Zusammenfassung
Mitochondriopathien zählen zu den häufigsten neurometabolischen Erkrankungen im Kindesalter. Über Fortschritte in der Genetik, u. a. durch neue Sequenziertechniken, aber auch aufgrund biochemischer, z. T. funktioneller Untersuchungen, wurden in den letzten Jahren zahlreiche neue Krankheitsbilder entdeckt. Bei der Abklärung von Mitochondriopathien sind wegen der heterogenen klinischen Bilder sowie der sehr komplexen Diagnostik eine Zusammenarbeit mit Kompetenzzentren und deren Vernetzung sinnvoll. In der Therapie müssen neue viel versprechende Ansätze in prospektiven multizentrischen Studien verifiziert werden.
Abstract
Mitochondrial disorders ( mitochondriopathies) are one of the most commonly occurring neurometabolic disorders in children. In recent years biochemical, i.e. functional analyses, and advances in genetic methods (i.e. new sequencing techniques) have led to the discovery of numerous new diseases. Because of the heterogeneous clinical pictures and the complexity of the diagnostic workup a close collaboration of competence centers and a networking between them is required. New promising therapeutic approaches need to be verified in prospective multicenter studies.
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Mitochondriopathien zählen zu den häufigsten neurometabolischen Erkrankungen im Kindesalter. Trotz eines enormen Wissenszuwachses zu ihrer Pathogenese gelingt eine Diagnosestellung nur in einem Teil der Fälle, weshalb eine Zusammenarbeit mit Kompetenzzentren zunehmend wichtiger wird. Neue Sequenziertechniken in der Genetik haben das Potenzial, die Lücke zwischen den klinisch-biochemischen Befunden und der molekulargenetischen Diagnose zu schließen. Auch die Therapiemöglichkeiten sind nach wie vor limitiert, prospektive multizentrische Studien in klar definierten Patientengruppen sind dringend erforderlich.
Mitochondriopathien zählen mit einer geschätzten Prävalenz von etwa 1: 5000 [14, 16] zu den häufigsten neurometabolischen Erkrankungen im Kindesalter. Jedes Symptom, jedes Organ und jedes Lebensalter kann betroffen sein.
Mitochondrien liefern aus der Nahrungsverbrennung über die Atmungskette das lebensnotwendige ATP (Adenosintriphosphat) für die verschiedensten Zellvorgänge. Da die Atmungskette sowohl vom nukleären als auch vom mitochondrialen Genom kodiert wird und die Zelloxidation sehr komplex geregelt und abhängig u. a. von Transport-, Import- und Aggregationsvorgängen ist, gibt es vielfältige biochemische und genetische Störebenen und dementsprechend auch sehr heterogene Krankheitsbilder.
In der Folge werden neue Entwicklungen in Klinik, Diagnostik und Therapie der Mitochondriopathien dargestellt.
Definition
Mitochondriopathien führen durch eine gestörte oxidative Phosphorylierung zu einer verminderten ATP-Produktion. Zu den Mitochondriopathien zählen Störungen
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des Pyruvatdehydrogenasekomplexes (PDHC),
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des Zitratzyklus,
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der Atmungskette mit ATP-Synthese inklusive mitochondrialer Membrantransportvorgänge.
Fettsäureoxidationsdefekte, aber auch Störungen in anderen mitochondrialen Stoffwechselwegen, wie Harnstoffzyklusdefekte, werden nicht zu den primären Mitochondriopathien gerechnet, können aber sekundär zu Störungen der oxidativen Phosphorylierung führen.
Für die Diagnose ist eine Zusammenschau klinischer, laborchemischer, biochemischer und molekulargenetischer Befunde unumgänglich.
Primäre Mitochondriopathien
Sie beruhen auf einer Funktionsstörung in der Pyruvatoxidationsroute (PDHC, Zitratzyklus, Atmungskette; Abb. 1). Genetisch liegen Mutationen der mitochondrialen (mt) bzw. häufiger der nukleären (n) DNA vor (Abb. 2). Nukleär kodierte Atmungskettenuntereinheiten werden im Zytoplasma synthetisiert und ins Mitochondrium importiert, wo sie sich mit mitochondrial kodierten Untereinheiten, die im Mitochondrium synthetisiert werden, zu den Atmungskettenkomplexen zusammenlagern. Mutationen in den betreffenden mitochondrialen bzw. nukleären Genen führen u. a. zu Veränderungen von Proteinen der Atmungskettenuntereinheiten und deren Anlagerung an die jeweiligen Enzymkomplexe (Assemblierung), der Transkription und Translation der mtDNA, zu Defekten der Motilität, Fusion und Teilung von Mitochondrien.
Neben den primären Mutationen der mtDNA und nukleärer Gene, die z. B. Strukturproteine kodieren, können auch Mutationen in nukleären Genen, die die Synthese der mitochondrialen DNA kontrollieren, sekundär zu einer qualitativen und/oder quantitativen Störung der mtDNA, führen (Defekte der intergenomischen Kommunikation; Tab. 1). Eine quantitative Verminderung der mtDNA, die aufgrund einer gestörten Replikation oder eines verminderten Nukleotidpools für die mtDNA-Synthese entstehen kann, nennt man mtDNA-Depletion (Abb. 3), das Nebeneinander von mutierter und Wildtyp-DNA im Mitochondrium bezeichnet man als Heteroplasmie (Abb. 2).
Sekundäre mitochondriale Veränderungen
Sie können aus einer Hemmung der oxidativen Phosphorylierung durch Metaboliten im Rahmen anderer Stoffwechselerkrankungen resultieren, z. B. der Ethylmalonsäureenzephalopathie, bei der es durch Mutationen im nukleären ETHE1-Gen (ETHE: „ethylmalonic encephalopathy“) zur Störung der Detoxifikation von H2S kommt, welches sekundär u. a. den Atmungskettenkomplex IV (Cytochrom-C-Oxidase) hemmt [20].
Sekundäre mitochondriale Störungen werden auch bei zahlreichen anderen neurodegenerativen Krankheiten (z. B. M. Parkinson) beobachtet, sind aber ebenfalls durch antiretrovirale Nukleosidanaloga bei der HIV-Therapie (HIV: „human immunodeficiency virus“) über die Hemmung der Polymerase γ (POLG) möglich.
Bekannte Krankheitsbilder und Erweiterung des klinischen Spektrums
Bei Mitochondriopathien können grundsätzlich alle Organe betroffen sein. Üblicherweise stehen die besonders energieabhängigen Organe wie ZNS (Zentralnervensystem), Retina, Skelett- und Herzmuskel, endokrine Organe, Leber und Nieren im Vordergrund der klinischen Symptome. Mitochondriale Störungen treten vorwiegend systemisch, aber auch isoliert auf. Die neuromuskuläre Beteiligung muss nicht im Vordergrund stehen. So können auch z. B. Diabetes mellitus, Kardiomyopathie und gastrointestinale Motilitätsprobleme primär auftreten und neurologische Symptome erst später im Krankheitsverlauf dazukommen.
Das klinische Spektrum der Mitochondriopathien veränderte sich in den letzten Jahren v. a. dadurch, dass die Identifikation der genetischen Ursache manchmal eine bessere Abgrenzung klinischer Entitäten erlaubt. So sind z. B. nukleäre ATP-Synthase-Mutationen mit neonataler Laktatazidose, hypertropher Kardiomyopathie und 3-Methylglutakonsäure-Erhöhung assoziiert, ein Assemblierungsfaktordefekt von Komplex I (NDUFAF2) korreliert mit akuter respiratorischer Insuffizienz, atypischem Leigh-Syndrom und Hirnstammbeteiligung [10, 17]. Zusätzlich erweitert auch die Identifikation mitochondrialer Gene als Ursache von Erkrankungen, die man bisher nicht zu den Mitochondriopathien zählte, das Krankheitsspektrum [z. B. mitochondriale Aspartyl-tRNA-Synthase-Defizienz (tRNA: Transfer-RNA); [15]].
Nicht immer handelt es sich um typische mitochondriale Syndrome
Vielfach versteht man unter Mitochondriopathien typische mitochondriale Syndrome, die sich durch charakteristische Symptomenkombinationen definieren wie
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das im Kindesalter häufigste Syndrom, das Leigh-Syndrom (subakut nekrotisierende Enzephalomyelopathie),
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MELAS (mitochondriale Enzephalopathie mit Laktatazidose und „ragged red fibers“),
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MERRF (Myoklonusepilepsie, „ragged red fibers“),
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NARP (Neuropathie mit Ataxie und Retinitis pigmentosa),
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KSS (Kearns-Sayre-Syndrom),
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LHON (Lebersche hereditäre Optikusneuropathie) usw.
Sie machen aber insgesamt nur einen kleinen Anteil des klinischen Spektrums im Kindesalter aus.
Mitochondriale DNA-Depletion
Eine zunehmend heterogene Gruppe bilden Krankheiten mit mitochondrialer DNA-Depletion (Abb. 3), bei welcher inzwischen mindesten 9 genetische Ursachen unterschieden werden, die aber auch klinisch nicht mehr nur dem hepatozerebralen Depletionssyndrom [durch Mutationen in DGUOK- (Deoxyguanosinkinase), MPV17- (kodiert für ein Protein der mitochondrialen Innenmembran), POLG1-Genen u. a. verursacht) zugeordnet werden können, sondern auch primär myopathisch/enzephalopathisch (z. B. Thymidinkinasedefekt) oder auch enzephalopathisch/nephropathisch [z. B. RRM2B-Defekt (RRM2B: Ribonukleotidreduktase M2B)] imponieren können ([7], Tab. 2).
Koenzym-Q10-Mangel-Defekte
Diese Gruppe von Erkrankungen kristallisierte sich sowohl pathogenetisch als auch phänotypisch aus den kombinierten Atmungskettendefekten heraus. Klinisch unterschieden werden
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eine primär myopathische Form,
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eine überwiegend zerebelläre Form und
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eine multisystemische Form.
Allen liegen unterschiedliche Defekte der Koenzym-Q10-Synthese zugrunde. Dies ist insofern von Bedeutung, da sich hier in einigen Fällen eine therapeutische Option bietet [13].
Bezüglich des biochemischen Phänotyps erwies sich die vermehrte Ausscheidung von 3-Methylglutakonsäure als ein sehr wichtiger, allerdings unspezifischer Hinweis auf das Vorliegen einer Mitochondriopathie. Sie wird neben dem Barth- und dem Costeff-Syndrom insbesondere bei Defekten von Komplex V (ATP-Synthase) beobachtet [17, 22].
PDHC-Defekt
Bei Kindern mit schweren neonatalen Verläufen eines PDHC-Defekts mit Laktatazidose ist die Zuordnung zu den Mitochondriopathien eindeutig. In den letzten Jahren wurde evident, dass der Anteil später beginnender, milderer Formen, die auch ohne Laktaterhöhung und mit isolierten Dystonien oder peripherer Neuropathie [6, 19] einhergehen, relativ hoch ist und Erkrankungen mit derartigen Verläufen nicht immer als Energiestoffwechselstörungen erkannt werden (Tab. 3). Bei der häufigsten Form, dem X-chromosomal lokalisierten PDHA1-Defekt (Pyruvatdehydrogenase-E1α-Defekt) ist sowohl die klinische als auch biochemische Diagnostik bei Mädchen schwierig, da der Phänotyp von der X-Inaktivierung bestimmt wird. Bei der genetischen Klassifikation der PDHC-Defekte überwiegen klar die der E1α-Untereinheit (PDHA1).
Diagnostik
Die Diagnostik bei Mitochondriopathien kann aufwendig und kompliziert sein und ist bislang wenig standardisiert (Tab. 4) Gleichermaßen kann die genetische Beratung schwierig sein, und eine Pränataldiagnostik ist oft nicht möglich. Verschiedene Versuche einer Standardisierung wurden sowohl für Erwachsene als auch für Kinder unternommen [2].
In manchen Fällen, besonders bei klassischen Syndromen, kann im Blut eine genetische Diagnostik erfolgen. In den meisten Fällen ist es aber notwendig, eine Muskelbiopsie oder ggf. auch weitere Organbiopsien durchzuführen. Da die Skelettmuskulatur reich an Mitochondrien ist, können ausreichende Enzymaktivitäten gemessen und pathologische Befunde meist klar diskriminiert werden.
Die offene Muskelbiopsie ist nach wie vor der Goldstandard der Untersuchung.
Eine u. U. schonendere und technisch einfachere Nadelbiopsie ist an eine Miniaturisierung der biochemischen Untersuchungsverfahren gebunden [12].
Aus dem bioptisch gewonnenen frischen Muskelgewebe kann eine Mitochondriensuspension hergestellt werden, in welcher die Mitochondrien bereits direkt mit verschiedenen Substraten getestet werden können. Dies erlaubt eine Gesamtbeurteilung des Oxidationsstoffwechsels. Gerade bei ATP-Synthesestörungen wurde kürzlich gezeigt, dass nur mit dieser Methode auch neue Defekte entdeckt werden können (Phosphatcarrier-, ATP-Synthase-, Kofaktordefekte usw., [11, 12]). Funktionelle Untersuchungen können in gefrorenem Gewebe nicht durchgeführt werden, weil dazu intakte Zellmembranen notwendig sind, die beim Einfrieren zerstört werden. In diesem Material sind daher nur noch einzelne Enzyme der oxidativen Phosphorylierung untersuchbar.
Enzym- und Substratoxidationsuntersuchungen sind auch in kultivierten Hautfibroblasten möglich. In vielen Fällen können Defekte allerdings in Fibroblasten nicht nachgewiesen werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer gewebespezifischen Expression von Isoformen [1, 12].
Bei isolierter Organbeteiligung werden auch entsprechende Organe biopsiert (Leber, Herz, Niere usw.). Besonders bezüglich der Leber stellte sich bei fulminantem frühem Leberversagen im Säuglingsalter die Abklärung einer Mitochondriopathie als wichtig heraus: Atmungskettendefekte und mitochondriale DNA-Depletionen, die im Muskel nicht immer nachweisbar sind, können in der Leber noch als Ursache identifiziert werden (z. B. DGUOK-, POLG-Defekt) [7].
Häufig können Kombinationen von Enzymdefekten Hinweise auf die genetische Ursache liefern. So kann z. B. ein Komplex-I-, -III-, -IV-Mangel (mit normalem oder erhöhtem Komplex II) Zeichen einer mitochondrialen DNA-Depletion sein.
Atmungskettenenzyme können jedoch auch bei nicht primären Mitochondriopathien [z. B. SMA (spinale Muskelatrophie)] sekundär vermindert sein [4].
In manchen Fällen ist eine 2. Biopsie für funktionelle Untersuchungen erforderlich
Wenn Untersuchungen im frischen Gewebe primär nicht durchgeführt wurden, sollte zumindest bei jenen Patienten, bei denen eine Untersuchung der Atmungskettenkomplexe und PDHC aus gefrorenem Muskel keine Auffälligkeiten zeigte, mit fortbestehendem klinischem Verdacht auf eine Mitochondriopathie eine 2. Biopsie für eine funktionelle Untersuchung intakter Mitochondrien vorgenommen werden [18].
Neues aus der Genetik
Die Atmungskette steht unter einer dualen Kontrolle von beiden Genomen, dem mitochondrialen und dem nukleären. Daher kann die Übertragung von mitochondrialen Erkrankungen entweder der traditionellen Mendel-Genetik oder auch der mitochondrialen Genetik folgen (Abb. 2, Tab. 1).
Die Atmungskettenkomplexe werden zum Großteil von nukleären Genen kodiert, 13 Proteinuntereinheiten der Enzymkomplexe der oxidativen Phosphorylierung sind durch die mtDNA kodiert. Bei der mitochondrialen Genetik müssen
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der Heteroplasmiegrad (Verhältnis mutierter zu nichtmutierter mtDNA),
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der Schwellenwert (Grenzwert der ATP-Produktionsrate im Gewebe, unterhalb dessen Funktionsstörungen auftreten),
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die willkürliche Segregation (Verteilung der Mutationen auf die folgenden Tochterzellen) und
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die materne Vererbung (mtDNA-Mutationen werden über die mütterliche Linie im Stammbaum vererbt)
beachtet werden. Bei neu identifizierten Mutationen stellt sich immer die Frage der pathologischen Relevanz, da die mtDNA eine gegenüber dem nukleären Genom etwa 10-fach höhere spontane Mutationsrate aufweist (u. a. wegen Radikalattacken, fehlendem Reparatursystem). Auch wenn in den letzten beiden Jahrzehnten eine Vielzahl von mitochondrialen DNA-Mutationen identifiziert wurde, sind nukleäre DNA-Mutationen die häufigste Ursache für mitochondriale Erkrankungen bei Kindern, wobei die autosomal-rezessiven Erbgänge am häufigsten sind. Ausschließlich nukleär kodiert sind etwa Proteine, die für Assemblierung und Import sowie Replikation der mtDNA und mitochondriale Transkription/Translation, aber auch Teilung und Fusion dieser dynamischen Organellen verantwortlich sind. Es treten alle denkbaren Arten von Mutationen, die sowohl sporadisch als auch autosomal-rezessiv als auch autosomal-dominant vererbt werden, auf.
Die Fortschritte bei der Identifikation von krankheitsrelevanten Genen nahmen auch bei Mitochondriopathien in den letzten 5 Jahren enorm zu. So sind heute über 100 Gene bekannt, bei denen Mutationen in Mitochondriopathien resultieren. Die genetischen Studien führten zur Identifizierung einer Vielzahl von neuen Assemblierungsfaktoren für alle Atmungskettenkomplexe. Darüber hinaus wurden auch neue Pathomechanismen, z. B. Defekte der Koenzym-Q10-Synthese, Störungen der Synthese der mtDNA (s. oben), Störungen der Translation der mtDNA u. a. identifiziert, die eine noch genauere genetische Klassifizierung erlauben.
Die Anzahl von Mitochondriopathien mit genetisch unklarer Ursache überwiegt
Trotz der zunehmenden Anzahl bekannter Krankheitsgene überwiegt derzeit noch die Anzahl der Patienten mit Mitochondriopathien, deren genetische Ursache unklar bleibt. Dies ist z. T. ein Problem des Diagnoseprozesses (s. oben), aber v. a. der unklaren Pathogenese. Da jeweils nur wenige Patienten mit Mutationen im gleichen Gen beschrieben wurden, geht man davon aus, dass viele hundert Gene in die Funktion des Energiestoffwechsels involviert sind.
Die Entwicklung neuer molekulargenetischer Techniken erlaubt es heute, eine Vielzahl von Kandidatengenen in großen Patientengruppen zu untersuchen. Beispielsweise ermöglichten umfassende Mutationsanalysen von allen bekannten Kandidaten- und Strukturgenen in 60 Patienten mit isoliertem Komplex-I-Defekt bei etwa 20% der Patienten eine molekulare Diagnose [5]. Darüber hinaus gibt es aber noch viele unentdeckte Faktoren, die zu einem Komplex-I-Mangel führen können.
Neue Sequenziertechniken in der Genetik haben das Potenzial, die Lücke zwischen den klinisch-biochemischen Befunden und den molekularen Diagnosen zu schließen. Durch das „next generation sequencing“ [9] ist es jetzt möglich, das gesamte Genom eines Menschen mit einer Untersuchung zu analysieren. Am Beispiel eines Patienten mit isoliertem Komplex-I-Defekt konnten so Mutationen im ACAD9-Gen (ACAD9: „acyl-CoA dehydrogenase family, member 9“) identifiziert werden, das für einen neuen Assemblierungsfaktor kodiert und dessen Produkt ein bis dahin nicht charakterisiertes Mitglied der Acyl-CoA-Dehydrogenasen ist [8].
Die neuen molekulargenetischen Analysemethoden werden das Verständnis der Mitochondriopathien in den nächsten Jahren sprunghaft voranbringen.
Therapie – neue Ansätze
Im Gegensatz zum Wissenszuwachs der letzten Jahre bei der Pathogenese der Mitochondriopathien sind die therapeutischen Möglichkeiten unverändert sehr limitiert. Vielfach beschränkt sich die Behandlung auf symptomatische Maßnahmen. Wichtig ist es, Faktoren, die eine Verschlechterung auslösen können, zu vermeiden (z. B. Aminoglykosidantibiotika, Tetrazykline, Valproinsäure, reverse Transkriptasehemmer, Propofol bei Langzeitsedierung, ebenso auch Steroide in Langzeitanwendung wegen des katabolen Effektes u. a.).
Nur für wenige Substanzen sind Einzelberichte oder wenige Studien mit therapeutischen Effekten publiziert. Thiamin in Kombination mit ketogener Diät sind beim PDHC-Mangel Therapie der Wahl. Riboflavin ist als Kofaktor beim Komplex-I-Defekt indiziert. Koenzym Q10 wird bei Friedreich-Ataxie mit Kardiomyopathie sowie bei den seltenen Koenzym-Q-Synthese-Defekten und dem ETFDH-Mangel (ETFDH: „electron-transferring-flavoprotein dehydrogenase“), Karnitin bei allen Mitochondriopathien mit sekundärer Karnitinverarmung eingesetzt. Neuere Berichte zeigten die Wirksamkeit von L-Arginin bei MELAS-Krisen durch die indirekte Bereitstellung von Stickstoffmonoxid und dessen vasoaktiven Effekt. Koenzym Q10 scheint generell bei Mitochondriopathien als Radikalfänger eine gewisse Wirksamkeit zu besitzen ([18], Tab. 5). Für mitochondriale Myopathien mit mtDNA-Defekten scheint ein Modell, bei dem das Verhältnis zwischen defekter und gesunder mtDNA zugunsten der gesunden mtDNA verschoben wird, relativ viel versprechend zu sein. Hierbei werden entweder durch muskuläre Aktivität oder medikamentöse Induktion sog. Muskelprogenitorzellen mit geringem Mutationsgehalt bevorzugt aktiviert.
Andere Modelle wie Gentherapie oder die gezielte Einbringung von Medikamenten direkt in die Mitochondrien durch Shuttles haben das experimentelle Stadium noch nicht verlassen.
Der vermutlich klinisch am ehesten umsetzbare Ansatz ist die Aktivierung von PGC-1α („peroxisome proliferator-activated receptor gamma coactivator 1 alpha“).
Dieser Transkriptionsfaktor induziert die mitochondriale Gentranskription und die mitochondriale Biogenese. Er kann durch Medikamente wie Fibrate aktiviert werden, aber auch durch Resveratrol.
Die positive Wirkung von Bezafibrat konnte in vitro bereits klar demonstriert werden ([3, 21], eigene Ergebnisse). Allerdings fand eine klinische Anwendung bisher nur in Einzelfällen statt. Die ersten Ergebnisse sind jedoch so viel versprechend, dass eine klinische Studie zur Prüfung dringend erforderlich ist.
Generell fehlen leider groß angelegte, randomisierte, prospektive Studien für die Therapie bei Mitochondriopathien. Es ist zu hoffen, dass aufgrund des zunehmenden Wissens über die molekularen Defekte und des Verständnisses der Pathomechanismen effektivere Behandlungsmethoden entwickelt werden können. Prospektive kontrollierte Multizenterstudien wären für eine gute Beurteilung der Therapieeffekte dringend notwendig.
Fazit für die Praxis
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Biochemische und genetische Untersuchungen deckten eine zunehmende Zahl an mitochondrialen Erkrankungen auf.
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Nicht immer entsprechen die neu diagnostizierten Krankheitsbilder und deren Laborbefunde den bisher bekannten Mitochondriopathien.
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Später Krankheitsbeginn und protrahierte Verläufe, fehlende Laktaterhöhung und nichtneuromuskuläre Erstmanifestationen sind in Betracht zu ziehen.
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Eine gründliche Abklärung muss umfassend sein, einerseits funktionell biochemisch, andererseits genetisch, das mitochondriale und das nukleäre Genom betreffend.
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Neue Sequenziertechniken in der Genetik haben das Potenzial, die Lücke zwischen den klinisch-biochemischen Befunden und der molekularen Diagnose zu schließen.
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Es gibt viel versprechende therapeutische Ansätze bezüglich Enzyminduktion, multizentrische Studien hierzu stehen aber noch aus.
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Sperl, W., Prokisch, H., Karall, D. et al. Mitochondriopathien. Monatsschr Kinderheilkd 159, 848–854 (2011). https://doi.org/10.1007/s00112-011-2447-x
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