Das Symptom „Schmerz“ ohne weiteres klinisches Korrelat stellt den behandelnden Arzt nicht selten vor differenzialdiagnostische Probleme. Das breite Spektrum der möglichen Auslöser erfordert eine möglichst genaue Eingrenzung der potenziellen Ursache. Hierfür ist neben dem ersten klinischen Eindruck eine möglichst präzise Anamneseerhebung entscheidend.

Ein Kinderarzt ist in dieser Situation besonders gefordert, da insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern nicht nur die Einschätzung der Schmerzqualität, sondern auch die Schmerzlokalisation Schwierigkeiten bereiten kann. Hier sind neben eigenen Beobachtungen während der klinischen Untersuchung die Angaben der Eltern von entscheidender Bedeutung.

Eine optimale Diagnostik beruht auf einer fundierten Auswahl von Verfahren

Schmerzen im Bereich der Extremitäten oder des Achsenskelettes ohne sichtbare Schwellung erfordern ein diagnostisches Vorgehen, das einerseits möglichst rationell und schonend, andererseits aber ausreichend sein sollte, um die Erkrankungen auszuschließen, die einer sofortigen therapeutischen Intervention bedürfen. Das Spektrum möglicher Differenzialdiagnosen erstreckt sich von Malignomen (Nathrath) über rheumatische Erkrankungen (Haas) bis zu „Wachstumsschmerzen“ oder sekundären Schmerzverstärkungssyndromen. Aufgrund immer sensitiverer diagnostischer Möglichkeiten wie der Ganzkörpermagnetresonanztomographieuntersuchung werden heutzutage deutlich mehr Veränderungen in der Bildgebung gefunden, als eine konventionelle Röntgenuntersuchung aufzudecken vermag. Hier ist es angebracht, gut abzuwägen, welcher diagnostische Schritt wirklich erforderlich ist. Die Beiträge im vorliegenden Heft sollen symptomorientierte Wege vom Symptom „Knochenschmerz“ zur Diagnose aufzeigen – mit einem sinnvollen diagnostischen Vorgehen unter Einbeziehung möglicher Differenzialdiagnosen.

Eine Leukämie mit diffusen Knochenschmerzen oder ein maligner Knochentumor mit eher lokalisierten Schmerzen stellen den seltenen „worst case“ dar und müssen im Zweifelsfall zügig radiologisch und laborchemisch abgeklärt werden (Nathrath). Endokrinologische Ursachen für Knochenschmerzen sind zwar selten, sollen aber differenzialdiagnostisch bekannt sein und ggf. erwogen werden (Peitz).

Eine bakterielle Osteomyelitis stellt einen Notfall dar

Bei einer bakteriellen Osteomyelitis – insbesondere im Säuglingsalter – handelt es sich um einen Notfall, der zügiger Diagnostik und Behandlung bedarf.

Eine weitere, vermutlich sogar größere Entität stellen die nichtbakteriellen Osteitiden dar, die den Autoinflammationserkrankungen zugeordnet werden und bei Kinderärzten als CRMO (chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis) bekannt sind. Die Therapie erfolgt nicht antibiotisch, sondern antiphlogistisch. Es finden sich unterschiedliche Verlaufsformen, ähnlich wie bei den Arthritiden. Akute, eher flüchtige Formen entsprechen der reaktiven Arthritis oder Coxitis fugax und heilen nicht selten spontan aus (Jansson).

Zu den Ausschlussdiagnosen gehören die so genannten „Wachstumsschmerzen“, die sich nachts hauptsächlich an den langen Röhrenknochen der Beine manifestieren und zweifelsohne von vielen Kindern besonders in der ersten Lebensdekade über längere Zeiträume immer wieder geklagt werden (Windschall). Diese Diagnose ist auch unter den Eltern der Patienten gut bekannt und findet eine hohe Akzeptanz. Tatsächlich aber stellt der Wachstumsschmerz aus wissenschaftlicher Sicht eine noch völlig unklare Entität dar. Der Artikel von Windschall widmet sich diesem klinisch relevanten Thema und erläutert, wann solch eine Diagnose gestellt werden darf.

Ebenso zu den Ausschlussdiagnosen gehören die „sekundären Schmerzverstärkungssyndrome“. Sie sind häufig assoziiert mit Traumen, chronischen Erkrankungen oder psychischen Belastungen. Genetische, hormonelle und Umwelteinflüsse mögen involviert sein. Weitere mögliche Auslöser könnten individuelle Schmerzschwelle, weibliches Geschlecht und Bewältigungsstrategien darstellen, sowie äußere Faktoren, wie frühere Schmerzerfahrung, sozialer Stress und Nachahmen von chronischem Schmerzverhalten. Erkenntnisse über zentrale und periphere Schmerzmechanismen, die zur Entstehung einer Schmerzverstärkung beitragen können, bieten hier therapeutische Möglichkeiten in ganzheitlichen Therapieansätzen.

Eine angemessene Diagnostik angesichts eines klinischen Symptoms stellt oft eine Gratwanderung dar. Im pädiatrischen Alltag werden wir glücklicherweise häufiger mit dem Ausschluss schwerer Erkrankungen konfrontiert als mit ihrer Diagnose. Bei den zunehmend differenzierten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sollte der behandelnde Arzt nicht aus dem Auge verlieren, welche Maßnahmen wirklich notwendig sind und was dem Patienten erspart werden kann.

Dr. Annette Jansson

Prof. Dr. Dietrich Reinhardt