Die Häufigkeit chronischer Nierenerkrankungen [“chronic kidney diseases“ (CKD)] steigt weltweit an [4]. Im Zusammenhang mit der höheren Lebenserwartung sowie der Zunahme an Diabetes mellitus, Adipositas und arterieller Hypertonie kommt es sekundär vermehrt zu Nierenerkrankungen. Parallel entwickelt sich nahezu regelhaft eine beschleunigte und verstärkte Atherosklerose, die Hauptursache für die dramatisch erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität nierenkranker Menschen. Die Zahl kardiovaskulärer Erkrankungen [“cardiovascular diseases“ (CVD)] und Todesfälle steigt mit der Progression der Nierenfunktionsstörung dramatisch an [10].

Oxidativer Stress ist ein wesentlicher pathogenetischer Faktor – sowohl im Verlauf von CKD als auch CVD. Die parallele Progression von CKD und CVD und deren gegenseitige Beschleunigung im Rahmen der oxidativen Stressreaktion wird durch Inflammation, endotheliale Dysfunktion und Störungen des Redoxgleichgewichts vermittelt. Bei niereninsuffizienten Patienten spielt zusätzlich die Dysbalance des Mineralstoffwechsels eine besondere Rolle in der Pathogenese der beschleunigten Gefäßverkalkung und für die Entstehung einer renalen Osteopathie.

Mit abnehmender Nierenfunktion (Stadieneinteilung in Abb. 1) werden zunehmend abnorm hohe Konzentrationen von Kalzium und Phosphat gemessen sowie Dysbalancen der Hormone nachgewiesen, die den Mineralstoffwechsel regulieren (Tab. 1). Zu diesen Hormonen zählen Parathormon (PTH), 25-Hydroxyvitamin D, 1,25-Dihydroxyvitamin D und der „fibroblast growth factor 23“ (FGF-23). Umfangreiche Analysen des Zusammenhangs von Kalzium, Phosphat und PTH mit dem Auftreten von CVD und dem Risiko zu Versterben zeigten bei Patienten mit CKD eine Zunahme von jeweils 18 % bei Anstieg der Phosphatkonzentration im Serum um 1 mg/dl (0,33 mmol/l; [16]). Medikamente, die mit der Absicht verabreicht werden, diese Störungen zu beseitigen, können die Probleme sogar verstärken, indem sie wie etwa Vitamin D das Serumkalzium erhöhen.

Abb. 1
figure 1

Kaskade der Störungen des Mineralhaushalts bei zunehmender Nierenfunktionsstörung und ihre Auswirkungen. Die Übergänge zwischen den CKD-Stadien und dem Fortschreiten der Mineralstoffwechselstörungen sind fließend. 1,25(OH) 2 D 3 Calcitriol; 25(OH)D Calcidiol; CKD „chronic kidney disease“; CVD „cardiovascular disease“; FGF „fibroblast growth factor“; GFR glomeruläre Filtrationsrate; PTH Parathormon; S-Phosphat Serumphosphat

Tab. 1 Häufigkeit von Komplikationen chronischer Nierenerkrankungen im Stadium 3 und 4 (in %). (Modifiziert nach [11])

Die Kidney-Disease-Improving-Global-Outcomes(KDIGO)-Leitlinie von 2009 [13] zum Management von Störungen des Mineral- und Knochenhaushalts bei CKD (CKD-Stadium 3–5D; Abb. 1) enthält Empfehlungen zur Bewertung und Behandlung der komplexen pathologischen Auffälligkeiten und ist die sicherste Grundlage für klinische Entscheidungen in diesem Bereich. Die KDIGO-Leitlinien dienen im Folgenden als Grundlage der Empfehlungen für die Pharmakotherapie von Störungen des Mineralhaushalts. Relevant erscheinende Ergebnisse einzelner prospektiver, randomisierter Studien, die allerdings häufig noch der Bestätigung durch industrieunabhängige Untersuchungen mit harten klinischen Endpunkten bedürfen, sind zusätzlich dargestellt.

Im Wesentlichen sollen folgende Fragen beantwortet werden:

  • Bei welchen Befundkonstellationen ist die Gabe von Phosphatbindern indiziert, wann sollten die teureren kalziumfreien Phosphatbinder verschrieben werden?

  • Wann ist die Therapie mit Vitamin-D-Präparaten indiziert und welches Präparat sollte dann jeweils verwendet werden?

  • In welchen Fällen sollte das Kalzimimetikum Cinacalcet eingesetzt werden?

  • Ist eine Therapie der metabolischen Azidose mit Natriumbicarbonat indiziert?

Hyperphosphatämie und Hyperkalzämie

Bei Patienten in den CKD-Stadien 3–5 sollte das Serumphosphat im Normalbereich liegen (Empfehlung mit hoher Evidenz). Die Autoren der KDIGO-Leitlinien schlagen darüber hinaus vor, das Serumkalzium im Normalbereich zu halten. Bei Patienten im Stadium 5D kann das Serumkalzium durch Verwendung einer Dialyselösung mit einer Kalziumkonzentration von 1,25–1,5 mmol/l (2,5–3,0 mval/l) gesenkt werden.

Kalziumhaltige Phosphatbinder

Bei der Behandlung der Hyperphosphatämie von Patienten in den CKD-Stadien 3–5 und 5D sind Phosphatbinder (Tab. 2) das Mittel der Wahl, wenn eine diätetische Phosphatrestriktion als alleinige Maßnahme nicht ausreicht, um den Phosphatspiegel zu normalisieren. Die Wahl des Phosphatbinders ist vom Stadium der Niereninsuffizienz, vom Vorhandensein von Störungen der hormonellen Regulation des Mineral- und Knochenhaushalts, von den Begleittherapien und vom Nebenwirkungsprofil abhängig. In erster Linie kommen hier aufgrund des günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses kalziumhaltige Phosphatbinder – Kalziumacetat und Kalziumcarbonat – zum Einsatz. Dabei ist zu beachten, dass bei rekurrierenden Hyperkalzämien, aber auch bei grenzwertig hohen Kalziumwerten im Blut die Anwendung kalziumhaltiger Phosphatbinder nicht empfohlen wird. Vor einem Absetzen bzw. einer Dosisreduktion der kalziumhaltigen Medikamente sollte jedoch die Applikation von Vitamin-D-Präparaten überdacht werden, um den Hyperkalzämien entgegenzuwirken. Auch wenn bereits eine ausgeprägte Gefäßverkalkung oder eine renale Osteopathie mit einer sog. adynamen Knochenerkrankung vorliegt, sollte die Dosis kalziumhaltiger Phosphatbinder zugunsten kalziumfreier Präparate reduziert werden.

Tab. 2 Charakteristika der in Deutschland gebräuchlichen Phosphatbinder

Bei rekurrierenden Hyperkalzämien und grenzwertig hohen Kalziumwerten sind kalziumhaltige Phosphatbinder nicht empfohlen

Eine Überlegenheit der kalziumfreien Phosphatbinder im Hinblick auf die Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Endpunkte konnte bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden. Bei fehlendem Nachweis einer Hyperkalzämieneigung gibt es keine harte Indikation, Phosphatbinder zu verschreiben, die weniger kosteneffektiv sind als Phosphatbinder auf Kalziumbasis.

Kalziumfreie Phosphatbinder

Die besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren gebräuchlichen aluminiumhaltigen Phosphatbinder sind zwar kalziumfrei und hocheffektiv. Die Autoren der KDIGO-Leitlinien empfehlen jedoch, die Langzeitbehandlung mit aluminiumhaltigen Phosphatbindern zu vermeiden und im Stadium 5D eine Aluminiumkontamination des Dialysats auszuschließen, um eine Aluminiumtoxizität – mit Ablagerung von Aluminium im Gehirn und im Knochen – zu verhindern. Studien, die Aluminiumablagerungen durch aluminiumhaltige Phosphatbinder in Abwesenheit einer Aluminiumkontamination des Wassers belegen, fehlen jedoch.

Zu den kalziumfreien Phosphatbindern zählen neben Aluminiumhydroxid, Sevelamerhydrochlorid (Renagel®), Sevelamercarbonat (Renvela®), Lanthancarbonat (Fosrenol®), Colestilan (BindRen®) und in Zukunft auch Eisen(III)-oxyhydroxid.

Sowohl bei der Verwendung von Lanthancarbonat als auch bei Einsatz von Sevelamer können keine signifikanten Unterschiede zu kalziumhaltigen Phosphatbindern hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Serumphosphat- und Kalziumwerte festgestellt werden. Es besteht allerdings eine Tendenz zu höheren Kalziumwerten und niedrigeren PTH-Werten bei Verwendung kalziumhaltiger Phosphatbinder [7, 9]. Das Risiko einer Hyperkalzämieepisode ist unter Sevelamer im Vergleich zu kalziumhaltigen Phosphatbindern um 21 % geringer [9]. Parallel kommt es unter Sevelamer zu einer signifikanten Reduktion des Gesamt- und des Low-density-lipoprotein(LDL)-Cholesterins [2].

Die kalziumfreien Phosphatbinder (Sevelamer und Lanthancarbonat) weckten hohe Erwartungen hinsichtlich der Minderung der arteriellen Kalzifizierung und letztlich der Senkung der Mortalität von Dialysepatienten. Zu Sevelamer liegen diesbezüglich aussagekräftige Studienergebnisse vor: Die Treat-to-Goal-Studie zeigt eine Minderung der Arterienverkalkung bei Patienten unter Sevelamer im Vergleich zur Therapie mit kalziumhaltigen Phosphatbindern, wobei bereits nach 6-monatiger Therapie erste positive Effekte zu erkennen waren und sich nach 2-jähriger Therapie eine 50 %ige Reduktion des Verkalkungsgrads unter Sevelamer entwickelt hatte [5]. Dagegen finden Suki et al. [18] in einer über 20 Monate laufenden Vergleichsanalyse keinen Unterschied zwischen Sevelamer und kalziumhaltigen Phosphatbindern in Bezug auf das Mortalitätsrisiko der Gesamtpopulation. Sie beschreiben jedoch einen Überlebensvorteil von Sevelamer in der Gruppe der über 65-jährigen Patienten.

Die Rate der unter Sevelamer berichteten gastrointestinalen Beschwerden ist signifikant erhöht.

Toxische Wirkungen auf den Knochen, wie sie für aluminiumhaltige Phosphatbinder berichtet werden, können für Lanthancarbonat, obwohl es sich im Knochen ablagert, nicht nachgewiesen werden. Die Lanthan-Plasmawerte sind unabhängig von der Dosis und erreichen nach etwa 12 Wochen ein Plateau.

Colestilan ist ein nicht resorbierbares, kalziumfreies anionenbindendes Austauschharz, das Gallensäuren und Phosphat im Gastrointestinaltrakt bindet. Phase-III-Studien zeigen, dass Colestilan sowohl das Serumphosphat als auch die LDL-Serumspiegel bei Dialysepatienten signifikant senkt [14]. Beide Effekte sind in ihrer Größenordnung mit denen von Sevelamer vergleichbar. Ende 2013 kam Colestilan auch in Deutschland auf den Markt, der Preis orientiert sich an den anderen kalziumfreien Phosphatbindern und liegt bei 6–15 € pro Tag. Die Zahl der täglich einzunehmenden Tabletten ist mit 6–15 Tabletten (auch Pulver ist erhältlich) mindestens ebenso hoch wie die der anderen Phosphatbinder. Nebenwirkungen sind überwiegend gastrointestinaler Art. Bei Patienten mit hepatobiliären Erkrankungen oder bei Patienten unter Phenprocoumon muss die Bindung von Gallensäuren durch Colestilan beachtet werden.

In Deutschland noch nicht erhältlich, aber von der Food and Drug Administration (FDA) in den USA bereits zugelassen, ist Eisen(III)-oxyhydroxide, ein neuer eisenhaltiger Phosphatbinder, der bereits an 710 Patienten im CKD-Stadium 5D mit Sevelamer verglichen wurde. Dem Vorteil einer geringeren Zahl einzunehmender Tabletten steht eine noch höhere Inzidenz gastrointestinaler Nebenwirkungen gegenüber, betroffen waren 45 % der Studienteilnehmer. Entsprechend lag auch die Zahl der Studienabbrecher signifikant höher als unter Sevelamer.

Vitamin-D-Mangel und Hyperparathyreoidismus

Eine systematische Auswertung der publizierten Daten zur Vitamin-D-Supplementation bei Patienten mit CKD 3–5 hat zwar den Einfluss auf den Kalzium-, Phosphat- und PTH-Spiegel sowie auf den Knochenstoffwechsel bestätigt, das Mortalitätsrisiko und auch das Risiko, dialysepflichtig zu werden, blieb aber in dieser Analyse unbeeinflusst [12, 15]. Es wird angeraten, bei niereninsuffizienten Patienten mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) < 45 ml/min erniedrigte Vitamin-D-Spiegel in Abhängigkeit vom Serumkalzium und -PTH mit Calcidiol (25-Cholecalciferol) und bei Dialysepflicht mit Calcitriol (1,25-Dihydroxycholecalciferol, „aktiviertes“ Vitamin D) zu behandeln [13]. Die Evidenz für diese Empfehlung ist allerdings relativ niedrig.

Eine große Querschnittsuntersuchung in den USA [20] zeigte einen klaren Überlebensvorteil für Patienten, die anstelle von Calcitriol den selektiven Vitamin-D-Rezeptor-Aktivator Paricalcitol (Zemplar®, aktives Vitamin D) erhalten hatten. Diese Ergebnisse wurden in prospektiven, randomisierten Untersuchungen allerdings nicht bestätigt. Dagegen gab es Hinweise auf eine negative Beeinflussung der GFR. Angesichts des um ein Mehrfaches höheren Preises und des fehlenden Nachweises der Überlegenheit in methodisch hochwertigen Studien sollte Paricalcitol nicht bevorzugt eingesetzt werden [1].

Kommt es zu einer Hyperkalzämie müssen Calcitriol und auch alle anderen Vitamin-D-Metaboliten in ihrer Dosis reduziert oder abgesetzt werden. Auch bei Patienten im CKD-Stadium 5D mit therapierefraktärer Hyperphosphatämie sollte man die Vitamin-D-Substitution überdenken.

Der für chronisch Nierenkranke in den Stadien 3–5 optimale Parathormonbereich ist nicht bekannt.

Patienten mit Werten des intakten PTH (iPTH) oberhalb des Normalbereichs sollten zunächst hinsichtlich des Vorliegens einer Hyperphosphatämie, einer Hypokalzämie oder eines Vitamin-D-Mangels evaluiert werden. Eventuelle Abnormalitäten können mittels diätetischer Phosphatreduktion, der Verschreibung von Phosphatbindern und ggf. der Gabe von nativem Vitamin D korrigiert werden [13].

Bei nicht dialysepflichtigen Patienten, deren PTH-Werte trotz Korrektur der o. g. modifizierbaren Faktoren weiter steigen und anhaltend über dem Normalbereich des jeweiligen Assays liegen, wird die Behandlung mit Calcidiol oder aktiven Vitamin-D-Analoga vorgeschlagen. Bei dialysepflichtigen Patienten (Stadium 5D) sollten die iPTH-Werte ungefähr im Bereich des 2- bis 9-fachen oberen Normalwerts des jeweiligen Assays gehalten werden [13].

CKD-5D-Patienten, die unter Phosphatbinder- und Calcitriol-Therapie einen therapiebedürftigen Hyperparathyreoidismus entwickeln, können mit dem Kalzimimetikum Cinacalcet behandelt oder einer Parathyreoidektomie unterzogen werden.

Cinacalcet, ein Kalzimimetikum, das den „calcium-sensing receptor“ aktiviert, reduziert signifikant die Serumspiegel von PTH, Kalzium und Phosphat [17]. Eine gemeinsame Auswertung dreier Beobachtungsstudien ergab im Jahr 2005 eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos und des Risikos von Knochenbrüchen [6]. Eine groß angelegte prospektive, randomisierte Studie aus dem Jahr 2012 konnte diesen Befund nicht bestätigen [8]. In der Gesamtgruppe war im Gegensatz zu einzelnen Untergruppen der Rückgang der Mortalität und CVD nicht signifikant. Bei 45,9 % der Patienten traten Nebenwirkungen auf, überwiegend gastrointestinale Symptome, 12 % der Patienten entwickelten unter Cinacalcet eine Hypokalzämie.

Cinacalcet muss lebenslang eingenommen werden. Eine langfristige prospektive Studie zum Vergleich der Auswirkung von Cinacalcet und Parathyreoidektomie auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität sowie ein Vergleich des Nebenwirkungsspektrums liegen nicht vor. Bei Patienten in den CKD-Stadien 3–5D mit schwerem Hyperparathyreoidismus, die nicht auf eine medikamentöse Therapie ansprechen, wird weiterhin eine Parathyreoidektomie empfohlen.

Osteoporose und Wachstumsstörungen

Bei Patienten im Stadium 3 einer CKD mit normwertigem PTH, Osteoporose und/oder hohem Risiko von Knochenfrakturen sollte eine Behandlung mit Bisphosphonaten entsprechend den Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung erfolgen [12].

Bei Kindern und jungen Erwachsenen in den CKD-Stadien 2–5D empfehlen die Leitlinien die Behandlung mit rekombinantem Wachstumshormon, sofern ein zusätzliches Wachstum erwünscht ist und Mangelernährung sowie niereninsuffizienzassoziierte Störungen des Mineral- und Knochenhaushalts therapeutisch angegangen wurden [13].

Metabolische Azidose

Bei Patienten mit CKD 3–5D und einer metabolischen Azidose sind Bicarbonatwerte von < 22 mmol/l mit einem erhöhten Risiko für eine Progression der Niereninsuffizienz und einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert. Gleichzeitig führt die metabolische Azidose auch zu einer vermehrten Knochenresorption und Osteopenie sowie zu einer Verstärkung des sekundären Hyperparathyreoidismus und des urämischen Muskelkatabolismus. Bicarbonatkonzentrationen > 32 mmol/l gehen mit einem erhöhten Sterberisiko einher – unabhängig vom Ausmaß der Nierenfunktionsstörung.

Studien, die eine verlangsamte Progression der Niereninsuffizienz und einen verbesserten Ernährungsstatus bei Substitution mit oralem Bicarbonat gezeigt haben, wurden überwiegend an kleineren Patientengruppen vorgenommen. Eine randomisierte Studie an 134 CKD-4-Patienten, die die Effekte von Natriumbicarbonat im Vergleich zu Placebo über 2 Jahre untersuchte, fand eine signifikante Verlangsamung der Progression der Niereninsuffizienz, eine niedrigere Dialysehäufigkeit und einen verbesserten Ernährungsstatus in der Bicarbonatgruppe [3]. Belastbare Ergebnisse aus größeren, langzeitig angelegten randomisierten, kontrollierten Studien fehlen jedoch.

Bei Serumbicarbonatspiegeln < 22 mmol/l sollte Natriumbicarbonat substituiert werden

In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2012 [19] wird geschlussfolgert, dass eine groß angelegte randomisierte, kontrollierte Studie bei CKD-4-Patienten nötig wäre, um den potenziell positiven Effekt einer Bicarbonat-Therapie auf die Progression der Nierenfunktionsstörung und möglicherweise auch auf die Gesamtmortalität sicher zu belegen. Die Autoren legen den Nephrologen jedoch bei Patienten mit CKD 4 und einem Serumbicarbonatspiegel < 22 mEq/l nahe, Natriumbicarbonat oder Natriumcitrat (falls Bicarbonat wegen Flatulenz nicht vertragen wird) in körpergewichtsadaptierter Dosierung (empfohlene Dosis: 2–4 g/Tag, Preis: etwa 25 Cent/g) zu verabreichen. Auch in den Leitlinien [13] wird vorgeschlagen, bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und Serumbicarbonatwerten < 22 mmol/l eine Behandlung mit oralem Bicarbonat einzuleiten Dabei soll sorgfältig auf die Gefahr einer Überwässerung durch die zusätzliche Natriumzufuhr geachtet werden.

Fazit für die Praxis

  • Zur Prävention von Gefäßverkalkungen gilt es, die komplexen Störungen des Mineralhaushalts bei Niereninsuffizienz unter Beachtung der Interaktionen der Medikamente und der individuellen Situation evidenzbasiert zu therapieren.

  • Das Serumphosphat sollte bei chronischen Nierenerkrankungen (GFR < 45 ml/min) mithilfe von kalziumhaltigen Phosphatbindern und Mischpräparaten, die Kalziumacetat und Magnesiumcarbonat enthalten, im Normbereich gehalten werden. Kalziumfreie Phosphatbinder sind bei Hyperkalzämie und Kalziumwerten im oberen Grenzbereich indiziert.

  • Bei einer GFR < 45 ml/min wird empfohlen, erniedrigte Vitamin-D-Spiegel mit Calcidiol zu behandeln, bei einer GFR < 15 ml/min kommt Calcitriol zum Einsatz.

  • Es wird empfohlen, das Serumparathormon im Bereich der 2- bis 9-fachen Norm zu halten. Dazu stehen neben den Phosphatbindern Vitamin-D-Metaboliten und in ausgewählten Fällen Kalzimimetika und die Parathyreoidektomie zur Verfügung.

  • Bei Serumbicarbonatkonzentrationen < 22 mmol/l wird angeraten, Natriumbicarbonat oral zu substituieren.