Die Versorgung von Frakturen des Gesichtsschädels gehört zu den Kernaufgaben einer Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Etwa 5% aller Betroffenen sind jünger als 15 Jahre [11, 16]. Am häufigsten treten bei Jugendlichen Frakturen des Unterkiefers auf, je nach Studie in 60–89,4% der Fälle [11, 18]. Im Gegensatz zum adulten Skelett weist der jugendliche Knochen zwar noch Wachstumszentren und Zahnanlagen auf, die eine Fraktur komplizieren können, andererseits reduzieren das dickere Periost sowie die höhere Elastizität des Knochens das Risiko einer Fraktur. Dank der juvenilen Regenerationsfähigkeit des Gewebes findet eine schnellere Frakturheilung statt. Je jünger das Kind desto seltener treten mandibuläre Frakturen auf.

Die Wahl des Therapiekonzepts von Unterkieferfrakturen im Wachstumsalter richtet sich deshalb nach dem Dislokationsgrad der Fraktur, den dadurch bedingten Funktionsstörungen sowie der altersabhängigen Heilungs- und Reparaturfähigkeit des Knochens.

Ziel dieser Studie sind eine Analyse der Inzidenz von Unterkieferfrakturen im Kindesalter sowie eine Darstellung aktueller Behandlungsmethoden und deren typischer Komplikationen. In der Synopse von vergleichbaren Patientenkollektiven aus 2 universitären mund-kiefer-gesichtschirurgischen Kliniken werden regionale Unterschiede hinsichtlich der Frakturlokalisation und der Ätiologie dargestellt.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Einschlusskriterium war das Alter des Patienten, welches zum Zeitpunkt des Frakturereignisses höchstens 15 Jahre betragen durfte. Grundlage dieser Studie bildete die Auswertung von Krankenunterlagen einschließlich der Röntgenbilder dieser Patienten, die in den Jahren 2001–2006 wegen einer Unterkieferfraktur in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Akademie Warschau sowie der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, Main, behandelt wurden.

In die Studie wurden sowohl Patienten mit einer isolierten Unterkieferfraktur als auch Patienten, die neben der Unterkieferfraktur weitere Frakturen im Gesichtsschädelbereich aufwiesen, integriert. Das hieraus resultierende Gesamtkollektiv betrug n=117 Patienten.

Jeder Patient wurde individuell hinsichtlich Zeitpunkt und Ursache des Traumas, Frakturlokalisation und begleitender Verletzungen sowie der Wahl der Therapie und der postoperativen Funktionsstörungen untersucht.

Im Anschluss an die klinische Untersuchung erfolgte eine radiologische Diagnostik der Unterkiefer standardisiert in 2 senkrecht aufeinander stehenden Ebenen: einer Panoramaschichtaufnahme (OPG) und einer Unterkieferübersichtsaufnahme im p.-a. Strahlengang nach Clementschitsch; bei Patienten mit ausgedehnten Gesichtsverletzungen wurde in der Regel eine Computertomographie (CT) durchgeführt.

Ergebnisse

In den Jahren von 2001–2006 wurden in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Akademie Warschau 60 Kinder unter 15 Jahre wegen einer Unterkieferfraktur behandelt. Davon waren 31,7% (n=19) weiblich und 68,3% (n=41) männlich. Im gleichen Zeitraum wurden in Frankfurt 57 Kinder behandelt – 24 Mädchen (42,1%) und 33 Jungen (57,9%). Insgesamt betrug das Verhältnis Jungen:Mädchen 1,7:1 bei n=74 Jungen (63%) und n=43 Mädchen (37%).

Die Patienten wurden je nach Dentitionsstatus 4 verschiedenen Altersgruppen zugeordnet: Kinder vor dem Zahndurchbruch (0–2 Jahre), Kinder mit einem reinen Milchgebiss (2–6 Jahre) sowie einem Wechselgebiss (6–13 Jahre) und Jugendliche mit abgeschlossener 2. Dentition (13–15 Jahre). Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 10,7 Jahre. Anhand der Altersverteilung zeigt Abb. 1, dass die Frakturen am häufigsten in der Gruppe der 13- bis 15-Jährigen zu finden waren.

Abb. 1
figure 1

Altersverteilung des Patientenkollektivs

Die Analyse der jahreszeitlichen Verteilung der Unterkieferfrakturen in beiden Kliniken ergab, dass sich 52,1% der Frakturen in den Monaten Mai, Juni, August und September ereigneten. Die detaillierte Jahresverteilung der Unterkieferfrakturen zeigt Abb. 2.

Abb. 2
figure 2

Jahreszeitliche Häufung der Unterkieferfrakturen

Bei den Ursachen der Traumen wurden wie üblich 5 Gruppen gebildet: Verkehrsunfall, Sportunfall, Sturz aus unterschiedlichen Gründen, Rohheitsdelikt und sonstige Ursachen (z. B. Huftritt, herabstürzender Gegenstand). Die häufigste Unfallursache in Warschau war Sturz (33%) gefolgt von Verkehrsunfall (30%). In Frankfurt überwogen dagegen Sportunfälle (41%) vor Stürzen (33%). Die genaue prozentuelle Verteilung der Unterkieferfrakturen je nach Unfallursache geht aus Tab. 1 hervor.

Tab. 1 Prozentuelle Verteilung der Unterkieferfrakturen nach Unfallursache

Altersbezogen zeigte sich, dass Kinder zwischen 0 und 13 Jahren die Unterkieferfraktur meist aufgrund eines Sturzes erlitten hatten. In der Altersgruppe 13–15 Jahre waren dagegen Sportunfälle die überwiegende Ursache für eine Unterkieferfraktur. Als häufigsten Begleitverletzungen stellten wir Verletzungen der Gesichtsweichteile (40%) fest, gefolgt von Verletzungen der Zähne und des Zahnhalteapparats (30%). Gehirnerschütterungen traten bei 18% der Patienten auf, weitere Frakturen des Gesichtsschädel bei 13% und periphere Frakturen bei 11%.

Bei 117 Patienten wurden insgesamt 148 Frakturen festgestellt. Von den 117 Patienten unserer Studie fanden wir bei 91 Patienten eine Einfachfraktur. Dies entspricht einem Anteil von 78% am Gesamtkollektiv. Eine Mehrfachfraktur des Unterkiefers beobachteten wir bei 26 Patienten. Dies entspricht einem Anteil von 22% aller Patienten. Hinsichtlich der Lokalisation des Bruchspalts im Unterkiefer wurde eine Einteilung nach Herzog u. Horch [5] vorgenommen. Die Frakturlokalisation in unserem Gesamtkollektiv zeigte folgende Verteilung: Kollumfrakturen (49%), Unterkieferparamedianfraktur (24%), Kieferwinkelfraktur (14%), Unterkiefermedianfraktur (10%) und Alveolarfortsatzfrakturen (3%).

Die Analyse der verwendeten Therapiemethoden in beiden Kliniken ergab vergleichbare Ergebnisse. Von 53 Kindern mit Korpusfrakturen wurden 28 (53%) operativ und 25 (47%) konservativ versorgt. Von 42 Kindern mit einer einfachen oder bilateralen Kollumfraktur wurden 34 (81%) konservativ behandelt. Bei 8 Kindern (19%) mit einer stark dislozierten Kollumfraktur wurde eine offene Reposition mit plattenosteosynthetischer Stabilisierung vorgenommen. Von 26 Kindern mit einer Kombination aus Korpus- und Kollumfraktur wurden bei 11 (42%) Patienten beide Frakturen und bei 8 (30%) Patienten lediglich die Korpusfraktur operativ versorgt. Bei 3 Kindern wurde eine rein konservative Methode verwendet. In Abb. 3 ist die Primärversorgung der Unterkieferfrakturen hinsichtlich der gewählten Therapieform dargestellt.

Abb. 3
figure 3

Verteilung der Therapieform im vorgestellten Patientengut

Abb. 4
figure 4

Klinischer Verlauf nach konservativer Behandlung einer Kollumfraktur links, a Orthopantomogramm mit Darstellung der linksseitigen Kollumfraktur und des Drahtschienenverbands im Alter von 10 Jahren, b klinischer Befund einer Unterkieferabweichung zur betroffenen Seite im Alter von 14 Jahren, c,d 3D-CT des deformierten Gelenkfortsatzes im 14. Lebensjahr

Es wurden insgesamt 52 Kinder operiert, dabei wurden 19 Kollum- und 46 Korpusfrakturen chirurgisch versorgt. Als postoperative Komplikationen traten auf: vorübergehende Schwäche des gesamten N. facialis oder eines seiner Äste (5 Fälle), Narbenhypertrophie (3 Fälle), Bruch der Osteosyntheseplatte (3 Fälle) und Mundöffnungsstörung (2 Fälle). 65 Kinder wurden konservativ versorgt, davon 51 Kollum- und 32 Korpusfrakturen. Die dabei festgestellten Komplikationen oder Spätfolgen waren: Okklusionsstörung (5 Fälle), Mundöffnungsstörung (3 Fälle), Arthropathie des Kiefergelenks (2 Fälle) (Abb. 4).

Abb. 5
figure 5

Konservative Behandlung einer bilateralen Kollumfraktur bei einem 6-jährigen Jungen, a die beidseitige Gelenkhalsfraktur belegendes Orthopantomogramm vom Unfalltag, b typischerweise zur konservativen Frakturbehandlung verwendeter Aktivator, c Kind mit Aktivator in situ

Diskussion

Gesichtsschädelfrakturen sind eine seltene Verletzung im Kindesalter. Die Inzidenz in der Untersuchung von Thorén et al. [16] betrug 7,7% bei Kindern unter 15 Jahren und 2,9% bei Kindern unter 10 Jahren [16]. Dabei ist in 75–90% der Unterkiefer betroffen [8]. Das männliche Geschlecht ist häufiger vertreten, in der von uns durchgeführten Studie war eine Dominanz mit einem Verhältnis von 1,7:1 nachweisbar. Mehrere Studien belegten, dass das männliche Geschlecht gleich welchen Alters bei Unterkieferfrakturen bevorzugt betroffen ist. Tuovinen et al. [17] fanden heraus, dass Jungen im Verhältnis 4,2:1 im Vergleich zu Mädchen betroffen sind, bei Renton u. Wiesenfeld [12] war das Verhältnis sogar 7,3:1 zugunsten männlicher Patienten. Als häufigste Ursache für Unterkieferfrakturen im Kindesalter fanden sich in dieser Arbeit Stürze (34%) und Sportunfälle (28%). Rohheitsdelikte waren mit 11% von untergeordneter Bedeutung. Vergleichbare Studien bei Erwachsenen [10, 12] gaben die Frequenz der Rohheitsdelikte mit 31,6–79% als Ursache einer Unterkieferfraktur an. In unserer Studie betrug der Anteil von Verkehrsunfällen 20% und deckte sich mit den Ergebnissen von Tuovinen et al. [17] (29,4%) oder Freidel et al. [4] (20,5%). Der hohe Anteil an Kollumfrakturen (49%) ist auf die im Kindesalter gehäuft auftretenden Stürze aufs Kinn zurückzuführen. Larsen u. Nielsen [9] fanden in ihrer Studie eine Fraktur des Processus condylaris in 36% ihres Patientenkollektivs. In der Studie von Freidel et al. [4] war dieser ebenfalls am häufigsten betroffen mit 30,3% aller Frakturen. Tuovinen et al. [17] berichteten dagegen nur von 21,3% der Frakturen im Bereich des Processus condylaris.

Die rasche Knochenheilung bei Kindern und Jugendlichen erfordert eine zeitnahe Versorgung der Frakturen. In unserer Studie wurden 89% Frakturen innerhalb der ersten 7 Tage nach dem Unfall versorgt. Der Art des Therapieverfahrens ist von der Lokalisation, dem Dislokationsgrad der Fraktur sowie dem Alter und der Bezahnung des Kindes abhängig.

Bei der Versorgung der Unterkieferfrakturen wird zwischen einer rein konservativen Therapie durch Ruhigstellung der Fraktur mit Hilfe eines dentalen Schienenverbands und einer intermaxillären Fixation (IMF) zur Sicherung der Okklusion, einer rein operativen Therapie mit offener Reposition der Fragmente und anschließender Osteosynthese oder der Kombination beider Therapieverfahren unterschieden.

Die konservative Frakturbehandlung erfolgt meist mit Aufbiss- (Kleinkinder) bzw. Drahtbogenkunststoffschienen und intermaxillärer Fixation (Jugendliche) und wird regelmäßig zur Stabilisation von nicht oder nur gering dislozierten Unterkieferfrakturen verwendet. Da die Knochenheilung bei den Kindern und Jugendlichen viel schneller als bei Erwachsenen verläuft, reicht eine intermaxilläre Fixation in den meisten Fällen für 2 und bis 4 Wochen, danach erfolgt eine Aktivatortherapie (Abb. 5) und/oder eine physiotherapeutische Nachbehandlung [16]. In manchen Fällen wird der Bruch durch Periostschlauch gehalten (Grünholzfraktur), sodass lediglich darauf geachtet werden muss, dass das Kind in dieser Zeit nur flüssige oder sehr weiche Kost zu sich nimmt (absolutes Kauverbot). Die konservative Therapie hat gegenüber der operativen Versorgung den Vorteil, dass die Zahnanlagen nicht gefährdet werden.

Kollumfrakturen

Eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der Therapie spielt die Lokalisation des Bruchs. Laut Literaturangaben werden Kollumfrakturen bei Kindern meist konservativ behandelt [1, 11, 16]. Die Ergebnisse dieser Therapie von Kollumfrakturen bei 11 Kindern bis zum 15 Lebensjahr beschrieben Choi et al. [1]: Die Autoren stellten fest, dass trotz eines hohen Anteils an radiologisch feststellbaren posttraumatischen Kiefergelenkveränderungen (54,5%) die Patienten langfristig keine Beschwerden beklagten. Hier spielen sicher die ausgeprägten adaptiven Prozesse im Wachstumsalter eine entscheidende Rolle. In unserer Studie klagten 8 von 45 Kindern (17,8%) mit konservativ behandelten Kiefergelenkfrakturen über unterschiedliche Beschwerden. Dabei handelte sich bei jeweils 3 Kindern entweder um eine Okklusionsstörung oder Mundöffnungsbehinderung sowie bei 2 Kindern um eine Arthropathie des frakturierten Kiefergelenks (Abb. 4).

Über Langzeitergebnisse nach operativer Versorgung von Kollumfrakturen bei 6 Kindern bis zum 14. Lebensjahr berichteten Deleyiannis et al. [2]. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von mehr als 5 Jahren fanden die Autoren bei allen Patienten mehr oder minder stark ausgeprägte funktionelle Störungen im Bereich der ehemals frakturierten Kiefergelenke, die sich radiologisch in deutlichen morphologischen Veränderungen des Gelenkfortsatzes niederschlugen.

In einem vergleichbaren Kollektiv operativ und konservativ versorgter Gelenkfortsatzfrakturen bei mehr als 150 Patienten fanden Santler et al. [14] keine nennenswerten Unterschiede bezüglich der Kiefergelenkfunktion, jedoch signifikant erhöhte sensorische Störungen in der rein operativ versorgten Patientengruppe. Die Autoren folgerten daraus, dass nur die erheblich dislozierten Gelenkhalsfrakturen einer operativen Versorgung zugeführt werden sollten. In unserer Studie stellten wir bei 8 von 19 Kindern (42,1%) mit operativ behandelten Kiefergelenkfrakturen unterschiedliche postoperative Komplikationen fest. Es handelte sich im Einzelnen um temporäre Schwächen des N. facialis (4 Fälle), Narbenhypertrophien (2 Fälle), Mundöffnungsstörungen (2 Fälle) und in 1 Fall einen Bruch der Osteosyntheseplatte.

Nach unserer Erfahrung können sowohl die konservative als auch die operative Behandlung von Kollumfrakturen im Kindesalter Probleme aufwerfen, allerdings zeigt der Vergleich beider Methoden, dass die Risiken und möglichen Folgen einer nicht operativen Therapie deutlich geringer sind und daher die konservative Frakturversorgung der operativen vorzuziehen ist.

Eine gefürchtete Komplikation nach übersehenen Kollum- und Capitulumfrakturen bei Kindern ist die Ankylose der betroffenen Kiefergelenke mit einer konsekutiven Entwicklung einer mandibulären Mikrognathie [6, 13]. Dabei reicht bereits eine Hämatombildung im Gelenkbereich für eine ankylotische Versteifung des Gelenks aus, falls nicht frühzeitig mit Mundöffnungsübungen begonnen wird. Es ist daher wichtig, dass Kleinkinder nach einem Sturz auf das Kinn in einer engmaschigen fachärztlichen Kontrolle verbleiben, damit diese Komplikation nicht zu spät erkannt wird. Falls 1 Wochen nach dem Trauma eine Mundöffnungsbehinderung persistiert, müssen korrigierende Maßnahmen eingeleitet werden. Eine einfache Methode zur Vermeidung dieser Komplikation ist eine gute funktionelle Nachbehandlung dieser Patienten, welche gut über die Ernährung (z. B. Bananen zum Training der Mundöffnung) erreicht werden kann. Abb. 6 zeigt ein 7-jähriges Mädchen mit einer beidseitigen Kiefergelenkankylose nach einer im Alter von 4 Jahren erlittenen bilateralen Kollumfraktur, deren fachgerechte Behandlung unterblieben war. Nach operativer Mobilisierung der Kiefergelenke weist die Patientin eine annähernd altersentsprechende Mundöffnung auf.

Abb. 6
figure 6

Komplikation nach unbehandelter Kollumfraktur beidseits, 7-jähriges Mädchen mit dem klinischen Bild einer bilateralen Ankylose als Folge einer unbehandelten beidseitigen Kollumfraktur im Alter von 4 Jahren, a erheblich eingeschränkte Mundöffnung, maximale Schneidekantendistanz 8 mm, b klinisches Bild derselben Patientin 2 Jahre nach der operativen Mobilisierung der Kiefergelenke

Korpusfrakturen

In der Regel werden die dislozierten Korpusfrakturen aufgrund der möglichen Bruchspaltinfektionen und Okklusionsstörungen bei einem gleichzeitig geringen Risiko eines eingeschränkten Unterkieferwachstums zumeist chirurgisch versorgt. Ein modernes Verfahren, das dem Patienten einen Zweiteingriff (Entfernung der Miniosteosyntheseplatten) erspart, stellt die Verwendung von resorbierbaren Fixationssystemen dar. Sie wurden an der Universitätsklinik Frankfurt im betreffenden Beobachtungszeitraum bei 10 Kindern im Alter von 1–15 Jahre angewendet. In dieser Gruppe wurden von 18 Frakturen (12 Korpus- und 6 Kollumfrakturen) 14 operativ versorgt (12 Korpus- und 2 Kollumfrakturen). Als Osteosynthesematerial wurden 2,0-mm-Polymax-Platten (Firma Synthes) verwendet. Im gesamten postoperativen Nachbeobachtungszeitraum (6–3 Monate) wurden keine nennenswerten Komplikationen beobachtet. Die Ergebnisse der Verwendung von resorbierbaren Platten zur Osteosynthese bei Unterkieferfrakturen an der Frankfurter Universitätsklinik beschrieben Landes u. Ballon [7] in ihrer Studie. Die Autoren wiesen auf eine gute Stabilität, Tolerierbarkeit und Biokompatibilität der resorbierbaren Platten insbesondere bei Kindern hin. Allerdings darf hier nicht verschwiegen werden, dass die langfristigen Erfahrungen bei der Verwendung von resorbierbaren Platten in dieser Altersgruppe noch dürftig sind, da hier nur kleine Patientenkollektive überblickt werden können [8].

Die chirurgische Versorgung sollte eine Wiederherstellung der Unterkieferkontinuität unter Schonung der Zahnanlagen gewährleisten. Schwierig kann die Klärung sein, ob ein Zahn im Bruchspalt aus Gründen der Infektionsprophylaxe entfernt werden sollte. Die Entscheidung richtete sich nach dem klinischen Befund: Alle nicht kariös oder traumatisch geschädigten bleibenden Zähne wurden primär belassen und erst beim Auftreten von Beschwerden endodontisch behandelt oder entfernt. Kariöse oder periapikal beherdete Zähne sowie teilresorbierte Milchzähne wurden im Rahmen der Frakturversorgung extrahiert.

Fazit für die Praxis

Frakturen im Gesichtsschädel stellen bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr eine Seltenheit dar, erst danach nimmt ihre Anzahl deutlich zu. Die häufigsten Frakturen im Gesichtsschädel bei Jugendlichen betrafen in unserer Studie den Unterkiefer (41%). Der Hauptanteil (59%) aller Unterkieferfrakturen bei Kindern unter 15 Jahren wurde konservativ versorgt. Prinzipiell ist im Wachstumsalter die konservative Frakturversorgung der operativen vorzuziehen. Bei Grünholzfrakturen kann die Behandlungsindikation weit gestellt werden, wenn eine adäquate Führung (weiche Kost, körperliche Schonung) des Patienten möglich ist.

Bei einer operativen Frakturstabilisierung mit Hilfe von Titanminiplatten sollte das Osteosynthesematerial nach etwa 4 Monaten zur Vermeidung von Wachstumsstörungen entfernt werden. Für eine möglichst komplikationsfreie Frakturheilung sollte eine Behandlung frakturspaltnaher erkrankter Zähne synchron erfolgen, wobei der Zahnerhalt eindeutig Vorrang hat.