Periprothetische Frakturen am distalen Femur werden in der Literatur mit einer Inzidenz von 0,3–2,5% angegeben [2, 6, 21]. In den meisten Fällen ereignet sich die Verletzung durch einen Bagatellsturz, selten bei Manipulationsversuchen zur Besserung einer eingeschränkten Kniegelenkbeweglichkeit [27]. Durch die steigende Lebenserwartung und die zunehmende prothetische Versorgung bei Gonarthrose ist in Zukunft von einer deutlichen Zunahme dieses Frakturtyps auszugehen.

Zur Therapie der dislozierten Frakturen finden verschiedene operative Verfahren Anwendung: die beschriebenen Komplikationsraten von 25–75% verdeutlichen die Herausforderungen, die sowohl an den Patienten als auch an den behandelnden Chirurgen gestellt werden [8, 10, 19]. Als Risikofaktoren gelten dabei Osteoporose, rheumathoide Arthritis, ein stattgehabter Prothesenwechsel sowie eine Kortikoidtherapie [3, 4, 19, 27].

Durch das meist fortgeschrittene Lebensalter der Patienten verbieten sich therapeutische Vorgehensweisen, die eine zu lange Immobilisationsdauer mit den damit verbundenen Komplikationen beinhalten. Anzustreben ist eine weichteilschonende, belastungsstabile Osteosynthese, die auch unter Berücksichtigung osteoporotischer Knochenverhältnisse einzusetzen ist.

Kregor et al. [14] stellten folgende Anforderungen an die osteosynthetische Versorgung periprothetischer Frakturen am distalen Femur:

  • Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Extremität wie vor dem Unfall,

  • minimal-invasives Vorgehen,

  • gipsfreie Nachbehandlung,

  • frühfunktionelle Nachbehandlung,

  • Primärversorgung ohne Spongiosaplastik,

  • geringes Infektionsrisiko,

  • einsetzbar bei verschiedenen Prothesentypen.

Sowohl die retrograde Marknagelung als auch das "less invasive stabilization system" (LISS) nehmen für sich in Anspruch, diesen Anforderungen zu genügen. Wir berichten in der vorliegenden Arbeit über unsere Erfahrungen und Ergebnisse sowie Problemen in der Versorgung von 18 periprothetischen Frakturen am distalen Femur sowohl mit der retrograden Marknagelung als auch mit dem LISS.

Patienten und Methodik

Vom 01.01.2000 bis zum 01.05.2002 wurden an der Chirurgischen Klinik und Poliklinik "Bergmannsheil" in Bochum 18 Patienten mit einer dislozierten suprakondylären Femurfraktur bei liegender Kniegelenkprothese operiert. 9 Patientinnen wurden dabei mit einem retrograden Marknagel [8 Patientinnen mit einem distalen Femurnagel (DFN) eine Patientin mit einem GSH-Nagel] versorgt. Diese Patientinnen wurden als Gruppe 1 zusammengefasst; 9 Patienten wurden mit dem LISS (Gruppe 2) versorgt.

Gemäß der Lewis-Rorabeck-Klassifikation fanden sich ausnahmslos Typ-II-Frakturen [16]. Gemäß der AO-Klassifikation wurden in Gruppe 1 insgesamt 4 A1-, 3 A2- und 2 A3-Frakturen dokumentiert. In Gruppe 2 waren 4 A1-, 2 A2- und 3 A3-Frakturen zu verzeichnen. Achsgeführte Prothesen wurden nicht berücksichtigt. Das mittlere Alter der 9 Frauen in Gruppe 1 belief sich auf 76,8 Jahre, das der 8 Frauen und des einen Mannes in Gruppe 2 auf 80,3 Jahre (Tabelle 1, 2). Alle Patienten waren vor dem Unfallereignis unter Berücksichtigung verschiedener Mobilitätsgrade gehfähig. Bei keinem Patienten wurde eine primäre Spongiosaplastik durchgeführt.

Tabelle 1 Daten der Patientinnen, die mit einem retrograden Marknagel versorgt wurden
Tabelle 2 Daten der Patienten, die mit dem LISS versorgt wurden

Alle Patienten wurden dem gleichen Nachbehandlungsschema unterzogen: ab dem 2. postoperativen Tag Beginn der frühfunktionellen Nachbehandlung mit isometrischen Übungen zum Muskelaufbau sowie Gangschulung. Zusätzlich wurde eine elektrische Bewegungsschiene mit initial 30° Beugung eingesetzt. Bis das gestreckte Bein angehoben werden konnte, wurden die Patienten mit einer abnehmbaren Orthese, die das betroffene Bein in Streckstellung hielt (Zimmer®-Schiene), mobilisiert. Angestrebt wurde eine Abrollbelastung über 4 Wochen, was jedoch aufgrund des Alters sowie der Compliance der Patienten nicht immer eingehalten werden konnte.

Postoperativ erfolgten Kontrolluntersuchungen in unserer Osteosynthesesprechstunde im Abstand von 4, 8 und 12 Wochen sowie nach 6 Monaten.

Ergebnisse

Bis auf eine Patientin, die uns 1 Tag nach dem Unfall mit einer Tibiakopfextension zuverlegt wurde, erfolgte die operative Versorgung der Frakturen noch am Unfalltag. Alle Frakturen ereigneten sich im Rahmen eines Sturzereignisses. Das Intervall zwischen Prothesenimplantation und Unfall betrug 5,3 Jahre in Gruppe 1 vs. 5,8 Jahre in Gruppe 2. Die Patienten aus beiden Gruppen konnten innerhalb der Osteosynthesesprechstunden nachuntersucht werden, wobei die Patientinnen 3 und 4 aus der Nagel-, sowie Patientin 5 aus der LISS-Gruppe aufgrund Ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr zur 6-Monats-Kontrolle erscheinen wollten, da nach Angaben der behandelnden Orthopäden/Hausärzte keine wesentlichen Probleme vorlagen. Der mittlere Nachbeobachtungszeitraum betrug 18,2 (6–35) Monate.

Wie aus den Tabellen 3 und 4 ersichtlich, wurden aufgrund eines Hämoglobinwertes <10,0 mg/dl präoperativ bei 2 Patientinnen aus Gruppe 1 und 2 Patienten aus Gruppe 2 jeweils 2 Blutkonserven verabreicht. Patientin 6 aus der 1. Gruppe erhielt zusätzlich 2 Erythrozytenkonzentrate am 2. postoperativen Tag.

Tabelle 3 Ergebnisse nach operativer Versorgung mit dem retrograden Marknagel
Tabelle 4 Ergebnisse nach operativer Versorgung mit dem LISS

Die jeweilige durchschnittliche Operationsdauer unterschied sich in beiden Gruppen mit annähernd 100 min kaum (Gruppe 1: 99,9 min, Gruppe 2: 102,3 min). Auch fanden sich keine wesentlichen Unterschiede bei Betrachtung der jeweiligen stationären Verweildauer mit 10,7 Tagen in Gruppe 1 und 12,8 Tagen in Gruppe 2.

Bei der Auswertung der Durchleuchtungszeiten mit dem Bildwandler zeigten sich jedoch deutliche Unterschiede: Während in Gruppe 1 die durchschnittliche Durchleuchtungszeit 3,8 min (69–608 s) betrug, war die Expositionsdauer in Gruppe 2 mit durchschnittlich 43 (16–64) s erheblich geringer.

Keine der Patientinnen wurde direkt nach Hause verlegt, es erfolgte die Weiterbehandlung im zuverlegenden Krankenhaus, einer geriatrischen Rehabilitationseinrichtung oder dem jeweiligen Seniorenwohnheim. Vollbelastung wurde in beiden Gruppen nach spätestens 6 Wochen erreicht. Bei keinem Patienten bestand die Notwendigkeit einer sekundären Spongiosaplastik. Eine ausgleichsbedürftige Beinlängendifferenz von >2 cm konnte bei keinem Patienten eruiert werden.

Signifikante Rotationsfehlstellungen waren bei keinem Patienten zu verzeichnen, wobei einschränkend hinzugefügt werden muss, dass routinemäßig keine Computertomographie (CT) zur Achsbestimmung durchgeführt wurde. 7 Patienten aus der Nagel- und 7 Patienten aus der LISS-Gruppe waren 6 Monate nach der Operation mit dem erzielten Ergebnis zufrieden. Jeweils 2 Patienten aus beiden Gruppen waren mit dem Operationsergebnis unter der Berücksichtigung des Mobilitätsgrades vor dem Unfallereignis und der Schmerzsymptomatik nicht zufrieden.

Bei der Auswertung der Komplikationen fand sich ein infiziertes, revisionsbedürftiges Hämatom in Gruppe 2, jedoch ohne weitere Konsequenzen. Aufgrund einer Dislokation des eingebrachten Osteosynthesematerials (Abb. 1, 2) musste bei einer Patientin eine Reosteosynthese nach retrograder Marknagelung erfolgen. Zusätzlich ist eine Valgusstellung von 18° zu erwähnen, wobei die Patientin mit dem Operationsergebnis zufrieden war und keinen weiteren Eingriff wünschte (Abb. 3).

Abb. 1
figure 1

Dislokation nach Versorgung einer periprothetischen Fraktur mit einem retrograden Marknagel

Abb. 2
figure 2

Knöchern konsolidierte Fraktur nach additiver Plattenosteosynthese 1 Jahr postoperativ

Abb. 3
figure 3

Postoperative Valgusstellung von 18° nach retrograder Marknagelung

6 Monate nach Nagelimplantation klagten noch 2 Patientinnen über Knieschmerzen im Bereich der Insertionsstelle, die präoperativ nicht vorhanden waren. In beiden Gruppen war trotz Arthrotomie kein Kniegelenkinfekt verzeichnet werden. Sowohl in der Nagel-als auch in der LISS-Gruppe entsprach bei 7 Patienten der Mobilitätsgrad dem Befund vor dem Unfallereignis (s. Tabelle 3, 4). Bei einer Patientin wurde nach Marknagelung eine Überstreckbarkeit des Kniegelenks von 10° im Vergleich zur Gegenseite festgestellt (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Überstreckbarkeit des Kniegelenks mit Ausheilung in Hyperextensionsfehlstellung aufgrund der nicht optimalen Insertionsstelle des Nagels

Bei 2 Patienten aus der LISS-Gruppe wurde einmal nach 10 und einmal nach 12 Monaten ein Prothesenwechsel bei Lockerung durchgeführt, wobei sich in den Unfallaufnahmen als auch in der Anamnese präoperativ keine Hinweise auf eine Prothesenlockerung ergaben.

Diskussion

Die optimale Therapie periprothetischer Femurfrakturen bei liegender Kniegelenkprothese ist für den behandelnden Chirugen nicht einfach abzuwägen. Neben dem Frakturtyp müssen zahlreiche weitere Faktoren wie z. B. der Mobilitätsgrad des Patienten, osteoporotische Knochenverhältnisse, der jeweilige Prothesentyp, internistische Begleiterkrankungen usw. berücksichtigt werden [1, 5, 7, 9]. Wie auch unsere Ergebnisse bestätigen, ereignen sich die meisten Frakturen bei Sturzereignissen durch die Wirkung axialer und Torsionscherkräfte [5, 27].

Uneinigkeit besteht in der Literatur noch über den Einfluss einer Notchplastik nach Implantation einer Prothese, die in 40% bis zu 52% der Fälle mit einer erhöhten Frakturanfälligkeit assoziiert sein soll [6, 8, 17, 18]. Gemäß den Ergebnissen von Figgie ist in 30% der Fälle die ventrale Femurkortikalis bei der Prothesenimplantation zu stark ausgekerbt, was mit einer verminderten Stabilität einhergeht [8].

Sisto et al. [27] sowie zahlreiche andere Untersucher konnten die Dominanz weiblicher Patienten, meist aufgrund ausgeprägter Osteoporose, nachweisen [5, 22]. Auch bei der Analyse unserer 18 Patienten fanden sich 17 Frauen.

In der Regel werden die periprothetischen Frakturen nach Lewis-Rorabeck [16] klassifiziert (Tabelle 5). Frakturen vom Typ I können auch konservativ durch Gipsimmobilisation behandelt werden, jedoch berichteten Culp et al. [5] von einer deutlich schlechteren Kniegelenksbeweglichkeit sowie einer Pseudarthrosenrate bis zu 20% nach konservativer Behandlung.

Tabelle 5 Fraktureinteilung nach Lewis-Rorabeck

Chen et al. [4] berichteten in einer Metaanalyse über zufriedenstellende Ergebnisse bei 83% der Patienten nach konservativer Behandlung unverschobener Frakturen. Jedoch sollte bei der Abwägung der einzelnen Therapieverfahren berücksichtigt werden, dass gerade diese Patienten mit ihren zahlreichen Nebenerkrankungen durch eine zu lange Immobilisationsphase mit all den möglichen Komplikationen wie z. B. der Entwicklung einer Thrombose, einer Lungenembolie oder eines Dekubitus um erheblich gefährdet sind. Daher sollte auch bei unverschobenen Frakturen in Einzelfällen die Indikation zur Osteosynthese gestellt werden. Dislozierte Frakturen sollten operativ versorgt werden, verschiedene Verfahren stehen dabei zur Auswahl. Erschwert wird die Wahl des geeigneten Implantats neben dem Allgemeinzustand des Patienten durch das Fehlen großer vergleichbarer Fallzahlen in der Literatur [7, 30]. Aufgrund der demographischen Entwicklung sowie der Ausweitung der Knieprothetik ist in Zukunft jedoch mit einer deutlichen Zunahme dieser Frakturen zu rechnen.

Vor einer operativen Versorgung ist dringend abzuklären, inwieweit eine Lockerung der Prothese vorliegt, da diese dann trotz des erhöhten operativen Aufwands, zumindest nach den Ergebnissen verschiedener Untersucher, gewechselt werden sollte [21]. Die Implantation einer Kondylenplatte als auch einer DCS oder anderer Plattensysteme erfordert die Freilegung der Frakturregion mit zusätzlicher Kompromittierung der Vaskularisierung des Knochens. Zusätzlich erschwert das Prothesendesign die optimale Positionierung der Implantate. Auch durch eine "biologische" Plattenosteosynthese kann der Operationserfolg durch die osteoporotischen Knochenverhältnisse erschwert werden. Zusätzliche Operationsverfahren wie z. B. die primäre Arthrodese sowie die Behandlung mit einem Fixateur konnten sich nicht durchsetzen [6, 8, 10, 26, 28].

Gerade im Hinblick auf ein möglichst weichteilschonendes Vorgehen ohne unnötige Deperiostierung der Knochens hat sich ein den letzten Jahren die retrograde Marknagelung als geeignete Alternative etabliert [10, 11, 29]. Eigene Untersuchungen an 6 Patienten, die mit GSH-Nagel versorgt wurden, erbrachten gute klinische Ergebnisse [30]: 5 Patienten erreichten wieder ihr präoperatives Bewegungsausmaß, es bestand keine Notwendigkeit für eine sekundäre Spongiosaplastik. Bei einem Patienten musste ein Streckdefizit von 10° sowie eine Valgusabweichung von ebenfalls 10° dokumentiert werden, postoperative Infektionen fanden sich nicht. Weber et al. [29] registrierten keine postoperativen Komplikationen bei 7 Patienten nach retrograder Marknagelung, Revisionseingriffe waren nicht notwendig.

Die Möglichkeit der mehrfachen Verriegelung, speziell mit der Spiralschraube beim DFN ermöglicht die frühfunktionelle Nachbehandlung durch die erhöhte Stabilität des eingebrachten Osteosynthesematerials. Der retrograde Marknagel kann jedoch nicht bei Prothesen mit einem intramedullären Führungsstiel eingebracht werden. Präoperativ sollte zusätzlich durch Patellatangentialaufnahmen überprüft werden, ob die interkondyläre Distanz das Einschlagen des Nagels erlaubt. Bei Unklarheiten empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit dem Prothesenhersteller. Die interkondyläre Distanz beträgt bei den gängigsten Prothesentypen 15–20 mm, sodass die Nagelinsertion problemlos möglich sein dürfte. In Übereinstimmung mit der gängigen Literatur klagten 6 Monate nach korrrekter Nagelimplantation noch 2 Patientinnen über Knieschmerzen, die anamnestisch vor der operativen Versorgung nicht vorhanden waren [20]. Holmenschlager et al. [13] fanden jedoch nach arthroskopiegestützter Metallentfernung von 18 langen DFN-Nägeln weder pathologische Veränderungen im femuropatellaren Gleitlager noch Knorpelschäden an der Einschlagstelle, sodass die Ursache der Kniegelenkbeschwerden nicht vollständig geklärt werden konnte.

Bereits bei distalen Femurfrakturen ohne liegende Prothese ergeben sich Achsfehlstellungen aufgrund der Nagelinsertionsstelle [22, 28]. Bei periprothetischen Frakturen ist die Nagelinsertion durch die Lage der Prothese erschwert, sodass es in einigen Fällen nicht möglich ist, den optimalen Eintrittspunkt zu wählen: So konnte bei Patientin Nr. 6 (s. Abb. 4) nicht der optimale Eintrittspunkt genutzt werden, wodurch eine Rekurvationsstellung toleriert werden musste, die schließlich in einer Überstreckbarkeit des Kniegelenks von 10° im Vergleich zur Gegenseite endete. Die Fraktur heilte jedoch problemlos aus, weitere operative Eingriffe waren nicht notwendig. Zu achten ist weiterhin auf eine ausreichende Nagellänge, um Achsabweichungen wie in Abb. 3 (Patientin 3) zu vermeiden. Gerade bei langen Spiralfrakturen lassen sich auf diese Weise unerwünschte Achsabweichungen umgehen. Jedoch ist mit zunehmender Nagellänge eine erhöhte Rotationsinstabilität zu berücksichtigen. Trotz korrekten Eintrittspunkts und intraoperativ zufriedenstellender Frakturversorgung musste bei einer 130 kg schweren Patientin nach Marknagelung eine Reosteosynthese bei Dislokation im Frakturbereich ergänzend durchgeführt werden (Patientin 9, s. Abb. 1, 2). Hier ist retrospektiv zu diskutieren, ob die distalen Frakturfragmente durch die Schrauben ausreichend stabilisiert waren. Im weiteren Verlauf fand sich eine knöcherne Konsolidierung der Fraktur nach Reosteosynthese, wobei die Patientin auch nach Metallentferung nicht komplett beschwerdefrei ist und Ihr früheres Mobilitätsniveau nicht mehr erreichte.

Mit der Einführung des LISS steht ein neuartiges, winkelstabiles Implantat zur Verfügung, das, wie die retrograde Marknagelung, unter dem Aspekt einer weichteilschonenden, biologischen Frakturversorgung eingesetzt wird [12, 23, 24, 25]. Das plattenähnliche Implantat sowie die dazugehörigen Verriegelungsschrauben fungieren als Fixateur interne und beeinträchtigen daher nicht die Durchblutung des Knochens unter der Platte. Obligat vor Anbringen des LISS ist die Reposition und temporäre Stabilisierung der Fraktur, die nicht über die Platte erfolgen kann. Durch das Einbringen der winkelstabilen Schrauben ist gerade bei osteoporotischen Knochenverhältnissen eine erhöhte Stabilität am distalen Fragment nachgewiesen [14].

Wie die Abb. 5 und 6 zeigen, ist die Versorgung einer distalen periprothetischen Femurfraktur bei liegender Hüftprothese ebenso möglich. Bei bereits liegender Hüftgelenkprothese sollte zur Vermeidung einer "Sollbruchstelle" die Versorgung mit einem langen winkelstabilen Implantat erfolgen.

Abb. 5
figure 5

Periprothetische distale Femurfraktur bei liegender Hüfttotalendoprothese

Abb. 6
figure 6

Distale Femurfraktur aus Abb. 5 versorgt mit langem LISS

Während Kregor bei der Versorgung von 13 Frakturen mit dem LISS keine postoperativen Infekte verzeichnete, musste bei einer unserer Patientinnen eine Wundrevision am 12. postoperativen Tag durchgeführt werden.

Die Lage und Form der femoralen Komponente kann auch beim LISS die optimale Positionierung beeinträchtigen. Das LISS erlaubt im Gegensatz zu konventionellen Plattensystemen kein weiteres Biegen der Platte zur optimalen Anpassung an den Knochen. In unserer Untersuchung wurde bei 2 Patienten aus der LISS-Gruppe nach 10 bzw. 12 Monaten ein Prothesenwechsel durchgeführt. Vor der primären Versorgung konnte zumindest radiologisch als auch klinisch eine Prothesenlockerung ausgeschlossen werden. Inwieweit jedoch die Prothese bereits gelockert war oder welchen Einfluß der Sturz und die nachfolgende Osteosynthese auf den Gesamtverlauf hatten, ist retrospektiv nicht mehr zu eruieren.

Schutz et al. [24, 25] konnten in einer Multicenter Studie nachweisen, dass, wie auch bei unseren Patienten, mit dem LISS am distalen Femur i. Allg. keine Indikation für eine primäre Spongiosaplastik besteht.

Schwierig bei beiden Implantaten ist die intraoperative Rotationskontrolle, die entweder nach der von Krettek [15] beschriebenen Methode oder durch einen Vergleich mit der gesunden Seite überprüft werden sollte.

Durch die geringe Anzahl von jeweils 9 Patienten in den beiden Gruppen ist eine statistische Aufarbeitung der Ergebnisse nicht durchführbar, zumindest lassen sich jedoch Tendenzen aufzeigen: So fanden sich in beiden Gruppen annähernd gleiche Operationszeiten von jeweils knapp 100 min. Auch wurde in beiden Gruppen die Vollbelastung nach spätestens 6 Wochen dokumentiert, so dass sich auch unter diesem Aspekt keine eindeutigen Vor- oder Nachteile für das jeweilige Implantat aufzeigen ließen.

Die Dauer des stationären Aufenthalts konnte nicht als Entscheidungskriterium herangezogen werden. Auch lassen sich keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Patientenzufriedenheit oder dem Mobilitätsgrad postoperativ nachweisen. Erhebliche Unterschiede konnten jedoch beim Vergleich der jeweiligen Durchleuchtungszeiten erhoben werden. Während mit dem LISS nur eine durchschnittliche Durchleuchtungszeit von 43 s zu verzeichnen wurde, waren in der Marknagelgruppe Patient und Operationspersonal immerhin einer durchschnittlichen Expositionszeit von 3,8 min ausgesetzt. Ursächlich wurde dabei in der Mehrzahl der Fälle Schwierigkeiten bei der proximalen Verriegelung bei adipösen Patienten angegeben.

Fazit für die Praxis

Sowohl die retrograde Marknagelung als auch das LISS eignen sich zur operativen Versorgung und frühfunktionellen Nachbehandlung periprothetischer distaler Femurfrakturen. Die intraoperative Rotationskontrolle ist bei beiden Implantaten problematisch. Beim retrograden Marknagel ist auf den optimalen Eintrittspunkt zu achten, während die LISS-Plattenpostionierung nach Frakturreposition durch das Prothesendesign erschwert sein kann. Die Durchleuchtungszeit in der Nagelgruppe war um das 5Fache verlängert. Bei Prothesen mit einem intramedullären Führungsstil ist der retrograde Marknagel nicht anwendbar.

Gerade bei langstreckigen Drehbrüchen sollte dem LISS der Vorzug gegeben werden, da mit diesem Implantat eine bessere Rotationsstabilität gewährleistet ist. Bei ausgeprägten osteoporotischen Knochenverhältnissen mit einem kurzen distalen Fragment sind mit dem LISS bessere Verankerungsmöglichkeiten der Schrauben möglich. Bei liegender Hüftprothese kann durch das Einbringen eines langen retrograden Marknagel bis zum distalen Ende der Hüftprothese eine Sollbruchstelle erzeugt werden. In diesen Fällen sollte eine langes LISS-Implantat gewählt werden, da durch spezielle Schrauben für periprothetische Frakturen eine monokortikale Verankerungsmöglichkeit zusätzlich vorhanden ist.

Der retrograde Marknagel eignet sich sehr gut bei Querbrüchen oder kurzstreckigen Drehbrüchen unter der Voraussetzung eines ausreichend großen distalen Frakturfragments. Bei einem weiten Markraum ist zu beachten, dass durch den größten Durchmesser des retrograden Marknagels von 12 mm nicht immer eine ausreichend feste Verankerung des Nagels im Markraum gewährleistet ist.

Auch wenn sich beide Implantate prinzipiell zur operativen Versorgung distaler, periprothetischer Femurfrakturen eignen, zeichnet sich das winkelstabile LISS durch einen breiteren Einsatzbereich aus. Gerade bei osteoporotischen Knochenverhältnissen mit einem kurzen distalen Fragment ist das LISS die bessere Alternative. Die Wahl des geeigneten Implantats sollte daher, abgesehen von der individuellen Erfahrung des Operateurs, für jeden Patienten individuell den Fraktur- und Prothesentyp, die Größe des distalen Frakturfragments, den Grad der Osteoporose sowie eine bereits implantierte Hüftendoprothese berücksichtigen.