Bei der geplanten Änderung des Abrechnungssystems mittels „diagnosis related groups“ (DRG) werden in der Behandlung von stationär zu versorgenden Patienten erhebliche Umschichtungen der Vergütung befürchtet. Die genaue Eingrenzung der betroffenen Patientengruppen bzw. Fachdisziplinen war bisher schwierig. Als sicher identifizierbar erscheinen zzt. Einschnitte bzw. Unterdeckungen für Patienten mit onkologischen Erkrankungen, welche einer Chemotherapie unterzogen werden, sowie intensivpflichtige Patienten [5, 6]. Beide Patientengruppen nehmen sowohl hinsichtlich der Gefahren medizinischer Komplikationen, als auch seitens der Vergütung eine Sonderstellung ein.

Darüber hinaus wurde von verschiedenen Seiten die Befürchtung ausgesprochen, dass die Berücksichtigung des Vorhandenseins einer Polytraumatisierung innerhalb des G-DRG-Systems zu keiner adäquaten Abbildung führt, da kostenintensive Behandlungssegmente (multiple Operationen, Verabreichung von Blutkonserven, prolongierter Aufenthalt auf einer Intensivstation etc.) wegen der großen Variabilität nicht adäquat berücksichtigt werden können [4, 7, 8]. Allerdings fehlte bisher dieser Nachweis anhand reproduzierbarer Kosten-/Erlös-Berechnungen. Dies gründet sich einerseits auf die mangelnde Verfügbarkeit der deutschen G-DRG-Vorgaben bis zum Ende des Jahres 2002, andererseits aufgrund des Fehlens verwertbarer Daten. Insbesondere erscheint die Abschätzung der Behandlungskosten schwerverletzter Patienten in der Praxis schwierig, da Vorhaltekosten, Konsiliarleistungen und andere Posten, welche zwischen Krankenhäusern der Maximal- und der Grundversorgung different sind, ungenügend berücksichtigt werden konnten. Vor diesem Hintergrund ist seitens der AG Polytrauma des Deutschen Traumaregisters vor kurzem ein Berechnungsmodul entwickelt worden, welches ermöglichen soll, diese Vorhaltekosten und weitere standardisierbare Prozeduren (z. B. Schockraumversorgung) möglichst genau und standardisiert abzuschätzen [3].

Für die Berechnung der Kosten-/Erlös-Verhältnisse und für Vergleiche zwischen einzelnen Abteilungen eines Krankenhauses werden allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft die dem Krankenhaus eigenen Daten der jeweiligen Controllingabteilung verwendet werden. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund solcher Berechnungen auch Zielvereinbarungen zur Planung der Patientenversorgung in der Zukunft Verwendung finden.

Aufgrund dessen wurde in der vorliegenden Untersuchung eine Berechnung der Rentabilität einer Einzelklinik unter Berücksichtigung von Daten, die den Controllingabteilungen vorliegen, unter G-DRG-Bedingungen durchgeführt.

Methodik

Definitionen

Die Verletzungsschwere wurde nach „abbreviated injury scale“ (AIS) und nach „injury severity score“ (ISS) berechnet [1]. Eine Einteilung in leicht verletzte ISS<16 Punkte) und schwerer verletzte Patienten (ISS>oder = 16 Punkte) wurde getroffen. Um dieser medizinischen Grundlage Rechnung zu tragen, wurden Patienten in leicht- (ISS<16 Punkte) und schwerverletzte Patienten (ISS>oder =16 Punkte) unterteilt.

Einschlusskriterien

In die Untersuchungen wurden mehrfachverletzte Patienten aufgenommen, wenn die folgenden Kriterien erfüllt waren:

  • stationäre Entlassung im Zeitraum 01.01.2002–31.12.2002,

  • Eingruppierung in die DRG W01Z bis W04Z oder W60Z und W61Z (zertifizierte G-DRG Grouper Version 1.0 der Fa. SBG®),

  • vollständige Dokumentation der Kostendatensätze,

  • Klassifikation aller Verletzungen nach ISS.

Kostenkalkulation

Die Fallkosten wurden durch die Abteilung Medizincontrolling der Medizinischen Hochschule Hannover im Rahmen der Teilnahme der MHH an der bundesweiten DRG-Kalkulation kalkuliert und nach dem dafür vorgeschriebenen Verfahren [12] ermittelt. Durch den vorgeschriebenen Vollkostenansatz sind in den ermittelten Fallkosten auch alle Sekundär- und Tertiärdienstleister wie z. B. Zentrallabor und Radiologie oder Apotheke und Verwaltung vollständig enthalten.

Erlösberechnung

Alle untersuchten Fälle wurden in die für polytraumatisierte Patienten vorgesehenen DRG W01Z bis W04Z oder W60Z und W61Z eingruppiert. Die Erlöse wurden unter der Annahme eines fiktiven Basisfallwertes von 2900 € und unter Verwendung des im Rahmen der Rechtsverordnung zum Optionsmodell 2003 festgesetzten deutschen Fallpauschalenkatalogs (BMGS) inklusive aller Zu- und Abschläge für Lang- oder Kurzlieger sowie für Frühverlegte errechnet.

Ergebnisse

Die Datensätze von 128 Patienten wurden evaluiert. Diese wiesen eine mittlere Verletzungsschwere von 26,2 Punkten auf, eine mittlere Verweildauer von 13,5 Tagen und eine Verlegungsrate von 31%.

In Tabelle 1 sind Basisdaten und Inzidenzen der Patienten dokumentiert, welche den 6 Polytrauma-DRG zugeordnet sind. Im Untersuchungszeitraum wurde kein Patient mit Polytrauma und abdominellen Eingriffen im Sinne einer führenden Diagnose behandelt. Die am häufigsten diagnostizierte DRG (W01Z) war diejenige mit den höchsten Kosten und der stärksten Unterdeckung (–11.098 €).

Tabelle 1 Häufigkeitsverteilung und Angaben zur Kosten-Erlös-Situation der Polytrauma-DRG bei 128 Patienten, die im Jahr 2002 in der Medizinischen Hochschule Hannover therapiert wurden

Die Tabelle 2 untersucht Patienten, die der DRG W01Z zugeordnet waren. Die Unterscheidung dieser Patienten in diejenigen, welche sekundär verlegt waren (n=25) vs. solche, die primär aufgenommen wurden (n=56) zeigt einen um 4 Punkte höheren Verletzungsschweregrad nach ISS auf und eine um 200% erhöhte Unterdeckung (17.803 €). Differenziert man nach Verletzungsschweregrad, so ist bei Patienten mit ISS<16 Punkten eine um 1 Woche kürzere Verweildauer zu verzeichnen und knapp 15.000 € weniger Erlös, als bei Patienten mit ISS>16 Punkten. Letztere weisen trotzdem eine um mehr als das fünffache erhöhte Unterdeckung auf.

Tabelle 2 Auflistung kostenrelevanter Faktoren für Patienten mit derjenigen DRG, welche die schlechteste Kostendeckung ergibt (W01Z). Diese ist gleichzeitig auch diejenige, welche am häufigsten zur Verwendung kommen wird.

Aufgrund der mangelnden Deckung in allen bisherigen Kosten-Nutzen-Ermittlungen wurde eine separate Untersuchung der Subgruppen nach ISS durchgeführt. Hier zeigt sich eine erhebliche Spannweite, wenn die jeweils teuersten und kostengünstigsten Patienten betrachtet werden. Die kostendeckenden Patientensubgruppen sind diejenigen mit der kürzesten Verweildauer. Bei der Subgruppe der Schwerverletzten sind dies solche, die ohne Erreichen der Intensivstation im Schockraum versterben.

In Abb. 1 werden die Kostenanalysen hinsichtlich der Differenzierung nach Verletzungsschweregrad für verschiedene Funktionsräume aufgelistet. Es zeigt sich ein mäßiger Einfluss der schwereren Verletzung, insbesondere bei Labor- und Intensivstationskosten. In Abb. 2 ist eine Differenzierung nach dem Kriterium „Primäraufnahme/Sekundärverlegung“ dokumentiert. Eine erhöhte Kostendokumentation zeigt sich insbesondere für die Intensivstation.

Abb. 1
figure 1

Auswertung von Patienten, die der DRG W01Z zugeordnet wurden. Eine standardisierte Auflistung gemäß der Differenzierung nach Kostenstellengruppen mit Subgruppenanalyse gemäß des ISS erlaubt die Beurteilung des Einflusses der Verletzungsschwere auf die Kostenentwicklung

Abb. 2
figure 2

Auswertung von Patienten, die der DRG W01Z zugeordnet wurden. Die Differenzierung der Kostenstellengruppen wird danach gesplittet, ob ein Patient verlegt wurde, oder primär behandelt wurde

Diskussion

Die vorliegende Analyse wurde anhand einer größeren Zahl real erkrankter und behandelter Patienten der Unfallchirurgischen Klinik der Mediz. Hochschule Hannover des Jahres 2002 erhoben. Die Berechnung nach G-DRG zeigt eindeutig eine fehlende Kostendeckung in fast allen Bereichen der Versorgung mehrfachverletzter Patienten. Dieses betrifft sowohl die Betrachtung aller dokumentierten Patienten, als auch die Analyse der Untergruppen nach Verletzungsschweregrad und nach dem Kriterium einer Sekundärverlegung. Somit erscheint nach den bisher vorhandenen G-DRG-Katalogwerten der schwerverletzte Patient unzureichend finanziert. In der Analyse der einzelnen G-DRG zeigt sich, dass diejenigen Patienten am stärksten defizitär waren, welche in die—auch am häufigsten durch die Stichprobenfälle belegte—G-DRG W01Z eingeordnet wurden. Diese Ergebnisse sprechen eindeutig gegen die Theorie, dass sich eine Unterfinanzierung einzelner DRG durch die Deckung aus anderen DRG ausgleicht.

Die Detailanalyse der defizitärsten DRG (W01Z) zeigt, dass folgende Situationen besonders kritisch zu werten sind:

  • Patienten, die einer Verlegung zugeführt wurden und

  • Patienten mit einem höheren Verletzungsschweregrad (ISS>16) (Tabelle 3).

    Tabelle 3 Berechnungen der Gesamtkosten und der Vergütung nach G-DRG bei Patienten, welche den schwerverletzten (ISS>16) bzw. leichtverletzten (ISS<16) zugeordnet werden

Wenn eine gewisse Validität der Kostendaten und auch der Erlöse nach G-DRG vorausgesetzt wird, kann vermutet werden, dass folgende negative Auswirkungen der Einführung des G-DRG-Systems für mehrfachverletzte Patienten eintreten:

Es ist zu erwarten, dass Traumazentren wahrscheinlich besonders negativ von der Einführung des neuen Entgeltsystems betroffen sind. Die Analyse der Einzelkosten für diese Fallgruppe zeigt, dass bei Patienten mit einem ISS>16 die deutlich höheren Intensivkosten stark ins Gewicht fallen. Die bekannt hohen Kosten für Blutprodukte sind in der hier vorliegenden Auflistung in Laborkosten enthalten, da Blutbank in Fallkostenkalkulation unter der Rubrik „Labor“ geführt wird.

Bei Verlegungsfällen (s. Abb. 2) sind ebenfalls die Kosten für den Aufenthalt auf einer Intensivstation höher, aber bei insgesamt noch vergleichbarer Kostenstruktur liegt der Hauptunterschied auf Erlösseite. Hier macht sich die Regelung der Verlegungsabschläge negativ auf der Erlösseite bemerkbar. Durch zu hoch kalkulierte oder zu früh einsetzende Verlegungsabschläge werden hier möglicherweise Fehlanreize gegen medizinisch begründete und eigentlich auch ökonomisch sinnvolle Verlegungen zwischen den vollstationären Versorgungsstufen gesetzt.

Des Weiteren zeigt sich eindeutig, dass die (außerhalb der bundesweiten G-DRG-Mischkalkulation durch das InEK) erhobenen Daten der G-DRG zu anderen Werten führen. Hier sind bei fehlender Kostendeckungsoption durch andere Patientengruppen tatsächlich höhere Einbußen zu erwarten. Allerdings sind die oben genannten Schlussfolgerungen vorbehaltlich einiger Aspekte zu sehen, welche im folgenden aufgeführt sind.

Die Berechnung der G-DRG-Vergütung ist wegen derzeit noch mangelnder Verfügbarkeit anhand der noch nicht korrigierten Datensätze des Institutes für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH) geschehen. Somit erscheint es möglich, dass in einer erneuten Berechnung derselben Patienten mit einer neuen Berechnungsgrundlage ein anderes, möglicherweise günstigeres Bild entsteht.

Die Verletzungsverteilung der hier eingegangenen Patienten einer einzelnen Klinik entsprechen nicht vollständig der Verteilung, wie sie in der zzt. besten Übersicht der Verletztenverteilung der Bundesrepublik Deutschland (dem Traumaregister) dokumentiert ist. Hingegen weisen Patienten des Traumaregisters eine höhere Inzidenz von Kopfverletzungen auf, und weniger schwere Verletzungen der Extremitäten.

Die Evaluation der Kostensituation wurde anhand der standardisiert vorgenommenen Dokumentation des Medizincontrollings vorgenommen, d. h. ohne eine spezielle Berücksichtigung der Overheadkosten und Konsiliartätigkeiten eines Traumazentrums.

Diese Einflüsse können voraussichtlich erst frühestens gegen Ende des Jahres 2003 berücksichtigt werden. Zu diesem Zeitpunkt ist zu erwarten, dass die Neuberechnung der G-DRG durch das InEK vollständig erfolgt und zugänglich gemacht sein wird.

Nach Erhalt der Daten des Traumaregisters wird eine Überarbeitung der Daten der hier erhobenen Patienten durchgeführt. Im Sinne einer „matched pair“-Analyse werden ähnliche Berechnungen durchgeführt, die eine der Verteilung des Traumaregisters vergleichbares Kollektiv des Jahres 2002 enthalten.

Seitens der Kostenevaluation existieren aus verschiedenen Kliniken in Deutschland (Essen, München, Ulm) Kalkulationen dieser Entität im bisherigen System der Bundespflegesatzverordnung [2, 9, 10, 11]. Diese zeigten allesamt schon erhebliche Kosten auf und wiesen auf die erhebliche Bedeutung der Vorhaltekosten hin.

Seitens der Arbeitsgemeinschaft „Polytrauma“ der DGU existiert seit 2001 eine „Gruppe Ökonomie“, die mithilfe des Instituts für Versicherungsbetriebslehre in Hannover eine Evaluation der Mindestkosten nach Bundespflegesatzverordnung durchgeführt hat. Allerdings muss konstatiert werden, dass trotz des auch bei dieser Studie durchgeführten erheblichen Aufwands eine vollständige Erhebung (1:1-Abbildung) der Realkosten im Normalfall nach wie vor schwierig ist.

Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass auch in der Zukunft für die Berechnungen der Rentabilität einer Abteilung und für Planungen an einer einzelnen Klinik die der jeweiligen Controllingabteilung zugänglichen Daten als Grundlage verwendet werden. Exaktere Untersuchungen werden aufgrund ihres erheblichen Aufwands kaum als sinnvoll erachtet werden. Deshalb erschien es uns sinnvoll, auch für die vorliegende Studie eine solche Berechnung der Realsituation anhand der akut zugänglichen Kostendaten der Abteilung Medizincontrolling vorzunehmen, obgleich im Normalfall nicht alle wahren Kosten abgebildet werden. Seitens der Kostenevaluation ist somit von einer Unterschätzung der realen Situation auszugehen.

Sicherlich werden weitere Untersuchungen notwendig sein, um genauere Analysen der Finanzierbarkeit der Leistungserbringung von Kliniken unter G-DRG-Bedingungen durchzuführen. Zu Beginn des Jahres 2003 waren ausschließlich die vorliegenden Daten erhältlich, sodass diese für die Eingaben an das Institut für Erlössicherung im Krankenhaus (InEK) verwendet wurden. Die Analyse von Patienten des Traumaregisters selbst wird in Kürze möglich sein, da die notwendigen Daten G-DRG in dem Datensatz von 2002 erstmals mitdokumentiert werden.

Hier wäre dann zu prüfen, inwieweit tatsächlich die folgenden Befürchtungen von Kliniken der Maximalversorgung berechtigt sind:

  • systematische Unterfinanzierung von Kliniken mit einem hohen Anteil an Akutversorgungen,

  • Versuch der Vermeidung der Aufnahme von Patienten mit Mehrfachverletzungen (Patientenselektion),

  • potentiell schlechtere Versorgung dieses hochrisikobehafteten Patientenspektrums gipfeln, mit der Inkaufnahme medizinisch minderwertiger Behandlungsqualität.

Ob aus diesen Befürchtungen auch die Forderung eine Sonderstellung der Finanzierung der Behandlung Schwerverletzter, muss abgewartet werden.