Beim Delir handelt es sich um ein in der Behandlung älterer Menschen häufig auftretendes Syndrom. Ein Delir geht mit einem deutlich erhöhten Komplikationsrisiko und einem erhöhten Risiko für z. T. dauerhaft anhaltende funktionelle und kognitive Funktionseinschränkungen einher. Das frühzeitige Erkennen, die Abklärung möglicher Ursachen und der parallele Therapiebeginn sind besonders wichtig. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Wissensstand zum Delir beim geriatrischen Patienten und geht vertiefend auf nichtmedikamentöse und medikamentöse Therapiestrategien ein.

Grundlagen

Das Delir zählt zu den häufigsten Komplikationen bei älteren Patienten im Krankenhaus. Je nach betrachteter Population schwankt die Prävalenz zwischen 1 und 2 % in der häuslichen ambulanten Versorgung, bis zu 14 % bei Pflegeheimbewohnern und Patienten rehabilitativer Einrichtungen sowie 29–64 % in der stationären internistisch-akutgeriatrischen Versorgung [14]. Die höchste Delirprävalenz zeigt sich postoperativ, besonders in der besonders in Orthopädie/Traumatologie und der Herzchirurgie (70–90 %), bei intensivmedizinisch versorgten Patienten (bis zu 70 %) und in der palliativmedizinischen Betreuung mit einer Delir-Prävalenz von mehr als 80 % in der Terminalphase [14, 25].

Begriffe wie „organisches Psychosyndrom“, „(postoperatives) Durchgangssyndrom“ oder „akute Verwirrtheit“ werden noch immer häufig synonym für das Delirsyndrom benutzt. Dieses ist durch diagnostische Kriterien definiert. Hierbei stellen das akute Auftreten und die Verwirrtheit, als ein Symptom, nur Einzelkomponenten dar. Es sollte daher einheitlich der Begriff Delir verwendet werden.

Oft ist ein Delir das erste Zeichen einer zugrunde liegenden lebensbedrohlichen Problematik.

Dies kann z. B. ein akutes Koronarsyndrom [32] oder eine Infektion bis hin zur Sepsis sein. Das Delir ist daher als „Notfall“ zu betrachten. Die Einjahresmortalität des Delirs beträgt 35–40 % [23]. Ein Delir kann nur wenige Stunden, aber auch bis zu Wochen andauern.

Insgesamt ist die Prognose des Delirs schlecht und korreliert mit seiner zeitlichen Dauer sowie dem Schweregrad seiner Ausprägung. Neben einer erhöhten Mortalität ist das Delir mit folgenden Komplikationen assoziiert:

  • verlängerte Krankenhausaufenthalte,

  • ggf. verlängerte Intensivpflichtigkeit,

  • erhöhtes Sturzrisiko,

  • erhöhte Inzidenz von Infektionen,

  • dauerhafte funktionelle Einschränkungen [(instrumentelle) Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL/iATL)],

  • erhöhte poststationäre Unterbringung in Langzeitpflegeeinrichtungen und

  • dauerhafte kognitive Funktionseinschränkungen.

Fast die Hälfte aller Patienten mit einem Delir weist noch nach einem Jahr vorher nichtbeobachtete kognitive Defizite auf.

Um diese negativen Auswirkungen zu vermindern, ist es wichtig, Risikopatienten zu identifizieren und frühzeitig entsprechende präventive sowie ggf. therapeutische Maßnahmen einzuleiten. Wird ein Delir frühzeitig erkannt, kann es häufig gut behandelt werden. Insgesamt geht man davon aus, dass ein Delir in ca. 40 % der Fälle vermeidbar wäre [39].

In den vergangenen 5 Jahren wurden fast 2000 Publikationen zum Thema „Delir beim älteren Patienten“ in PubMed veröffentlicht (http://www.ncbi.nlm.nih.gov). In verschiedenen Versorgungsbereichen wurden Leitlinien, wie z. B. die englische Leitlinie „Delirium: diagnosis, prevention and management“ des National Institute for Health and Clinical Excellence (http://www.nice.org.uk/guidance/CG103) oder im Bereich der Intensivmedizin die S3-Leitlinie „Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF, Crit Care, [3, 22]) herausgegeben.

Trotz dieser vermehrten Aufmerksamkeit gegenüber der Thematik, bleibt ein Delir in 32–66 % der Fälle von Ärzten und 43 % der Fälle von Pflegepersonen unerkannt [6, 28]. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über Risikofaktoren sowie weitere Schritte im diagnostischen und therapeutischen Management von geriatrischen Patienten mit Delir. Obwohl auch bei geriatrischen Patienten vorkommend, spielt das Alkoholentzugsdelir in der besprochenen Patientengruppe nur eine untergeordnete Rolle und wird im Weiteren nicht besprochen.

Risikofaktoren

Prinzipiell kann ein Delir in jedem Alter auftreten, allerdings kommt es bei Patienten über 65 Jahren am häufigsten vor. Hohes Lebensalter gilt als einer der größten Risikofaktoren für das Auftreten eines Delirs. Obwohl auch ein einzelner Faktor ein Delir auslösen kann, liegen in fast allen Fällen multiple Ursachen vor. Dieses multifaktorielle Modell [12] begründet sich auf dem Vorhandensein patientenimmanenter Faktoren (prädisponierende Faktoren/Vulnerabilität), die mit bestimmten Noxen (präzipitierende Faktoren) in komplexe Wechselwirkungen treten. Das multifaktorielle Modell der Delirentstehung ist in Abb. 1 dargestellt; es gibt eine Übersicht über prädisponierende und präzipitierende Faktoren in der Delirentstehung des älteren Patienten.

Abb. 1
figure 1

Multifaktorielles Modell der Delirentstehung

In diesem Modell spielt das Verhältnis von prädisponierenden und präzipitierenden Faktoren eine bedeutende Rolle. Weist ein Patient mehrere Risikofaktoren, wie z. B. hohes Alter, vorbestehende Demenz sowie zusätzliche funktionelle und sensorische Einschränkungen auf, ist er also per definitionem ein geriatrischer Patient, bedarf es nur einer geringen Noxe, wie z. B. eines Umgebungswechsels, damit ein Delir entsteht.

Das geriatrische Syndrom „frailty“ wird als Risikofaktor für die Entstehung eines Delirs kontrovers beurteilt; allerdings gilt das Delir als ein Risikofaktor für Frailty [14, 15].

Für das klinische Handeln bedeutet dieses multifaktorielle Modell, dass eine Fokussierung auf nur einen einzelnen veränderbaren prädisponierenden Faktor die Delirentstehung nicht verhindern kann und somit Ansätze in Prävention und Intervention erforderlich sind, die viele Faktoren berücksichtigen.

Formen

Je nach psychomotorischer Aktivität werden 2 Subtypen des Delirs unterschieden: das hyperaktive und das hypoaktive Delir (Abb. 2). Ein Mischtyp ist auch nicht selten. Hyperaktiv-delirante Personen weisen eine erhöhte Erregbarkeit auf. Hierbei kann es zu Agitiertheit, Halluzinationen und vegetativen Entgleisungen kommen.

Abb. 2
figure 2

Subtypen des Delirs. (Aus [40])

Deutlich häufiger – insbesondere bei geriatrischen Patienten – kommt das hypoaktive Delir vor. Hierbei sind die Patienten in Motorik und Sprache verlangsamt, vigilanzgemindert und zeigen wenig spontane Kontaktaufnahme. Auch beim hypoaktiven Delir kommt es zu Halluzinationen, allerdings werden diese oft erst während der Befragung des Patienten offensichtlich. Das hypoaktive Delir wird aufgrund seiner Unscheinbarkeit oft erst verspätet oder gar nicht erkannt. Auch kommt es häufig zu Fehldiagnosen einer demenziellen Erkrankung bzw. einer depressiven Episode.

Diagnose

Die Diagnosestellung des Delirs erfolgt klinisch. Besonders die hypoaktive Form bzw. hypoaktive Phasen des Delirs werden häufig im Rahmen einer als Komorbidität bestehenden Depression gesehen oder als demenzielle Entwicklung verkannt.

Zur Diagnosestellung ist ein Assessment, verbunden mit einer genauen klinischen Beobachtung und ggf. fremdanamnestischen Angaben bezüglich des Beginns der kognitiven Störung erforderlich. Die Durchführung einer nichtstandardisierten klinischen Einschätzung bezüglich des Vorhandenseins eines Delirs hat nur eine geringe Sensitivität [10, 28]. Der Gebrauch von standardisierten Screening- und Assessment-Instrumenten ist daher dringend zu empfehlen.

Standardisierte Screening- und Assessment-Instrumente einsetzen

In der Literatur sind mehr als 20 verschiedene Screening- und Assessment-Instrumente beschrieben [1, 37]. Diese wurden für unterschiedliche Rahmenbedingungen (stationäre Patienten, Pflegeheimbewohner oder Patienten der Intensivstation ohne Möglichkeiten der verbalen Kommunikation) konzipiert. Die meisten Assessment-Instrumente erfordern eine kognitive Testung und eine Schulung. Eine Übersicht über die am häufigsten angewendeten, validierten Screening- und Assessment-Instrumente liefert Tab. 1.

Tab. 1 Screening-/Assessment-Instrumente zur Delirerkennung. (Nach [16, 37])

Vielen in der Tabelle aufgelisteten Instrumenten sind die von der „American Psychiatric Association“, aktuell in der 5. Auflage erarbeiteten Diagnosekriterien zugrunde gelegt (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM-5 [2], Infobox 1).

Aus der Anamnese, der klinischen Untersuchung oder aus Laborbefunden ergeben sich Hinweise, dass die Störung direkte Folge einer somatischen Erkrankung, einer Substanzintoxikation oder eines Substanzentzugs (z. B. Suchtmittel oder Medikamente), einer Medikamenteneinnahme, einer Toxinwirkung oder Folge multipler Ätiologien ist [2].

In der Klassifikation der World Health Organization (WHO, 10. Auflage der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, ICD-10) wird das Delir wie folgt definiert:

Ein ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Syndrom, das charakterisiert ist durch gleichzeitig bestehende Störungen des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität und des Schlaf-Wach-Rhythmus. ([38])

Wird in einem Assessment die Diagnose eines Delirs vermutet, sollte unverzüglich eine genaue Abklärung möglicher somatischer Ursachen vorgenommen. Diese sollte fokussiert auf mögliche Delirursachen erfolgen, um eine rasche Therapieeinleitung zu ermöglichen und nicht selbst zu einer Aggravierung des Delirs zu führen.

Zur Abklärung gehören eine klinische Untersuchung, einschließlich Temperaturmessung und Messung der kapillären Blutzuckerkonzentration. Besonderes Augenmerk sollte auf Hinweise eines stattgehabten Traumas, eines Harnverhalts, Zeichen einer Dehydratation und eines möglichen Infektionsfokus gelegt werden. Anamnestisch bzw. fremdanamnestisch sollten oben erwähnte patientenimmanente Risikofaktoren erfragt und besonderer Wert auf die Medikamentenanamnese gelegt werden. Hierbei sollten die Einnahme frei verkäuflicher Medikation (z. B. Schmerz- bzw. schlaffördernder Medikamente) und vorangegangene Änderungen der Medikamenteneinnahme berücksichtigt sowie mögliche Interaktionen als Delirursache evaluiert werden. Auch die Frage nach Schmerzen oder indirekte Hinweise auf deren Vorhandensein können oft wertvolle Hinweise auf die Ursache eines deliranten Zustands liefern.

Eine weiterführende laborchemische oder bildgebende Diagnostik sollte fokussiert mögliche Ursachen des Delirs verfolgen. Hierzu gehören neben der laborchemischen Bestimmung der Elektrolyte und Infektionsparameter [Blutbild, C-reaktives Protein (CRP)], Parameter der Nieren- und Leberfunktion, Schilddrüsenparameter und ggf. Herzenzyme, Medikamentenspiegel (z. B. Digitalispräparate, Theophyllin).

Ein Elektrokardiogramm (EKG) kann Hinweise auf eine myokardiale Ursache des Delirs geben; bei Verdacht auf eine zentralnervöse Ursache im Sinne einer Blutung oder Ischämie sollte eine zerebrale Bildgebung erfolgen. Gegebenenfalls muss bei Verdacht einer Enzephalitis eine Lumbalpunktion durchgeführt werden. Das Elektroenzephalogramm (EEG) dient aufgrund seiner geringen Spezifität allenfalls zur Differenzialdiagnostik eines nonkonvulsiven epileptischen Anfalls.

Pathophysiologie

Zur Delirentstehung existieren nach heutigem Wissensstand folgende Hypothesen:

  • Vorliegen eines Ungleichgewichts der Neurotransmitter Acetylcholin und Dopamin mit einem cholinergen Defizit und einem relativen dopaminergen Überschuss mit dadurch bedingter Störung der synaptischen Kommunikation („Theorie der „cholinergaminergen Gleichgewichtsstörung“, [36]),

  • Vorliegen einer Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Achse, resultierend in erhöhten Cortisolspiegeln („Stresshypothese“),

  • Vorliegen einer Neuroinflammation und Aktivierung der Mikroglia als Antwort zerebraler Immunzellen auf periphere Entzündungsprozesse („Entzündungshypothese“, [5]),

  • Vorliegen einer direkten Hirnschädigung (z. B. im Rahmen von Hypoxie, Ischämie, metabolischer Entgleisung).

Es wird zudem davon ausgegangen, dass letztendlich das Zusammenspiel der verschiedenen, in den einzelnen Hypothesen aufgeführten Faktoren zur Delirentstehung führt. Neben Acetylcholin und Dopamin spielen weitere Neurotransmitter, wie 5-Hydroxytryptamin, Norepinephrin, Serotonin, γ-Aminobuttersäure (GABA) und Glutamat eine Rolle.

Der Alterungsprozess resultiert per se in einer Abnahme der cholinergen Reserve. Verschiedene Einflüssse, wie z. B. eine Hypoxämie oder metabolische Veränderungen mit nachfolgender Reduktion des Hirmetabolismus, können in eine reduzierte Bildung von Acetylcholin und/oder eine vermehrte Freisetzung von Dopamin münden und so ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter bewirken. Auch multiple Pharmaka können durch eine anticholinerge oder dopaminerge Wirkung Einfluss auf das Neurotransmittersystem nehmen. Hierzu gehören insbesondere Antidepressiva (z. B. trizyklische Antidepressiva), L-Dopa, Anticholinergika und alle Medikamente, die die anderen oben erwähnten Neurotransmitter beeinflussen. Viele häufig verabreichte Medikamente weisen eine anticholinerge Wirkung auf. Dies sind u. a. Dimenhydrinat, Promethazin, Biperiden, Butylscopolamin, Ipratropium, Tiotropium, urologische Spasmolytika, Mydriatika u.v.w. Es konnte gezeigt werden, dass das Ausmaß kognitiver Defizite mit dem Serumspiegel anticholinerg-wirksamer Medikamente korreliert [20, 27].

Therapiestrategien

Nichtmedikamentöse Ansätze

Die Identifizierung möglicher Ursachen des Delirs und deren Behandlung stehen im Vordergrund jeglichen Delirmanagements. Daneben gilt es, die Sicherheit des Patienten zu gewährleisten und eine symptomorientierte Behandlung durchzuführen.

Nichtmedikamentöse Therapiestrategien spielen neben präventiven Maßnahmen die wichtigste Rolle beim Delirmanagement.

Das Management des Delirs verlangt einen interdisziplinären Ansatz. Daher ist es wichtig, alle in der Behandlung geriatrischer Patienten beteiligten Berufsgruppen zu schulen und in die Behandlung einzubeziehen.

Die ursächliche Therapie kann entsprechend der zugrunde liegenden Problematik eine Schmerztherapie, eine antiinfektive Behandlung, der Ausgleich etwaiger Elektrolytverschiebungen oder das Absetzen potenziell delirogener, insbesondere anticholinerger Medikamente sein. Bei der Durchführung einer Schmerztherapie sollte ein standardisiertes Schmerz-Monitoring, z. B. mithilfe einer verbalen Schmerzskala erfolgen, um den Therapieerfolg zu dokumentieren und die Therapie den Schmerzen anzupassen. Die Wahl des Schmerzmittels sollte an die zugrunde liegende Schmerzursache angepasst sein. Opiate haben zwar selbst ein hohes Risiko, ein Delir auszulösen, inadäquat behandelte Schmerzen können allerdings selbst ein Delir bedingen oder es verlängern.

Die Behandlung besteht in reorientierenden Maßnahmen, wie z. B. der Bereitstellung von Hilfsmitteln (Brille, Hörgeräte, Gebiss), der Einbeziehung von dem Patienten vertrauten Personen und Gegenständen oder der Möglichkeit der Bezugspflege, die oftmals aus Mangel an Ressourcen nicht erfolgen kann. Zu den reorientierenden Maßnahmen gehören neben der Strukturierung von Tagesabläufen, die Einhaltung einer Tag-Nacht-Rhythmik sowie die Bereitstellung von Uhren und Kalendern, die für den Patienten sichtbar angebracht werden.

Zu jedem Zeitpunkt sollte die besondere Aufmerksamkeit auf der Patientensicherheit liegen, da diese im Rahmen eines Delirs gefährdet sein kann. Besonders wichtig sind die Aufrechterhaltung des Flüssigkeitshaushalts und eine ausreichende Ernährung sowie dekubitus- und sturzpräventive Maßnahmen.

Die frühzeitige Mobilisierung spielt in der Delirtherapie ebenfalls eine wichtige Rolle, zum einen, um Komplikationen wie Dekubitus zu vermeiden, zum anderen, um die Selbstwahrnehmung des Patienten zu fördern und ihn an gemeinschaftlichen Tagesabläufen teilnehmen zu lassen (z. B. Essenseinnahme bei Tisch).

Infusionsleitungen und Blasenkatheter können ebenso wie Bettgitter und an Sitzstühlen angebrachte Tische Fixierungen darstellen. Sie erhöhen das Risiko für die Entstehung eines Delirs und können die Dauer eines bereits eingetretenen Delirs verlängern und somit die Prognose verschlechtern. Fixierungen jeglicher Art (einschließlich Blasenkatheter) sollten daher, falls medizinisch möglich, vermieden oder zum frühestmöglichen Zeitpunkt entfernt und Alternativen gesucht werden. Eine denkbare, effiziente Maßnahme stellt die Einbeziehung von Angehörigen in den Pflegeprozess im Rahmen eines „Rooming-in“ dar. Hierbei muss allerdings auch die besondere Unterstützung, die die Angehörigen selbst in diesem Zusammenhang benötigen, bedacht werden.

Symptomatische medikamentöse Ansätze

Die medikamentöse Therapie des Delirs steht in engem Zusammenhang mit den bisherigen Erkenntnissen zur Pathophysiologie der Delirentstehung. Es gilt zu betonen, dass die medikamentöse Delirtherapie rein symptomatisch ist. Die Therapie der zugrunde liegenden Noxe sollte im Vordergrund stehen. Eine medikamentöse symptomatische Therapie des Delirs sollte bei stark agitierten Patienten erfolgen, die an psychotischen Symptomen, wie z. B. Halluzinationen, leiden. Ein weiterer Grund für den Beginn einer symptomatischen Therapie ist eine Gefährdung der medizinischen Versorgung des Patienten, z. B. Manipulation durch den Patienten am Trachealtubus oder zentralvenösen Katheter. Im Fall einer medikamentösen Therapie sollte diese ständig reevaluiert und in ihrer Dosierung der klinischen Symptomatik angepasst werden. Die Reevaluation der Delirsymptomatik stellt, wie das nichtmedikamentöse Delirmanagement, einen interdisziplinären Prozess aller an der Behandlung des Patienten beteiligten Berufsgruppen dar. Entsprechende Instrumente sind weiter oben dargestellt.

Die medikamentöse Delirtherapie ist rein symptomatisch

In einem rezenten Übersichtsbeitrag von Inouye et al. [14] wird keine Empfehlung für eine medikamentöse Therapie des Delirs gegeben. Die Datenlage ist insgesamt limitiert; große randomisierte, placebokontrollierte Studien sind nicht vorhanden.

Es existieren einzelne Arbeiten zur medikamentösen Therapie des Delirs (ausgenommen des alkoholassoziierten Delirs) mit den Antipsychotika Haloperidol, Risperidon, Quetiapin, den Acetylcholinesterasehemmern Rivastigmin und Donepezil, dem sedierenden α2-Adrenozeptor-Agonisten Dexmedetomidin und Benzodiazepinen in unterschiedlichen Settings (Intensivstation, Herz-, Unfallchirurgie, [9, 11, 17, 24, 26, 30, 31, 34]). Für Risperidon konnte im Gegensatz zu Placebo eine verminderte Delirrate, allerdings kein Unterschied in der stationären Aufenthaltsdauer gezeigt werden [11]. Für Donepezil und Haloperidol fand sich im Gegensatz zu Placebo kein Unterschied in der Anzahl der delirfreien Tage bzw. der Delirrate [9, 17]. Für die Anwendung des Cholinesterasehemmers Rivastigmin wurden in einer Studie bei Intensivpatienten gegenüber der Gabe von Placebo sogar eine verlängerte Delirdauer und eine erhöhte Mortalität festgestellt [34]. In einem Cochrane-Review aus 2009 über den Einsatz von Benzodiazepinen in der Therapie des nichtalkoholassoziierten Delirs konnte keine Evidenz für Benzodiazepine gefunden werden [18].

Ein weiterer Cochrane-Review aus 2009 fand unter Hinweis auf die geringe Evidenz keinen Unterschied in der Wirkung von niedrig dosiertem Haloperidol und der Anwendung atypischer Antipsychotika in der Delirtherapie. Die Nebenwirkungen der diversen Präparate waren vergleichbar (Haloperidol, Risperidon, Olanzapin, [19]). Der Einsatz atypischer Antipsychotika wird für Patienten, die höhere Dosen Haloperidol benötigen, und Patienten mit erhöhtem Risiko für extrapyramidalmotorische oder kardiale Nebenwirkungen empfohlen [19]. Auch in einem weiteren Review wird entsprechend den Empfehlungen der American Psychiatric Association (APA) keine Überlegenheit der atypischen Antipsychotika gegenüber Haloperidol in einer mittleren Tagesdosis von maximal 6,5 mg gesehen [4]. Insgesamt wird ein kurzzeitiger, niedrig dosierter Einsatz der Medikamente empfohlen.

Von der Gabe der lang wirksamen Benzodiazepine wird mit Ausnahme der Anwendung im Rahmen des Alkoholentzugsdelirs oder bei Patienten mit zugrunde liegenden psychiatrischen Erkrankungen abgeraten [4]. Benzodiazepine wirken selbst delirogen.

Zusammenfassend lässt sich ableiten, dass bei mangelnder Effizienz nichtpharmakologischer Maßnahmen und zur Therapie für den Patienten belastender Symptome oder selbstgefährdender Handlungen der kurzzeitige Einsatz von Haloperidol in niedriger Dosierung weiterhin als Mittel der 1. Wahl gilt [39]. Auch kann die Verabreichung atypischer Neuroleptika in niedriger Dosierung (Risperidon und Quetiapin) als „off label use“ erwogen werden. Bei Patienten mit extrapyramidal-motorischen Störungen (wie z. B. M. Parkinson) oder einer Lewy-Körper-Demenz ist die Gabe von niedrig dosiertem Quetiapin sinnvoll (Tab. 2).

Tab. 2 Medikamentöse symptomatische Therapieoptionen des nichtalkoholbedingten Delirs. (Adaptiert nach [7])

Die Verordnung aller Antipsychotika sollte nur kurzzeitig erfolgen.

Regelmäßige Kontrollen bezüglich potenzieller Nebenwirkungen sind unbedingt zu beachten.

Für den intensivmedizinischen Bereich wurde 2010 eine S3-Leitlinie für das Management von Schmerztherapie, Sedierung und Delir in der Intensivtherapie veröffentlicht. Diese entspricht i. Allg. den zuvor zusammenfassend dargestellten Ergebnissen. Additiv wird allerdings der Einsatz von kurz wirksamen Benzodiazepinen und α2-Agonisten empfohlen [22].

Dexmedetomidin ist ein seit 2011 in Europa zugelassener hoch-selektiver α2-Adrenozeptor-Agonist mit sedierender, analgetischer und anxiolytischer Wirkung. Bisher existieren nur wenige, widersprüchliche Arbeiten hinsichtlich des positiven Effekts einer additiven Gabe von Dexmedetomidin auf die Delirdauer, -rate und Mortalität [24, 26].

Prävention

Die Prävention spielt eine besonders wichtige Rolle im Delirmanagement. Hierbei gilt es, Risikopatienten rechtzeitig zu identifizieren und, soweit möglich, potenzielle Noxen auszuschalten. Auch die Delirprävention verlangt, ebenso wie die nichtmedikamentöse Delirtherapie, einen interdisziplinären Ansatz, in den alle in der Behandlung des Patienten beteiligten Berufsgruppen nach entsprechender Schulung einbezogen werden sollten.

Viele Maßnahmen zur Delirprävention wurden im Abschnitt der nichtmedikamentösen Therapiestrategien bereits erwähnt. Neben orientierenden Maßnahmen, einem an den Patienten angepassten und regelmäßig reevaluierten Schmerzmanagement und der frühzeitigen Mobilisierung ist auf eine ausreichende Ernährung und Flüssigkeitszufuhr zu achten. Brille und Hörgeräte sollten von den Patienten, wann immer möglich, also auch, soweit möglich, während diagnostischer Verfahren und auf Transportwegen getragen werden. Weitere präventive Maßnahmen sind das Achten auf einen regelmäßigen Stuhlgang, ggf. durch stuhlregulierende Maßnahmen.

Der Schlaf-Wach-Rhythmus soll durch eine frühe Mobilisierung der Patienten und Anpassung der Lichtverhältnisse gefördert werden. Des Weiteren sollte auf eine Lärmreduzierung geachtet werden, und Risikopatienten sollten gezielt von einer Störung durch laute Geräusche abgeschirmt werden. Für die Intensivmedizin gibt es Hinweise, dass die Verwendung von Ohrstöpseln zur Reizabschirmung die Delirinzidenz verringert [35].

Ortsveränderungen des Patienten durch Stations- oder Zimmerwechsel sollten vermieden werden. Ebenso wäre eine Kontinuität in der Betreuung der Patienten von ärztlicher, aber auch pflegerischer Sicht im Sinne einer Bezugspflege wünschenswert. Eine proaktive geriatrische Mitbetreuung kann die Inzidenzrate und den Schweregrad des Delirs senken bzw. reduzieren [21].

Fazit für die Praxis

  • Das Delir ist ein häufig bei geriatrischen Patienten auftretendes Syndrom.

  • Oft ist ein Delir das erste Zeichen einer zugrunde liegenden ernsthaften Problematik.

  • Die standardisierte Anwendung von Assessment-/Screening-Instrumenten ist für die Identifizierung deliranter Patienten unerlässlich.

  • Die Therapie des Delirs beginnt bereits in der Prävention. Drei wesentliche Behandlungsstrategien leiten die Delirtherapie: zum einen die ursächliche Behandlung der auslösenden Noxe bzw. die Beseitigung der verursachenden Situation, zum anderen die nichtmedikamentöse, milieutherapeutische Therapie. Ergänzend kann eine zeitlich begrenzte symptomatische medikamentöse Therapie vorzugsweise mit der Gabe von niedrig dosiertem Haloperidol bzw. atypischen Neuroleptika erfolgen.