Zusammenfassung
Das akute Koronarsyndrom umfasst die klinischen Entitäten der instabilen Angina pectoris, des nichttransmuralen Myokardinfarkts (NSTEMI) und des transmuralen Myokardinfarkts mit ST-Streckenhebungen (STEMI). Eine rasche und anhaltende Wiedereröffnung der Infarktarterie sowie die Verhinderung eines größeren Verlusts an Myokard sind die entscheidenden therapeutischen Zielgrößen. Die klinische Diagnosefindung erfolgt durch die Symptomatik, EKG-Veränderungen und den laborchemischen Nachweis von Troponinen im Serum. Letzterer ist bindend für die Diagnose des NSTEMI und STEMI. Die Methode der Wahl, soweit verfügbar, stellt die möglichst rasch einsetzende interventionelle Therapie der koronaren Herzerkrankung dar. Als Alternative oder auch als Überbrückung bietet sich nach Ausschluss von Kontraindikationen die systemische Thrombolyse an. Die medikamentöse Begleittherapie wird heute wesentlich durch Heparine, eine antithrombotische Therapie und durch die Gabe von CSE-Hemmern bestimmt. Zur Verhinderung des linksventrikulären Umbaus nach Infarkt finden ACE-Hemmer bzw. Angiotensin-2-Rezeptorantagonisten und β-Blocker frühzeitig Anwendung.
Abstract
The acute coronary syndrome comprises unstable angina, non-ST-segment elevation myocardial infarction, and ST-segment elevation myocardial infarction. A successful and stable revascularisation of the infarct related vessel, and the prevention of the loss of myocardium are the main therapeutic targets, as cardiovascular mortality and long term quality of life are essentially determined by left ventricular function. The clinical diagnosis comprises clinical symptoms, ECG-changes, and cardiac troponins. Early percutaneous coronary intervention (PCI) has become the most common method of coronary revascularisation. If PCI is not available, systemic thrombolysis is an alternative after exclusion of contraindications. Parenteral anticoagulation with intravenous or subcutaneous heparines, antithrombotic therapy and HMG-CoA reductase inhibitors are the common secondary drug therapy. Moreover, to prevent left ventricular remodelling ACE-inhibitors, angiotension 2-receptor antagonists, and β-blocker are indicated.
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Definition
Der Begriff akutes Koronarsysndrom (ACS) umfasst klinische Entitäten, die fließend ineinander übergehen können. Dazu gehören:
-
die instabile Angina pectoris (IAP),
-
der nichttransmurale Myokardinfarkt oder auch Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt (NSTEMI),
-
der transmurale Myokardinfarkt mit ST-Streckenhebungen (STEMI).
Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen immer noch die führende Todesursache dar, und allein in Deutschland werden jährlich bis zu 400.000 Patienten mit ACS behandelt. Im Folgenden wird kurz auf pathophysiologische Grundlagen des ACS eingegangen, soweit dies zum Verständnis der Therapie wichtig erscheint, um dann anschließend den aktuellen Stand der Diagnostik und Therapie des ACS darzulegen.
Pathophysiologische Grundlagen
Entscheidende Faktoren für die Langzeitprognose nach akutem Myokardinfarkt sind:
-
1.
Verkürzung der Dauer des thrombotischen Gefäßverschlusses,
-
2.
eine effektive und langanhaltende Wiedereröffnung der Infarktarterie,
-
3.
die Verhinderung eines größeren Myokardverlusts und eines ventrikulären Remodellings sowie
-
4.
die Beherrschung rhythmogener Komplikationen [1].
Diese Faktoren bestimmen nicht nur die kardiovaskuläre Mortalität sondern auch die Lebensqualität nach dem Infarkt [2].
Die Zusammenfassung der klinischen Entitäten instabile Angina pectoris, nichttransmuraler und transmuraler Myokardinfarkt unter dem Begriff des akuten Koronarsyndroms trägt den heutigen Erkenntnissen der Pathophysiolgie des Myokardinfarkts Rechnung.
In mehr als 80% der Fälle ist die Ursache eines Infarkts der thrombotische Verschluss einer Koronararterie bei vorbestehender stenosierender Atheromatose durch Ruptur einer atheromatösen Plaque [3]. Dies kann auf dem Boden einer hämodynamisch relevanten Stenose, aber auch im Bereich eines nicht flusslimitierenden Plaques entstehen, der in Folge zur Abschwemmung thrombotischen Materials in die nachgeschaltete Mikrostrombahn führt. Diese Mikroembolisation führt zum Verschluss kleinster Kapillaren mit konsekutivem Untergang von Myokardzellen (Abb. 1). Der Übergang vom stabilen Plaque zur Plaqueruptur und Mikroembolisation sowie zum progredienten thrombotischen Gefäßverschluss wird durch die IAP, den NSTEMI und STEMI abgebildet.
Diagnostik und Monitoring
Die Diagnostik des ACS (Abb. 2) basiert auf der Symptomatik und dem Nachweis von Labor- und EKG-Veränderungen. Das Leitsymptom ist der akute Thoraxschmerz. Dessen Ursachen müssen zunächst differenzialdiagnostisch gegen nichtkoronare kardiale Ursachen, sowie pulmonale, skelettale und gastrointestinale Erkrankungen abgewogen werden. Die Klassifikation der instabilen AP spiegelt die Akuität des Krankheitsgeschehens wider [4]. In der Anamnese sind neben den klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren auch akute zur Plaqueruptur führende Triggerfaktoren, wie physischer und psychischer Stress, Nikotin und Kälteexposition, abzufragen.
Das EKG sollte als 12-Kanalableitung unmittelbar bei Schmerzbeginn und nach spätestens weiteren 6 h und in Abhängigkeit vom weiteren klinischen Verlauf dokumentiert werden (IAP, NSTEMI). Beim STEMI ist die kontinuierliche Rhythmus- und EKG-Überwachung zu fordern.
Ein scheinbar normales EKG schließt die Diagnose eines ACS nicht aus.
Der Nachweis einer Erhöhung von Troponinen im Serum als Zeichen des Untergangs von Myokardzellen nimmt eine zentrale Rolle in der Diagnostik des Myokardinfarkts (NSTEMI und STEMI) ein und besitzt die höchste prognostische Aussagekraft für das Infarktrisiko bei Patienten mit ACS (Abb. 3). Bei Patienten mit IAP muss eine Bestimmung nach Schmerzbeginn und spätestens nach 6 weiteren Stunden erfolgen, um eine Troponinkonversion auszuschließen, d. h. den Übergang von ehemals troponinnegativen zu troponinpositiven Befunden, und damit den Übergang von der IAP zum NSTEMI. Nicht infarktabhängige Erhöhungen von Troponin finden sich selten (Niereninsuffizienz, Myokarditis, Lungenembolie, hypertensive Krise, Contusio cordis). Die Veränderungen des Labors müssen immer im Kontext der Symptomatik und des EKG-Verlaufs beurteilt werden.
Entsprechend der alten WHO-Definition war der Myokardinfarkt definiert durch das Auftreten von mindestens 2 der nachfolgend genannten 3 Charakteristika:
-
1.
typische pektangiforme Symptome,
-
2.
pathologischer Anstieg kardialer Enzyme im Serum (CK/CK-MB),
-
3.
infarkttypische EKG-Veränderungen einschließlich der Ausbildung von Q-Zacken.
Heute wird der Myokardinfarkt definiert durch den Nachweis des Untergangs von Myokardzellen [5]. Dies erfolgt durch die Bestimmung von Markern der Myokardnekrose. Die höchste Sensitivität und Spezifität sowie eine geeignete Kinetik im Anstieg und Abfall des Markers im Serum weißt die Bestimmung des Troponin T oder I auf (Abb. 2). Der positive Labornachweis muss mit mindestens einem der beiden nachgenannten Merkmale gekoppelt sein: typische Angina pectoris oder infarkttypische EKG-Veränderungen [5].
Bei der weiterführenden Diagnostik kann die Echokardiographie wichtige differenzialdiagnostische Hinweise geben. Der Goldstandard zur Diagnosesicherung und Beurteilung des Ausmaßes der KHK ist derzeit die Koronarangiographie.
Therapie des akuten Koronarsyndroms
Patienten mit ACS müssen unverzüglich in ein Krankenhaus verbracht und dort zunächst kontinuierlich überwacht (Abb. 4) und rasch einer weiterführenden Diagnostik und Therapie zugeführt werden. Ziel der Therapie des ACS sind:
-
1.
der Erhalt der linksventrikulären Funktion,
-
2.
die Verhinderung eines weiteren Thrombuswachstums,
-
3.
die komplette und stabile Wiedereröffnung des Koronargefäßes.
Instabile Angina pectoris und nichttransmuraler Herzinfarkt
Die antiischämische Therapie mit β-Blockern und Nitraten hat zum Ziel, die Schmerzen des Patienten zu lindern und die Zone der Myokardischämie durch Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauches zu begrenzen. Durch eine gerinnungshemmende Therapie wird ein weiteres Thrombuswachstum verhindert. Eine fibrinolytische Therapie ist bei IAP und NSTEMI nicht indiziert.
Die Daten der FRISC- und TACTICS-Studie zeigen, dass durch eine frühzeitige Koronardiagnostik und interventionelle Therapie das Risiko für kardiovaskulären Tod und STEMI signifikant reduziert wird [6, 7]. In der FRISC-II-Studie (Fast Revascularisation during InStability in Coronary artery disease) wurde der Einfluss der primären PCI in der Behandlung der instabilen Angina pectoris und des nicht transmuralen Myokardinfarkts untersucht [6]. Eine myokardiale Ischämie wurde definiert über ST-Senkungen oder T-Wellen-Inversionen von >0,1 mV oder durch Anstieg myokardialer Enzyme (positiver qualitativer oder quantitativer Troponin-T-Test oder Anstieg der CK/CK-MB). Die medikamentös geführte Gruppe wurde mit einem unfraktioniertem Heparin und der üblichen kardialen Begleittherapie behandelt. In der invasiv behandelten Gruppe wurde eine primäre Angioplastie durchgeführt, in 61% mit begleitender Stentimplantation und in 10% mit zusätzlicher Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorblockade. In der invasiv behandelten Gruppe war die Häufigkeit von kardiovaskulärem Tod und Myokardinfarkt nach 6 Monaten signifikant reduziert [6].
Aufgrund dieser Studien, welche den heutigen Therapiestandard der PCI (PTCA, Stent, Glykoproteinrezeptorblockade) berücksichtigen, kann festgehalten werden, dass eine frühzeitige invasive Therapie des nichttransmuralen Myokardinfarktes der medikamentös konservativen Therapie insbesondere bei Risikopatienten überlegen erscheint. Die interventionelle Therapie sollte innerhalb von 48 h nach Schmerzbeginn bei Patienten mit NSTEMI erfolgen. Unter entsprechender gerinnungshemmender Begleittherapie ist heute die PCI bei IAP/NSTEMI nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden im Vergleich zur PCI bei Patienten mit stabiler AP [8].
Transmuraler Infarkt (STEMI)
Das Zeitintervall vom Schmerzbeginn bis zur koronaren Revaskularisation ist die entscheidende Kenngröße, die die Prognose des Patienten mit STEMI beeinflusst. Die Art der Revaskularistion, (prä)hospitale Lyse, PCI oder aorokoronarer Bypass, hängt von den lokalen Gegebenheiten ab, wo sich der Patient zum Zeitpunkt des Infarkts befindet. Bei geplanter PCI sollte die „Door-to-balloon-Zeit“ 60 min nicht überschreiten [9]. Bei fehlender Verfügbarkeit eines Katheterlabors mit 24-h-Bereitschaft ist unverzüglich eine systemische Fibrinolyse unter Beachtung der Kontraindikationen [9] durchzuführen. In ländlichen Regionen mit langen Transportzeiten zum Krankenhaus scheint bei Transportzeiten von >90 min die prähospitale Lyse die Prognose zu verbessern. Die prähospitale Gabe von GP-IIb/IIIa-Rezeptorblockern reduziert vor geplanter PCI das weitere Thrombuswachstum. Bisher fehlt jedoch der Nachweis einer Senkung der Mortalität bei dieser Therapiestrategie.
Primäre Intervention
Folgende Überlegungen führten zum Einsatz der primären PCI bei STEMI-Patienten:
-
1.
Der thrombotische Verschluss der Infarktarterie wird vollständig wiedereröffnet.
-
2.
Die zugrunde liegende Stenose oder Plaqueruptur wird zeitgleich beseitigt und erlaubt damit ein stabiles Langzeitresultat mit einer geringeren Rate an thrombotischen Reverschlüssen.
-
3.
Die lokale und spezifische Wiedereröffnung lässt geringere Nebenwirkungen erwarten als die systemische Thrombolyse.
-
4.
Die frühzeitige Kenntnis des kompletten Koronarstatus, insbesondere bei koronarer Mehrgefäßerkrankung, erlaubt die rechtzeitige und spezifische Differenzialtherapie hinsichtlich Zeitpunkt und Ausmaß weiterer Revaskularisationsmaßnahmen (PCI und/oder Bypass; [1]).
Letzteres ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass ein großer Teil der Patienten mit AMI nicht nur einen akuten, instabilen Plaque bzw. eine Stenose aufweisen, sondern zeitgleich mehrere andere intrakoronare Läsionen [10]. Im Gegensatz zur Thrombolyse bestehen für die primäre Angioplastie bei Patienten mit AMI nahezu keine Kontraindikationen. Entsprechend betrug die Rekrutierungseffizienz in den großen Studien zur Thrombolyse nur bis maximal 50%, während für die primäre PCI nahezu alle Patienten mit AMI eingeschlossen werden konnten. Das bedeutet, dass auch Patienten mit hohem Lebensalter, kardiogenem Schock und sonstigen Kontraindikationen für eine systemische Thrombolyse einer akuten PCI im AMI zugeführt werden können. Dies scheint insbesondere vor dem Hintergrund gravierender (zerebraler) Blutungskomplikationen bei Patienten mit hohem Lebensalter unter systemischer Thrombolyse relevant [11, 12, 13].
Zu Beginn der 1990er Jahre wurde der Erfolg einer primären PTCA im akuten Myokardinfarkt vergleichend zum damaligen Goldstandard unterschiedlicher Thrombolyseverfahren (Streptokinase, rt-PA) in mehreren prospektiven Studien untersucht [14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23] . Diese Studien wurden in 2 Metaanalysen vergleichend gewertet [24, 25]. Die mittlere Erfolgsrate hinsichtlich einer Wiedereröffnung der Infarktarterie betrug in diesen Studien unter den technischen Bedingungen der PTCA Anfang der 1990er Jahre bis zu 90%, während in dem hochselektionierten Niedrigrisikokollektiv der Lysestudien eine Erfolgsquote von bis zu 70% angegeben wurde [24]. Die Mortalität und die Rate an Reinfarkten war in der PTCA-Gruppe im Vergleich zur Thrombolysegruppe signifikant erniedrigt (7,2 vs. 11,9% nach 30 Tagen; [24]). Ferner betrug die Rate der zerebralen Blutungen bei den primär mit PTCA behandelten Patienten nur ein Zehntel im Vergleich zum mit Thrombolyse behandelten Kollektiv (0,1 vs. 1,1%).
Mortalität und Reinfarktrate wurden durch PTCA im Vergleich zur Thrombolyse signifikant erniedrigt
Zwei wesentliche Faktoren mögen die Überlegenheit der PCI begründen. Die Reokklusionsrate, insbesondere in der 1. und 2. Woche nach Infarkt, ist nach Lyse deutlich höher als nach primärer PTCA [26] und die letalen Blutungskomplikation sind bei der Thrombolyse ebenfalls deutlich erhöht. Die primäre Angioplastie ist auch nach einer Beobachtungsdauer von 2 bzw. 5 Jahren im Vergleich zur Lyse mit einer besseren Langzeitprognose verbunden [27]. In den bisherigen Studien wurde der Vorteil der PCI auch nicht durch den späteren Therapiebeginn und damit auch die später einsetzende Reperfusion nivelliert [24].
Das Zeitintervall vom Beginn der Symptome bis zur Reperfusionsmaßnahme ist für die PCI und die Lyse gleichermaßen eine kritische Größe. Insbesondere bei älteren Patienten sind Diabetes, vorausgegangene Angina pectoris, weibliches Geschlecht und niedriger sozialer Status Faktoren, die in bis zu einem Viertel der Patienten zu einer zeitlichen Verzögerung (>6 h) führen [28]. Da eine 24-h-Bereitschaft für die interventionelle Therapie bei Patienten mit ACS nicht in jedem Krankenhaus verfügbar ist, müssen durch Schaffung lokaler Kompetenznetze entsprechend kurze Verlegungszeiten von Patienten mit ACS aus allgemeinen Krankenhäuser in Krankenhäuser mit vollständiger 24-h-Bereitschaft organisiert werden.
PCI nach Lyse
Die Durchführung einer PCI nach einer systemischen Lyse war Gegenstand mehrerer Studien [29, 30, 31, 32]. Die unmittelbare Durchführung einer PCI nach vorausgegangener erfolgloser Thrombolyse mit persistierender Angina pectoris wird als „Rescue-PCI“ bezeichnet. Davon zu unterscheiden ist die PTCA nach durchgeführter Lyse (erfolgreich oder nicht) ohne persistierende Angina pectoris. Kritisch anzumerken ist, dass das Zeitintervall zwischen Thrombolyse und nachfolgender PTCA in den genannten Studien erheblich variiert und somit eine vergleichende Wertung erschwert. Allen Studien gemeinsam scheint der Trend, dass bei erfolgreicher Lyse die sequenzielle PCI nicht unmittelbar erfolgen muss [33, 34]. Ferner besteht dahingehend Konsens, dass Patienten mit nicht erfolgreicher Lyse („Lyse-Versager“) und häufig damit einhergehenden schlechten hämodynamischen Ausgangsbedingungen von einer im unmittelbaren Anschluss durchgeführten PTCA profitieren.
Die routinemäßige Gabe von Fibrinolytika vor geplanter PCI (und Verlegung des Patienten) als sog. „facilitated PCI“ ist derzeit Gegenstand von Studien und kann heute noch nicht als Routinevorgehen empfohlen werden.
PCI-Verfahren
In mehreren kleinen Serien und im PAMI-Stent-Trial konnte zunächst die Sicherheit und der primäre prozedurale Erfolg der Stentimplantation im Vergleich zur alleinigen PTCA in der Therapie des AMI aufgezeigt werden [35, 36, 37, 38, 39]. Das Problem dieser Studien besteht einerseits in der niedrigen Fallzahl (104 bis 204 AMI-Patienten) und anderseits, dass durch „Bail-out-Stenting“ ein Cross-over von der PTCA- zur Stent-Gruppe von 15 bis 25% auftrat. In einer diesbezüglichen Metaanalyse von 544 Patienten zeigte sich eine prozedurale Erfolgsrate von 98% [40]. Die Häufigkeit der einzelnen Endpunkte nach 3 Monaten war ebenfalls beeindruckend niedrig: kardiovaskulärer Tod (0,9%), Reinfarkt (1,3%), notwendige Re-PTCA (2,1%) oder Bypassoperation (1,8%).
In einer monozentrischen und einer multizentrischen Studie (Primary-Angioplasty-in-Myocardial Infarction Stent Study Group) wurden prospektiv die Stentimplantation mit der alleinigen PTCA zur Therapie des AMI verglichen [41, 42]. Ferner wurden im FRESCO-Trial AMI-Patienten mit und ohne Stentimplantation nach vorausgegangener Angioplastie verglichen [43]. Auch wenn die Materialien der Stents (blanker und heparinbeschichteter Palmaz-Schatz- oder Gianturco-Roubin-Stents) unterschiedlich waren, so zeigen alle 3 Studien eine Überlegenheit der Stentgruppe im Gegensatz zur PTCA-Gruppe. Analysiert man die diesbezüglichen Kaplan-Meier-Kurven dieser Studien so scheinen 2 Effekte für den Nutzen der Stents verantwortlich:
-
1.
In den ersten Tagen nach PCI treten in der Stentgruppe weniger (mutmaßlich cissektionsbedingte) Verschlüsse auf.
-
2.
In Analogie zum elektiven Stenting ist die Rate der Restenosen nach 6 Monaten durch den initial höheren Lumengewinn deutlich gesenkt.
Damit sinkt die Anzahl der notwendigen erneuten Revaskularisierungen im Zielgefäß („target vessel revascularization“, TVR) durch die zusätzliche Stentimplantation signifikant. Dies resultiert klinisch auch in einem erhöhten Anteil freier Intervalle von kardiovaskulären Ereignissen. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass nicht nur AMI-Patienten mit Infarzierung des von der linken Koronararterien versorgten Myokards von einer akuten PCI einschließlich Stenting profitieren, sondern auch Patienten mit inferioren Infarkten, bei denen zu 77% die rechte Kranzarterie betroffen war [44].
Zur Entfernung thrombotischer Massen aus Koronararterien wurden neue Katheterverfahren entwickelt, welche während der PCI meist turbidometrisch größere Thrombusmassen aus den Kranzgefäßen entfernen. Auch dieser Ansatz soll dem Schutz der nachgeschalteten koronaren Mikrozirkulation dienen, ebenso wie sog. „Protection-Devices“, welche durch Filter oder intermittierend zu okkludierende Ballons die Abschwemmung thrombotischer Emboli in das distale Strombett verhindern sollen [45, 46, 47].
In Abhängigkeit vom hämodynamischen Kreislaufzustand sind erweiterte Katheterverfahren bei Patienten mit Schock und/oder rechtsventrikulärer Beteiligung zu berücksichtigen, wie intraaortale Ballongegenpulsation (IABP) oder selektive NO-Applikation.
Medikamentöse Begleitmaßnahmen
Die gerinnungshemmende Begleittherapie des akuten Myokardinfarkts besteht aus der Gabe von Heparin und unterschiedlichen antithrombotisch wirksamen Substanzen. Ziel ist es bis zur, während und nach der PCI ein weiteres Wachstum des Thrombus als auch eine Embolisation thrombotischen Materials in die nachgeschaltete koronare Mikrozirkulation zu begrenzen [48]. Durch die Einführung der ACT-Bestimmung („activated clotted time“) während der PCI konnte eine individuell angepasste und gezielte Dosissteuerung der einzelnen gerinnungshemmenden Substanzen ermöglicht werden. Dies führte zu einer wesentlichen Reduktion der periinterventionellen Blutungskomplikationen. Im Gegensatz zur PTT kann die ACT unmittelbar am Patienten direkt und schnell bestimmt werden. Dabei werden Werte um 300 s angestrebt.
Heparin und Analoga
Heparin wirkt gerinnungshemmend, indem es das langsam wirkende Antithrombin III in das etwa 1000fach schneller wirkende „Sofort-Antithrombin“ umwandelt. Neben dem klassischen unfraktionierten Heparin wurde die Wirksamkeit von niedermolekularen Heparinen in der Begleittherapie des akuten Myokardinfarktes validiert, welches Faktor 10a und Thrombin gleichermaßen hemmt. Die Wirksamkeit von Heparin in der Therapie des akuten Myokardinfarkts wurde bereits früh durch die HART-, GISSI-, die ISIS- und die GUSTO-Studiengruppe nachgewiesen mit einer relativen Reduktion der Mortalität um 10–30%. Neben einer Eingrenzung der Infarktgröße durch Verhinderung eines apositionellen intrakoronaren Thrombuswachstums trägt hierzu auch eine signifikante Reduktion der begleitenden thrombembolischen zerebralen Insulte bei. Solange eine sofortige primäre PCI geplant ist, scheint aufgrund der derzeitigen Studienlage die Anwendung von unfraktioniertem Heparin weiterhin sinnvoll.
Bei einzelnen Patienten supprimiert Heparin nicht ausreichend die Thrombinaktivität. Ferner inhibiert Heparin nicht das thrombusgebundene Thrombin. Dies hat zur Entwicklung neuerer Thrombininhibitoren (Hirudin, Bivalirudin) geführt. Hier ist die Datenlage nicht einheitlich. Für Bivalirudin konnte im periinterventionellen Einsatz gezeigt werden, dass bei gleicher Effektivität wie Heparin zumindest die Rate an Blutungskomplikationen geringer ist. In der GUSTO-IIb-Studie war das Risiko für kardiovaskulären Tod nach rekombinantem Hirudin signifikant niedriger als nach Heparin— umindest in den ersten 24 h [49]. In der Langzeitbeobachtung zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied, sodass derzeit die neueren Thrombininhibitoren der klassischen Heparingabe nicht überlegen scheinen. Bei Patienten mit HIT-Syndromen (heparininduzierte Thrombozytopenie) ist ihre Indikation jedoch bereits jetzt gesichert.
Hemmstoffe der Thrombozytenfunktion
Die intravenöse Gabe von Acetylsalicylsäure (bis 500 mg), ein irreversibler und hochwirksamer Hemmstoff der thrombozytären Cyclooxygenase, stellt eine gesicherte Begleittherapie sowohl bei der Thrombolyse als auch der PCI des AMI dar [50].
Ticlopidin und Clopidogrel hemmen sowohl die primäre als auch die sekundäre ADP-bedingte Plättchenaggregation. Insbesondere bei einer notwendigen Stentimplantation hat sich diese zusätzliche antithrombotische Therapie in der Prävention des thrombotischen Stentverschlusses bewährt [51]. Neben einer Nausea und Diarrhö kann es unter Ticlopidin in bis zu 1% der Patienten zu einer Leukozytopenie kommen, welche nach Absetzen meist reversibel ist. Unter Clopidogrel treten diese Nebenwirkungen wesentlich seltener auf [52]. Die Behandlung mit Clopidogrel (300 mg) vor einer geplanten PCI scheint die peri- und unmittelbar postinterventionelle Rate an myokardinfarkten bzw. Frühverschlüssen zu senken. Die generelle Dauer der Nachbehandlung (6 Wochen bis 9 Monate) ist derzeit Gegenstand von Studien. Unklar ist noch, inwieweit besondere Risikogruppen hiervon besonders profitieren. Im Gegensatz zu den GP-IIb/IIIa-Antagonisten scheint die Langzeitgabe von Clopidogrel in allen Patienten nach PCI einen Vorteil zu bringen.
GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
Während des Myokardinfarkts als auch während der Thrombolyse [53] und der PCI [54] kommt es zu einer systemisch nachweisbaren Aktivierung von Thrombozyten mit veränderter Expression von P-Selektin und Bindungsaktivität des Fibrinogenrezeptors. Der Glykoproteinrezeptor IIb/IIIa gehört zur Familie der Integrine und ist verantwortlich für die Quervernetzung von aktivierten Thrombozyten und Fibrinogen und mediiert damit letztendlich die gefäßverschließende Thrombusbildung. Drei Substanzen, die eine effektive Blockade dieses Rezeptors bewirken, wurden in die periinterventionelle Therapie eingeführt und erhielten die Zulassung für den Einsatz beim akuten Koronarsyndroms und/oder der PCI:
-
Abciximab,
-
Eptifibatid,
-
Tirofiban.
Nach entsprechender Dosisfindung wurde die Effektivität dieses Therapieprinzips für alle 3 Substanzen an mittlerweile mehr als 30.000 Patienten überprüft: Abxicimab [55, 56, 57, 58], Tirofiban [59, 60, 61], Eptifibatid [62, 63].
Aus arteriosklerotisch veränderten Kranzgefäßen können sowohl Plaqueanteile als auch aufgelagerte thrombotische Massen in die nachgeschaltete Mikrostrombahn abgeschwemmt werden [64]. Diese distale Mikroembolisation führt zu einer mikrovaskulären Dysfunktion mit Einschränkung der regionalen Ventrikelfunktion und daraus resultierender schlechterer Langzeitprognose [65], welche durch GP-IIb/IIIa-Rezeptorblockade in Teilen zu reduzieren ist [66]. Sie kann spontan, während einer PCI und im akuten Myokardinfarkt auftreten [48, 67]. Dementsprechend zeigt sich auch, dass der therapeutische Nutzen dieser Substanzen besonders bei komplex und ulzerös konfigurierten Koronarstenosen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Mikroembolisation einhergehen, besonders hoch ist [68, 69]. Dies wird auch dadurch unterlegt, dass bei ACS insbesondere die Patienten von dieser Therapieform profitieren, bei denen es bereits zu einer beginnenden Myokardnekrose (Troponin positiv) und mutmaßlichen distalen Mikroembolisation gekommen ist [4, 70]. Zumindest für die elektive PCI mit komplexen Läsionen konnte gezeigt werden, dass die begleitende Therapie mit Abxicimab sich auch in einer niedrigen kardiovaskulären Mortalität im Langzeitverlauf niederschlägt [71].
Diese Erkenntnisse haben dazu geführt, dass die therapeutische Wertigkeit dieser neuen antithrombotischen Begleittherapie zusätzlich zur primären PCI im AMI in mehreren klinischen Studien untersucht wird. In der RAPPORT-Studie (ReoPro and Primary PTCA Organization and Randomized Trial) konnte belegt werden, dass die zusätzliche Gabe von Abxcimab während der akuten PTCA bei Patienten mit AMI zu einer signifikanten Reduktion von Tod, Reinfarkt und notwendiger Revaskularisation führt. Dieser Effekt ist nach 7 Tagen (9,9 vs. 3,3%) und nach 30 Tagen (11,2 vs. 5,8%) nachweisbar [72]. In der Pilotstudie zum aktuellen GRAPE-Trial (Glycoprotein Receptor Antagonist Patency Evaluation) wurde Patienten mit akutem Myokardinfarkt, welche für eine primäre Angioplastie vorgesehen waren, unmittelbar bei Eintritt in die Notaufnahmestation Abciximab neben Acetylsalicylsäure und Heparin appliziert [73]. Die Gabe des GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten erfolgte im Mittel 150 min nach Beginn der Symptome und 45 min vor der PTCA. Allein durch diese Maßnahmen im Vorfeld der PTCA konnte bei 40% der Patienten mit akutem Myokardinfarkt angiographisch unmittelbar vor der PTCA ein TIMI-Flussgrad 2 und 3 erreicht werden. Damit wird einerseits eine raschere und bessere Perfusion des nachgeschalteten Areals erreicht und anderseits die Wahrscheinlichkeit eines primären Erfolgs der PCI erhöht.
Generell bleibt festzuhalten, dass die Gabe von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten bei Patienten mit ACS nur dann sinnvoll erscheint, wenn eine Erhöhung des Troponin nachgewiesen wurde und eine primäre PCI in <48 h geplant durchgeführt wird. Über die simultane Vorbehandlung von Clopidogrel und GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten liegen derzeit noch keine abschließenden Daten vor.
Fazit für die Praxis
Ziel der interventionellen Therapie des ACS ist die schnelle und langanhaltende Wiedereröffnung der Infarktarterie. Dies dient der Verhinderung eines größeren Myokardverlusts und eines ventrikulären Remodellings. Beide Faktoren bestimmen wesentlich die kardiovaskuläre Mortalität. Die interventionelle Therapie des transmuralen und des nichttransmuralen Infarkts ist heute—soweit vor Ort verfügbar—als Therapie der Wahl zu betrachten. Verbesserte interventionelle Kathetertechniken und eine erweiterte antithrombotische Therapie unmittelbar, vor, während und nach koronarer Interventionen mittels ADP-Antagonisten und GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten ermöglichen eine deutliche Reduktion periprozeduraler thrombotischer Komplikationen und eine effizienteren Erhalt des von der Infarktarterie versorgten Myokards durch Reduktion der prozedural bedingten Mikroembolisation der distalen Mikrostrombahn. Neue Entwicklungen in der Beschichtung von Stents und katheterbasierten und medikamentösen Ansätzen zum Erhalt möglichst vieler Kardiomyozyten während der Reperfusion werden nicht nur die akuten sondern auch die langfristigen Ergebnisse der interventionellen Therapie des akuten Myokardinfarkts weiter verbessern.
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Kelm, M., Strauer, B.E. Das akute Koronarsyndrom. Internist 46, 265–274 (2005). https://doi.org/10.1007/s00108-005-1357-1
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00108-005-1357-1