanz der Interventionen nachzuweisen.

Wie bereits in der Methodik erklärt, erfolgt eine Selektion der Patienten aus dem Gesamtkollektiv der stationären unfallchirurgischen Patienten anhand der Notwendigkeit einer Medikamentenumstellung der mitgebrachten Komedikation. Patienten ohne Komedikation oder nur 1–2 Standardmedikamenten, die keine Umstellung erfordern, benötigen keine Überprüfung.

Die Quote der mit unserer Qualitätssicherungsmaßnahme erreichten Patienten liegt somit deutlich höher als die 32%, bezogen auf alle im Studienzeitraum von 3 1/2 Jahren unfallchirurgisch behandelten Patienten. Es werden vorwiegend die Patienten von unserem Qualitätssicherungsraster erfasst, die eine komplexe Dauermedikation aufweisen. Der gesamte Algorithmus unserer Maßnahmen—Medikationsanamnese durch Arzt oder Pflege bei Aufnahme, Entscheidung über Notwendigkeit der Anfrage bei der Apotheke, Erstellung des Umstellungsvorschlags durch die Apotheke gegebenenfalls mit Hinweis auf Medikationsfehler oder Unklarheiten und abschließende Gegenkontrolle und Umsetzung der Veränderung durch den behandelnden Arzt—stellt sicher, dass alle behandelten Patienten der Unfallchirurgie eine gesonderte Betrachtung Ihrer Dauermedikation erfahren. Die Erfassung der Dauermedikation ist im Rahmen der Anamnese bei allen Patienten erforderlich.

Die Erstellung der Anfrage bei der Apotheke auf dem Formblatt zur Medikationsumstellung, die Bearbeitung durch die/den Apotheker/in und die Gegenkontrolle und Umsetzung durch den behandelnden Arzt ist anhand unserer Erfahrungswerte insgesamt mit ca. 15–20 min/Patient im Durchschnitt zu veranschlagen. Die oben beschriebene Patientenselektion sichert somit ein vernünftiges Verhältnis von Aufwand zu Nutzen. Die Begleitung der morgendlichen Stationsvisite durch die an der Studie beteiligten Apothekerin liefert eine wertvolle zusätzliche Hilfestellung mit einem Zeitaufwand von ca. 45 min/Tag, wird jedoch derzeit als freiwillige unbezahlte Mehrarbeit erbracht und ist deshalb nur auf einer Station durchführbar.

Die Kooperation zwischen Arzt und Apotheker in der täglichen Routine wirkt als Qualitätssicherung bei der medikamentösen Versorgung der Patienten. Dies zeigt sich an folgenden, bisher erreichten Verbesserungen.

  • Vorteile für den behandelten Patienten:

    • Nebenerkrankungen des Patienten und die zu ihrer Behandlung notwendigen Maßnahmen werden konsequenter beachtet und somit Komplikationen vorgebeugt.

    • Es erfolgt eine Koordination der bislang in der ambulanten Phase durch verschiedene Ärzte verordneten Arzneimittel, auch wenn die Patienten bislang keinen Hausarzt besuchten, der diese Koordinationsfunktion wahrnimmt. Doppelverordnungen, die durch mehrere verordnende Ärzte entstehen, können nur durch die Beurteilung der Gesamtmedikation entdeckt werden. Analog können Weiterverordnungen trotz nicht mehr bestehender Indikation beendet werden. Bei der Verordnung von 2 Präparaten für eine Indikation ohne synergistischen Effekt wird eines davon abgesetzt.

    • Für den intra- und postoperativen Verlauf wird mit jedem Ausschalten zusätzlicher Risikofaktoren—ob durch weitergeführte Medikationsfehler, Übertragungsfehler, zu geringe Beachtung von Nebenwirkungen oder unerwünschten Arzneimittelwirkungen—ein Beitrag zur Arzneimittelsicherheit erzielt.

    • Der bereits aufgrund der Tabelle 3 postulierte Benefit für den Patienten ist quantifizierbar und reicht vom verbesserten Patientenkomfort bis zur Vermeidung/Bereinigung schwerer Arzneimittelnebenwirkungen.

  • Vorteile für den behandelnden Arzt:

    • Hinweise zu beispielsweise grenzwertigen Dosierungen durch den bzw. die vorbehandelnden Ärzte werden sofort diskutiert und ggf. verändert.

    • Der Stationsarzt wird ohne aufwendige eigene Recherche über Dosierung, Nebenwirkungen und Interaktionen exotischer Medikamente informiert und profitiert somit von den pharmakologischen Spezialkenntnissen des Apothekers.

  • Vorteile für die Klinikapotheke:

    • Der Apotheker kann vermehrt klinische Erfahrung sammeln. Sein Blick für die klinische Relevanz diverser Nebenwirkungen in der Praxis wird geschult.

    • Die Klinikapotheke wird verstärkt in den klinischen Alltag einbezogen.

    • Durch die genauere Kenntnis der standardisierten Therapieschemata im Stationsalltag werden von Seiten der Apotheke auch hier Einsparungsmöglichkeiten eher erkannt und können entsprechende Vorschläge eingebracht werden.

  • Vorteile für den weiterbehandelnden Arzt:

    • Die Informationsweitergabe der Medikationsverordnung an die weiterbehandelnden Ärzte wird präziser.

    • Durch die Information des niedergelassenen Arztes mittels Entlassungsbrief ergibt sich für diesen u. U. ein Einsparungspotential.

  • Allgemeine Vorteile:

    • Bei den aus Kostengründen zu niedrig dosierten Präparaten zur Prophylaxe—auffällig hierbei die zu niedrige Dosierung der CSE-Hemmer und Osteoporoseprophylaktika—wird die neue Verordnung teurer sein. Allerdings müssen hier die Folgekosten, die durch die mangelnde Prävention entstehen, mit eingerechnet werden, sodass die teurere Therapie letztendlich zu einer wirtschaftlicheren Therapie wird.

    • Die Überprüfung der Gesamtmedikation kann bei Doppelverordnungen und Weiterverordnung nach Wegfall der Indikation zu erheblichen Einsparungen führen.

    • Unerwünschte Nebenwirkungen führen laut einer Studie in den USA [10, 11] bei 2% aller Patienten zu einer Verlängerung des stationären Aufenthalts mit einer durchschnittlichen Kostensteigerung von 5139 EUR/betroffenem Patienten. Ähnliche Studien aus Europa (Dänemark [12], Frankreich [13], UK [14] und Italien [15]) weisen sowohl für unerwünschte Medikamentennebenwirkungen, als auch für Medikationsfehler ähnliche Zahlen (zw. 1,1% und 5,4% der Patientenaufenthalte) und Kosten auf. Der derzeitige Kostendruck im Gesundheitswesen ist enorm. Zusätzlich müssen, durch die Einführung der DRG, die Liegezeiten der Patienten deutlich verringert werden. Dadurch ist es zwingend notwenig die Behandlung jedes einzelnen Patienten zu optimieren. Das bedeutet auch, dass Kostensteigerungen durch Medikationsfehler unabhängig von Ihrer Entstehungsursache prä- oder intraklinisch soweit als möglich reduziert werden müssen.

    • Neben der erreichten Qualitätssicherung im Patientenbehandlungsablauf können derartige Serviceleistungen als wichtiges Marketinginstrument genutzt werden, da der zunehmende Wettbewerb der Kliniken untereinander es erfordert, dass die Vorteile der Behandlung in einer Klinik, die derartige Qualitätssicherungsmaßnahmen anbietet, dem Patienten und dem zuweisenden Arzt deutlich gemacht werden.