1 Ausgangssituation

Der morphologischen Faserstoffausprägung wird ein signifikanter Einfluss auf die MDF-Eigenschaften zugesprochen. So geben Groom et al. (2002) einen linearen Zusammenhang zwischen der Faserlänge und den elasto-mechanischen Platteneigenschaften an. Sie untersuchten mittels TMP-Verfahren mit Drücken von 2–18 bar aufgeschlossene Kiefernfaserstoffe (Pinus taeda) auf ihre Größenverteilung sowie daraus hergestellte Platten auf ihre Eigenschaften. Die mit Drücken im Bereich von 6,3–8 bar aufgeschlossenen Faserstoffe zeigten den geringsten Feinstoffanteil sowie die größte mittlere Faserlänge (∼0,75 mm) und die aus diesen Faserstoffen hergestellten MDF wiesen die höchsten Biegefestigkeitswerte auf.

Krug und Kehr (2001) beobachteten bei steigendem Aufschlussdruck (von 8 auf 16 bar) eine Abnahme der mittleren Faserlängen und erklärten damit die schlechteren elasto-mechanischen Eigenschaften der daraus hergestellten MDF.

Bei Untersuchungen zur Wiederverwertbarkeit von Altholz für die MDF-Herstellung konnte Erbreich (2004) den oben dargestellten Zusammenhang zwischen Aufschlussdruck und Eigenschaften der MDF bestätigen. Mit steigendem Aufschlussdruck verschlechterten sich die elasto-mechanischen Eigenschaften. Jedoch bestimmte Erbreich (2004), im Unterschied zu den Ergebnissen von Krug und Kehr (2001), eine zunehmende mittlere Faserlänge mit steigendem Aufschlussdruck.

Krug und Mäbert (2008) stellten fest, dass die Holzart einen entscheidenden Einfluss auf die Faserstoffeigenschaften und somit auf die erzeugten Plattenkennwerte hat. Schon aus den anatomischen Gegebenheiten der verschiedenen Holzarten lässt sich schließen, dass es zu unterschiedlichen Ausprägungen der Fasereigenschaften, insbesondere der Faserlängenverteilung, kommt. Es zeigte sich, dass mit zunehmender mittlerer Faserlänge hergestellte Laubholz-MDF tendenziell bessere mechanische Eigenschaften aufwiesen.

Rahman (1986) untersuchte den Einfluss von Faserstofffeinheit, Splittergehalt und Feinstoffanteil auf die Oberflächengüte und stellte dabei den positiven Einfluss der feinen Fasern auf eine verbesserte Klebstoffverteilung dar. Je feiner der Faserstoff (geringer Anteil an Splittern), desto besser war die von ihm bewertete Oberflächengüte.

Nach Wessbladh und Mohr (1999) erhöht sich die Biegefestigkeit und der Biege-E-Modul mit steigender Anzahl an Langfasern. Der Splitteranteil beeinflusst maßgeblich die Oberflächenqualität (vgl. auch Rahman 1986). Mit Zunahme des Feinanteils erhöht sich der Presszeitfaktor, der Leimverbrauch, die Querzugfestigkeit und die Oberflächenqualität, wohingegen sich die Bearbeitbarkeit sowie die Wasserabsorption verschlechtern.

Den Einfluss der Aufschlusstemperatur auf die Morphologie von Faserstoff stellte Roffael et al. (2009) anhand von Untersuchungen an Kiefernfaserstoff dar. Es wurden zwei Faserstoffvarianten bei je 140 und 180°C aufgeschlossen und auf ihre Morphologie hin untersucht. Mit steigender Aufschlusstemperatur zeigte sich eine Verkürzung der mittleren Faserlängen von 1,88 auf 1,68 mm und eine Verringerung der Faserdurchmesser von 34,7 auf 30,9 μm sowie eine Erhöhung der Feinanteile von 14,8 auf 22,9 %.

In den dargestellten Ergebnissen zum Einfluss des Faseraufschlusses auf die Fasereigenschaften und im Weiteren auf die MDF-Kennwerte wurden zum Teil unterschiedliche Schlüsse gezogen. Als ein entscheidender Parameter ist die morphologische Ausprägung des Faserstoffs zu nennen.

Zur Klärung der in der Literatur vorherrschenden Diskrepanz wurden systematische Untersuchungen zum Einfluss des Aufschlusses auf die Faserstoffeigenschaften und im Weiteren auf die Eigenschaften der daraus hergestellten MDF durchgeführt. Als Teil dieser Studie soll hier der Einfluss des Faserstoffaufschlusses (Aufschlussdruck und Mahlscheibenabstand) auf die morphologische Faserstoffausprägung dargestellt werden.

Auf Grund der oben aus der Literatur dargestellten Ergebnisse wurde der Aufschlussdruck nicht als entscheidender Faktor zur Beeinflussung der Fasergröße angenommen, sondern vielmehr als auf den Mahlscheibenabstand einflussnehmende Störgröße betrachtet. Es war zu vermuten, dass sich der Mahlscheibenabstand auf Grund der Druck- und Temperaturveränderungen trotz Nachjustierung nur ungenügend steuern lässt, so dass es mit unterschiedlichen Aufschlussdrücken zur Beeinflussung des Mahlscheibenabstandes und somit zu ungleichen Ausprägungen der Fasermorphologie kommt.

2 Material und Methoden

2.1 Faserstoffherstellung

Es wurden neun verschiedene Faserstoffvarianten hergestellt, die sich durch Variation des Aufschlussdrucks (relativ) von 6, 9, 12 bar und dem Abstand der Mahlscheiben 0,06, 0,3, 0,6 mm unterschieden (Abb. 1).

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

Abbildungen der Faserstoffvarianten in Abhängigkeit variierter Zerfaserungsparameter

Fiber variants with varying pulping parameters

Als Rohstoff wurden Holzhackschnitzel der Holzart Kiefer [Pinus sylvestris L.] eingesetzt, die zunächst eine Fraktionierung durchliefen, um mögliche negative Einflüsse des Fein- und Grobgutes auszuschließen. Die Feuchte der eingesetzten Hackschnitzel betrug im Mittel 60 %.

In einem Laborrefiner wurden je Variante 10 kg Faserstoff erzeugt, die im angeschlossenen Stromtrockner auf die gewünschte Feuchte von ca. 8 % getrocknet wurden. Die Verweilzeit der Hackschnitzel im Kocher betrug bei allen Varianten 4 min.

Bei der Herstellung wurde darauf geachtet, dass der einzustellende Mahlscheibenabstand bei jedem Durchgang neu justiert wurde. Durch die unterschiedlichen Aufschlussdrücke und somit Temperaturen (siehe Tab. 1) in der Anlage kommt es zu einer jeweils sich anpassenden Materialausdehnung, die eine Justierung des Mahlscheibenabstandes unabdingbar macht.

Tab. 1 Table 1 Zusammenhang des relativen Aufschlussdrucks zu der sich einstellenden Aufschlusstemperatur im RefinerRelation of pulping pressure and pulping temperature in the refiner

Die Refinerdrehzahl betrug konstant 3000 U/min, die Einspeiseschnecke wurde mit einer Drehzahl von 15 U/min betrieben, es ergab sich ein Durchsatz von 30 kg/h.

Die Eingangstemperatur des Luftstromtrockners lag für alle Varianten vergleichbar bei ca. 165°C.

2.2 Fasermorphologische Untersuchung

Der Faserstoff wurde mittels Luftstrahlsiebanalyse fraktioniert. Die Luftstrahlsiebanalyse ist eine Siebfraktionierung, in der durch Einbringung eines Luftstrahls bei gleichzeitigem Absaugen des Siebdurchgangs der Faserstoff auf der Sieboberseite stark in Bewegung versetzt wird, so dass eine erhöhte Trennschärfe erreicht wird.

Eine Schlitzdüse rotiert unter dem Sieb und wirbelt den auf dem Sieb verbleibenden Faserstoff auf. Durch die Aufwirbelung und dem gleichzeitigen Absaugen auf der Siebdurchgangsseite wird der Faserstoff über fünf Minuten „zwangs“-fraktioniert.

Neben der diskreten Massenverteilung über die Siebmaschenweite lassen sich nach dem Werksstandard FHIS 164 (1964) des IHD folgende Kenngrößen berechnen:

  • mittlere Korngröße K m [mm]

  • Korngrößenintervall ΔK [mm]

  • Feinastfaseranteil D 0,315 [%]

  • Feinfaseranteil D 1,0 [%]

Der durchgangslimitierende Faktor der Luftstrahlsiebanalyse ist der Querschnittsdurchmesser der einzelnen Faser (auch als Faserbreite bezeichnet). Die Methode ist lediglich zur Charakterisierung der Faserquerschnittsverteilung geeignet, die nicht zwangsläufig mit der Faserlängenverteilung korrelieren muss. Die oben genannten Kennwerte beziehen sich ebenfalls auf den Faserquerschnitt und haben im Einzelnen folgende Aussagekraft.

Die mittlere Korngröße ist durch die Siebmaschenweiten (K) bei den Durchgangssummen von 16, 50 und 84 % nach folgender Berechnung definiert:

$$K_{m}=\frac{K_{16}+K_{50}+K_{84}}{3}$$
(1)

Das Korngrößenintervall ist als Differenz der Siebmaschenweiten (K) bei den Durchgangssummen von 16 und 84 % definiert:

$$\Delta K=K_{84}-K_{16}$$
(2)

Der Feinstfaseranteil ist der kumulative Durchgang aller Siebe ≤0,315 mm, während der Feinfaseranteil der kumulative Durchgang aller Siebe ≤1,0 mm prozentual bezogen auf die Gesamteinwaage ist.

Die Analyse des Faserstoffs nach der Luftstrahlsiebung gibt keine Werte zur Längenverteilung wieder. Da die Auswertung massenbezogen erfolgt, können keine Aussagen zur Faseranzahl je Kategorie getroffen werden.

3 Ergebnisse

Die Morphologie wird maßgeblich durch den Mahlscheibenabstand (MS) ausgeprägt. Es zeigt sich kein systematischer Zusammenhang zwischen dem relativen Aufschlussdruck und der morphologischen Faserausprägung (Abb. 2).

Abb. 2 Fig. 2
figure 2

Faserquerschnittsverteilung in Abhängigkeit des relativen Aufschlussdrucks und des Mahlscheibenabstandes

Fiber cross-section versus relative pulping pressure and grinding plate clearance

Bei dem Standard-Mahlscheibenabstand von 0,3 mm und dem großen Mahlscheibenabstand von 0,6 mm sind die aufschlussdruckbedingten Abweichungen der mittleren Korngröße mit bis zu 0,3 mm (Abb. 3) und des Feinanteils mit 10 % (Abb. 4) stark ausgeprägt; es zeigt sich jedoch kein systematischer Zusammenhang zwischen Kennwerten und Aufschlussdruck.

Abb. 3 Fig. 3
figure 3

Mittlere Faser-Korngröße in Abhängigkeit des Mahlspalts und des relativen Aufschlussdrucks

Average fiber cross-section versus grinding disc clearance and relative pulping pressure

Abb. 4 Fig. 4
figure 4

Faser-Feinanteil in Abhängigkeit des Mahlspalts und des relativen Aufschlussdrucks

Fines content versus grinding disc clearance and relative pulping pressure

Die Einstellung des Mahlscheibenabstandes während des Aufschlusses erfolgte mittels manueller Justierung. Nach Einstellung des Aufschlussdruckes wurde die Anlage eingefahren, dementsprechend konnten sich die Refiner-Bauteile „akklimatisieren“. Mit eingestellter Betriebstemperatur wurden die Mahlscheiben auf „Kontakt“ gefahren, so dass aus dieser Referenzierung die Einstellung des Mahlscheibenabstandes weitestgehend unabhängig von der temperatur- und druckbedingten Ausdehnung der Bauteile realisiert werden konnte.

Die Annahmen von Krug und Kehr (2001), Groom et al. (2002) und auch von Roffael et al. (2009), wonach mit steigendem Aufschlussdruck (steigende Aufschlusstemperatur) der mittlere Faserquerschnitt (oder mittlere Faserlänge) abnimmt bzw. der Feinanteil zunimmt, können nicht bestätigt werden.

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Feinanteil in einem Mahlgut mit zunehmender Sprödigkeit des Rohstoffes steigt. Dem entgegen ist anzunehmen, dass Holz unter Refiner-Aufschluss-Bedingungen (Temperatur 170–180°C; Sattdampfumgebung) ein zähes Verhalten aufzeigt, da Lignin mit der Überschreitung eines Temperaturbereiches bei gegebener Feuchte erweicht und plastisch wird. Der Temperaturbereich für isoliertes Lignin im darrtrockenen Zustand liegt bei 130–190°C und für fasersattes Lignin im Verbund bei ca. 90°C (Asplund 1940; Hüttermann und Kharazipour 1993; Wagenführ et al. 2008). Mit einem „Verspröden“ der Fasern ist erst im Trockner mit abnehmender Feuchte und abnehmender Temperatur zu rechnen.

Dies bestätigt die Ergebnisse sowie die Annahme, dass es durch eine Erhöhung des Aufschlussdrucks weder zu einem erhöhten Feinanteil noch zu verkürzten bzw. in ihrem Querschnitt verminderten Fasern kommt.

4 Fazit

Es konnte nachgewiesen werde, dass der direkte Druck- und somit Temperatureinfluss im Bereich von 6–12 bar während des Aufschlussprozesses auf die Ausprägung der Faserstoffmorphologie nicht signifikant ist. Eine erhöhte Aufschlusstemperatur führt zu einer thermischen Ausdehnung der Refinerbauteile, die eine Verengung des Mahlscheibenabstandes mit sich bringt. Mit dem Nachjustieren des Mahlscheibenabstandes kann die thermische Ausdehnung kompensiert werden. Es resultiert eine zum Aufschlussdruck unabhängige Ausprägung der Faserstoffmorphologie. Der negative Einfluss eines erhöhten Aufschlussdrucks auf die mechanischen Festigkeiten von daraus hergestellten MDF ist somit nicht auf die Ausprägung der Faserstoffmorphologie zurückzuführen. Es wird vermutet, dass durch einen erhöhten Aufschlussdruck die Wechselwirkung zwischen Faserstoff und Bindemittel gehemmt wird und damit die mechanischen Eigenschaften der daraus hergestellten MDF signifikant sinkt.