Die Diagnose von Demenzkrankheiten im Kindesalter stellt eine Herausforderung dar. Zu den häufigsten Ursachen gehören die neuronalen Zeroidlipofuszinosen (NCL), eine heterogene Gruppe unheilbarer Speicherkrankheiten, die zu Demenz, Epilepsie, Visusverlust und motorischem Abbau mit frühem Tod führen [8]. Die Zahl der sie verursachenden Gene ist groß, und die Genotyp-Phänotyp-Variabilität ist beträchtlich; dennoch kann die Diagnose einer NCL mit Hilfe weniger Diagnostikschritte kosteneffektiv und rasch gestellt werden.

Neue Nomenklatur der NCL-Krankheiten

Traditionell wurden die NCL nach dem Erkrankungsalter eingeteilt. Zusätzlich wurden auch Benennungen nach Autoren (M. Haltia-Santavuori, M. Jansky-Bielschowsky, M. Batten, M. Spielmeyer-Vogt, M. Kufs) verwendet [14]. Die NCL-Krankheiten sind jedoch viel heterogener als früher angenommen, zudem können Mutationen in einem Gen zu unterschiedlichen Verlaufsformen führen [10, 12]. Auch Bezeichnungen wie finnische oder türkische NCL-Variante sind veraltet, da die entsprechenden Mutationen weltweit vorkommen [11]. Die bisherige Nomenklatur ist daher überholt.

Eine international erarbeitete neue NCL-Nomenklatur benennt die Krankheiten molekulargenetisch und klinisch eindeutig (Tab. 1, [14]): Dabei werden sowohl das defekte Gen (CLN1CLN14) als auch das Erkrankungsalter (kongenital, infantil, spätinfantil, juvenil oder adult) angegeben.

Eine exakte Diagnose ist Voraussetzung für eine umfassende Familienberatung, Prognosestellung und optimale palliative Therapie.

Tab. 1 Genetisches Spektrum und neue Nomenklatur der NCL-Krankheiten

Spektrum der NCL-Krankheiten

Genetisches Spektrum

Derzeit sind 14 NCL-Formen bekannt, von denen 2 bisher nicht veröffentlicht, sondern kürzlich durch Smith et al. (CLN13) und Staropoli et al. (CLN14) bei der 13. International Conference on Neuronal Ceroid Lipofiscinoses 2012 in London vorgestellt wurden (Tab. 1, [2, 4, 9, 10, 15, 16]). Mit weiteren bisher nicht identifizierten NCL-Genen ist zu rechnen, da einige Patienten trotz typischer Symptome und Nachweis charakteristischen Speichermaterials keine Mutation in den bekannten Genen aufweisen.

Die intrazelluläre Lokalisation und – soweit bekannt – Funktion der defekten Proteine sind unterschiedlich: 4 NCL-Formen werden durch Defekte lysosomaler Enzyme verursacht (CLN1, CLN2, CLN10, CLN13), bei anderen sind Transmembranproteine betroffen (CLN3, CLN6, CLN7, CLN8; [9]). Auch Defekte einer ATPase (CLN12) und eines Kaliumkanals (CLN14) scheinen zu NCL führen zu können [4]. Das kürzlich identifizierte CLN4-Gen (DNAJC5) kodiert für ein Protein mit vermuteter Funktion in Synapsen [2]. Wie die Defekte zur Neurodegeneration führen, ist ungeklärt.

Klinisches Spektrum

Klinisch haben die NCL trotz ihrer Heterogenität viele Gemeinsamkeiten. Dies hat sowohl für die Diagnostik als auch für die (palliative) Behandlung Bedeutung. Eine Heilmethode gibt es bislang für keine der NCL.

Bei fast allen NCL-Formen erscheinen die Patienten anfänglich völlig gesund und normal entwickelt.

Die Leitsymptome sind eine Kombination von Demenz, Visusverlust, Epilepsie und motorischem Abbau.

Dabei kann der Krankheitsbeginn zwischen Geburt und jungem Erwachsenenalter liegen. Die Reihenfolge des Auftretens der Symptome ist variabel. Erstsymptome bei Kleinkindern sind Stillstand und Rückschritte der psychomotorischen Entwicklung oder Epilepsie. Bei Schulkindern kommt es meist zunächst zu einem Visusverlust, der von einer Demenz gefolgt ist [14].

Auf pathologischer Ebene ist den verschiedenen NCL-Formen die intrazelluläre Speicherung von autofluoreszierendem Material mit charakteristischer Ultrastruktur in fast allen Geweben gemeinsam (Abb. 1). Im Gehirn geht der Speicherprozess mit dem Absterben von Neuronen einher.

Abb. 1
figure 1

Elektronenmikroskopische Aufnahmen der charakteristischen Ultrastruktur intrazellulären Speichermaterials bei NCL, a granuläre Lipopigmente (Stern), b kurvilineare Profile (Stern), c Fingerabdruckprofile (Pfeil) sowie kurvilineare Profile (Stern). (Mit freundl. Genehmigung von H. H. Goebel, Mainz)

Nachfolgend werden die verschiedenen klinischen Verlaufsformen skizziert [14]:

Kongenitaler Krankheitsbeginn

Die Kinder sind bereits ab der Geburt eindeutig krank. Verdächtig sind der intrauterine oder unmittelbar postnatale Beginn von Krampfanfällen sowie eine angeborene Mikrozephalie.

Die Krankheit schreitet rasch fort bis zum Tod.

Infantiler Krankheitsbeginn

Erste Anzeichen der Erkrankung sind meist im Alter von 10 bis 18 Monaten ein Stillstand und nachfolgend Rückschritte der psychomotorischen Entwicklung, gefolgt von Muskelhypotonie, die in Spastik übergeht, sowie Myoklonien und Epilepsie. Eine rasch progrediente Hirnatrophie führt zu zunehmender Mikrozephalie. Das EEG (Elektroenzephalogramm) wird spannungsarm bis völlig flach. Als Symptom der Retinopathie geht der Blickkontakt verloren.

Der Tod tritt im frühen Kindesalter ein.

Spätinfantiler Krankheitsbeginn

Erste Krankheitszeichen treten im Alter von 2 bis 3 Jahren auf mit muskulärer Hypotonie, Ataxie und Entwicklungsrückschritten. Gleichzeitig kann es zu therapieresistenten epileptischen Anfällen kommen. Das EEG zeigt bei mehreren Formen (CLN2, CLN5, CLN6) posteriore Spikes unter langsamer Photostimulation, das MRT (Magnetresonanztomogramm) eine zerebrale und zerebelläre Atrophie. Der Visusverlust wird wegen der schweren neurologischen Störungen oft spät bemerkt. Weitere Probleme sind zunehmende Spastik und nichtepileptische Myoklonien.

Die Lebenserwartung beträgt 10 bis 15 Jahre.

Juveniler Krankheitsbeginn

Diese Verlaufsform beginnt im frühen Schulalter (5 bis 7 Jahre), meist mit einem Visusverlust durch Degeneration der Retina. Wegweisend sind ein früh ausgelöschtes Elektroretinogramm, später fundoskopische Pigmentverschiebungen und dünne Gefäße (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Retina mit dünnen Gefäßen und Pigmentverschiebung bei juveniler CLN3-Krankheit

Als Symptome der Hirndegeneration treten demenzielle Veränderungen (unerwartetes Absinken schulischer Leistungen), Grand-Mal-Anfälle und motorische Störungen hinzu. Die Bewegungsabläufe werden parkinsonartig mit kleinschrittigem Gang und Rigor. Spastik und Myoklonien treten selten und spät auf. Große Probleme bereitet oft in der Pubertät ein psychoorganisches Syndrom mit Angst- und Panikzuständen, Halluzinationen und depressiven oder aggressiven Stimmungsschwankungen. Ältere Patienten haben häufig kühle, livide Extremitäten bei Sinusbradykardie. Durch Verbesserungen der palliativen Therapie [u. a. PEG-Sonden-Ernährung (PEG: perkutane endoskopische Gastrostomie) bei Schluckstörungen] verlängerte sich die Lebenserwartung auf bis über 30 Jahre.

Adulter Krankheitsbeginn

Das Erkrankungsalter bei adulter NCL liegt im Durchschnitt bei 39 Jahren bei weiter Streuung [3]. Die Erstsymptome sind sehr variabel. Es wurden ein klinischer Typ A (initial progressive Myoklonusepilepsie, Demenz und Ataxie) und ein Typ B (initial Verhaltensauffälligkeiten und motorische Probleme) unterschieden, beide ohne Visusverlust [3].

Mit Identifikation der zugrunde liegenden Gendefekte steigt gegenwärtig die Zahl der diagnostizierten Fälle.

Therapie bei NCL

Spezialisierte palliative Therapie

Wegen der vielen Komplikationen ergeben sich besondere Herausforderungen. So wird die Behandlung häufig dadurch erschwert, dass Patienten sich nicht sprachlich mitteilen können, und ohne suffiziente Kommunikation mit ihnen ist die Identifikation der Ursache der Probleme kompliziert:

Spastische Krisenzustände können durch Schmerzen ausgelöst werden

Schmerzen

Sie sind im Bauchraum häufig durch eine Obstipation bei krankheitsbedingter Darmträgheit oder Fehlernährung bedingt, können in Einzelfällen aber auch anderer, nichtkrankheitsspezifischer Ursache (z. B. Appendizitis) sein. Wichtig ist, dass bei spastischen Krisenzuständen immer auch an Schmerzen als auslösende Ursache gedacht werden muss.

Wie bei der Ursachenfindung ist auch bei der medikamentösen Therapie typischer NCL-Probleme die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Team hilfreich. Tab. 2 gibt einen Überblick über medikamentöse Therapiemöglichkeiten bei häufigen Symptomen von NCL-Patienten, basierend auf Erfahrungen aus der NCL-Sprechstunde der Autoren.

Tab. 2 Übersicht zur medikamentösen palliativen Therapie bei NCL

Spastik

Eine schmerzhafte Spastik ist behandlungsbedürftig. Wirksam sind Baclofen und Tizanidin, Tetrahydrocannabinol (THC; vorsichtig zu handhaben) kann zusätzlich hilfreich sein (Tab. 2). Benzodiazepine wie Tetrazepam sind eher ungünstig (geringere Wirksamkeit, Verschleimung, im Verlauf schwerer therapierbare Epilepsie). Auch physikalische Therapiemaßnahmen und die Suche nach Auslösern einer krisenhaften Zuspitzung der Spastik sollten bedacht werden.

Myoklonien

Sie sind häufig schwer therapierbar. Von Patienten werden sie oft als weniger störend empfunden als von betreuenden Personen. Relativ gut wirksam sind Levetiracetam, Zonisamid und Piracetam (Tab. 2). Wegen der negativen Wirkungen der Benzodiazepine sind diese bei der Behandlung der Myoklonien möglichst zu vermeiden. Einige Antiepileptika können Myoklonien verstärken. So führt bei antiepileptischer Multipharmakotherapie oft allein die Reduktion der Medikamente zu einer Besserung der myoklonischen Symptomatik.

Epilepsie

Sie ist bei NCL meist als therapieresistent anzusehen. Der fortschreitende Abbauprozess des Gehirns führt zu einer sich verändernden Reaktionsweise auch auf Medikamente. Aus diesem Grund sollte bei der Epilespiebehandlung Folgendes beachtet werden:

  • Weder völlige Krampffreiheit noch EEG-Normalisierung sind realistische Ziele.

  • Das EEG hat bei NCL eher eine Monitoringfunktion. Therapie leitend ist der klinische Zustand.

  • Die Therapie mit mehr als 2 Antiepileptika führt häufig zu schwer einschätzbaren Wechsel- und Nebenwirkungen und nicht zur Verbesserung der Anfallssituation.

  • Bei NCL gibt es empfehlenswerte Antiepileptika wie Valproat und Lamotrigin (Tab. 2), aber auch solche mit negativer Wirkung auf den Krankheitsverlauf wie Carbamazepin, Phenytoin und Vigabatrin.

  • Die Therapie sollte dem Grundsatz so viel wie nötig und so wenig wie möglich folgen.

Psychopathologische Symptome

Die Erkennung und Behandlung quälender psychopathologischer Symptome wie Schlafstörungen, Angst, aggressives Verhalten, Depression und Halluzinationen stellen eine besondere Herausforderung dar. Eine psychopharmakologische Therapie sollte in Zusammenarbeit zwischen Kinderneurologen, Kinder- und Jugendpsychiatern, Eltern und Betreuern erfolgen. Nur so können Nebenwirkungen der Medikamente und andere Ursachen für Unruhe- und Angstzustände früh erkannt werden.

Pädagogische Fragen

Sie sind bei jugendlichen Patienten ein wichtiges Grenzgebiet zwischen Eltern, Lehrern und Ärzten.

Experimentelle Therapien

Da die Pathomechanismen nicht aufgeklärt sind, ist die Entwicklung kausaler Therapien schwierig. Bei CLN1- und CLN2-Krankheit werden derzeit Verträglichkeitsstudien mit der Transplantation embryonaler Stammzellen durchgeführt [17].

Erste Versuche zu virusvermittelten Gentransfertherapie gibt es bei Patienten mit CLN1 und CLN2, für CLN3 bislang nur im Tiermodell [7].

Kürzlich wurden erste positive Ergebnisse zur intrathekalen Enzymersatztherapie bei Hunden mit CLN2 vorgestellt, wodurch eine Therapiestudie am Patienten in greifbare Nähe rückte.

Bei CLN3-Patienten wurde eine Verträglichkeitsstudie zur immunmodulatorischen Therapie mit Mycophenolat durchgeführt.

Ein internationales NCL-Patienten-Register wird etabliert

Die Wirksamkeit dieser Therapien lässt sich derzeit schwer beurteilen. Ein Grund hierfür sind fehlende Evaluationsinstrumente zur Bewertung klinischer Effekte. Hierfür sind die Sammlung und Auswertung retrospektiver und prospektiver klinischer Daten einer großen Zahl von NCL-Patienten notwendig. Da dies nur in internationaler Zusammenarbeit möglich ist, setzte sich ein durch die europäische Kommission gefördertes FP7-Projekt DEM-CHILD (http://www.DEM-CHILD.eu) u. a. den Ausbau eines internationalen NCL-Patienten-Registers zum Ziel.

Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf NCL

Die Identifikation neuer NCL-Gene sowie die zunehmende Kenntnis der Phänotypvariabilität der NCL-Formen führten zu veränderten Empfehlungen für die Diagnostik (Tab. 3). Die Strategie hängt dabei entscheidend vom Alter des Kindes bei Krankheitsbeginn ab.

Tab. 3 Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf NCL

Beginn bei Geburt

Hier ist die Enzymaktivität von Cathepsin D zu messen (in Leukozyten und Fibroblasten, Trockenblutmethode in Entwicklung). Bei fehlender Aktivität folgt die Mutationsanalyse des CLN10-(CTSD-)Gens.

Beginn im Kleinkindalter

Zunächst wird die Aktivität der beiden Enzyme Palmitoylproteinthioesterase 1 (PPT1) und der Tripeptidylpeptidase 1 (TPP1) gemessen, was in einer Trockenblutprobe möglich ist [13]. Fehlende Aktivität von PPT1 bestätigt die Diagnose CLN1-Krankheit, fehlende Aktivität von TPP1 diejenige einer CLN2-Krankheit. Eine entsprechende Mutationsanalyse sollte angeschlossen werden. Formen von CLN10-Krankheit mit Beginn im Kleinkindalter sind bisher nicht beschrieben, aber denkbar, sodass ggf. auch die Enzymaktivität von Cathepsin D gemessen werden sollte.

Bei normalen Enzymaktivitäten erfolgt eine elektronenmikroskopische Untersuchung (Hautbiopsat oder Lymphozyten). Falls typisches NCL-Speichermaterial (Abb. 1) gefunden wird, handelt es sich um eine seltenere NCL-Variante. Hier kommen Defekte in den Genen CLN5, CLN6, CLN7, CLN8 oder CLN14 in Frage. Hierbei ist zu beachten, dass Mutationen im KTCD7-Gen (CLN14) auch bei EPM3 („progressive myoclonic epilepsy type 3“) beschrieben sind (MIM #611726; [18]).

Beginn im Schulalter

Zunächst wird im Blutausstrich nach Lymphozytenvakuolen gesucht. Lichtmikroskopisch kommen große helle Vakuolen im Zytoplasma der Lymphozyten (Abb. 3) wohl nur bei der CLN3-Krankheit vor. Einschlüsse im Zytoplasma von Lymphozyten sind auch bei anderen metabolischen Krankheiten nachweisbar.

Der elektronenmikroskopische Nachweis von typischem Speichermaterial jedoch bestätigt das Vorliegen einer Krankheit aus dem NCL-Spektrum [1].

Bras et al. [4] beschrieben kürzlich bei 4 Patienten eine NCL-Form (CLN12), bei welcher eine Mutation im ATP13A2-Gen vorlag und elektronenmikroskopisch NCL-ähnliches Speichermaterial gefunden wurde. Bei diesen Patienten begann die Krankheit im Alter von 13 bis 16 Jahren mit Ataxie und Myoklonus, gefolgt von Rigor, Akinesie, Dysarthrie und Demenz. Ein Visusverlust trat nicht auf [4]. Mutationen im ATP13A2-Gen sind auch für eine seltene Parkinson-Variante mit juvenilem Krankheitsbeginn und Demenz (Kufor-Rakeb-Syndrom, MIM #606693) verantwortlich [6]. Die Überlappung der Krankheitsbilder ist noch unklar.

Abb. 3
figure 3

Vakuolisierte Lymphozyten im Blutausstrich bei juveniler CLN3-Krankheit

Bei Fehlen von Lymphozytenvakuolen folgt die enzymatische Diagnostik wie oben. Gewisse Mutationen der Gene CLN1, CLN2 und CLN10 können Krankheitsbilder mit Beginn im Jugendalter verursachen. Bei normalen Enzymaktivitäten folgt die Elektronenmikroskopie. Falls typisches NCL-Speichermaterial gefunden wird, kommen Defekte im CLN5 -, CLN6 -, CLN7 - oder CLN8 -Gen in Frage.

Beginn im jungen Erwachsenenalter

Bei jungen Erwachsenen stehen neu aufgetretene Auffälligkeiten bezüglich Kognition, Verhalten oder Motorik neben Epilepsie und Ataxie im Vordergrund.

Diagnostisch ist zunächst eine protrahierte Form einer CLN1-, CLN2- oder CLN10-Krankheit in Betracht zu ziehen und durch enzymatische Untersuchungen zu überprüfen (s. oben), bei niedriger Enzymaktivität muss nach dem jeweiligen Gendefekt gesucht werden. Bei normalen Enzymaktivitäten ist die Elektronenmikroskopie einzusetzen Bei Nachweis von typischem Speichermaterial kann die Diagnose einer NCL gestellt werden. Bei dominantem Erbgang folgt die Mutationsanalyse des DNAJC5-Gens (CLN4), bei fehlenden Hinweisen darauf der Gene CLN6, GRN (CLN11) und CTSF (CLN13). Hierbei ist zu beachten, dass Mutationen im GRN-Gen (CLN11) auch bei „frontotemporal lobar degeneration with TDP43 inclusions“ (MIM #607485) beschrieben sind [5].

Resümee

Da in Zukunft die Kosten genetischer Diagnostikverfahren fallen dürften, ist zu erwarten, dass die gleichzeitige Analyse mehrerer NCL-Gene zunehmend Routine werden wird. Dennoch sind der dargestellte diagnostische Algorithmus und die Kenntnis der verschiedenen NCL-Phänotypen wesentlich zur Interpretation molekulargenetischer Befunde und der Entscheidung, ob es sich bei einer Anomalie in der Gensequenz um einen Polymorphismus oder eine krankheitsverursachende Mutation handelt.

Diskussion

Die NCL-Krankheiten wurden wegen ihrer genetischen Heterogenität sowie der hohen Phänotypvariabilität neu klassifiziert. Ein klarer Algorithmus ermöglicht eine präzise Diagnosestellung. Da die Pathomechanismen noch weitgehend unbekannt sind, ist die Entwicklung kausaler Therapien schwierig. Die Optimierung palliativer Therapiemöglichkeiten ist möglich, stellt aber wegen zahlreicher Komplikationen eine Herausforderung dar und bedarf der Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Team.

Fazit für die Praxis

  • NCL-Krankheiten sind eine Gruppe genetischer hirndegenerativer Krankheiten, die bei Kindern jeden Alters und jungen Erwachsenen auftreten.

  • Charakteristisch sind Demenz, Visusverlust und Epilepsie in variablen Kombinationen.

  • Ursache der NCL-Krankheiten sind Mutationen in zahlreichen Genen (CLN1CLN14). Zur genetischen Heterogenität gesellt sich eine phänotypische Variabilität.

  • Der Pathomechanismus betrifft die intrazelluäre Akkumulation von Speichermaterial und das Absterben von Neuronen, ist jedoch weitgehend unbekannt.

  • Bei Verdacht auf eine NCL-Krankheit gibt es eine klare diagnostische Strategie.

  • Die palliative Behandlung stellt wegen zahlreicher Komplikationen eine Herausforderung dar, die der Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Team bedarf.

  • Experimentelle Therapien waren bisher wenig erfolgreich, doch stehen Verfahren wie die Enzymersatztherapie bei der CLN2-Krankheit vor der Anwendbarkeit bei Menschen.