Die perkutane Vertebroplastie (pVP) stellt in der Behandlung der osteoporotischen Sinterungsfraktur des Wirbelkörpers eine vergleichsweise neue Therapieoption dar. Erstmals publiziert 1987 im Zusammenhang mit der Behandlung vertebraler Hämangiome bzw. der von Wirbelkörpermetastasen [9] ist sie heute eine in der Behandlung der Folgen der Osteoporose an der Wirbelsäule weltweit anerkannte Therapieoption [11].

Der Effekt der Vertebroplastie beruht offenbar auf unterschiedlichen Mechanismen: Ausschaltung schmerzhafter Mikrobewegungen durch Polymethylmethacrylat- (PMMA-) Stabilisierung des gesinterten Wirbelkörpers [3, 20], die Schmerzfreiheit durch Schädigung neuronalen Gewebes im Rahmen der exothermen Reaktion bei der Aushärtung des eingebrachten PMMA [5]. Schießlich wird auch eine toxische Wirkung des PMMA-Monomers diskutiert [8].

Die perkutane Vertebroplastie ist in der Behandlung der osteoporotischen Sinterungsfraktur nicht unumstritten. Bislang fehlen kontrollierte klinische Studien, die die Überlegenheit der Vertebroplastie gegenüber der konservativen Behandlung zeigen [11]. Die Skeptiker der Methode weisen vor dem Hintergrund der hervorragenden Behandlungsergebnisse der konservativen Therapiemaßnahmen auch auf die Komplikationen der pVP hin [11, 24], die selten sind.

Weniger gravierende Komplikationen der Vertebroplastie werden in Übersichten mit einer Rate zwischen 1% und 10% [7, 14, 22] angegeben. Im Rahmen von Kasuistiken wurden auch schwerwiegende Komplikationen der Maßnahme beschrieben, insbesondere die (paradoxe) zerebral-arterielle Embolie [18], der intradurale Zementaustritt [19], die Rückenmarkkompression [13, 17], die Paraplegie [13] und die PMMA-bedingte pulmonalarterielle Embolie [2, 4, 6, 10, 16, 21].

Auch an unserer Institution ist die perkutane Vertebroplastie etabliert. Da sich im Rahmen einer solchen Maßnahme eine PMMA-bedingte Lungenembolie ereignete, war uns dies in Anbetracht der Seltenheit dieser Komplikation Anlass, diesen Fall aufzuarbeiten und vor dem Hintergrund der relevanten Literatur zu diskutieren.

Fallbericht

Die 80-jährige Patientin wurde uns aus einem externen Krankenhaus aufgrund einer schmerzhaften, alten, osteoporotischen Sinterung des LWK 1 vorgestellt. Computertomographisch lag bei fehlender neurologischer Symptomatik eine absolute Spinalkanalstenose vor (Abb. 1). Wir sahen bei hohem subjektiven Leidensdruck die Indikation zur dorsoventralen Spondylodese.

Abb. 1
figure 1

CT: LWK 1, axiale Schichten präoperativ

Wie bei anderen Patienten mit vergleichbarer Problemstellung und schwerer Osteoporose zuvor, führten wir auch bei dieser Patientin eine perkutane Vertebroplastie des darüber- bzw. darunter liegenden Wirbelkörpers im Sinne einer Wirbelkörperaugmentation durch.

Während der Vertebroplastie, die unter Durchleuchtung durchgeführt wurde, zeigte sich bei der Intervention an Th12 ein Abfließen des eingebrachten Zements (Osteopal; Fa. Biomet Merck, Zusatz von Tantal-Pulver; Abb. 2). Nachdem zunächst der Verdacht auf eine Zementposition im Bereich der V. cava inferior vorlag, zeigte die definitive Abklärung mittels CT die Lokalisation des ca. 18 mm durchmessenden Zementembolus in der unteren rechten Pulmonalarterie (Abb. 3).

Abb. 2
figure 2

CT: BWK 11 bis LWK 3 nach Vertebroplastie, sagittale Schnittebenen

Abb. 3
figure 3

Thorax-CT mit Darstellung des PMMA-Embolus intraluminal der rechten Unterlappenarterie

Bei klinischer Beschwerdefreiheit, ungestörtem Gasaustausch und unauffälligem Ventilations-/Perfusionsszintigramm erfolgte unter prophylaktischer Vollheparinisierung der Patientin die dorsoventrale Spondylodese Th12-L2 in geplanter Weise (Abb. 4; USS Th12-L2 mit Querverbinder, SYNEX®-Implantation).

Abb. 4
figure 4

Konventioneller postoperativer Röntgenbefund

Während des peri- und postoperativen Verlaufs traten keine Komplikationen auf, wobei der Behandlungsverlauf passager durch ein Durchgangssyndrom geprägt wurde. Wir verlegten die Patientin am 13. postoperativen Tag in eine Rehabilitationseinrichtung.

Diskussion

Die PMMA-bedingte Lungenembolie stellt in Anbetracht der Häufigkeit der weltweit durchgeführten, perkutanen Vertebroplastien in Bezug auf die Komplikationen dieser Maßnahme eine Rarität dar. Bislang wurden 7 derartige Fälle in der Literatur beschrieben. Bei 4 der 7 publizierten Patienten erfolgte die perkutane Vertebroplastie im Rahmen der Therapie eines Malignoms bzw. einer Metastase eines Wirbelkörpers bei zumeist gleichzeitiger pVP auf mehreren Wirbelkörperhöhen [10, 16]. Bei einem Patienten lag als Grunderkrankung eine Osteogenesis imperfecta vor [21], in 2 Fällen bleibt die Indikation für die pVP unklar [4, 14].

Scroop et al. [18] berichten in ihrer Kasuistik einer paradoxen zerebral-arteriellen PMMA-Embolie über das Auftreten von diffusen intrapulmonalen Zementembolien im Rahmen einer offen-chirurgischen Vertebroplastie.

Der Literatur zufolge ist die Ausbildung einer PMMA-bedingten Lungenembolie offenbar in hohem Maße mit der Hypervaskularisation des Wirbelkörpers assoziiert, wie sie bei Malignomen auftritt. Daneben stellt die einzeitige Versorgung mehrerer Wirbelkörper wohl ebenfalls einen prädisponierenden Faktor dar.

Bezüglich der Pathogenese erscheint es bei derartigen Komplikationen plausibel, dass während des Einbringen des Zements dieser durch die Drucksteigerung innerhalb des Wirbelkörpers über die venöse Strombahn abfließt, d. h. über die Vv. basivertebrales zunächst in den Plexus venosi spinalis externi anterior bzw. in die prävertebral gelegenen Venenplexus. Von dort erfolgt der Abfluss weiter über Verbindungen zur V. cava inferior, die Segmentvenen sowie prävertebrale Anastomosen in die Vv. intercostales, lumbales et sacrales bzw. die Vv. radiculares magna, welche wiederum in die V. cava inferior drainieren.

Dies ist möglich, sofern der bei der Vertebroplastie in den Wirbelkörper eingebrachte Zement bei entsprechend hohem Einbringdruck von genügend niedriger Viskosität ist oder falls bei vorgenannten Bedingungen ein Gefäß direkt punktiert wird. Schließlich kann ein Zementausritt beim frakturierten Wirbelkörper auch via des kortikalen Defekts erfolgen. In unserem Fall erfolgte der Zementabfluss bei der Augmentation eines intakten Wirbelkörpers.

In Abhängigkeit der Zeit erfolgt die Embolie dort, wo die intravaskulär ablaufende Polymerisation die Viskosität des Zements derart erhöht, dass ein Weitertransport mit dem Blutstrom nicht mehr möglich ist.

Interessanterweise ist in diesem Zusammenhang bei der pVP im Tiermodell bei der transösöphagealen Echokardiographie „ein Regen von echogenem Material in der Pulmonalarterie“ von einer Dauer von fast 2,5 min nachgewiesen worden [1]—ähnlich den bekannten Phänomenen im Rahmen z. B. der Hüftendoprothetik beim Menschen, dort auch mit Kreislaufreaktionen wie insbesondere Blutdruckabfall. Der Nachweis einer symptomatischen pulmonalen Fettembolie bei Menschen im Rahmen der pVP steht jedoch noch aus [11]. Auch findet sich in der relevanten Literatur bislang lediglich eine Mitteilung bezüglich einer pVP-induzierten Hypotension [23], eines der am häufigsten anzutreffenden klinischen Symptome der pulmonalarteriellen Embolie, gleich welcher Genese.

Eine neuere große Fallserie von Kaufmann et al. [12] bestätigt die offenbar fehlenden hämodynamischen Auswirkungen im Rahmen der perkutanen Vertebroplastie. Etwa 80% der thrombusbedingten Lungenembolien (LE) verlaufen klinisch stumm. Nur 1/3 der Embolien wird vor dem Tod überhaupt diagnostiziert.

In Anbetracht der in der Literatur beschriebenen Häufigkeit des perivertebralen Zementabflusses (zwischen 11% und 73%), [13, 19] ist die beschriebene Komplikation eine Rarität. Die Ergebnisse einer aktuellen Analyse jedoch zeigt retrospektiv mittels des Vergleiches von CT- und konventionellen Röntgenbildern, dass sich computertomographisch in nahezu 100% der Vertebroplastien lokal ein perivertebraler Zementabfluss fand, der konventionell in diesem Ausmaß nicht nachweisbar war [25]. Über den Verbleib der hierbei möglicherweise auch mit dem Blutstrom abgeflossenen Zementanteile wagen die Autoren der genannten Untersuchung keine Schlussfolgerungen. Die Seltenheit der von uns dargestellten Komplikation ist daher möglicherweise eine Folge der ausgebliebenen Diagnostik, zu der bei visuell nicht erfasstem abfließenden Zement und fehlender Klinik für eine Lungenembolie keine Notwendigkeit besteht.

Unser Fall unterstreicht die Notwendigkeit einer hochwertigen Durchleuchtungsmöglichkeit sowie eine gute Röntgensichtbarkeit des Zements für diese Eingriffe. Letzteres erreichen wir durch Zusatz von 2–4 g Tantalpulver zu den etwa 10 ml fertigen Zementvolumen.

Obwohl diese Bedingungen in unserem Fall gegeben waren, trat ein perivertebraler Zementabfluss mit anschließender LE auf. Bei intaktem Wirbelkörper lässt sich dies plausibel nur durch Gefäßanschluss bei der Zementinjektion erklären. Möglicherweise wäre dies durch eine präinterventionelle Venographie zu verhindern gewesen.

Die Therapie der LE, gleich welcher Genese, erfolgt in Abhängigkeit ihres Schweregrades, zumeist symptomatisch. In unserem Fall bestand keine klinisch fassbare Symptomatik. Eine Therapie war daher nicht erforderlich, die Patientin wurde lediglich überwacht.

In der relevanten Literatur wird in Analogie zur thrombusbedingten LE zumeist ebenfalls die symtomatisch-konservative Therapie hervorgehoben. In einem Fall einer zementbedingten LE wird über die erfolgreiche operative Zementembolektomie nach fulminanter Embolie berichtet [21]. Bei unserer asymptomatischen Patientin sahen wir bei szintigraphisch fehlendem Perfusionsausfall keine Indikation zur operativen Entfernung des Zementembolus.

Bei einem szintigraphisch nachweislichen Perfusionsausfall, würden wir aufgrund der zu erwartenden pulmonalen Komplikationen die Indikation zur operativen Revision großzügig stellen, zumal eine medikamentöse Wiedereröffnung der Strombahn ausgeschlossen scheint [21].

Bezüglich der perioperativen Antikoagulation orientierten wir uns an den Empfehlungen im Zusammenhang mit der thrombusbedingten LE. Es erfolgte zunächst daher eine Vollheparinisierung mit dem Zweck der Vermeidung eines Appositionsthrombus.

Hinsichtlich der Antikoagulation im Rahmen der Sekundärprophylaxe entband uns ein bislang unbehandeltes, chronisches Vorhofflimmern von weiteren Überlegungen, da hier ohnehin die therapeutische Markumarisierung erforderlich wurde. Vom Vorhofflimmern in diesem speziellen Fall einmal abgesehen, würden wir aufgrund der potentiellen Thrombogenität und der zu erwartenden Persistenz des pulmonalarteriellen Zementpropfes die Langzeitantikoagulation mit Cumarinen empfehlen.

Die Letalität der thrombusbedingten LE beträgt durchschnittlich 10%. Die der PMMA-bedingten LE scheint nach den nunmehr vorliegenden Daten eine etwas günstigere Prognose zu besitzen. Gleichwohl gestattet die weltweit bislang geringe bekannt gewordene Fallzahl hierüber keine validen Aussagen.

Bei der perkutanen Vertebroplastie kommt es offenbar in einem weit höheren Maße als bislang angenommen zu einem perivertebralen Zementabfluss. Vor dem Hintergrund der guten Ergebnisse der konservativen Behandlung der osteoporotischen Wirbelkörperfraktur ist dieser Zementaustritt potentiell mit einem hohen Risiko sekundärer Komplikationen assoziiert.

Die Durchführung der perkutanen Vertebroplastie erfordert neben einer kritischen, einzelfallbezogenen Indikationsstellung höchste Sorgfalt bei der Anwendung, die Einhaltung technischer Grundvoraussetzungen sowie insbesondere das Bewusstsein um die lokal-anatomischen Gegebenheiten und der sich hieraus individuell ergebenden Komplikationsmöglichkeiten.

Die kürzlich erschienenen Warnhinweise der britischen „Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency“ bezüglich der Risiken einer Anwendung von Knochenzementen im Bereich der Wirbelsäule [15] untermauern in Anbetracht der allgemeinen Begeisterung für die perkutane Vertebroplastie die Notwendigkeit einer strengen Indikationsstellung.

Die Warnungen der britischen Behörde wurden zwischenzeitlich in Deutschland über das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) unverändert an die einschlägigen Fachgesellschaften weitergeleitet.