Die dorsale Stabilisierung der Wirbelsäule bei Frakturen, Tumoren, Entzündungen, Deformitäten und degenerativ bedingten Instabilitäten mittels transpedikulärer Verschraubung hat sich seit den Beschreibungen von Roy-Camille weltweit verbreitet [25, 26]. Typischerweise kontrolliert der Operateur die Platzierung der Pedikelschrauben intraoperativ mit dem Röntgenbildverstärker im lateralen, ventrodorsalen oder schräg (5–20°) ventrodorsalen (bulls eye) Strahlengang [30].

Trotzdem führt die Platzierung von Pedikelschrauben an der Wirbelsäule in Abhängigkeit von den anatomischen Verhältnissen (Pedikeldurchmesser, Skoliose, Osteoporose etc.), dem zu operierenden Wirbelsäulenabschnitt [Brust- (BWS) oder Lendenwirbelsäule (LWS)] sowie der Technik des Operateurs zwangsläufig zu Fehlplatzierungen. In der Literatur wird die Fehlplatzierungsrate zwischen 10 und 40% angegeben [2, 6, 8, 10, 14, 19, 20].

Dabei finden sich im thorakalen Wirbelsäulenbereich aufgrund der geringeren Pedikeldurchmesser, der komplexen dreidimensionalen Struktur der Pedikel, der schwierigen anatomischen Orientierung und der v. a. im oberen BWS-Bereich schlechteren Darstellbarkeit der knöchernen Strukturen in der Durchleuchtung höhere Fehlplatzierungsraten als an der lumbalen Wirbelsäule. So kam es in einer Kadaverstudie von Xu et al. [33] in 54,7% der mit der Roy-Camille-Technik gesetzten thorakalen Pedikelschrauben zu Pedikelperforationen. Vaccaro et al. [31] fanden in einer ähnlichen Studie im Bereich (Brustwirbelkörper) BWK 4–12 von 90 gesetzten Schrauben 41,1% fehlplatziert. Davon waren 56,5% nach medial und 43,2% nach lateral perforiert.

Merloz et al. [21] bestimmten im Rahmen einer klinischen Studie im thorakolumbalen Bereich in der thorakalen Untergruppe mit 13 Patienten 46% Fehllagen, von denen 11 eine Fraktur hatten.

Liljenqvist et al. [17] fanden bei 120 thorakalen Pedikelschrauben bei 32 Patienten mit idiopathischer Skoliose eine Pedikelperforationsrate von 25% der gesetzten Schrauben. Belmont et al. [4] untersuchten nur die Schraubenplatzierung an der BWS und fanden 120 von 279 Schrauben (43%) nicht gänzlich im Pedikel liegend.

Die Einführung der computerassistierten Navigation von Pedikelschrauben an der Wirbelsäule in den klinischen Alltag in den 90er Jahren führte zu einer, in mehreren Studien untersuchten, signifikanten Senkung der Fehlplatzierungsraten auf deutlich <10% [5, 9, 12, 27].

Der Großteil dieser Studien bezieht sich vorwiegend auf die Anwendung im lumbalen und sakralen Bereich mit nur geringem Anteil an navigierten Brustwirbelkörpern. In den Studien mit thorakalen Untergruppen lag die Fehlplatzierungsrate zwischen 1–20% [2, 3, 15, 20].

Zusätzlich existieren einige In-vitro-Untersuchungen zur Navigation an der BWS, die Fehlplatzierungsraten von 4–19% zeigten [1, 13, 34]. In der Literatur ist aber bisher nur eine klinische Studie veröffentlicht, die sich allein auf die BWS bezieht: Youkilis et al. [36] werteten retrospektiv 224 thorakal navigierte Schrauben bei einem gemischten Patientengut mit postoperativen CT-Untersuchungen aus und kam auf eine Fehlplatzierungsrate von 8,5%. Bezüglich unfallchirurgischer Patienten, typischerweise mit frischen Frakturen, existieren keine Daten aus größeren Kollektiven.

Ziel dieser prospektiven Arbeit war es, die CT-basierte Navigation von Pedikelschrauben an der BWS mithilfe eines optoelektronischen Navigationssystems (SurgiGATE®, Fa. Medivision, STRATEC Medical, Oberdorf, Schweiz) bei Patienten mit Frakturen, Tumoren und Entzündungen zu überprüfen. Dabei wurde die Genauigkeit der Pedikelschraubenplatzierung postoperativ mithilfe von CT ausgewertet und mit den Ergebnissen von in gleichem Zeitraum konventionell eingebrachten Pedikelschrauben verglichen.

Material und Methoden

In einem Zeitraum von 19 Monaten wurden bei 85 Patienten, von denen 58 (68,2%) an einer Fraktur, 19 (22,4%) an einem Wirbelsäulentumor und 8 (9,4%) an einer Spondylodiszitis litten, 324 Pedikelschrauben in 162 Wirbelkörper an der BWS gesetzt. Bei den Patienten mit Frakturen fanden sich 33 A-Verletzungen (56,9%), 15 B-Verletzungen (25,9%) und 10 C-Verletzungen (17,2%) gemäß der AO-Einteilung nach Magerl [18].

Die Pedikelschrauben wurden typischerweise kranial und kaudal des betroffenen Wirbelkörpers eingebracht. Bei Patienten mit betroffenem 12. Brustwirbel oder 1. Lendenwirbel wurden deshalb jeweils nur die kranial gesetzten Pedikelschrauben in die Auswertung genommen. 44 (51,8%) der 85 Patienten wurden navigiert operiert, 29 (34,1%) konventionell. Bei 12 (14,1%) Patienten wurden die Pedikelschrauben teils navigiert, teils konventionell eingebracht. Von den insgesamt 324 Pedikelschrauben konnten schließlich 211 (65,1%) Schrauben navigiert und 113 (34,9%) Schrauben konventionell gesetzt werden. Die Verteilung der Patienten auf die navigierte bzw. konventionell operierte Gruppe war nicht randomisiert, sondern richtete sich nach der Verfügbarkeit der Navigation (Tabelle 1).

Tabelle 1 Patientendaten

Die Patienten beider Gruppen wurden von insgesamt 6 verschiedenen Operateuren unserer Klinik mit unterschiedlichem Erfahrungsstand versorgt. Mit der Bedienung des Navigationssystems waren 2 Assistenten beauftragt. Der überwiegende Teil der Operationen waren Notfall- bzw. dringliche Eingriffe. Patienten mit degenerativen Erkrankungen wurden nicht in die Studie eingeschlossen.

Das von uns verwendete optoelektronische Navigationssystem (SurgiGATE) ist seit 1994 im klinischen Einsatz und besteht aus einer zentralen Steuer- bzw. Rechnereinheit, einer Infrarotkamera (OPTOTRAK® 3020, Northern Digital Inc., Waterloo, Ontario, Kanada) und einem speziellen Operationsinstrumentarium. Das System wurde von seinen Entwicklern und von verschiedenen Anwendern bereits ausführlich beschrieben [7, 15, 23, 27, 32].

Als Datenbasis für die Navigation diente ein präoperatives CT mit 2 mm Schichtdicke. Der Tischvorschub des CT betrug maximal 2 mm, das Increment und die Schichtdicke ebenfalls maximal 2 mm. Die dafür als auch zur postoperativen Auswertung benutzten CT-Geräte waren das „SOMATOM Plus 4“ sowie das „SOMATOM Plus 4 Volume Zoom“ (Fa. Siemens, Erlangen).

Intraoperativ wurde der sog. Guidance-Modus der Navigation benutzt, bei dem sich der Operateur anhand einer präoperativ am Computer geplanten Trajektorie orientiert, die den Verlauf der Pedikelschraube simuliert. Zum Auffinden des korrekten Wirbelkörpers und zur abschließenden Lagekontrolle wurde ein Röntgenbildverstärker (EXPOSCOP 8000, Fa. Ziehm, Nürnberg) im lateralen Strahlengang benutzt.

Es wurden Pedikel- bzw. Schanz-Schrauben (Fa. Synthes, Mathys Medizinaltechnik AG, Bettlach, Schweiz) der Stärken 4, 5 und 6 mm abhängig vom Pedikeldurchmesser verwendet.

Bei der Vergleichsgruppe wurden die Pedikelschrauben nach der von Vaccaro et al. [31] beschriebenen Methode mit Röntgenbildverstärkerkontrolle im lateralen und a.-p.-Strahlengang eingebracht. Es wurden die gleichen Schraubenstärken wie in der navigierten Gruppe verwendet.

Intraoperativ wurde die Durchleuchtungszeit pro navigierter Schraube ermittelt, um eine Aussage über die tatsächliche Nutzung des Röntgenbildverstärkers während der Navigation zu gewinnen. Alle Patienten erhielten postoperativ neben konventionellen Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen (a.-p. sowie seitlich) ein CT in transversalen 2-mm-Schichten mit sagittalen 2D-Rekonstruktionen.

Zur Auswertung der Pedikelschraubenlage wurden die CT-Bilder analysiert. Dabei erfolgte die Auswertung der CT mithilfe der Siemens-Software an der „magic view“ einfach blind durch einen unabhängigen Radiologen. Zur Unterdrückung der Metallartefakte wurde ein „extended scale modus“ benutzt. Die Auswertung erfolgte nach einem standardisierten, optischen Schema zur Bestimmung der Schraubenlage [8, 16, 28, 31]. Dabei wurde die Schraubenlage wie folgt definiert [4, 8]:

  • zentriert im Pedikel liegend,

  • lateral oder medial die Pedikelwand um <2 mm penetrierend,

  • lateral oder medial die Pedikelwand zwischen 2,1 und 4 mm penetrierend,

  • lateral oder medial die Pedikelwand zwischen 4,1 und 6 mm penetrierend,

  • lateral oder medial die Pedikelwand zwischen 6,1 und 8 mm penetrierend.

Penetrationen bis 2 mm wurden als Perforation definiert, Penetrationen von >2 mm als Fehllagen. Bei einigen Patienten konnte die Schraubenlage aufgrund von Artefakten, die durch die Titanschrauben selber oder andere Implantate in der Nähe verursacht waren, nicht exakt in eine der Lagegruppen eingeordnet werden. Diese Schrauben wurden automatisch der nächst schlechteren Gruppe mit entsprechend größerer Perforation zugeordnet.

Im CT wurde zudem die Relation der bekannten Schraubendurchmesser zum Pedikeldurchmesser bestimmt. Schließlich wurde retrospektiv anhand der Patientenakten der neurologische Status der Patienten prä- und postoperativ miteinander verglichen.

Zur statistischen Auswertung wurde der χ2-Test nach Pearson sowie der exakte Test nach Fisher gewählt. Zur Berechung wurde das Softwareprogramm SPSS Version 10.0 (Chicago, USA) benutzt. Ein Wert von p<0,05 wurde als signifikant gewertet.

Ergebnisse

12 von 56 Patienten (21,4%) konnten nicht komplett navigiert werden. Bei diesen Patienten wurden dementsprechend einige Pedikelschrauben konventionell eingebracht. Dies hatte folgende Ursachen:

  • Verzögerungen beim Überspielen des CT auf den Datenträger,

  • nicht umfangreich genug durchgeführte präoperative CT mit Fehlen von Wirbelkörperanteilen,

  • keine akzeptablen Qualitätsindices beim Matching,

  • Processus-spinosus-Frakturen der zu navigierenden Wirbelkörper,

  • Laminektomie des zu navigierenden Wirbelkörpers.

Die Lage der Pedikelschrauben in der CT-Auswertung zeigt Tabelle 2. 174 (82,5%) von 211 navigiert eingebrachten Schrauben konnten korrekt im Pedikel platziert werden (Abb. 1, 2); 28 (13,3%) wiesen eine Pedikelperforation von ≤2 mm auf (Abb. 3). Insgesamt 9 (4,3%) Schrauben perforierten um >2 mm (Abb. 4); 2 (0,95%) dieser Schrauben wiesen sogar eine Pedikelperforation von 6,1–8,0 mm auf. Je eine Schraube davon nach lateral und nach medial (Abb. 5).

Tabelle 2 Übersicht Schraubenlagen
Abb. 1
figure 1

Anteil der perforierten Schrauben bezogen auf die Wirbelkörperhöhen in Prozent

Abb. 2
figure 2

Korrekter Sitz der Pedikelschrauben

Abb. 3
figure 3

Mediale Pedikelperforation ≤2 mm

Abb. 4
figure 4

Laterale Pedikelperforation <4 mm

Abb.5
figure 5

Mediale Pedikelperforation >6 mm

Auswertbare CT-Rekonstruktionen, die eine Aussage über eine kraniale oder kaudale Fehllage in der navigierten Gruppe ermöglichten, lagen nur für 170 der 211 Schrauben vor. Dabei kam es nur in 1 Fall (0,6%) bei BWK 4 zu einer kaudalen Fehllage von <2 mm.

In der Gruppe der konventionell eingebrachten Schrauben wurden 77 (68,1%) von 113 korrekt im Pedikel platziert. 20 (17,7%) wiesen eine Pedikelperforation von ≤2 mm auf, 16 (14,2%) Schrauben perforierten um >2 mm. Allerdings kam es zu keiner Fehllage von >6 mm.

Die Tabelle 3 zeigt die Fehlplatzierungen der navigierten und konventionellen Gruppe aufgeteilt nach medialer und lateraler Perforation.

Tabelle 3 Mediale und laterale Perforationen

In der navigierten Gruppe perforierten 26 (12,3%) Schrauben nach lateral und 11 (5,2%) nach medial. In der konventionellen Gruppe fanden sich vergleichbar viele mediale Perforationen (7 bzw. 6,2%), aber deutlich mehr laterale Perforationen (29 bzw. 25,7%). Fehllagen von >6 mm fanden sich in der navigierten Gruppe jeweils einmal nach medial und nach lateral. In der konventionellen Gruppe dagegen überhaupt nicht. Hier kam es lediglich zu einer Fehllage von >2 mm nach medial.

Die Gesamtperforationsrate beider Methoden (17,5% der navigierten vs. 31,9% der konventionellen Schrauben) war signifikant verschieden (p<0,003). Die Rate der Fehllagen von >2 mm beider Methoden (4,3% navigiert vs. 14,2% konventionell) war ebenfalls signifikant verschieden (p<0,001).

Die Verteilung der Schrauben auf die einzelnen Wirbelkörperhöhen war nicht gleichmäßig. Die Tabelle 4 zeigt die Perforationen in der navigierten Gruppe bezogen auf die unterschiedlichen Wirbelkörperhöhen. Bei BWK 3 und 9 fanden sich prozentual die meisten Perforationen (30%). Den größten prozentualen Anteil von Fehllagen >2 mm fand sich bei BWK 1 (25%), gefolgt von BWK 2 (20%). Allerdings ist die geringe Anzahl von Schrauben (n=4) bei BWK 1 zu beachten. Keine Perforation fand sich bei BWK 10. Bei BWK 5, sowie bei BWK 8–12 fanden sich keine Fehllagen >2 mm.

Tabelle 4 Höhenlokalisation der navigierten Schrauben und deren Lage

Die Verteilung der Fehllagen in der konventionellen Gruppe auf die unterschiedlichen Wirbelkörperhöhen wird in Tabelle 5 dargestellt. Dabei fällt auf, dass 76 (67,3%) von 113 Schrauben im Bereich BWK 9–12 gesetzt wurden. Bei BWK 1 wurden überhaupt keine Pedikelschrauben eingebracht. Bei BWK 3 und 9 fand sich die höchste Perforationsrate mit 75% aller Schrauben. Den größten prozentualen Anteil von Fehllagen >2 mm gab es bei BWK 3 (50%), gefolgt von BWK 2 (40%) und BWK 9 (37,5%).

Tabelle 5 Höhenlokalisation der konventionellen Schrauben und deren Lage

Tabelle 6 zeigt den relativen Anteil der Perforationen in Bezug zur Anzahl der Schrauben in den Wirbelkörperabschnitten BWK 1–4 (22,9%), BWK 5–8 (16,9%) und BWK 9–12 (12,5%). Der Trend zu weniger Perforationen in den unteren Abschnitten wird deutlicher, wenn man die Fehllagen >2 mm betrachtet. Es fanden sich bei BWK 5–8 deutlich und bei BWK 9–12 signifikant weniger Fehllagen >2 mm als bei BWK 1–4 (p=0,07 und p=0,008).

Tabelle 6 Relativer Anteil (in %) der Pedikelperforationen der navigierten Schrauben bezogen auf unterschiedliche Wirbelkörperhöhen

Den prozentualen Anteil der perforierten Schrauben bezogen auf die einzelnen Wirbelkörperhöhen stellt die Abb. 1 dar. Im Vergleich zwischen navigierter und konventioneller Gruppe fanden sich nur im Bereich BWK 9–12 signifikant weniger Pedikelperforationen in der navigierten Gruppe (p<0,018).

Pro Schraube wurde additiv zur Navigation der Bildverstärker durchschnittlich 15,1 s benutzt (Standardabweichung 14 s). Die Varianz lag zwischen 0 und 58 s. Der durchschnittliche Schraubendurchmesser betrug 75,1 (45,0–100,0) % des Pedikeldurchmesser.

Keiner der Patienten in einer der beiden Gruppen zeigte postoperativ eine Verschlechterung des präoperativen neurologischen Befunds. Trotzdem wurde der Patient mit der Schraubenfehllage von >6 mm nach medial bei BWK 4 revidiert und eine neue Schraube korrekt platziert.

Diskussion

Die optoelektronische CT-basierte Navigation von Pedikelschrauben bei Frakturen im Bereich der BWS ist bisher kaum untersucht worden. Die bisher erhobenen Daten bezogen sich auf gemischte Patientengruppen mit meist degenerativen Erkrankungen [2, 15, 20, 21, 36] oder hatten nur geringe Fallzahlen [3].

Ziel dieser Arbeit war die postoperative Beurteilung der Pedikelschraubenlage und damit die Bestimmung der Präzision von CT-basiert, computernavigiert eingebrachten Pedikelschrauben an der BWS bei Patienten mit Frakturen, Spondylodiszitiden und Tumoren und deren Vergleich mit im gleichen Zeitraum konventionell eingebrachten Pedikelschrauben.

82,5% der 211 navigierten Schrauben konnten korrekt im Pedikel platziert werden; 13,3% perforierten um ≤2 mm und 4,3% lagen um >2 mm fehlplatziert. In der einzigen vergleichbaren klinischen Studie mit dem gleichen System lag die korrekte Platzierung bei fast identischen 80% [3]. Andere Autoren kommen zwar auf eine höhere Anzahl korrekter Schraubenlagen, jedoch bestehen die Kollektive dabei aus gemischten, meist degenerativ erkrankten Patienten [15, 36]. Amiot et al. [2] konnten sogar 73 von 74 navigierten Schrauben korrekt platzieren. Allerdings benutzten sie ein elektromagnetisches Navigationssystem und werteten die Schraubenlage im MRT aus.

In der Tabelle 7 findet sich eine Zusammenfassung der bisherigen Studienlage über thorakale Navigation. Die Tabelle verdeutlicht, dass die bisher veröffentlichten Studien nur einen geringen Anteil von Patienten mit Frakturen aufwiesen. Gerade diese Patientengruppe ist aber insofern interessant, als dass besondere Umstände die Navigation erschweren und entsprechend anspruchsvoll werden lassen. Dazu gehören die notfallmäßige Navigation und die durch die Frakturen in der Morphologie veränderten Wirbelkörper. Die in dieser Studie erhobenen Daten verdeutlichen aber, dass auch unter diesen Umständen eine signifikante Verbesserung der Schraubenlage im Gegensatz zur konventionellen Technik möglich ist.

Tabelle 7 Studienlage bezüglich Navigation an der BWS

Die in der Tabelle 6 und Abb. 1 dargestellten Perforationsraten bezogen auf die Wirbelkörperhöhen zeigen, dass in den Bereichen BWK 5–8 (2,6%) und BWK 9–12 (0%) deutlich bzw. signifikant weniger Fehllagen >2 mm aufgetreten sind als im Bereich BWK 1–4 (10%). Youkilis et al. [36] dagegen fanden im Bereich BWK 4–8 mit 16,7% die höchsten Perforationsraten, was sich aufgrund der relativ kleinen Pedikel in diesem Bereich auch erklären lässt. Die von uns angewandte additive Verwendung der Röntgendurchleuchtung könnte die Perforationsrate im mittleren thorakalen Bereich gesenkt haben. Im oberen thorakalen Bereich jedoch war die Durchleuchtung aufgrund überlagernder Knochen- und Weichteilstrukturen nicht so suffizient, was zu entsprechend höheren Perforationsraten führte.

Laterale Perforationen navigierter Schrauben traten mit 12,3% häufiger auf als mediale mit 5,2%. Dies entspricht auch den Ergebnissen anderer Studien [4, 29, 37]. Allerdings ließen sich trotz Navigation 2-mal Fehlplatzierungen von >4 mm nach medial nicht vermeiden. Diese bergen ein hohes Risiko für eine Nervenläsion. Auch laterale Fehllagen von >4 mm traten 2-mal auf. Diese erheblichen Fehllagen kamen nur im Bereich BWK 1–6 vor. Autoren anderer Studien berichten nicht über derart gravierende Fehllagen bei Nutzung von Navigationssystemen [2, 15, 36]. Lediglich Arand et al. [3] gaben navigierte Fehllagen bis zu 12 mm an der BWS an. Damit bietet die Navigation trotz statistisch signifikanter Verbesserung der Schraubenlagen keinen absoluten Schutz vor kritischen medialen und lateralen Fehllagen.

68,1% der 113 konventionell eingebrachten Schrauben konnten korrekt im Pedikel platziert werden; 17,7% perforierten um ≤2 mm und 14,2% lagen um >2 mm fehlplatziert. Es fand sich nur eine (0,9%) Fehllage von >4 mm nach medial; 4 (3,5%) Schrauben perforierten lateral >4 mm. Fehllagen von >6 mm kamen nicht vor. Insgesamt kam es häufiger zu lateralen (25,7%) als medialen (6,2%) Perforationen. Die von uns erhobenen Daten entsprechen damit denen anderer Autoren, die von 25–46% Perforationen bei thorakalen Pedikelschrauben berichten [17, 21].

In der zu diesem Thema bisher umfangreichsten Studie von Belmont et al. [4] wurden 57% von 279 konventionell eingebrachten BWS-Pedikelschrauben korrekt platziert; 29% der Schrauben perforierten nach lateral, 14% nach medial. Es kam zu insgesamt 15% Fehllagen >2 mm.

Im Vergleich mit den navigiert eingebrachten Schrauben war die Perforationsrate mit der konventionellen Technik (17,5 vs. 31,9%) signifikant höher (p<0,003). Auch die Fehllagen >2 mm (4,3 vs. 14,2%) waren signifikant höher (p<0,001). Beim Vergleich unterschiedlicher Wirbelkörperhöhen fanden sich lediglich bei BWK 9–12 signifikant weniger Perforationen in der navigierten Gruppe (p<0,018). Allerdings gilt es dabei, die geringere Anzahl von konventionell platzierten Schrauben an der mittleren und oberen BWS zu beachten (s. Tabelle 5).

Der durchschnittliche Schraubendurchmesser betrug 75,1% des Pedikeldurchmesser. Es wurden Schraubengrößen von 4–6 mm verwendet. Trotz der von anderen Autoren beschriebenen theoretisch bestehenden Gefahr der Pedikelberstung ab einer Relation von 80% Schrauben- zu Pedikeldurchmesser konnten wir keinen solchen Fall beobachten [22, 29].

Rampersaud et al. [24] berechneten anhand eines geometrischen Modells den noch tolerierbaren translatorischen und rotatorischen Fehler für eine perforationsfreie Insertion von Pedikelschrauben in Abhängigkeit von der Pedikelgröße. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die Anforderungen im Bereich zwischen BWK 3–7 am höchsten sind und als Extrem für BWK 5 bei 0 mm bzw. 0° liegt. Diese Präzisionsanforderungen sind aber durch die Navigationssysteme nicht zu erbringen. Sie sind abhängig von der Auflösung des CT, der Qualität des Matchings und der Genauigkeit der Benutzung. Schlenzka et al. [27] sprechen aus diesem Grunde von einer Grenzgröße von etwa 3,5 mm für das zu navigierende Objekt [26]. Damit erreicht die Genauigkeit des Navigationssystems an der BWS seine „natürlichen“ Grenzen.

Die Auswertung der Pedikelschraubenlage erfolgte einfach blind durch einen unabhängigen Radiologen. Die visuelle Auswertung ist natürlich mit einer gewissen Fehlerrate behaftet. Bei den Titanschrauben liegt die in etwa zu erreichende Genauigkeit nach Yoo et al. [35] bei 87%.

Die postoperative Auswertung der Pedikelschraubenlage mittels CT birgt aber noch ein weiteres Problem. Schließlich wurde nur die Bohrung bzw. Präparation des Kanals für die Pedikelschrauben navigiert durchgeführt. Das Einbringen der Schrauben erfolgte konventionell mit einem T-Handgriff. Die Fa. Medivision bietet prinzipiell die Möglichkeit, mit einem LED-markierten T-Handgriff zu arbeiten. Wir haben allerdings diese Option nicht benutzt. Damit bleibt ein Risiko, dass eine Fehlplatzierung der Schraube trotz akkurater Schraubenkanalpräparation erfolgt [27]. Dies kann durch zu grobe Manipulation des Operateurs oder eine Osteoporose verursacht sein. Theoretisch ist aber auch das Gegenteil, also eine korrekte Schraubenlage trotz unpräzise präpariertem Schraubenkanal möglich.

Auch die postoperative Lagerung und Mobilisation des Patienten kann einen Einfluss auf die Schraubenlage haben. Schließlich können Schrauben osteoporotischen Knochen durchwandern. Um eine exakte Lage der Schrauben nach der Navigation zu erhalten, müsste also noch intraoperativ oder direkt postoperativ ohne Umlagerung ein CT durchgeführt werden. Dies ist wohl nur in Ausnahmefällen zu realisieren. Wie hoch die so verursachte Fehlerrate ist, lässt sich nicht angeben. Es liegen auch keine Literaturangaben darüber vor.

Komplikationen traten in beiden Gruppen nicht auf. Ein Patient der navigierten Gruppe wurde aufgrund einer klinisch nicht apparenten, aber erheblichen medialen Fehllage reoperiert und die Schraube bei BWK 4 gewechselt (s. Abb. 5). Die Auswertung ergab, dass der Operateur intraoperativ aufgrund eines zu kleinen Zugangs die Navigationsahle verbogen hatte. Damit war eine Fehlplatzierung vorprogrammiert.

Wie schon erwähnt, fällt in dieser Studie die nur geringe Anzahl konventioneller Schrauben in den Wirbelkörperhöhen BWK 1–8 auf. Bei BWK 1 wurden gar keine Schrauben konventionell platziert. Dafür finden sich 51,3% aller Schrauben im Bereich BWK 11 und 12. Dieses Missverhältnis im Vergleich zur gleichmäßigeren Verteilung der navigierten Schrauben liegt zum einen daran, dass nur selten Frakturen im oberen Bereich der BWS auftraten. Die operierten Fälle an der oberen BWS waren typischerweise Tumoren oder Spondylodiszitiden. Bei diesen Patienten bestand aber genug Zeit für eine Navigationsplanung.

Einige Patienten konnten in der Nacht bei notfallmäßiger Operationsindikation nur konventionell operiert werden, da weder ein in der Navigation erfahrener Operateur noch ein mit der Navigation erfahrener Assistent vor Ort war. Zudem wurden zu Beginn des Untersuchungszeitraums die Patienten noch deutlich öfter konventionell als navigiert operiert. Im Verlauf des Untersuchungszeitraums wurde das Verfahren der Navigation immer etablierter und führte zu einer entsprechend zunehmenden Verwendung. Die deutliche Reduktion der Fehllagen ließ eine Randomisierung der Patienten aus ethischen Gründen nicht zu.

Bei 12 von 56 (21,4%) Patienten konnten aufgrund diverser Probleme nicht alle Schrauben navigiert eingebracht werden. Laine et al. [14] berichteten über eine leicht geringere Ausfallrate von 18% aufgrund ähnlicher Probleme. Arand et al. [3] konnten in einem kleineren Kollektiv bei der Verwendung des gleichen Systems an der BWS und LWS 10% der geplanten Schrauben nicht navigieren.

Technische Probleme traten bei insgesamt 7 Patienten auf. Bei einem Notfallpatienten kam es zu Verzögerungen mit dem Überspielen der CT-Daten auf den Datenträger, sodass die Operation begann, bevor die Navigation einsetzbar war. Bei 6 Patienten wurde das präoperative CT nicht umfangreich genug durchgeführt, sodass Wirbelkörper nicht komplett im CT-Datensatz erfasst waren (2-mal fehlte der kaudale Processus spinosus). Somit war ein korrektes Matching nicht möglich.

Das fehlerhafte Anbringen der Referenzbasis an einem Wirbelkörper, der gar nicht navigiert werden sollte, trat 2-mal auf (BWK 3 und 5). Erklären lässt sich dies aufgrund der topographischen Unübersichtlichkeit des Areals. Einmal wurde der Fehler bei der Röntgendurchleuchtung noch vor dem Matching bemerkt. Ein anderes Mal fiel der Fehler auf, als der Qualitätsindex des Matchings stark fehlerhafte Werte ergab, die sich anders nicht erklären ließen. Die Röntgendurchleuchtung ergab auch hier als Ursache die Navigation des falschen Wirbelkörpers. Dies belegt die Notwendigkeit der Kontrolle der korrekten Wirbelkörperauswahl mittel intraoperativer Röntgendurchleuchtung.

Unfall- oder operativ bedingte Veränderungen der Wirbelkörper ließen ebenso keinen Einsatz der CT-basierten Navigation zu. Zweimal war der Processus spinosus des zu navigierenden Wirbelkörpers gebrochen. Ein anderes Mal wurde eine Laminektomie des zu navigierenden Wirbelkörpers vorgenommen, bevor die Pedikelschrauben eingebracht waren. Beide Zustände erlaubten keine korrekte Navigation mehr. Dementsprechend muss der Operateur daran denken, bei der Präparation den zu navigierenden Wirbelkörper zu schonen und eine evtl. anstehende Laminektomie erst nach dem Einbringen der Pedikelschrauben durchzuführen.

Aufgrund unserer Erfahrungen im Bereich der LWS haben wir zur Kontrolle der Navigation einen Röntgenbildverstärker im lateralen Strahlengang benutzt. Dabei sahen wir regelmäßig Unterschiede in der Lage der Ahlen zwischen der Darstellung auf dem Navigationsbildschirm und dem Bildverstärker. Die Schrauben drohten somit entweder zu weit kranial oder kaudal eingebracht zu werden. Damit wäre eine Perforation der Pedikel nach kranial oder kaudal möglich gewesen. Aufgrund der additiven Röntgenkontrolle konnten diese Perforationen verhindert werden. Allerdings ist zu bemerken, dass in dieser Studie nur 80% der Schrauben auf kraniale oder kaudale Fehllagen untersucht werden konnten. Dabei trat aber nur bei einer von 170 Schrauben eine kaudale Pedikelperforation von <2 mm auf. Der Einsatz des Röntgenbildverstärkers ermöglichte also eine korrekte Höhenbestimmung bzw. eine entsprechende sagittale Kontrolle der Navigation und sollte deshalb unbedingt eingesetzt werden.

Warum es bei einer relativ großen Anzahl von navigierten Schrauben zu solchen Abweichungen kommt, ist unklar. Eine mögliche Erklärung ist die mathematische Verkippung des navigierten Wirbels durch ungleichmäßige Digitalisierung von Punkten. Dies kann dann auftreten, wenn zu viele Punkte in einer Ebene angepasst werden. Eine Definition von Punkten an anatomisch prominenten Stellen (Facetten, Processus spinosus, Knochenkanten etc.) ermöglicht dagegen ein besseres dreidimensionales Modell des Wirbelkörpers. Da letztendlich nur ein Oberflächenmatching des Wirbelkörpers durchgeführt wird, werden Fehler oder Ungenauigkeiten umso evidenter, je weiter sich der Operateur mit dem Instrument von der Oberfläche des Wirbelkörpers entfernt. Kleine Winkelabweichungen an der Oberfläche führen zu deutlichen Abweichungen von der Achse in der Tiefe des Wirbelkörpers, was sich im sagittalen Bild am besten verfolgen lässt.

Diese Beispiele unterstreichen die Wichtigkeit einer intraoperativen Kontrolle mittels Röntgendurchleuchtung. Ein ausschließliches navigiertes Einbringen von Pedikelschrauben bei Patienten mit Frakturen mit dem von uns benutzten System ist nicht zu empfehlen. Dies zeigen auch die Erfahrungen anderer Autoren [7].

Die additive Röntgendurchleuchtung lag bei durchschnittlich 15,1 s/Schraube. Vergleichsdaten bezüglich der BWS bei konventioneller Technik existieren nicht. Bezüglich der LWS berichteten Jones et al. [11] von einer durchschnittlichen Durchleuchtungszeit von 19,8 s/Pedikelschraube bei konventioneller Technik. Man darf annehmen, dass aufgrund der schon angeführten Besonderheiten an der BWS eine deutlich längere Durchleuchtungszeit resultieren muss. Trotzdem erscheint die von uns bestimmte Durchleuchtungszeit im ersten Moment als sehr hoch. Die Auswertung ergab, dass v. a. im oberen BWS-Bereich und bei insgesamt schwieriger Navigation die Operateure länger durchleuchtet haben.

Schlussfolgerung

Die CT-basierte Navigation von Pedikelschrauben an der BWS mithilfe des Softwaresystems SurgiGATE zeigt im Vergleich zur konventionellen Technik signifikant weniger Pedikelperforationen (17,5 vs. 31,9%; p<0,003). Vor allem Schraubenfehllagen von >2 mm, die ein hohes Risiko für Myelonverletzungen darstellen, lassen sich signifikant verringern (4,3 vs.14,2%; p<0,001). Allerdings sind erhebliche Fehllagen von >4 mm (1,9%) im oberen BWS-Bereich (BWK 1–6) durch technische Fehler nicht gänzlich zu vermeiden, sodass die Navigation keine absolute Sicherheit bei der Platzierung von Pedikelschrauben bietet.

Die durchgeführte additive Röntgendurchleuchtung deckte v. a. die Navigation des falschen Wirbelkörpers und teils erhebliche Fehllagen nach kranial oder kaudal auf, obwohl die Navigation eine korrekte Platzierung angab. Zur Erhöhung der Sicherheit und Präzision sollte deshalb unbedingt eine intraoperative Kontrolle mittels Röntgendurchleuchtung durchgeführt werden.

Bei etwa jedem 5. Patienten (21,4%) war die Navigation nicht für alle Wirbelkörper möglich. Der Chirurg kann sich also nicht auf eine ausschließliche Navigation der Pedikelschrauben verlassen und sollte die potenziell möglichen Probleme der Navigation kennen.