Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • können Sie die Sarkopenie als Syndrom definieren.

  • sind Sie in der Lage, Veränderungen der Skelettmuskulatur im Alterungsprozess zu benennen.

  • kennen Sie den Einfluss von skelettmuskulären Faktoren auf das Sturzrisiko im Alter.

  • sind Sie mit der entsprechenden Differenzialdiagnostik vertraut.

  • können Sie – basierend auf der Evidenz zur Prävention von Stürzen mit Schwerpunkt auf skelettmuskulären Faktoren – angemessene Therapien veranlassen und koordinieren.

Hintergrund

Das Sturzereignis im Alter

Ein Sturz ist „ein unbeabsichtigtes Ereignis, bei dem der Betroffene auf dem Boden oder auf einer anderen tieferen Ebene aufkommt“ [1]. Mit zunehmendem Alter nimmt die Sturzhäufigkeit zu, sodass in der Altersgruppe der über 80-Jährigen bereits jeder Zweite jährlich stürzt, die Hälfte von ihnen mehrmals [2]. In institutionalisierten Wohnumgebungen, z. B. Pflegeheimen, ist der Anteil Stürzender höher, darin spiegelt sich die Zunahme von Risikofaktoren wider.

Menschen stürzen zwar im gesamten Verlauf der Lebensspanne, die Konsequenzen sind im höheren Alter jedoch beträchtlich schwerer. Im Vergleich zu Gleichaltrigen haben Mehrfachstürzende ein um 60 % erhöhtes Mortalitätsrisiko [3]. Etwa 10 % der Stürze führen zu schweren Verletzungen wie Frakturen und Schädel-Hirn-Traumata [2], hier spielt die hohe Prävalenz der Osteoporose eine wichtige Rolle. Hüftfrakturen nach Stürzen sind mit einer hohen Mortalität und geringen Lebensqualität verbunden. Ein Großteil der Patienten hat nach 12 Monaten in wichtigen Bereichen des funktionellen Status nicht das Ausgangsniveau wiedererlangt, so etwa in den basalen und instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens und in der Gehfähigkeit [4]. Die über 80-Jährigen sind das am schnellsten wachsende Segment der Alterspyramide. In Anbetracht dieses demografischen Wandels wird die Sturzinzidenz stark zunehmen. Bereits jetzt gehen 0,85–1,5 % aller Gesundheitsausgaben auf dieses Problem zurück [5].

Der Muskel im Alter

Die koordinierte Arbeit der Skelettmuskulatur ermöglicht die Durchführung von Alltagsaktivitäten . Zudem gewährleistet sie grundlegende Mobilität und die Durchführung komplexerer Bewegungsmuster, z. B. sportlicher Aktivitäten. Während des Alterungsprozesses kommt es zu signifikanten Veränderungen in Muskelstruktur und -funktion. Die alternsbezogene Muskelatrophie von etwa 40 % zwischen der dritten und der siebten Lebensdekade bezeichnet den generellen Verlust von Muskelfasern sowie den spezifischen Rückgang von schnell zuckenden Typ-II-Fasern durch eine verringerte Muskelproteinbiosynthese [6].

Die Beeinträchtigung der Muskelarbeit hat vielfältige Gründe [7], darunter

  • neurologische wie

    • die Degeneration der neuromuskulären Endplatte und

    • der Verlust von motorischen Einheiten;

  • endokrine (verringerte Produktion des „insulin-like growth factor“ 1);

  • inflammatorische (hohe Zytokinspiegel, z. B. von Interleukin-6);

  • ernährungsbezogene (Mangelernährung);

  • angeborene (z. B. hereditäre Einschlusskörpermyopathie) und

  • verhaltensbezogene (geringe körperliche Aktivität).

Entsprechend lässt die Muskelkraft im Alter schneller nach, als sich durch die Reduktion der Muskelmasse erklären lässt. Während die Sarkopenie originär auf den Verlust der Muskelmasse im Alter bezogen wurde, hat sich daher in den vergangenen Jahren immer mehr durchgesetzt, dass es sich um ein Syndrom handelt, das durch einen progressiven und generalisierten Verlust der Muskelmasse und -kraft charakterisiert ist und mit einem Risiko für negative Folgen, z. B. Mobilitätsbehinderungen, einhergeht [8]. Der Anteil der sarkopenen Senioren in Deutschland wird bei den über 70-Jährigen auf 5 % geschätzt, bei den über 80-Jährigen auf 10 % [9]. Aufgrund einer Vielzahl verwendeter Definitionen berichten vereinzelte Studien auch von einem Anteil sarkopener Personen über 50 %. Die Kachexie ist von der Sarkopenie insofern verschieden, als es sich um ein metabolisches Syndrom handelt, bei dem die Inflammation eine stärkere Rolle spielt, einhergehend mit Katabolie und meist nicht effektiver nutritiver Therapie [10].

Folge dieser alternsbezogenen skelettmuskulären Veränderungen sind funktionelle Einschränkungen, z. B. Gangunsicherheiten und Probleme bei Transfers, wie etwa beim Aufstehen. Wichtige Parameter der körperlichen Funktion hängen stark von der Schnellkraft (Kraft pro Zeit) ab [11], die durch den vermehrten Ab- und Umbau von Typ- II-Fasern doppelt so stark abnimmt wie Maximalkraftleistungen. Auch beim Erhalt des dynamischen Gleichgewichts kommt der Schnellkraft eine bedeutende Rolle zu, da im Falle eines Gleichgewichtsverlusts eine schnelle korrektive Bewegung notwendig ist.

Skelettmuskuläre Faktoren und Sturzrisiko

Sarkopenie, Muskelmasse und Stürze

Die Betrachtung der Originalstudien zum Thema ergibt ein sehr inkonsistentes Bild, primär aufgrund methodischer Differenzen, insbesondere der Anwendung verschiedener Sarkopeniedefinitionen und Stichprobengrößen. Definitionen, die in mehreren Studien Anwendung fanden, ergaben zum Teil widersprüchliche Resultate. Jedoch erscheint, verglichen mit der singulären Muskelmassebestimmung, die Kombination von Masse und Muskelfunktion insgesamt besser für die Diskriminierung von Stürzenden und Nichtstürzenden geeignet, auch in Bezug auf die Größe des Zwischengruppenunterschieds. Die Sarkopenie, wie sie von der European Working Group on Sarcopenia in Older People (EWGSOP) definiert wird, ist relativ konsistent mit einem erhöhten Sturzrisiko assoziiert [8].

Auch die Bestimmung von Muskelmasse und -größe ohne die Anwendung von Schwellenwerten kommt zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Einige Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein größerer Muskelquerschnitt im hohen Alter mit einem reduzierten Gleichgewicht – einer größeren Körperschwankung – und mit vermehrten Stürzen verbunden ist [12]. Dahingegen war eine höhere Muskeldichte als Parameter der Muskelqualität mit einer reduzierten Schwankung verbunden. Diese Ergebnisse zeigen, dass Muskelmasse und -größe für sich genommen nur eingeschränkt für die Bestimmung des Sturzrisikos geeignet sind und dass andere Parameter der Muskelfunktion bedeutsamer sind.

Muskelfunktion als Risikofaktor für Stürze

Eine Muskelschwäche der oberen oder unteren Extremitäten ist ein Risikofaktor für Einfach- und Mehrfachstürze sowie Stürze mit Verletzungen, einschließlich Frakturen [13, 14]. Dass auch die Muskelschwäche der Arme (Handkraft/Greifkraft) das Risiko zu stürzen erhöht, weist darauf hin, dass Muskelkraft ein wichtiger Marker der Funktionalität ist. Oft vernachlässigt ist die wichtige Funktion der Muskulatur der oberen Extremitäten und des Rumpfs bei der Wiedererlangung des Gleichgewichts durch schnelles Greifen von Objekten. Von Bedeutung ist sie auch in Bezug auf die Reduktion der mechanischen Kraft während des Sturzereignisses [15]. Für die Prädiktion des Risikos von Mehrfachstürzen ist die aufgabenspezifische Muskelarbeit der unteren Extremitäten wichtiger [13]. Verglichen mit mehreren Sarkopenieoperationalisierungen war die Bestimmung der Kraft der Knieextensoren genauer, bei niedrigeren Kosten und unter Einsatz von weniger Ressourcen [16].

Der primäre Mechanismus, mit dem die Muskelkraft das Sturzrisiko beeinflusst, ist der stabilisierende Einfluss auf das statische und dynamische Gleichgewicht [17]. Einiges weist zudem darauf hin, dass eine Schwäche der distalen Beinmuskulatur das Risiko zu stolpern erhöht, während eine Schwäche der proximalen Muskeln zu einer eingeschränkten Fähigkeit führt, das Gleichgewicht nach einer Störung wiederzuerlangen [14]. Da beim geriatrischen Patienten oft beides auftritt, führt die reduzierte Muskelkraft zu einem starken Anstieg des Sturzrisikos.

Die sogenannten „bed rest studies“, bei denen gesunde Probanden immobilisiert wurden, haben aufgezeigt, dass sich selbst bei gesunden älteren Menschen innerhalb von 10 Tagen die Muskelmasse um 1,5 kg und die Kraft um etwa 16 % verringert, einhergehend mit einer um 30 % reduzierten Muskelproteinbiosynthese [18].

Gebrechliche Menschen sind aufgrund einer reduzierten funktionellen Reserve stärker dem Risiko einer Dekonditionierung ausgesetzt. Immobilität, z. B. durch Hospitalisierung, führt zu einer schnellen Abnahme der Restkapazität, verbunden mit weiteren funktionellen Defiziten. Stärker betroffen sind Muskeln der unteren Extremitäten sowie posturale Muskelketten. Die Dekonditionierung betrifft multiple Organsysteme, darunter die Knochen, und erhöht das Frakturrisiko. Auch die im Alter reduzierte körperliche Aktivität führt zu einem Abbau von Muskelmasse und -kraft. In diesem Zusammenhang zeigen Daten des Robert Koch-Instituts, dass sich nur etwa 14 % der 70- bis 79-Jährigen gemäß den Empfehlungen 2,5 h/Woche mit moderater Intensität bewegen (höhere Altersgruppe nicht vertreten; [19]).

Diagnostik

In Deutschland ist weder die Sturz- noch die Sarkopeniediagnostik Standard in der klinischen Praxis. Aufgrund der multiplen intraindividuellen und umweltbedingten Ursachen von Stürzen existieren keine Tests bzw. Testbatterien, die das Sturzereignis klar vorhersagen können. Zu den wichtigsten Risikofaktoren von Stürzen gehören: [20]

  • Muskeldefizite

  • Stürze in der Vergangenheit

  • Gang- und Gleichgewichtsstörungen

  • visuelle Einschränkungen

  • Gelenkerkrankungen

  • Depression

  • kognitive Einschränkungen

Aber auch andere Probleme des geriatrischen Patienten, wie Polypharmazie, Inkontinenz und Multimorbidität, sind mit Stürzen assoziiert. Mit zunehmender Anzahl der Risikofaktoren steigt auch das Sturzrisiko (0 = 8 %; ≥4 = 78 %; [21]).

Erhebung des Sturzrisikos

Daher sollte bei Personen über 65 Jahre mindestens einmal jährlich ein kurzes Screening durchgeführt werden, in dem nach Stürzen sowie Gang- und Gleichgewichtsproblemen gefragt wird (Abb. 1). Stürze in der Vergangenheit gelten als zuverlässiger Risikofaktor für zukünftige Stürze, besonders wenn sie sich mehr als einmal ereignet haben. Die Erhebung von Stürzen basiert bei selbstständig lebenden älteren Menschen auf einem retrospektiven Selbstbericht und unterliegt damit Ungenauigkeiten. Bei kognitiv eingeschränkten Personen sollte sie über Stellvertreterberichte erfolgen, beispielsweise durch Angehörige oder Pflegeheimangestellte.

Abb. 1
figure 1

Algorithmus zur Detektion und Behandlung des Sturzrisikos. (Modifiziert nach [36])

Bei Einfachstürzenden sollte eine kurze Evaluation von Gang und Gleichgewicht vorgenommen werden, so etwa mit dem „timed up-and-go test“ und der Berg Balance Scale (Tab. 1). Bei erhöhtem Risiko (≥2 Stürze, auffälliger Befund) erfolgt ein multifaktorielles Sturzassessment (Abb. 1), in dem durch die Testung bekannter Risikofaktoren das individuelle Risikoprofil bestimmt wird. Im Rahmen dieses Assessments sollten auch Krafttests durchgeführt werden.

Tab. 1 Funktionelle Tests und Testbatterien

Sarkopeniediagnostik

Seit Oktober 2016 gibt es eine Ziffer für Sarkopenie in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10; M 62.84). Der SARC-F ist als fragebogenbasiertes und damit ressourcenminimiertes Screeninginstrument vorgeschlagen worden (Tab. 2). Mit einer hohen Spezifität ist er gut für den Ausschluss einer Sarkopenie geeignet [22]. Für eine genauere Diagnostik wird auf den Algorithmus der EWGSOP verwiesen (Abb. 2), der die objektive Messung der Muskelmasse und -kraft sowie der Ganggeschwindigkeit beinhaltet [8].

Tab. 2 Deutsche Übersetzung des Screeninginstruments SARC-F
Abb. 2
figure 2

Algorithmus zur Diagnostik einer Sarkopenie. Muskelmasse gemessen mit Dualröntgenabsorptiometrie (DXA). Alternative Schwellenwerte der Bioimpedanzanalyse (BIA) für Gesamtkörpermuskelmasse: Männer <10,76 kg/m2, Frauen <6,76 kg/m2. (Modifiziert nach European Working Group on Sarcopenia in Older People [8])

Bestimmung der appendikulären Muskelmasse

Für die Bestimmung einer geringen appendikulären Muskelmasse (populations- und geschlechtsspezifische unterste 20 % der aufaddierten Muskelmasse von Armen und Beinen) wird die Dualröntgenabsorptiometrie (DXA) empfohlen (Abb. 2). Als (tragbare) Alternative kann die Bioimpedanzanalyse (BIA) herangezogen werden.

Ganggeschwindigkeit

Die Ganggeschwindigkeit ist ein funktioneller, zum Teil von muskulären Faktoren abhängiger Parameter. Forschungsergebnisse der letzten Jahre zeigen den hohen diagnostischen und prognostischen Wert dieses einfach zu erhebenden Parameters auf, auch für die Prädiktion von Stürzen [23]. Eine Mindestdistanz von 4 m bei selbst gewählter Ganggeschwindigkeit sollte gemessen werden.

Kraftmessung

Die Messung der Kraft kann direkt oder indirekt erfolgen. Während der direkten Messung wird selektiv die Kraftfähigkeit eines Muskels bzw. einer Muskelgruppe getestet. Funktionelle Tests, wie das Aufstehen von einem Stuhl, lassen indirekte Rückschlüsse auf die Kraft der involvierten Muskelgruppen zu, schließen jedoch auch andere Fähigkeiten mit ein, z. B. das Gleichgewicht. Die Handkraftmessung kann mit einem Dynamometer oder Vigorimeter vorgenommen werden, mit Schwellenwerten von <30 kg für Männer und <20 kg für Frauen [8]. In Bezug auf das erhöhte Sturzrisiko erscheint jedoch die Kraftmessung der unteren Extremitäten relevanter; die Schwellenwerte für die Maximalkraft der isometrischen Knieextension (Abb. 3) betragen <23,6 kg bei Männern und <15,2 kg bei Frauen [16].

Abb. 3
figure 3

Messung der maximalen isometrischen Knieextension. Patient auf Stuhl sitzend, Verwendung eines am Stuhl und Unterschenkel befestigten elektronischen Dehnmessstreifens, Knie flexiert bei etwa 90°. Die Aufgabe ist, das Bein gegen den Widerstand so stark wie möglich zu strecken (eine Bewegung erfolgt jedoch nicht [isometrisch]). Die Testleistung ist stark von der Motivation abhängig; der Patient sollte daher (lautstark) angefeuert werden. Der beste von 3 Versuchen wird berücksichtigt. (Nach [26])

Auch die Fähigkeit des 5‑maligen Aufstehens von einem Stuhl mit verschränkten Armen in einer Zeit von unter 12 s hat sich als geeigneter funktioneller Test des Sturzrisikos herausgestellt [24].

Begrenzte Evidenz deutet zudem darauf hin, dass die Schnellkraft der unteren Extremitäten besser geeignet ist, Stürzende von Nichtstürzenden zu unterscheiden, als traditionelle Maximalkraftmessungen [25]. Trotz ihrer funktionellen Relevanz gibt es weder ausreichend Studienergebnisse noch Schwellenwerte der Schnellkraft für die klinische Diagnostik.

Therapie

Bei Hochrisikopatienten, zu denen gebrechliche Personen mit Sarkopenie gehören, sollte entsprechend dem Assessment versucht werden, individuelle Risikofaktoren zu optimieren (Abb. 1). Hierzu zählen Monointerventionen , wenn einzelne Faktoren ursächlich für das Sturzrisiko sind, z. B. Herzschrittmacher bei Patienten mit einem hypersensitiven Karotissinus. Meist sind aber multifaktorielle Interventionen notwendig, die in der Regel eine Bewegungskomponente einschließen. Auch Personen ohne erhöhtes Risiko sollte man im Rahmen der Sturzprävention ein geeignetes Bewegungsprogramm empfehlen.

Bewegungsprogramme

Hauptbestandteil eines erfolgreichen Programms ist ein anspruchsvolles Gleichgewichtstraining [27]. Kraftkomponenten, die vor allem als funktionelles Training durchgeführt werden, sollten aufgrund des Einflusses auf die posturale Stabilität integriert werden. Das gezielte (isolierte) Training spezifischer Muskeln bzw. Muskelgruppen sollte zum Einsatz kommen, wenn diese durch Verletzung oder Immobilisation geschwächt sind. Ein gezieltes Training des schnellen Schreitens („stepping“) reduziert das Sturzrisiko um 50 % [28], wahrscheinlich auch durch die Verbesserung der aufgabenspezifischen Schnellkraft.

Bewegungsprogramme können zu Hause und in der Gruppe durchgeführt werden. Ein Beispiel für ein effektives, nicht supervidiertes Trainingsprogramm zu Hause ist das Otago Exercise Programme, mit dem Gleichgewicht und Kraft funktionell trainiert werden. Wie sich gezeigt hat, kann es Stürze und Verletzungsfolgen verhindern und die Funktion verbessern [29].

Die Trainierbarkeit des muskulären Systems und die Toleranz eines hochintensiven Trainings sind bis ins höchste Alter gegeben – mit Zugewinnen an Kraft und einhergehender Funktionalität [30]. Kraft- und Vibrationstraining führen auch bei Hochbetagten zu einer Muskelhypertrophie [31]; das Training der Schnellkraft ist aber besser geeignet, um funktionelle Translationen zu erzielen [32]. Allerdings erscheint die Effektivität eines Bewegungstrainings bei vorgebrechlichen (pre-frail) Personen höher als bei stärker Betroffenen, weswegen eine möglichst frühe Diagnostik vorgenommen werden sollte [33].

Ernährung

Unterstützend spielt auch die Ernährung eine wichtige Rolle in der Behandlung der Sarkopenie. Aufgrund einer anabolen Resistenz im hohen Alter kommt es zu einem Ungleichgewicht von Muskelauf- und Muskelabbau. Daher muss besonders auf die bedarfsgerechte Energie- und Proteinzufuhr geachtet werden (1,2 g/kg bei gesunden Senioren; [34]). Eine Supplementierung von Molkenprotein und Vitamin D unterstützt die Muskelhypertrophie und -funktion bei sarkopenen alten Menschen [35]. Die Supplementierung von Vitamin D sowie die körperliche Aktivierung sind auch im Rahmen der Osteoporosebehandlung und -prävention und damit in der Vorbeugung von sturzbedingten Frakturen wichtig.

Aktivierung und Mobilisierung

Des Weiteren ist eine möglichst frühe Aktivierung bzw. Mobilisierung nach Immobilisation notwendig, um dem vermehrten Abbau von Muskelmasse und -kraft vorzubeugen und bestehende Funktionsreserven zu erhalten und aufzubauen.

Weiterführende Informationen im Internet

Fazit für die Praxis

  • Skelettmuskuläre Faktoren sind mit dem Sturzrisiko im Alter verbunden. Der Muskelfunktion kommt dabei eine größere Rolle zu als der Muskelmasse.

  • Durch eine frühzeitige Diagnose und Therapieeinleitung kann der Funktionsverlust reduziert werden. So lassen sich auch Stürze und deren Folgen verhindern.

  • Jährlich sollten ein Screening mit Markerfragen und gegebenenfalls eine Gangevaluation erfolgen. Die weiterführende Diagnostik erfolgt über ein multifaktorielles Sturzassessment zur individuellen Risikobestimmung. Das schließt unter anderem die Muskelkraft und -funktion sowie gegebenenfalls die Muskelmasse ein.

  • Personen ohne erhöhtes Risiko sollte die Teilnahme an einem kombinierten Gleichgewichts- und Krafttraining empfohlen werden.

  • Hochrisikopatienten profitieren von einem individualisierten, in der Regel multifaktoriellen Therapieansatz basierend auf dem Assessment. Auch hier stellt das körperliche Training der Funktion eine zentrale Komponente dar. Eine Supplementierung von Protein kann die Muskelproteinbiosynthese bei unterversorgten Personen unterstützen.