Die Erfolge der antihypertensiven Therapie

Auf die von den Herausgebern gestellte Titelfrage „Wo stehen wir mit der (medikamentösen) antihypertensiven Therapie?“ kann der Autor eine erfreuliche Antwort geben: in einer sehr guten Position! Begründen lässt sich die Antwort damit, dass die medikamentöse antihypertensive Therapie auf allen Ebenen der Prävention eine der erfolgreichsten medizinischen Maßnahmen überhaupt ist und speziell in Deutschland die Behandlungssituation deutlich verbessert wurde.

Verglichen mit anderen europäischen Ländern lag die Behandlungsqualität der arteriellen Hypertonie in Deutschland über Jahrzehnte nur im Mittelfeld. Dies hat sich im neuen Jahrtausend drastisch verändert. Inzwischen ist Deutschland Spitzenreiter. Das zeigen die aktuellen Daten des Bundes-Gesundheitssurvey, durchgeführt vom Robert Koch-Institut in Berlin [3]. Die Erhebung ist aus epidemiologischer Sicht die beste Datenquelle zur Behandlungssituation der Hypertonie in Deutschland. Dabei werden in repräsentativen Stichproben bundesweit nach gleichem Standard Probanden untersucht und in gewissen Zeitabständen verglichen. Im Vergleich zum Survey von 1997 bis 1999 ist der Prozentsatz der kontrollierten Hypertoniker, d. h. der bekannten und behandelten Patienten mit einem Blutdruck < 140/90 mmHg, im aktuellen Survey für 2008 bis 2011 von 29,9 auf 51,2 % angestiegen. Im aktuellen Survey zeigen sich interessante regionale und geschlechtsspezifische Unterschiede in der Prävalenz der Hypertonie, dem Bekanntheitsgrad und der Behandlungsqualität (Abb. 1).

Abb. 1
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Epidemiologie der arteriellen Hypertonie in Deutschland. Alle Angaben in Prozent (%) der Stichprobe. M Männer; F Frauen; P Prävalenz; B Bekanntheitsgrad der betroffenen Hypertoniker; T bekannte Hypertoniker unter antihypertensiver Therapie; K kontrolliert: bekannte und behandelte Hypertoniker mit einem Blutdruck < 140/90 mmHg. (Adaptiert nach [3])

Der Anteil der Patienten mit kontrollierter Hypertonie ist zuletzt deutlich gestiegen

Die erfolgreiche Entwicklung ist der verbesserten Aufklärung, Diagnostik und (medikamentösen) Behandlung zu verdanken. Das ist ein Verdienst der deutschen Ärzte, die sich offensichtlich zunehmend für die adäquate Behandlung der arteriellen Hypertonie engagieren. An dieser Stelle ist es angemessen, auch die erfolgreiche Arbeit der Hypertonie Akademie der Deutschen Hochdruckliga (DHL) zu erwähnen: Inzwischen haben sich etwa 3700 Ärzte als Hypertensiologen DHL® qualifiziert und nehmen an regelmäßigen Fortbildungen teil, ebenso wie etwa 700 Hypertonieassistenten DHL®. Die Aufklärung der Bevölkerung über Risiken und Behandlungsmöglichkeiten der arteriellen Hypertonie scheint ebenfalls Früchte zu tragen. Dieser Erfolg sollte sich auch in einer Reduktion der hypertoniebedingten Morbidität und Mortalität zeigen. Aus den Daten des Statistischen Bundesamts [4] ist dies für den Schlaganfall als schwerwiegender hypertensiver Folgeschaden abzulesen: Stieg die Schlaganfallinzidenz bis 2003 noch kontinuierlich an, war im Zeitraum von 2003 bis 2012 eine Reduktion der tödlichen und nichttödlichen Schlaganfälle pro 100.000 Einwohner um 7,5 % zu verzeichnen.

Aktuelle internationale Metaanalysen unterstreichen die große Bedeutung der arteriellen Hypertonie als wichtiger und häufiger Risikofaktor für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Auch die Erfolge der (medikamentösen) antihypertensiven Therapie sind klar erkennbar [26, 27, 28]. Je höher der Blutdruck und das Gesamtrisiko durch Begleiterkrankungen und Organmanifestationen und je älter die Patienten, umso größer ist die absolute Risikoreduktion und umso mehr kardiovaskuläre Ereignisse können durch die (medikamentöse) antihypertensive Therapie verhindert werden [27].

Medikamentöse Therapie

Die Entwicklung der Antihypertensiva begann erst vor etwa 50 Jahren und hat von zunächst schlecht verträglichen Substanzen wie Dihydralazin und Clonidin zu neuen sehr gut verträglichen Stoffgruppen wie Angiotensin-converting-enzyme(ACE)-Hemmern und Angiotensin-Typ-1(AT1)-Rezeptor-Blockern geführt. Heute steht uns eine breite Palette gut wirksamer und verträglicher Substanzen zur Verfügung.

Die gestiegene Arzneimittelverträglichkeit und -sicherheit spiegelt sich in den Therapieempfehlungen wider und hat für den einzelnen Patienten bei der Auswahl der Substanzen einen hohen Stellenwert. Arzneimittel mit möglichst geringen unerwünschten Wirkungen fördern die Therapieadhärenz der Patienten und reduzieren damit die kardiovaskulären Risiken. Derzeit werden von den europäischen Fachgesellschaften [32] fünf Hauptsubstanzklassen der modernen Antihypertensiva zur initialen Monotherapie wie auch für die Dauertherapie empfohlen (Abb. 2):

  • ACE-Hemmer

  • AT1-Rezeptor-Blocker

  • β-Blocker

  • Diuretika

  • Kalziumantagonisten

Abb. 2
figure 2

Die Hauptsubstanzgruppen für die initiale Monotherapie und die antihypertensive Kombinationstherapie. Grün durchgezogen Bevorzugte Kombinationen; grün gestrichelt bevorzugt mit einigen Einschränkungen; blau gestrichelt mögliche, aber weniger gut untersuchte Kombinationen; rot nicht empfohlen. Bei der Kombination von β-Blockern mit Kalziumantagonisten sollte nur Dihydropyridin eingesetzt werden. ACE „Angiotensin-converting enzyme“. (Adaptiert nach [32])

In den Leitlinien und Empfehlungen nationaler und internationaler Fachgesellschaften werden insbesondere Begleiterkrankungen und Folgeschäden als Kriterien für die differenzialtherapeutische Auswahl der Antihypertensiva herausgestellt. Die aktuellen europäischen Leitlinien [32] stufen die fünf Hauptsubstanzklassen als gleichwertig ein. Postsynaptische α-Blocker gelten nicht mehr als Mittel der ersten Wahl für die Monotherapie der Hypertonie, da sich in der ALLHAT-Studie unter Doxazosin signifikant häufiger eine Herzinsuffizienz entwickelte als unter Chlortalidon. In der Stufentherapie der resistenten Hypertonie spielen die α-Blocker aber eine wichtige Rolle [2, 16].

Die Wahl der initialen Therapie sollte stets individuell und personalisiert erfolgen

Die Auswahl der initialen Substanz zur Monotherapie oder verschiedener Substanzen in Kombination sollte stets individuell und personalisiert erfolgen. Zu Beginn empfiehlt sich auch stets eine niedrige Dosierung entsprechend der Initialdosierung in der Fachinformation. Zudem sollte eine lang wirksame Substanz bzw. Kombination eingesetzt werden. Die Dosis wird dann langsam (über Wochen) gesteigert. Da alle modernen Antihypertensiva ihre volle Wirkstärke frühestens nach 3–4 Wochen erreichen, sollte dieser Zeitraum für eine Dosissteigerung stets als Minimum beachtet werden. Geduld ist in der antihypertensiven Therapie ein sehr wichtiger Aspekt, ebenso wie die Maxime „So wenig wie möglich und soviel wie nötig“, um den Zielblutdruck zu erreichen.

Kombinationstherapie

Die Kombinationstherapie hat in der Hypertoniebehandlung eine lange und erfolgreiche Tradition, insbesondere auch die Anwendung sinnvoller fixer Kombinationen. Früher wurde die Kombination v. a. wegen mangelnder und begrenzter Wirksamkeit einer Monotherapie eingesetzt. Heute wird sie auch bei der initialen Behandlung der Hypertonie als Alternative empfohlen [32]. Dies gilt zum einen für eine Kombinationstherapie in normalen (mittleren) Dosen, um bei einem hohen Ausgangsblutdruck (20/10 mmHg über dem Zielblutdruck) mit höherer Wahrscheinlichkeit den Zielblutdruck zu erreichen. Zum anderen eignet sich eine niedrig dosierte Kombination als initiale Therapie auch bei der leichten Hypertonie [7]. Die antihypertensive Kombinationsbehandlung hat folgende Vorteile:

  • Verbesserung der Blutdruckeinstellung

  • Höhere Responderrate durch additive Wirkungen und durch Neutralisierung gegenregulatorischer Wirkungen

  • Synergistische organprotektive Wirkungen

  • Reduktion unerwünschter Wirkungen durch Neutralisierung unerwünschter Wirkungen und durch geringeren Dosisbedarf

  • Verbesserung der Therapieadhärenz (bei fixen Kombinationen)

Angesichts der komplexen Ätiologie und Pathogenese der primären Hypertonie wird eine Kombinationstherapie der multifaktoriellen Genese am ehesten gerecht. Die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen

  • Salz- und Wasserhaushalt,

  • dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System,

  • dem sympathikoadrenergen System und

  • der Gefäßreagibilität

sind mit einer Kombinationstherapie besser zu beeinflussen als mit einer Monotherapie. Dabei wirken verschiedene Antihypertensiva synergistisch auf den Blutdruck und neutralisierend auf die gegenregulatorischen Effekte, die durch eine einzelne Substanz induziert werden können. Die unterschiedlichen Wirkmechanismen können auch für eine Addition der organprotektiven Wirkung genutzt werden. Von besonderer Bedeutung für die Therapieadhärenz und langfristige Hypertoniebehandlung ist die Vermeidung unerwünschter Wirkungen. Sowohl die erwünschten Wirkungen, nämlich die Blutdrucksenkung und der organprotektive Effekt, als auch die unerwünschten Wirkungen sind dosisabhängig. Dabei ist die Beziehung nicht linear, sondern verläuft kurvenförmig (Abb. 3): Die Nebenwirkungen nehmen mit steigender Dosierung überproportional zu. Umgekehrt verlaufen die Dosis-Wirkungs-Kurven der erwünschten Wirkungen im unteren Dosisbereich steil, im oberen Bereich flach. Da sich in Kombinationen erwünschte und unerwünschte Wirkungen addieren, gilt folgende Gesetzmäßigkeit: Ist die Dosis der Kombinationspartner niedriger, sind die erwünschten Wirkungen überproportional hoch und die unerwünschten Wirkungen der Kombinationspartner überproportional niedrig im Vergleich zu einer hoch dosierten Monotherapie [6].

Abb. 3
figure 3

Dosis-Wirkungs-Beziehung der erwünschten Wirkung (Blutdrucksenkung) und der Nebenwirkungen in unterschiedlicher Dosierung. (Nach [6])

Die Nebenwirkungen von Antihypertensiva nehmen mit steigender Dosierung überproportional zu

Die Verwendung von fixen Kombinationen ist darüber hinaus der Therapieadhärenz sehr förderlich, denn diese hängt ganz wesentlich von der Anzahl der verordneten Medikamente ab. Daher hat die Verwendung von fixen Kombinationen in der Hypertoniebehandlung eine lange und erfolgreiche Tradition. Prinzipiell können alle Antihypertensiva der fünf Hauptsubstanzklassen miteinander kombiniert werden. Es gibt aber sinnvolle und weniger sinnvolle, erprobte und weniger erprobte Kombinationen (Abb. 2).

Folgende fixe Zweierkombinationen sind empfehlenswert:

  • ACE-Hemmer plus Diuretikum

  • AT1-Rezeptor-Blocker plus Diuretikum

  • β-Blocker plus Diuretikum

Als fixe Dreifachkombinationen aus AT1-Blocker, Diuretikum und Kalziumantagonist sind in Deutschland verfügbar:

  • Olmesartan 20 oder 40 mg bzw. Valsartan 160 oder 320 mg plus

  • Amlodipin 5 oder 10 mg plus

  • Hydrochlorothiazid 12,5 oder 25 mg

Die Vereinfachung des Medikamentenschemas ist die effektivste Einzelmaßnahme zur Verbesserung der Therapieadhärenz. Es ist daher kontraproduktiv, wenn einzelne kassenärztliche Vereinigungen und Kassen aus Kostengründen die Verordnung von generischen Einzelpräparaten anstatt fixer Kombinationen fordern.

Reicht eine Dreifachkombination nicht aus, um eine schwere Hypertonie zu kontrollieren, so kommen zusätzlich ein β-Blocker oder die Antihypertensiva der zweiten Wahl (Infobox 1) zum Einsatz. Bevorzugt werden sollten Doxazosin und Spironolacton, da für diese Substanzen Studiendaten vorliegen [2, 8].

Die Frage der β-Blockade

Das US-amerikanische National Joint Committee [33], die International Society of Hypertension [29] und das britische National Institute for Health and Clinical Excellence [17] empfehlen β-Blocker nicht mehr als antihypertensive Erstlinientherapie. In den europäischen Leitlinien sind sie dagegen noch als initiale Monotherapie aufgeführt [32].

Die ablehnende Haltung gegenüber den β-Blockern hat ihren Ursprung in der negativen Bewertung durch Lindholm in seiner Metaanalyse von 2005 [10]. In dieser Arbeit wurden überwiegend Daten aus alten Interventionsstudien mit dem nichtselektiven β-Blocker Propranolol und dem (alten) selektiven β-Blocker Atenolol ausgewertet. Es zeigte sich eine Unterlegenheit der β-Blocker im Vergleich zu anderen antihypertensiven Substanzgruppen in der Primärprävention des Schlaganfalls, nicht jedoch des Herzinfarkts. Mögliche Ursachen sind eine vergleichsweise geringe Senkung des aortalen bzw. zentralen Blutdrucks, ungünstige vaskuläre Effekte (Erhöhung der Pulswellengeschwindigkeit und des Augmentationsindex) und eventuell ungünstige metabolische Effekte (Gewicht, Fett- und Glukosestoffwechsel).

β-Blocker sind eine sehr heterogene Substanzgruppe

β-Blocker sind jedoch eine sehr heterogene Substanzgruppe mit deutlichen Unterschieden in der Selektivität, den vaskulären Effekten und ihrer metabolischen Wirkung auf den Lipid- und Glukosestoffwechsel. Heute sollten moderne selektive β-Blocker bevorzugt werden. Andere Vertreter, wie die o. g. Substanzen, sollten nicht mehr zum Einsatz kommen.

Einen besonderen Stellenwert hat Nebivolol als vasodilatierender β-Blocker der dritten Generation. Im Gegensatz zu herkömmlichen β-Blockern hemmt Nebivolol nicht nur hochselektiv die β1-Rezeptoren, sondern aktiviert als einziger β-Blocker das endotheliale NO-System. So führt es zu einer Abnahme des peripheren Gefäßwiderstands. Nebivolol hat eine relativ lange Halbwertszeit, die auch bei Einmaldosierung eine gesicherte Blutdrucksenkung über 24 h ermöglicht. Die antihypertensive Langzeitwirkung zeigt sich insbesondere auch im Vergleich mit anderen Substanzen [15, 24, 25]. Die körperliche Leistungsfähigkeit der Patienten bleibt erhalten [21, 23]. Im Gegensatz zu anderen β-Blockern bewirkt Nebivolol keine Gewichtszunahme. Auch der Lipid- und Glukosestoffwechsel [19, 20] sowie die Sexualfunktion [1] werden nicht ungünstig beeinflusst. Da (alte) β-Blocker die Lebensqualität in erheblichem Maße einschränken können, ist ein hohes Maß an Verträglichkeit sowohl für die Therapie als auch für die Adhärenz sehr wichtig. Van Bortel u. Baak [23] konnten in ihrer Arbeit zur Lebensqualität ein ausgezeichnetes Verträglichkeitsprofil der Therapie mit Nebivolol nachweisen.

Auf die β-Blockade kann im Rahmen der antihypertensiven Stufen- und Kombinationstherapie im klinischen Alltag nicht verzichtet werden. Auch sind besondere differenzialtherapeutische Indikationen und Doppelindikationen von Bedeutung, so etwa hyperkinetische Syndrome, Tachykardie und eine koronare Herzkrankheit (KHK; nach Infarkt).

Duale Blockade des Renin-Angiotensin-Systems

Die antihypertensive Wirkung einer dualen oder multiplen Blockade des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) wurde bisher nicht in entsprechenden Interventionsstudien an geeignet erscheinenden Patienten untersucht. Als Kollektiv kommen beispielsweise Patienten mit schwer einstellbarer oder resistenter Hypertonie infrage.

Die Ablehnung der Kombination eines ACE-Hemmers mit einem AT1-Blocker oder mit dem Renininhibitor Aliskiren basiert auf Studien an Patienten, deren Hypertonie unter der Therapie bereits gut eingestellt ist oder die mit einem RAS-Hemmer einen normalen Blutdruck aufweisen [5, 11, 18, 31]. Daher kann sie nur für diese Patientengruppe gelten.

In der ALTITUDE-Studie [18] wurde Aliskiren (300 mg) zusätzlich zur Standardtherapie mit einem anderen Hemmstoff des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, also einem ACE-Hemmer oder AT1-Blocker, verabreicht. Adressiert wurde die Frage, ob sich mit einer solchen Add-on-Therapie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse erzielen lässt. Das Projekt hat allerdings einen Schwachpunkt: Die Patienten hatten bereits einen gut eingestellten Blutdruck. Der Ausgangsblutdruck zu Beginn der Studie betrug 135/74 mmHg. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Aliskiren in maximaler Dosis in der Kombination mit einem RAS-Hemmer u. a. zu hypotensiven Ereignissen führte und dass eine erhöhte Inzidenz unerwünschter Ereignisse in Bezug auf nichttödliche Schlaganfälle, renale Komplikationen, Hyperkaliämie und Hypotonie beobachtet wurde.

Die European Medicines Agency hat für Aliskiren-haltige Arzneimittel in Kombination mit ACE-Hemmern oder AT1-Blockern eine Kontraindikation formuliert. Diese gilt für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 oder bei Nierenfunktionsstörungen mit einer glomerulären Filtrationsrate < 60 ml/min. Verwunderlich ist, dass der Zusatz „bei Patienten mit normalem Blutdruck bzw. gut eingestellter Hypertonie“ fehlt. Das ist ja sehr wahrscheinlich das entscheidende Kriterium, welches über Wohl oder Wehe entscheidet.

In der ONTARGET-Studie [11] lag der Eingangsblutdruck im Mittel bei 142/82 mmHg. Patienten mit mittelschwerer und schwerer Hypertonie waren ausgeschlossen. Ein Drittel der Patienten hatte keine Hypertonie. Die Kombination des AT1-Blockers Telmisartan (80 mg) mit dem ACE-Hemmer Ramipril (10 mg) führte zu gehäuften hypotensiven Episoden, Synkopen, akutem Nierenversagen und einem beschleunigten Abfall der glomerulären Filtrationsrate. Auch die Ergebnisse der ROADMAP-Studie [5] zeigen, dass eine zu starke Blutdrucksenkung ungünstig ist: Unter der Therapie mit 40 mg Olmesartan bei Patienten mit Typ-2-Diabetes konnte im Vergleich zu Placebo zwar die Mikroalbuminurie signifikant vermindert werden. Bei einem Zielblutdruck < 130/80 mmHg waren aber mehr Patienten mit KHK von einem tödlichen kardiovaskulären Ereignis infolge hypotensiver Episoden betroffen.

„Blood pressure matters“ und Antihypertensiva sind, wie es der Name nahelegt, in erster Linie Blutdrucksenker. Daher sollten bei der Planung einer Add-on-Studie der Ausgangsblutdruck, der Schweregrad der Hypertonie und die potenzielle Blutdrucksenkung nicht außer Acht gelassen werden. Spätestens seit der ACCORD-Studie muss der Zielblutdruck insbesondere bei Risikopatienten neu definiert werden, um eine riskante Überbehandlung zu vermeiden. Dies gilt beispielsweise für Patienten mit Diabetes oder KHK. Die Korrektur der Europäischen Leitlinien hinsichtlich der Zielblutdruckwerte spricht für sich. Die duale RAS-Blockade sollte unbedingt bei Patienten mit schwer einstellbarer und resistenter Hypertonie in Studien mit adäquatem Design untersucht werden und eventuell in niedrigerer Dosierung auch bei anderen Indikationen.

Eine sehr große männliche US-Veteran-Affairs-Kohorte mit über 800.000 Patienten im Alter von > 65 Jahren lieferte Hinweise, dass insbesondere die Kombination aus ACE-Hemmern mit AT1-Blockern das Risiko für Demenz und Alzheimer im Vergleich zu anderen Antihypertensiva senken kann [9].

Neue Substanzen

Ein neues Wirkprinzip ist von besonderem Interesse: LCZ696 von Novartis vereinigt zwei antihypertensive Wirkprinzipien in einem Molekül (Abb. 4): die simultane Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems mit dem AT1-Rezeptor-Blocker Valsartan und die Hemmung des Abbaus natriuretischer Peptide mit dem Neprilysininhibitor AHU377 (Sacubitril). Valsartan wirkt vasodilatierend und erhöht die Wasser- und Natriumausscheidung. AHU377 ist ein Pro-Drug, wird enzymatisch aktiviert und hemmt Neprilysin, das den Abbau natriuretischer Peptide bewirkt. Die Peptide reduzieren das Blutvolumen.

Abb. 4
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Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und der Vasopeptidase. ACE „Angiotensin-converting enzyme“; AHU377 Neprilysininhibitor; ANP atriales natriuretisches Peptid; BNP „brain natriuretic peptide“; LCZ696 Kombination aus dem Angiotensinrezeptorblocker Valsartan und AHU377. (Aus [34], mit freundl. Genehmigung von Georg Thieme Verlag KG)

LCZ696 wurde im Rahmen einer mehrarmigen randomisierten, doppelblinden Studie über 8 Wochen in den 3 Dosierungen 100, 200 und 400 mg eingesetzt. Die Substanz wurde mit Placebo, dem AT1-Rezeptor-Blocker Valsartan (160 und 320 mg) und dem alleinigen Neprilysininhibitor AHU377 verglichen [22]. Die antihypertensive Wirkung von LCZ696 war dosisabhängig und stärker als unter Valsartan. Interessanterweise war auch die antihypertensive Wirkung von AHU377 stärker als unter Placebo. Die Nebenwirkungsrate lag unter allen aktiven Substanzen auf Placeboniveau.

In der doppelblinden PARADIGM-HF-Studie wurde LCZ696 (2-mal 200 mg täglich) mit Enalapril (2-mal 10 mg täglich) verglichen. Eingeschlossen waren 8442 Patienten mit einer Herzinsuffizienz im New-York-Heart-Association(NYHA)-Stadium II, III oder IV und einer Ejektionsfraktion < 40 % [12]. Diese Studie wurde nach einer medianen Beobachtungszeit von 27 Monaten vorzeitig beendet: LCZ696 war Enalapril in der Reduktion der kardiovaskulären Mortalität und der Hospitalisierungsrate signifikant überlegen. In der LCZ696-Gruppe wurden häufiger eine Hypotonie und ein als „nonserious“ beschriebenes Angioödem beobachtet als in der Enalapril-Gruppe, aber seltener eine Hyperkaliämie, Husten und Niereninsuffizienz.

Es bleibt zu hoffen, dass die Substanz in weiteren Studien mit vernünftigen Designs untersucht wird (s. Abschnitt „Duale Blockade des Renin-Angiotensin-Systems“). Es muss untersucht werden, ob Angioödeme als spezifische Nebenwirkung in der Nutzen-Risiko-Abwägung im tolerablen Bereich bleiben. Schließlich hat Omapatrilat, eine Substanz mit ähnlicher Wirkungsweise, 2003 wegen der Auslösung angioneurotischer Ödeme keine Zulassung erhalten.

Antihypertensive Chronotherapie

Die blutdrucksenkende Wirkung einer Substanz kann ohne Berücksichtigung der Tageszeit, des Messzeitpunkts und des Zeitpunkts der Einnahme nicht umfassend beurteilt werden. Besonders wichtig ist dies mit Blick auf die 24-h-Wirkung. Ebenso muss eine optimale antihypertensive Therapie in Bezug auf Dosis und Dosierungsintervalle den individuellen Blutdruckrhythmus über die Zeit berücksichtigen (Abb. 5).

Abb. 5
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Chronopathologie der arteriellen Hypertonie. Schematische Darstellung der Varianten des zirkadianen Rhythmus (Tag-Nacht-Rhythmus). (Aus [13], mit freundl. Genehmigung von Georg Thieme Verlag KG)

Für eine effektive antihypertensive Therapie, die insbesondere bei mittelschwerer bis schwerer Hypertonie mit oder ohne hypertensive Organschäden die Morbidität und Mortalität reduzieren soll, ist eine dauerhafte Blutdrucksenkung über 24 h mit erhaltenem oder wieder hergestelltem Blutdruckrhythmus notwendig. An diesen Vorgaben müssen sich alle antihypertensiven Wirksubstanzen und Therapieformen messen lassen. Pharmakokinetik und -dynamik der Antihypertensiva sind ganz wesentlich von der Tageszeit abhängig [13].

Pharmakokinetik und -dynamik der Antihypertensiva hängen wesentlich von der Tageszeit ab

Mit Blick auf den zirkadianen Blutdruckrhythmus und die vielfältigen Formen des nächtlichen Blutdruckverhaltens ist eine individuelle Anpassung der Dosierungsintervalle bei einigen besonderen Patientenkollektiven zwingend erforderlich. Insbesondere eine nächtliche Blutdrucksenkung und die Wiederherstellung eines normalen zirkadianen Rhythmus sind wichtige Therapieziele bei Risikopatienten mit nächtlicher Hypertonie („non-dipper“) oder einer Inversion des Blutdruckrhythmus („inverted dipper“), z. B. bei der renalen Hypertonie.

Betroffen sind in erster Linie hypertensive Diabetiker, Patienten mit hypertensiven Organschäden wie Niereninsuffizienz und Hochdruckherz und Patienten mit einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Die Verhinderung eines überschießenden morgendlichen Blutdruckanstiegs ist heute als weiteres Therapieziel definiert. So soll die Häufung kardio- und zerebrovaskulärer Komplikationen in den Morgenstunden besser verhindert werden. Zur Erreichung dieser Therapieziele ist eine individuelle Auswahl der antihypertensiven Substanzen ebenso notwendig wie das richtige Dosierungsintervall.

Chronotherapeutisches Vorgehen

Einen Überblick über die antihypertensive Chronotherapie bieten Abb. 6 und Infobox 2.

Abb. 6
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Antihypertensive Chronotherapie bei verschiedenen zirkadianen Phänotypen der Hypertonie. (Aus [13], mit freundl. Genehmigung von Georg Thieme Verlag KG)

Bei der Mehrzahl der Patienten mit primärer Hypertonie ist ein normaler zirkadianer Rhythmus vorhanden. Bei leichter bis mittelschwerer Hypertonie erreichen sie mit einer lang wirksamen Substanz in Monotherapie oder einer Kombinationstherapie und Einnahme beim Aufstehen eine Blutdrucknormalisierung über 24 h.

Auch bei Patienten mit abgeschwächter oder aufgehobener nächtlicher Blutdrucksenkung ist zunächst ein Therapieversuch mit lang wirksamen Substanzen und morgendlicher Einnahme angezeigt. Sollte auf diesem Wege keine ausreichende nächtliche Blutdrucksenkung erreicht werden, ist eventuell die zusätzliche abendliche Gabe eines Kalziumantagonisten, eines α-Blockers oder von Clonidin angezeigt. Diese zusätzliche abendliche Therapie ist bei Patienten mit Inversion des zirkadianen Blutdruckrhythmus unumgänglich, wenn eine ausreichende nächtliche Blutdrucksenkung erreicht werden soll.

Eigene Untersuchungen an hypertensiven Diabetikern mit leichter bis mittelschwerer vorwiegend systolischer Hypertonie zeigen, dass die alleinige abendliche Gabe eines lang wirksamen ACE-Hemmers bei aufgehobenem Tag-Nacht-Rhythmus zu einer vergleichbar guten Blutdrucksenkung über 24 h führen kann wie die morgendliche Dosierung bei Patienten mit erhaltenem Tag-Nacht-Rhythmus [13].

Die nächtliche Absenkung des Blutdrucks ist bei älteren Patienten > 70 Jahre häufig vermindert. Bei älteren Hypertonikern hat der nächtliche Blutdruck eine ganz besondere Bedeutung: In der australischen nationalen Blutdruckstudie ANBP 2 zeigte nur der nächtliche Blutdruck eine signifikante Relation zu kardiovaskulären Ereignissen oder Todesfällen, nicht jedoch der Tagesblutdruck oder der Praxisblutdruck.

Aber auch ein zu starker Blutdruckabfall in der Nacht („extreme dipper“) kann bei älteren Patienten die Gefahr nächtlicher myokardialer oder zerebraler Ischämien erhöhen, insbesondere wenn eine manifeste KHK oder Zerebralsklerose vorliegt [13].

Bei spontaner Blutdrucksenkung um > 20 % in der Nacht („extreme dipper“) darf daher keine abendliche Einnahme des Antihypertensivums erfolgen.

Fällt der Blutdruck in der Nacht sehr stark ab, ist es sinnvoll, nach Maßgabe der Langzeitmessung am Tage eventuell nur eine Substanz mit mittellanger Wirkung einzusetzen. Eine abendliche Dosierung eines Antihypertensivums ist nur sinnvoll und auch nur erlaubt, wenn mittels ABDM eine nächtliche Hypertonie nachgewiesen ist (Abb. 5, Abb. 6).

Zentraler Blutdruck – Konsequenzen für die antihypertensive Therapie

Mit der Pulswellenanalyse (PWA) steht uns heute eine nichtinvasive Methode zur Verfügung, mit der die Gefäßfunktion untersucht werden kann. Die Aufzeichnung und Analyse der Pulswelle über einer peripheren Arterie mit modernen Systemen erlaubt auch Rückschlüsse auf die zentralen Druckverhältnisse und die Gefäßelastizität.

Es können klinisch wichtige Parameter wie der zentrale (aortale) Blutdruck, der Augmentationsindex und die Pulswellengeschwindigkeit abgeleitet werden. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit der Gefäßelastizität bzw. der aortalen Steifigkeit. Inzwischen liegen Normalwerte für die Pulswellengeschwindigkeit aus großen Kollektiven vor. Demnach ist von einer Gefäßsteifigkeit ab einer Geschwindigkeit von etwa 11 m/s auszugehen.

Der zentrale aortale Blutdruck gilt als wichtige Zielgröße in der antihypertensiven Therapie

Der aus der PWA errechnete zentrale (aortale) Blutdruck gilt als wichtige Zielgröße in der antihypertensiven Therapie und ist mit dem kardiovaskulären Risiko stärker assoziiert als der Druck in der A. brachialis. In jungem Alter und bei gesunden Gefäßen wird der aortale Druck durch die Oberarmmessung überschätzt. Im Alter und bei steifen Gefäßen verhält es sich umgekehrt. Die Gefäßsteifigkeit lässt sich mit verschiedenen Antihypertensiva unterschiedlich beeinflussen. Zudem kann er durch nichtmedikamentöse Maßnahmen vermindert werden. Nicht jede medikamentöse Blutdrucksenkung ist auch mit einer Abnahme der Pulswellenreflektion verbunden. Die Conduit-Artery-Function-Evaluation(CAFE)-Studie ergab, dass der zentrale (aortale) Blutdruck mit der Kombination Amlodipin + Perindopril besser gesenkt wird als mit der Kombination Atenolol + Thiazid. Die Senkung des konventionell gemessenen Blutdrucks in der A. brachialis war dagegen gleich [30]. Die Kombination aus Kalziumantagonist und ACE-Hemmer zeigte im gesamten Studienverlauf eine bessere Senkung des Aortendrucks und war mit einer besseren Prognose verbunden. Diese unterschiedliche Wirkung der einzelnen Antihypertensiva erklärt wahrscheinlich auch die unterschiedliche Risikoreduktion in anderen Studien, in denen der zentrale Blutdruck nicht gemessen wurde. Die Senkung des zentralen systolischen Blutdrucks wird in der Messung am Arm nur unzureichend erkannt.

Insbesondere Nitrate führen zu einer starken Reduktion der Pulswellenreflektion und zur Senkung des zentralen Blutdrucks. Auch Kalziumantagonisten und ACE-Hemmer dämpfen die reflektierte Welle. Dies gilt auch für Nebivolol, den β-Blocker der jüngsten Generation mit vasodilatierender Wirkung und NO-Freisetzung, nicht jedoch für die alten β-Blocker, z. B. Atenolol. Die unterschiedlichen Effekte der einzelnen Antihypertensiva sollten differenzialtherapeutisch genutzt werden. Die Wirkung auf die Pulswelle kann im Verlauf der Behandlung verfolgt werden [14]. Bereits heute gibt es gute Gründe, anstelle des brachialen Drucks den aortalen Blutdruck als Zielblutdruck zu definieren.

Fazit für die Praxis

  • Die aktuellen europäischen Leitlinien stufen fünf Hauptsubstanzklassen als gleichwertig ein: ACE-Hemmer, AT1-Rezeptor-Blocker, β-Blocker, Diuretika und Kalziumantagonisten.

  • Postsynaptische α-Blocker spielen weiterhin eine wichtige Rolle in der Stufentherapie der resistenten Hypertonie.

  • Die Medikation erfolgt individuell und anfänglich mit einer niedrigen Dosierung. Diese wird dann langsam gesteigert.

  • Von besonderer Bedeutung für die Therapieadhärenz sind die Vermeidung unerwünschter Wirkungen und eine Vereinfachung des Medikamentenschemas durch Verwendung fixer Kombinationen.

  • Die β-Blockade ist im Rahmen der antihypertensiven Stufen- und Kombinationstherapie unverzichtbar. Bevorzugt sollten moderne selektive Vertreter Einsatz finden. Einen besonderen Stellenwert hat das vasodilatierende Nebivolol.

  • Eine optimale antihypertensive Therapie muss den individuellen zirkadianen Rhythmus berücksichtigen.

  • Die abendliche Dosierung eines Antihypertensivums ist nur sinnvoll, wenn eine nächtliche Hypertonie nachgewiesen wurde.

  • Bereits heute gibt es gute Gründe, anstelle des brachialen Drucks den aortalen Blutdruck als Zielblutdruck zu definieren. Dieser kann mit der PWA ermittelt werden.