Grundlagen

Pathophysiologie

Es zählt zu den ureigensten ärztlichen Aufgaben, den Patienten von Schmerzen zu befreien. Schmerzen lassen den Patienten nicht nur psychisch im Sinn des Wortes zum „Leidenden“ werden. Sie haben darüber hinaus negative somatische Effekte insbesondere auf das respiratorische und kardiovaskuläre System, die den Heilungsverlauf ungünstig beeinflussen können.

So fördert eine schmerzbedingt flache Atmung mit fehlendem Abhusten die Bildung von Atelektasen mit nachfolgender Pneumonie, während die Aktivierung des sympatoadrenergen Systems mit Tachykardie, Blutdruckanstieg, peripherer Vasokonstriktion und Zunahme des myokardialen Sauerstoffverbrauchs letztlich eine Myokardischämie herbeiführen kann.

Die Hoffnung, dass eine suffiziente Schmerztherapie mit einer deutlichen Reduktion der postoperativen Stressreaktion einhergeht, hat sich allerdings nicht bestätigt. So konnte gezeigt werden [2], dass eine subjektiv als exzellent empfundene Schmerztherapie nicht zwingend mit einem Rückgang der plasmatischen endokrinen Stressparameter verbunden ist. Der Schmerz stellt—zumindest in der unmittelbaren postoperativen Phase—nicht den entscheidenden Stressor dar, und Schmerzfreiheit ist nicht mit Stressfreiheit gleichzusetzen. Gerade in der frühen postoperativen Phase dominieren andere Stressoren als der Schmerz. Diese humoralen und nervalen Stressoren haben ihren Ursprung u. a. im Gewebetrauma mit Freisetzung von Mediatorsubstanzen wie Zytokinen, die durch eine noch so suffiziente, peripher oder zentral ansetzende sensible Blockade nicht auszuschalten sind. Dem Wert der Schmerztherapie tut dies keinen Abbruch.

Organisation und allgemeine Praxis

Zur Umsetzung einer effizienten perioperativen Schmerztherapie sind klare organisatorische Vorgaben erforderlich. Die allgemeine Zuständigkeit sowie Indikation, Auswahl und Dosierung der Medikamente bzw. Verfahren sollen vorab definiert werden, damit im Normalfall schnell und routiniert gehandelt werden kann.

Die unmittelbare postoperative Schmerztherapie wird häufig vom Anästhesisten auf dem Narkoseprotokoll verordnet und im Aufwachraum begonnen. Dies ist sinnvoll, weil der Anästhesist den Übergang von der intra- zur postoperativen Analgesie am besten beurteilen und den initialen Erfolg leicht kontrollieren kann. Die Verantwortung für die Durchführung und Überwachung der vom Anästhesisten angeordneten Therapie geht nach Verlegung auf die Normalstation auf die Mitarbeiter des dortigen Pflegedienstes über. Die Verantwortung für eine Änderung dieser vorgeschlagenen Therapie trägt der Stationsarzt [5].

Für die allgemeine perioperative (nicht unmittelbar postoperative) analgetische Versorgung der Patienten auf den Normalstationen ist die jeweilige operative Abteilung verantwortlich, die ggf. konsiliarisch oder therapieführend vom Akutschmerzdienst der Anästhesieabteilung unterstützt wird. Hierzu sind klare Absprachen erforderlich [5].

Die wichtigsten Grundregeln für die praktische analgetische Versorgung der Patienten sind:

  • Menschlicher Zuspruch und Zuwendung sind wichtige Basisanalgetika, die von jedermann einsetzbar sind und auch vom Arzt nicht vergessen werden dürfen.

  • Die mitunter (immer noch) geäußerte Befürchtung, die Analgesie könne die Diagnose verschleiern, ist bei sorgfältiger Erhebung von Anamnese und Befund unbegründet und muss der Vergangenheit angehören.

  • Der Patient ist schon präoperativ über evtl. postoperative Schmerzen und deren Therapie aufzuklären. Dies kann sowohl durch den Operateur als auch durch den Anästhesisten erfolgen, sofern dieser in die postoperative Schmerztherapie involviert ist.

  • Die Beurteilung der postoperativen Schmerzintensität geht auch in die Bewertung ein, ob ein Eingriff ambulant durchgeführt werden kann.

  • Schmerz ist eine vom Patienten subjektiv empfundene Störung, die regelmäßig nur von diesem selbst zu bewerten ist und von Ärzten und Pflegepersonal falsch eingeschätzt werden kann.

    Zur Beurteilung der subjektiven Schmerzintensität hat sich die visuelle Analogskala (VAS) bewährt. Dazu stellt der Patient auf einem 10 cm langen Lineal „blind“ einen Wert zwischen 0 und 100 (oder auch 10) ein, der einer Schmerzintensität von „kein Schmerz“ bis „unerträglicher Schmerz“ entspricht. Die VAS dient insbesondere der Objektivierung des Therapieerfolgs.

  • Im Einzelfall ist auch auf Normalstationen—neben der Überwachung des Patienten mit wachen Sinnen—die technische Überwachung mit EKG, Pulsoxymeter und Blutdruckmessung erforderlich, um eine opioidbedingte Atemdepression, systemische Effekte von Lokalanästhetika (LA) oder die inadäquate Ausbreitung einer rückenmarknahen Analgesie zu erfassen. Ebenso kann eine Sauerstoffzufuhr von 3–5 l/min über eine Nasensonde notwendig werden.

Bei schwersten Schmerzen soll zumindest die initiale Analgesie unter Intensivüberwachung erfolgen.

Systemische Analgesie

Allgemeines

Die systemische Analgesie ist schnell und unkompliziert einsetzbar und bildet den Grundpfeiler der perioperativen Analgesie.

Die in der systemischen perioperativen Schmerztherapie verwendeten Substanzen können grundsätzlich intravenös, intramuskulär, oral, sublingual, rektal oder transdermal zugeführt werden (Tabelle 1). Folgende allgemeine Regeln sind zu beachten:

Tabelle 1 Zusammenstellung von Applikationsweise, Dosierung und Hauptindikation der wesentlichen Analgetika zur postoperativen Schmerztherapie. (Nach [1])
  • Zur schnellen Therapie akuter Schmerzen und zur Vermeidung unkalkulierbarer Resorptionsphänomene sollen Analgetika möglichst über einen sicheren venösen Zugang mit laufender Infusion appliziert werden; andere Zufuhrwege sind vornehmlich bei chronischen Schmerzen zu nutzen.

  • Zunächst wird durch Bolusinjektionen eine schnelle Schmerzfreiheit angestrebt. Die Injektionen sollen titrierend und in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand erfolgen, um sowohl eine Unter- wie eine Überdosierung zu vermeiden. Insbesondere bei Opioiden ist Geduld erforderlich, um das volle Einsetzen der Wirkung zu ermöglichen und übereilte Nachinjektionen zu vermeiden.

  • Die initiale Schmerzfreiheit wird durch eine kontinuierliche Infusion oder geplante repetitive Gaben aufrechterhalten, um analgetische Lücken zu vermeiden.

Die zur systemischen Analgesie eingesetzten Medikamente werden in Nichtopioidanalgetika und Opioidanalgetika unterteilt.

Nichtopioidanalgetika

Nichtopioide sind hauptsächlich peripher wirksam und wurden daher früher „periphere Analgetika“ genannt. Ihre analgetische Wirkung beruht vorwiegend auf der Hemmung der Prostaglandin (PG)-Synthese im traumatisierten Gewebe sowie auf zusätzlichen zentralen Effekten und setzt in der Regel innerhalb von etwa 30 min ein; die Wirkung hält mehrere Stunden an. Acetylsalicylsäure (ASS) und—wenn auch geringer—andere nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac hemmen über die Cyclooxygenase (COX)-I nicht nur die PG-Synthese, sondern auch die Synthese von Thromboxan-A2 und damit die Thrombozytenaggregation. Darüber hinaus haben sie unterschiedlich starke entzündungshemmende (antiphlogistische) und fiebersenkende (antipyretische) Effekte, die wesentlich zu ihrer Indikation beitragen. So wirken Paracetamol und Metamizol vorwiegend analgetisch und antipyretisch, während Diclofenac eine ausgeprägte antiphlogistische Wirkung hat und häufig bei Schmerzen des Bewegungsapparats eingesetzt wird.

Die Nebenwirkungen der Nichtopioide sind insgesamt überschaubar. Bei kurzfristiger Anwendung sind als seltene Nebenwirkungen insbesondere gastrointestinale Störungen, wie Blutungen und Aktivierung von Ulzera, und bei disponierten Personen die Auslösung eines Asthmaanfalls durch Wegfall bronchodilatierender PG zu nennen. Zu den relativen Kontraindikationen zählen schwere Nieren- und Leberschäden sowie hämorrhagische Diathesen. Der Einsatz im 3. Trimenon einer Schwangerschaft ist regelmäßig kontraindiziert, weil die Hemmung der PG-Synthese zum vorzeitigen Verschluss des fetalen Ductus botalli sowie zur Wehenschwäche führen kann; darüber hinaus wird durch ASS und auch Diclofenac die Blutungsneigung bei Mutter und Kind erhöht.

Die Nichtopioidanalgetika bilden die Basis der perioperativen Schmerztherapie und sind bei leichten bis mäßigen Schmerzen indiziert. Wegen ihrer begrenzten analgetischen Potenz werden sie häufig mit Opioiden kombiniert. Ihr spezifischer Stellenwert liegt in der antipyretischen und antiphlogistischen Wirkung, letztere insbesondere bei Beteiligung des Bewegungsapparats.

Opioide

Opioide sind—bis auf Morphin selbst—natürliche oder synthetische Morphinabkömmlinge mit vorwiegend zentralen Wirkungen an verschiedenen Opioidrezeptoren. Da diese auch im traumatisierten Gewebe ausgeprägt werden können, ist die Bezeichnung „zentrale Analgetika“ nicht ganz korrekt. Die zur perioperativen Schmerztherapie eingesetzten Opioide sind meist Morphinagonisten und wirken vorwiegend am µ-Opioidrezeptor; ihr Effekt setzt innerhalb weniger Minuten ein und hält mehrere Stunden an.

Der µ-Opioidrezeptor vermittelt neben der analgetischen Wirkung jedoch auch die typischen Nebenwirkungen Atemdepression, Emesis, Obstipation und Miosis, die derzeit nicht von der analgetischen Wirkung zu trennen sind. Morphinagonisten können durch Naloxon vom Rezeptor verdrängt und damit antagonisiert werden.

Opioide werden als sehr potente Analgetika grundsätzlich allen klinischen Anforderungen gerecht. Ihre wesentliche Nebenwirkung ist die Atemdepression.

Der Übergang zwischen ausreichender Analgesie und relativer Überdosierung mit bedrohlicher Atemdepression ist schleichend („silent death“); daher sind Erfahrung sowie aufmerksame Beobachtung und Überwachung des Patienten unverzichtbar.

Medikamente

 

Alle Dosierungsangaben usw. beruhen auf der bei Erstellung des Manuskripts aktuellen Roten Liste [4] und sind im Einzelfall nochmals zu prüfen.

Acetylsalicylsäure (ASS, z. B. Aspirin®)

  • Indikation: Leichte bis mäßig starke Schmerzen, Fieber.

  • Dosis: RDE 0,5–1,0 g alle 6–8 h per os oder i.v.

  • THD: 3 g.

  • KI: hämorrhagische Diathese, Magen-Darm-Ulzera.

  • NW: gastrointestinale Beschwerden wie Magenschmerzen, Mikroblutungen, Ulzera.

  • SWS: kontraindiziert im 3. Trimenon (hohe Dosen) und in jedem Fall ab der 36. Schwangerschaftswoche (SSW); in der Stillzeit nur niedrige Dosen (strenge Indikation).

ASS ist ein potenter Hemmstoff der Thrombozytenaggregation; diese Eigenschaft ist perioperativ bedeutsam und zu beachten. So soll grundsätzlich bereits nach einer Einzeldosis von 0,1 g für 3–4 Tage keine rückenmarknahe Leitungsanästhesie erfolgen.

Paracetamol (z. B. ben-u-ron®)

  • Indikation: Leichte bis mäßig starke Schmerzen, Fieber.

  • Dosis: RDE 0,5–1,0 g alle 6–8 h per os oder rektal.

  • THD: 50 mg/kgKG.

  • KI: schwere Störungen der Nieren- und Leberfunktion.

  • NW: insgesamt nicht relevant.

  • SWS: jeweils strenge Indikationsstellung.

Die analgetische Potenz von Paracetamol entspricht insgesamt der von ASS, jedoch wird die Blutgerinnung nicht relevant beeinflusst. Paracetamol-Suppositorien werden häufig bei Säuglingen und Kleinkindern eingesetzt und sind hier das Mittel der ersten Wahl.

Diclofenac (z. B. Voltaren®)

  • Indikation: rheumatische und nichtrheumatische Schmerzen des Bewegungsapparats und nach entsprechenden Eingriffen.

  • Dosis: RDE 50 (–100) mg alle 8–12 h per os oder rektal bzw. einmalig 75 mg i.m.

  • THD: initial 150 mg, Erhaltungsdosis 100 mg.

  • KI: Magen-Darm-Ulzera, akute hepatische Porphyrie.

  • NW: Hemmung der Thrombozytenaggregation, gastrointestinale Störungen.

  • SWS: kontraindiziert im 3. Trimenon, strenge Indikationsstellung im 1. und 2. Trimenon und in der Stillzeit.

Diclofenac ist insbesondere bei Eingriffen am Bewegungsapparat indiziert.

Rofecoxib (VIOXX®)

  • Indikation: Reizzustände bei Arthrosen oder chronischer Polyarthritis.

  • Dosis: RDE 12,5–25 mg täglich per os.

  • THD: 25 mg.

  • KI: Magen-Darm-Ulzera/Blutungen, Störungen der Leber- und Nierenfunktion, angioneurotisches Ödem.

  • NW: Angioödem und Urtikaria (selten).

  • SWS: kontraindiziert im 3. Trimenon und in der Stillzeit.

Rofecoxib und weitere Vertreter dieser Gruppe zählen zu den COX-II-Hemmern, deren Effekte auf die Synthese von Thromboxan-A2 und damit auf die Thrombozytenaggregation geringer sind als die der COX-I-Hemmer. Der klinische Stellenwert dieser Stoffgruppe zur perioperativen Schmerztherapie ist derzeit offen.

Metamizol (z. B. Novalgin®)

  • Indikation: akute mittelgradige und starke Schmerzen, insbesondere Kolikschmerz und hohes Fieber.

  • Dosis: RDE 0,5–1,0 g (6,0–12,5 mg/kgKG) alle 6–8 h i.v., i.m. oder rektal bzw. 20–40 Tropfen per os; bei starken Schmerzen (Kolik) bis 2,5 g (30 mg/kg KG) i.v.

  • THD: 5 g.

  • KI: Säuglinge unter 3 Monaten oder 5 kg KG, akute hepatische Porphyrie.

  • NW: Blutdruckabfall bei schneller intravenöser Zufuhr.

  • SWS: kontraindiziert im 1. und 3. Trimenon sowie in der Stillzeit.

Wegen der Gefahr einer ausgeprägten Schockreaktion muss die intravenöse Zufuhr langsam erfolgen.

Tramadol (z. B. Tramal®)

  • Indikation: Mäßig starke bis starke Schmerzen.

  • Dosis: RDE 50–100 mg oder 20–40 Tropfen per os oder 100 mg i.m., s.c. oder langsam i.v.

  • THD: keine Angabe, Tagesregeldosis bis 400 mg oder mehr.

  • KI: Kinder unter 1 Jahr, Intoxikation, Bewusstseinsstörung, gestörte Atemfunktion, Gallenwegerkrankung.

  • NW: Übelkeit, Sedierung, Atemdepression.

  • SWS: keine relevante Einschränkung.

Tramadol zählt zu den schwachwirksamen Opioiden und kann oral, rektal und parenteral appliziert sowie inhaliert werden; weiter ist eine orale Retardform verfügbar. Die Substanz wird häufig mit Metamizol kombiniert. Tramadol zählt nicht zu den „Betäubungsmitteln“ (BtM) im Sinn des „Betäubungsmittelgesetzes“. Bei schneller intravenöser Injektion kommt es häufig zu Übelkeit und Erbrechen.

Tilidin-Naloxon (z. B. Valoron® N)

  • Indikation: Starke und sehr starke Schmerzen.

  • Dosis: RDE 50–100 mg (20–40 Tropfen) alle 4–8 h per os.

  • THD: 600 mg.

  • KI: bei sachgemäßer Anwendung keine.

  • NW: Sedierung, Atemdepression (selten bzw. gering ausgeprägt).

  • SWS: strenge Indikation in der Schwangerschaft; in der Stillzeit kontraindiziert.

Tilidin-Naloxon ist ein potenter partieller Morphinagonist und indiziert, wenn starke Schmerzen noch suffizient oral behandelt werden können. Die Kombination mit dem Antagonisten Naloxon soll die missbräuchliche Anwendung verhindern, da bei oraler Applikation das beigefügte Naloxon wegen des hohen hepatischen First-pass-Effekts nicht zur Wirkung kommt, während bei missbräuchlicher parenteraler Zufuhr eine Antagonisierung eintritt. Tilidin-Naloxon unterliegt nur der einfachen Rezeptpflicht.

Piritramid (Dipidolor®)

  • Indikation: starke und stärkste Schmerzen.

  • Dosis: RDE etwa 7,5 mg (0,1 mg/kg KG) langsam i.v. (bis 22,5 mg); ggf. alle 6–8 h wiederholen.

  • THD: keine Angabe.

  • KI: Kinder unter 1 Jahr, Bewusstseinsstörung, gestörte Atemfunktion, Koma.

  • NW: Sedierung, Atemdepression.

  • SWS: in Schwangerschaft und Stillzeit strenge Indikationsstellung.

Piritramid wird wegen seiner guten Verträglichkeit und langen Wirkdauer von 4–6 h häufig zur perioperativen Schmerztherapie eingesetzt. Die analgetische und atemdepressive Potenz entspricht der von Morphin; im Unterschied zu dieser Substanz tritt jedoch keine relevante Histaminfreisetzung auf, die Gefahr einer Hypotension ist geringer. Piritramid unterliegt den Bestimmungen des „Betäubungsmittelgesetzes“.

Morphin

  • Indikation: starke und stärkste Schmerzen.

  • Dosis: RDE 5–10 mg langsam i.v. oder 10–20 mg i.m. oder s.c.; bei Bedarf alle 4–6 h wiederholen.

  • KI: bei sachgemäßer Anwendung keine.

  • NW: Histaminfreisetzung mit Hypotension, Tachykardie und Auslösung eines Asthmaanfalls.

  • SWS: strenge Indikationsstellung in der Stillzeit.

Morphin ist in einer Vielzahl von Zubereitungen verfügbar und wird zur Langzeittherapie chronischer Schmerzen sowie bei akuten Schmerzen (z. B. Myokardinfarkt) eingesetzt. Die Substanz unterliegt den Bestimmungen des „Betäubungsmittelgesetzes“.

Patientenkontrollierte Analgesie

„Patient controlled analgesia“ (PCA) ist ein Verfahren, bei dem der Patient über eine zuvor vom Arzt programmierte Spritzenpumpe seine Schmerzmedikation selbst steuert. Dies setzt einen verständigen, in die Technik eingewiesenen und kooperativen Patienten voraus und führt unter diesen Bedingungen häufig zu optimalen Ergebnissen.

Nach initialer suffizienter Analgesie durch titrierende Bolusgaben wird die Spritzenpumpe vom Arzt mit der Höhe der Einzeldosis (Bolus) sowie dem Applikationsintervall (Sperrzeit) programmiert; zusätzlich kann eine Maximaldosis eingestellt werden. Anschließend wird die Spritzenpumpe mit dem Patienten verbunden. Trotz grundsätzlicher Eignung vieler Opioide empfiehlt sich die Beschränkung auf in der jeweiligen Klinik etablierte Substanzen, sodass hier nur ein Beispiel erwähnt wird:

  • Pumpenfüllung mit 3 Ampullen Dipidolor® (6 ml = 45 mg) in 39 ml NaCl 0,9%; 1 ml dieser Lösung entspricht 1 mg Dipidolor,

  • Bolus 2–3 ml (= 2–3 mg),

  • Sperrzeit 12–15 min,

  • Maximaldosis 30 mg Dipidolor® in 4 h.

Falls innerhalb einer Stunde keine befriedigende Analgesie eintritt, wird die Bolusdosis erhöht; bei mangelndem Erfolg wird in einem 2. Schritt die Sperrzeit verkürzt. Ggf. werden zusätzlich Nichtopioide wie Diclofenac oder auch Metamizol kontrolliert appliziert. Weitere Opioide dürfen nur im Ausnahmefall und nach Rücksprache mit dem für die PCA verantwortlichen Arzt sowie unter Überwachung der Vitalfunktionen (Gefahr der Atemdepression) gegeben werden.

Zur Prophylaxe und Therapie von Übelkeit oder Erbrechen wird in der Regel Metoclopramid (30 Tropfen Paspertin®) eingesetzt. Falls am venösen Zugang der PCA zusätzlich eine Schwerkraftinfusion erfolgt, ist diese mit einem Rückschlagventil zu versehen, um eine versehentliche Infusion des Opioids in die Infusion mit evtl. nachfolgender Bolusinjektion zu vermeiden. Zur schnellen Antagonisierung bei Opioidüberdosierung muss Naloxon (Narcanti®; Ampulle 1 ml = 0,4 mg) unmittelbar verfügbar sein.

Regionalanalgesie und -anästhesie

Grundlagen

Eine Regionalanalgesie oder -anästhesie ist in der Regel hervorragend wirksam und vermeidet die Nebenwirkungen einer höherdosierten, systemischen Opioidzufuhr wie Atemdepression, Sedierung und Übelkeit.

Neben dem eigentlichen analgetischen Effekt haben die Regionalverfahren folgende allgemeine Vorteile:

  • Das Allgemeinbefinden des Patienten bleibt weitgehend unbeeinträchtigt.

  • Die LA-bedingte, systemimmanente Sympathikolyse verbessert die Durchblutung des betroffenen Areals.

  • Die thorakale und auch die lumbale Periduralanalgesie bzw. -anästhesie schwächen die systemische endokrine Stressantwort—hier insbesondere die sympathoadrenerge Reaktion—deutlich ab [2], was insbesondere bei Patienten mit Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen (koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus) vorteilhaft ist.

Regionalverfahren können präoperativ (z. B. 3-in-1-Block bei hüftnaher Fraktur), zur intraoperativen Anästhesie und nachfolgenden Analgesie (z. B. Blockade des Plexus axillaris) oder postoperativ eingesetzt werden. Stets ist eine vorausschauende Planung in enger Abstimmung mit den beteiligten Fachgebieten erforderlich.

Die Kathetertechnik ermöglicht die Fortsetzung der Blockade über einen längeren Zeitraum; einmalige Blockaden sind daher die Ausnahme. Zur Analgesie werden LA und—bei rückenmarknaher Applikation—auch Opioide verwendet. Die Substanzen werden als Bolus oder kontinuierliche Infusion appliziert. Sowohl bei der Kathetertechnik als auch bei der einmaligen Blockade soll die erste Injektion durch den Arzt erfolgen, der die entsprechende Punktion vorgenommen hat. Auch die Nachinjektionen beim Bolusverfahren sind grundsätzlich vom Arzt vorzunehmen. Die kontinuierliche Infusion über eine Spritzenpumpe vermeidet analgetische Lücken und erlaubt darüber hinaus ein patientenkontrolliertes Vorgehen. Dazu zählt insbesondere die PCEA (Patient Controlled Epidural Analgesia; patientenkontrollierte Epiduralanalgesie); jedoch kann auch eine axilläre Plexusblockade usw. patientenkontrolliert fortgesetzt werden.

Regionalverfahren sind absolut kontraindiziert bei Infektionen im Bereich der geplanten Punktionsstelle. Als relative Kontraindikation gelten Patienten mit peripheren Nervenschäden oder anderen neurologischen Erkrankungen (z. B. diabetische Neuropathie), die aus einem Kausalitätsbedürfnis heraus eine persistierende neurologische Symptomatik mit einer vorangegangenen Regionalanästhesie in Zusammenhang bringen können. Ggf. muss zuvor eine Vorstellung beim Neurologen mit Dokumentation des Ausgangsbefunds erfolgen.

Hämostaseologische Voraussetzungen

Bei peripheren Blockaden einschließlich der axillären Plexusanästhesie sind außer klinisch manifesten Gerinnungsstörungen keine besonderen hämostaseologischen Voraussetzungen zu beachten. Anders verhält es sich bei den rückenmarknahen Verfahren der Spinalanästhesie bzw. -analgesie (SPA), Epiduralanästhesie bzw. -analgesie (EDA) und kombinierten Spinal- und Epiduralanästhesie (CSE: combined spinal-epidural anaesthesia). Hier besteht die Gefahr der intraspinalen Blutung mit nachfolgender neurologischer Schädigung bis zur Querschnittläsion. Grundsätzlich gelten folgende Restriktionen (nach [3]):

  • Es soll ein aktueller Gerinnungsstatus vorliegen. Als Untergrenzen gelten eine Thrombozytenzahl >50.000/µl (je nach klinischer Situation auch mehr), eine partielle Thromboplastinzeit (PTT) <45 s und ein Quick-Wert >45%.

  • Abstände vor Punktion bzw. Katheterentfernung: niedrigdosiertes unfraktioniertes Heparin (UFH) 4 h; niedrigdosiertes niedermolekulares Heparin (NMH) 12 h; Einnahme von ASS mindestens 3 Tage, NSAR 1–2 Tage, Ticlopidin und Clopidogrel 7–10 Tage.

  • Abstände nach Punktion bzw. Katheterentfernung: niedrigdosiertes UFH 1 h, niedrigdosiertes NMH 4 h, ASS und NSAR erst nach Entfernung des Katheters.

  • Keine Punktion unter therapeutischer Antikoagulation oder manifester Gerinnungsstörung. Katheterentfernung nur, wenn das Gerinnungslabor kontrolliert und die Zufuhr von UFH 4 h unterbrochen wurde.

Substanzen

Die für rückenmarknahe und periphere Blockaden verwendeten LA unterscheiden sich insbesondere in Wirkdauer und Anschlagzeit:

  • Zu den mittellang wirkenden LA (bis etwa 2 h) mit kurzer Anschlagzeit zählen Mepivacain und Prilocain, die vorwiegend intraoperativ und selten zur postoperativen Schmerztherapie genutzt werden. Prilocain ist trotz seiner Eigenschaft als Methämoglobinbildner insgesamt weniger toxisch als Mepivacain und weist ein besonders gutes Penetrationsvermögen im Gewebe auf.

  • Langwirkende LA (5–6 h und mehr) mit allerdings längerer Anschlagzeit sind Bupivacain und Ropivacain, von denen Ropivacain eine geringere Kardiotoxizität aufweist und in geringer Konzentration eine bessere Unterscheidung von sensibler und motorischer Blockade erlaubt (sog. Differenzialblock).

Nach Katheteranlage wird oft eine Substanz mit kurzer Anschlagzeit injiziert, um die korrekte Lage zu kontrollieren. Anschließend kommt eine langwirkende Substanz zum Einsatz, wobei grundsätzlich die schon erwähnte Differenzialblockade angestrebt wird. Bei schmerzhaften Manövern (Krankengymnastik usw.) kann die Blockade vorübergehend durch ein kurzwirksames LA verstärkt werden.

Opioide werden allein oder in Kombination mit einem LA zur Katheter-EDA (K-EDA) benutzt. Zur EDA sind Sufentanil und Morphin zugelassen; Morphin darüber hinaus auch zur intrathekalen Applikation bei SPA, wobei diese Anwendung in der üblichen perioperativen Schmerztherapie keine wesentliche Rolle spielt.

Zur Co-Medikation bei unzureichender Analgesie kommen insbesondere Metamizol und Diclofenac in Frage.

Verfahren und Indikationen

Von einer Vielzahl möglicher Verfahren der postoperativen Regionalanalgesie sollen nur die wichtigsten genannt werden:

  • Die thorakale K-EDA wird insbesondere bei Thorakotomien und Rippenserienfrakturen eingesetzt.

  • Die lumbale K-EDA wird bei ausgedehnten Laparotomien (mit Zusatz von Morphin zur ausreichenden rostralen Ausbreitung) sowie bei Schmerzen im Bereich von Becken und unteren Extremitäten benutzt.

  • Die kontinuierliche Blockade des Plexus axillaris erfolgt meist über den axillären oder vertikalen infraklavikulären Zugang (VIP: vertikale infraklavikuläre Plexusblockade) und dient der Analgesie im Bereich der gesamten oberen Extremität. Die VIP erlaubt auch eine Schmerzausschaltung im Bereich des Schultergelenks.

  • Der 3-in-1-Block ist insbesondere bei Eingriffen im Bereich des Kniegelenks (einschließlich Endoprothetik) sowie bei hüftnahen Frakturen und Hüftgelenkersatz indiziert.

  • Ein Fußblock kommt bei Schmerzen im Bereich des Mittel- und Vorfußes in Betracht.

  • Darüber hinaus können die Nn. ulnaris, radialis und medianus gezielt blockiert werden.

Überwachung und Kontrolle

Wegen der Gefahr der primären oder sekundären Katheterfehllage mit entsprechenden systemischen Nebenwirkungen ist jede kontinuierliche Regionalanästhesie aufmerksam zu überwachen.

  • Bei allen Regionalverfahren kann es—schon primär während der Bolusapplikation oder sekundär nach Katheterdislokation und Infusion—zur unbemerkten intravasalen Applikation von LA mit systemischen Zeichen der Intoxikation wie Kribbeln und Sensibilitätsstörungen in nicht versorgten Bereichen (häufig perioral), Herzrhythmusstörungen, Bewusstseinstrübung und Krämpfen sowie letztlich zu Koma und Kreislaufzusammenbruch kommen.

  • Die akzidentelle intrathekale LA-Zufuhr über einen epiduralen Katheter führt zur aufsteigenden Parese mit Gefahr der Ateminsuffizienz („totale Spinalanästhesie“).

  • Heimtückischer ist die unbemerkte intrathekale Zufuhr von Opioiden mit zentraler Atemdepression und „silent death“.

Die Versorgung von Patienten mit rückenmarknaher Analgesie über eine K-EDA auf Normalstationen ist grundsätzlich problematisch und muss im Einzelfall erwogen werden, weil eine sekundäre Katheterdislokation nach intrathekal oder intravasal nicht auszuschließen ist. In vielen Kliniken wird die K-EDA daher nur unter intensivmedizinischer Überwachung mit LA und Opioiden versorgt, während auf der Normalstation nur die Bolusapplikation von LA mit nachfolgender Überwachung über 15–30 min zum Einsatz kommt.

Insgesamt gelten für die Überwachung der zur postoperativen Schmerztherapie eingesetzten Regionalverfahren („Schmerzkatheter“) folgende ergänzende Regeln (zu den Grundlagen s. Abschnitt „Organisation und allgemeine Praxis“):

  • Für jeden Patienten sind die anzuwendenden Substanzen, die Dosierungsintervalle, das Vorgehen bei unzureichender Wirkung sowie die Intervalle für Filter- und Spritzenwechsel usw. schriftlich anzuordnen.

  • Diese Anordnungen sollen möglichst täglich in Absprache vom Akutschmerzdienst sowie dem ärztlichen und pflegerischen Stationsteam geprüft und ggf. korrigiert werden.

  • Beim Verbandwechsel ist auf Entzündungszeichen wie Rötung, Schwellung und Sekretion im Bereich der Einstich- bzw. Kathetereintrittstelle zu achten.

  • Katheter, die 2 Tage nicht benutzt worden sind und erwartbar nicht mehr benötigt werden (keine Krankengymnastik usw.), sind zu entfernen.

  • Der Akutschmerzdienst soll in allen Zweifelsfällen zugezogen werden, bis die Neurologie wieder völlig normalisiert und die Einstichstelle reizlos ist. Darüber hinaus soll der Patient täglich durch einen Arzt oder eine speziell ausgebildete Pflegekraft des Akutschmerzdienstes visitiert werden.

Patienten mit einer Katheter-EDA zur Schmerztherapie sind besonders sorgfältig zu überwachen. Neu auftretende, insbesondere einseitige neurologische Symptome und deutliche Rückenschmerzen weisen auf eine intraspinale Raumforderung (Blutung, Abszess) hin und erfordern die sofortige Abklärung durch eine Kernspintomographie (nur ersatzweise Computertomographie).