Zusammenfassung
Hintergrund
Schon seit vielen Jahrzenten stellt die Frage nach der „wahren“ Funktion der Kieferhöhle bzw. den Nasennebenhöhlen (NNH) einen Streitpunkt in der Literatur dar und hat zu vielen kontroversen Diskussionen sowie Spekulationen geführt.
Ziel
Das Review fasst kurz verschiedene Theorien über die mögliche Physiologie und mögliche Funktionen der Kieferhöhle/NNH zusammen, die über die Jahrhunderte bis heute diskutiert wurden.
Material und Methoden
Eine Literaturrecherche bei PubMed wurde mit einer Kombination der Suchbegriffe „Physiologie“, „Funktion“, „Kieferhöhle“ und „Nasennebenhöhle“ durchgeführt.
Ergebnisse
Die aktuellen und möglichst wissenschaftlich belegten Theorien werden beschrieben. Die „Sinusologie“ ist die Wissenschaft der NNH. Die Kieferhöhlen können einfach nur dazu dienen, die respiratorische Funktion der Nase zu verbessern. Eine Durchströmung mit inspiratorischer Luft findet nicht statt. Die Kieferhöhlen sind an der Produktion von Stickstoffmonoxid (NO) und damit der Unterstützung der Immunabwehr der Nasenhöhle entscheidend beteiligt. Die Mukosa der Kieferhöhle synthetisiert kontinuierlich NO und dient damit als Reservoir von NO. Weitere wichtige Funktionen sind der Schutz der Orbita und des Gehirn bei Schädelfrakturen sowie eine Gewichtsreduktion des Schädels.
Schlussfolgerung
Die verschiedenen Theorien über die Funktion der Nasennebenhöhlen werfen auch heute noch viele Fragen auf, und die wahre Funktion ist nicht vollständig geklärt. Mögliche Funktionen der Kieferhöhlen bestehen bei der lokalen Immunabwehr durch die Produktion von NO. Die NNH dienen als „Knautschzone“ im Rahmen von Schädel-Hirn-Traumata.
Abstract
Background
The question of the “true” function of the maxillary sinus and the paranasal sinuses (PS) has been a controversial issue in the literature for decades, leading to many discussions and speculations.
Objective
This review briefly summarizes various theories on the possible physiology and functions of the maxillary sinus/PS that have been discussed over the centuries.
Materials and methods
A literature search was conducted in PubMed using a combination of the search terms “physiology,” “function,” “maxillary sinus,” and “paranasal sinuses.”
Results
Current and scientifically evidenced theories are described. “Sinusology” is the science of the PS. The maxillary sinuses might simply serve to improve the respiratory function of the nose. A flow of inspiratory air does not occur. The maxillary sinuses are decisively involved in the production of nitrogen monoxide (NO) and thus in supporting the immune defense of the nasal cavity. The mucosa of the maxillary sinus continuously synthesizes NO and serves as a reservoir of NO. Other important functions are protection of the orbit and the brain in case of skull fractures, as well as weight reduction of the skull.
Conclusion
The various theories about the function of the PS still raise many questions and their true function is yet not fully understood. Possible functions of the maxillary sinuses are local immune defense through the production of NO. The PS serve as a crumple zone for vital cerebral structures in the context of craniocerebral traumas.
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Seit Jahrzehnten stellt die Frage nach der „wahren“ Funktion der Kieferhöhle bzw. Nasennebenhöhlen (NNH) ein umstrittenes Thema in der HNO-Heilkunde dar, welches zu kontroversen Diskussionen, Spekulationen und vielen verschiedenen Theorien geführt hat. Zahlreiche alte Theorien können leicht nach kurzer Diskussion verworfen werden, bei anderen fällt es jedoch schwer, diese zu widerlegen.
Geschichtlicher Hintergrund
In früheren Zeiten hielt man die NNH für eine mysteriöse Region des menschlichen Körpers. Vor allem die Ärzte des Mittelalters, welche einer stark theologisch geprägten Epoche angehörten, verkündeten kuriose Theorien über die NNH. Eine Theorie nahm an, dass die NNH zur Aufbewahrung von Ölen dienten, die zu einer Erleichterung der Augenbewegung führten; die andere Theorie besagte, dass diese dazu dienten, das Gehirn von den „bösen Geistern“ zu befreien bzw. zu entwässern [45].
Laut Schriften aus den Jahren 3700–1500 v. Chr. wurden die NNH von den Ägyptern entdeckt
Die ursprüngliche Entdeckung der NNH des Schädels geht wahrscheinlich auf die alten Ägypter zurück, welche das Gehirn der Toten vor der Mumifizierung durch die Nasenhaupthöhle entfernten. Schriften aus den Jahren 3700–1500 v. Chr. weisen nach, dass die NNH ursprünglich von den Ägyptern entdeckt wurden, die mit dem Oberkieferknochen und dessen Struktur vertraut waren [14].
Die alten Griechen wie Hippokrates, Galen und Celsus haben vermutlich auch die NNH als Teil des Schädels identifiziert. Beispielsweise berichtete Hippokrates, dass die Luft während der Stimmbildung durch die leeren Hohlräume im Schädel strömt und wiederhallt [21].
Eines der bekanntesten Bilder des Künstlers Leonardo da Vinci (*1452, Italien) ist mit Sicherheit die Zeichnung „The skull sectioned“ aus dem Jahr 1489, in welchem er einen menschlichen knöchernen Schädel im frontalen Querschnitt zeichnete und klar die Kieferhöhle und die anderen NNH abgebildet sind (Abb. 1; [12]; [41]). Diese Zeichnung des menschlichen Schädels wurde von da Vinci so präsentiert, dass der Betrachter sehen kann, was unter dem oberflächlichen Weichteilmantel der Knochenstruktur vor sich geht. Der Schädel, in 2 Hälften geschnitten, zeigt die Kieferhöhle und die Stirnhöhlen, die Nasenhaupthöhle und die Wurzeln der Zähne. Sämtliche knöchernen Fissuren des Schädels, die aus dem Blickwinkel erkennbar sein sollten, sind exakt dargestellt. Die Zähne mit ihren Wurzeln sind genau dargestellt sowie nummeriert und verdeutlichen die unmittelbare Beziehung der Zahnwurzeln zum Boden der Kieferhöhle. Da Vincis Theorie zu den Kieferhöhlen war, dass diese „den Humor enthalten, der die Zähne nährt“ [46]. Dies zeigt möglicherweise, dass da Vinci erkannte, dass nicht selten Erkrankungen der Kieferhöhlen von den Zähnen ausgehen können.
Auch der Name Nathaniel Highmore (*1613) ist durchaus bekannt und wird oft in Zusammenhang mit der Kieferhöhle genannt („Highmore’s antrum“). Viele Jahre ging man davon aus, dass er der erste Anatom war, der diese entdeckte. Der Grund hierfür war, dass die Zeichnungen des eigentlichen Erstbeschreibers der Kieferhöhle – Leonardo da Vinci – erst im Jahr 1901 entdeckt wurden [41, 45].
Entwicklungsbiologie
Eine Literaturrecherche bei PubMed wurde mit einer Kombination der Suchbegriffe „Physiologie“, „Funktion“, „Kieferhöhle“ und „Nasennebenhöhlen“ durchgeführt.
Die Theorie zur evolutionären Entwicklungsbiologie der NNH, die „Evo-Devo-Theorie“ [25], besagt, dass durch die erythropoetische Knochenmarkdegeneration der Stirn, des Oberkiefers und der Keilbeinhöhle Hohlräume in den Knochen entstehen, welche mit Gas gefüllt sind. Das Gas kann über die Öffnungen der Ostien in die Nasenhöhle entweichen. Laut dieser Theorie haben die Schleimhäute, die die „atmungsaktive“ Nasenhaupthöhle und die NNH bedecken, nicht denselben phylogenen oder ontogenen Ursprung, denn im Gegensatz zur übrigen Schleimhaut der Nase können die Kieferhöhlen kontinuierlich und spontan Stickstoffmonoxid (NO) herstellen. Sie dienen also als Reservoir für Gase, insbesondere NO.
Die Kieferhöhlen entwickeln sich erst allmählich mit dem Durchbruch der bleibenden Zähne, also etwa ab dem 7. Lebensjahr, da der Oberkiefer zunächst die Zahnanlagen der zweiten Zähne enthält.
In den NNH finden sich 4 verschiedene Zelltypen: Becherzellen, Basalzellen, zilienlose Epithelzellen (mit Mikrovilli) und mit Zilien ausgestattete Zellen. Die Zilienzellen gehören zu den am häufigsten zu findenden Zellen, jede Zelle hat etwa 50–200 Flimmerhärchen, welche etwa 700- bis 800-mal/min schlagen und den Schleim Richtung Ostium bewegen (9 mm/min). Die Becherzellen sind für die Produktion von Glykoproteinen zuständig, welche für die Viskosität des Schleims verantwortlich sind. Die wahre Funktion der Basalzellen ist unbekannt, evtl. sind diese als Stammzellen für die Differenzierung zuständig. Die mit Mikrovilli ausgestatteten Zellen vergrößern die Oberfläche, sie erwärmen und befeuchten die einströmende Luft [53].
Theorien zur Funktion
Im Folgenden soll kurz auf verschiedene wissenschaftliche Theorien über die Funktion der Kieferhöhlen/NNH (Tab. 1) eingegangen werden. Die unten aufgeführten Theorien stammen u. a. aus den Übersichtsarbeiten von Keir [27] und Jankowski et al. [26].
Eine Zeit lang wurde angenommen, dass die Kieferhöhle die olfaktorische Schleimhaut vergrößere [9], bis in neuerer Zeit festgestellt wurde, dass die NNH damit nicht ausgekleidet sind [54].
Auch der Vorschlag, dass die Nebenhöhlen als Schwimmhilfe vorgesehen waren, wurde unterbreitet [19, 49].
Historisch schlugen einige Autoren vor, dass die NNH zur Unterstützung des Gleichgewichtssinns aufgrund eines Gewichtsreduktion des Schädels vorhanden seien [11, 16, 20, 52]. Es wurde jedoch festgestellt, dass die NNH keinen relevanten Beitrag zur Gewichtsreduktion des Schädels leisten [5].
Eine Theorie nimmt an, dass die NNH das Gesichtswachstum unterstützen [47], jedoch wurde von einem anderen Autor festgestellt, dass Menschen mit fehlenden NNH keine Gesichtsdeformitäten aufweisen [44].
Früher vermutete man eine Wärmedämmung bzw. Isolation wichtiger Schädelstrukturen durch die NNH [48]. Diese Theorie wurde als Hauptfunktion der NNH mittlerweile verworfen, da beispielsweise Eskimos oft keine Stirnhöhlen besitzen [30, 48, 51].
Die Theorie der Nebenhöhlen als der Produzent von Schleim [18] wurde mittlerweile verworfen, da die Nebenhöhlen eine viel geringere Anzahl an schleimproduzierenden Drüsen aufweisen als die Nasenhaupthöhle selbst und somit diese Menge vernachlässigbar ist [42].
Die Kieferhöhle spielt einigen Autoren zufolge bei der Stimmqualität eine gewisse Rolle
Eine der bekannteren Theorien ist, dass sich durch die NNH die Stimmresonanz verändert; so berichtet Howell [23] davon, dass die Mitglieder des neuseeländische Maori-Volks, bei denen eine Unterentwicklung der NNH vorlag, „seltsam tote Stimmen“ hätten. In einer Anatomiestudie von Negus et al. [44] wurde nachgewiesen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Fehlen oder Vorliegen von NNH und der Stimme gibt. Auch findet keine Stimmveränderung nach Operationen an den NNH statt [13]. In einer Studie von Koo et al. [31], in der die Stimmqualität vor und nach Kieferhöhlenoperationen untersucht wurde, wiesen die Autoren jedoch nach, dass die Kieferhöhle bei der Stimmqualität eine gewisse Rolle spielt und einen gewissen Teil der Stimme beeinflusst. Sie raten dazu, v. a. professionelle Sänger sowie Patienten, die beruflich auf ihre Stimme angewiesen sind, über eine mögliche Stimmveränderung aufzuklären.
Nach einer anderen These dienen die NNH als Absorber von Traumen am Schädelskelett, indem sie bei Krafteinwirkungen auf das Gesicht die Aufprallenergie teilweise absorbieren und gezielt umleiten. Durch mögliche Sollbruchstellen werden schwerwiegende Schäden an Gehirn und den Augen verringert [28, 32]. Lee et al. [32] untersuchten in einer Studie diese Theorie, in dem sie 2 Vergleichsgruppen bildeten: Eine Gruppe hatte normal pneumatisierte NNH und Nasenhöhlen, bei einer anderen Vergleichsgruppe wurden die NNH und die Nasenhöhle mit Zement ausgefüllt. Durch das anschließende experimentelle Schädeltrauma kam es bei den Schädeln mit freien NNH sowie Nasenhöhle vermehrt zu Frakturen der Os frontale und der vorderen Schädelgrube, wohingegen die hintere Schädelgrube von dem Trauma eher nicht betroffen war (Abb. 2a; [32]). Durch die Obliteration mit Zement war bei der Vergleichsgruppe das vordere Schädelgewölbe dadurch stabiler/geschützt, es kam aber vermehrt zu Frakturen der hinteren Schädelgrube und zu Schäden der dort lokalisierten Strukturen (Abb. 2b; [32]). Ein Schaden der hinteren Schädelgrube führt jedoch vermehrt zu lebensbedrohlichen Folgen und einem schlechteren Outcome, z. B. im Rahmen von Unfällen. Die Autoren schlussfolgern, dass die NNH als mögliche „Knautschzone“ zum Schutz der kranialen lebenswichtigen Strukturen dienen, v. a. zum Schutz der hinteren Schädelgrube.
Man geht davon aus, dass die NNH die inspiratorische Einatemluft erwärmen und befeuchten. Jedoch wird die Luft in den Kieferhöhlen auch nach 5 min regelmäßiger Atmung nicht ausgewechselt und wird nicht von der inspiratorischen Luft durchströmt [3]. Numerische Strömungssimulationen mittels einer Computational-Fluid-Dynamics(CFD)-Software der intranasalen Luftströmung zeigten, dass keine eigentliche Durchströmung der Kieferhöhlen mit Atemluft stattfindet. Die operative Resektion des Processus uncinatus führt lediglich zu einer veränderten Luftströmung im Bereich der ostiomeatalen Einheit am natürlichen Ostium zur Kieferhöhle und nicht zu einer veränderten „Belüftung“ der Kieferhöhle [8]. Jedoch zeigt sich nach „radikalen“ Operationen an den Kieferhöhlen eine gestörte intranasale Luftströmung sowie Klimatisierung der Atemluft [35]. Verschiedene Durchmesser des Ostiums der Kieferhöhle beeinflussen in numerischen Simulationen weder die Temperatur noch die Luftströmung in der Kieferhöhle selbst [55]: Dies wurde in der Studie bei 8 mm, 10 mm, 12 mm und 15 mm untersucht. Bei „Typ-III-Fensterungen“ der Kieferhöhle könnte man sich aber durchaus Strömungsveränderungen der Luft vorstellen, da der Durchmesser des Ostiums > 3 cm im Durchmesser wird. Hier finden sich bislang keine numerischen Untersuchungen in der Literatur.
Nach aktuellen Theorien wirkt die Schleimhaut der Kieferhöhlen bei Immunabwehr und NO-Produktion mit
Stickstoffmonoxid (NO; Abb. 2) ist als Vasodilatator bekannt, welches vom Gefäßendothel hergestellt wird und die Muskelfasern der Gefäßwände entspannt [36]. NO wird durch NO-Synthetase (NOS) aus O2 und L‑Arginin hergestellt [15]. Eine der aktuellen Theorien besagt, dass auch die Schleimhaut der Kieferhöhlen bei der Immunabwehr und der Produktion von NO eine große Rolle spielen. Zum einen könnte es die mukoziliäre Clearance und damit indirekt die Immunabwehr fördern, zum anderen produziert die Schleimhaut der NNH auch Immunglobuline und lytische Enzyme (Peroxidasen, Peptidoglykane) zur Immunabwehr [33]. Die NNH produzieren kontinuierlich NO, welches durch die Ostiumöffnung freigesetzt wird. Die Ostien öffnen sich durch Schallschwingungen, die durch Summen oder Vibrationen ausgelöst werden können [26]. Es wurde nachgewiesen, dass durch vibrierendes Brummen die NO-Freisetzungsrate 5‑mal höher ist als bei der normalen Ausatmung. Die NO-Rate ist in der ersten Sekunde beim Brummen am höchsten, dann sinkt das Plateau langsam auf etwa 1500 nl/min, bei der normalen Ausatmung bleibt sie hingegen konstant (Abb. 3; [40]). Durch die Katheterisierung der Kieferhöhle wurde festgestellt, dass dort ein höherer NO-Gehalt vorlag als endonasal. Durch Instillation von NOS-Inhibitoren wurde der NO-Spiegel um etwa 80 % reduziert, somit wurde verifiziert, dass im Sinus eine aktive NO-Synthese stattfindet. Nach diesem Versuch erholten sich die NO-Werte sehr schnell, was auf eine kontinuierliche Produktion von NO hindeutet [37, 38]. Einerseits schützt NO vor Infektionen, es ist für einige Viren und Bakterien giftig [10, 39], andererseits wirkt es sich auch auf die Ziliarschlagfrequenz aus [24]. Außerdem wird vermutet, dass NO eine Rolle bei der Erwärmung und Anfeuchtung der Atemluft spielt, da es die Blutgefäße erweitert und so ihre Kapazität erhöht bzw. reguliert und dem entsprechend auch Einfluss auf die intranasale Temperatur hat [22].
Güclü et al. [17] untersuchten, ob die Kieferhöhle eine Rolle bei der Synthese von nasalem NO spielt. Man geht davon aus, dass eine chronische Sinusitis mit niedrigen NO-Werten in der Atemluft einhergeht, was möglicherweise durch eine Obstruktion des Ostiums der Kieferhöhle bedingt ist. Die Hauptquelle von NO in der Atemluft ist jedoch die intranasale Mukosa. In dieser Studie wurde Streptococcus pneumoniae kontrolliert in der Kieferhöhle von Kaninchen appliziert, um Veränderungen der NO-Synthese der Nasenschleimhaut zu untersuchen. Die Proben wurden mittels Echtzeit-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR) auf Expressionen von Stickoxidsynthase (e-NOS) und induzierbarer Stickoxidsynthase (i-NOS) untersucht. Es zeigte sich eine signifikante Zunahme der induzierbaren Stickoxidsynthaseexpression (i-NOS) in den Gewebeproben in der Pneumokokkengruppe. Es gab keinen Anstieg der endothelialen Stickoxidsynthase-Expression (e-NOS). Die beiden Kontrollgruppen wiesen keine signifikante Veränderung der i‑NOS- oder e‑NOS-Expression auf. In der Akutphase, nachdem die Kieferhöhle einem Pathogen ausgesetzt war, nahm die i‑NOS-Expression in der Nasenschleimhaut zu, die endotheliale NOS-Expression war jedoch nicht betroffen. Folglich wurde in dieser Studie eine kombinierte Reaktion in der Kieferhöhle und der Nasenschleimhaut zur Stickoxidsynthese gezeigt.
Kirihene et al. [29] untersuchten in einer Studie den Einfluss der Größe des Kieferhöhlenostiums auf den NO-Spiegel in der Nase und in der Kieferhöhle. Eine Theorie besagt, dass eine Vergrößerung des Ostiums möglicherweise die mukoziliäre Clearance stört und die Konzentration von NO in der Nase und den NNH verringert. Die Autoren wiesen nach, dass eine operative Vergrößerung des Kieferhöhlenostiums zu einer relevanten Abnahme der NO-Konzentration sowohl in der Kieferhöhle als auch in der Nasenhöhle führte. Über die Auswirkung des NO-Abfalls auf die Anfälligkeit für zukünftige Infektionen ist bisher nichts bekannt. Es wird vermutet, dass weit eröffnete Kieferhöhlen die Tendenz haben, sich immer wieder zu infizieren, da u. a. die antibakterielle Wirkung des höheren NO-Spiegels dadurch aufgehoben wird. Obwohl es Hinweise darauf gibt, dass Patienten mit chronischer Rhinosinusitis eine Abnahme der nasalen NO-Spiegel aufweisen [34], ist nicht sicher, ob diese Patienten bereits vor ihrer chronischen Erkrankung eine Abnahme der NO-Spiegel zu verzeichnen hatten oder ob die chronische Entzündung und die Blockade der Kieferhöhlen zu den fallenden NO-Spiegeln geführt haben. Fraglich ist, ob ein niedrigerer NO-Spiegel wirklich einen klinisch signifikanten Effekt hat und ob ein größeres Kieferhöhlenostium wirklich anfälliger ist für rezidivierende Infektionen.
Naraghi et al. [43] wiesen in ihrer Studie höhere Raten an NO-Metaboliten bei Patienten mit chronischer Sinusitis nach. Sie weisen darauf hin, dass es bei Patienten mit chronischer Sinusitis durch die hohen Raten an NO und deren Metaboliten in den Kieferhöhlen möglicherweise zu einer toxischen Schädigung des Epithels kommen könnte. Letztlich bleibt aber auch die NO-Theorie nur eine wissenschaftliche Hypothese.
Auch könnten die NNH nur Residuen, evolutionäre Überreste, darstellen, die in der heutigen Zeit keinen Nutzen mehr haben [44].
Sehr selten findet man eine Hypoplasie der NNH
Sehr selten findet man eine Hypoplasie der NNH. Am häufigsten tritt diese in der Literatur in den Keilbein- und Stirnhöhlen auf [6]. Die Prävalenz der Hypoplasie der Kieferhöhle reicht von 1,5–10 %, einige Studien berichten aber auch von einer Prävalenz <1,5 % [6]. Außer einzelnen Fallbeschreibungen [4, 7] gibt es keine genauen Angaben zur Häufigkeit der Aplasie der Kieferhöhle, Shiki et al. [50] und Amine et al. [2] konnten in ihren Studien keinen einzigen Fall nachweisen. Die meisten Patienten mit Kieferhöhlenhypoplasie sind asymptomatisch, und diese Besonderheit wird nur durch Zufall im Rahmen einer Diagnostik mittels Computertomographie diagnostiziert [1].
Ausblick
Die verschiedenen Theorien über die Funktion der NNH werfen auch heute noch viele Fragen auf. Während historische Theorien leicht verworfen werden können, sind andere mögliche Funktionen nicht so leicht von der Hand zu weisen. Eine der neuesten und vielversprechendsten Theorien besagt, dass die Kieferhöhlen im Rahmen der lokalen Immunabwehr durch die Produktion von NO eine große Rolle spielen. Die NNH dienen im Rahmen von Schädel-Hirn-Traumata zum Schutz lebenswichtiger zerebraler Strukturen. Zudem verbessern die Kieferhöhlen entweder die respiratorischen Funktionen der Nase oder aber sie sind eben nur Überreste der evolutionären Entwicklung. Ein Fragezeichen bleibt also durchaus bestehen.
Fazit für die Praxis
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Die Funktionen der Kieferhöhlen und damit der Nasennebenhöhlen (NNH) sind bis heute nicht wirklich geklärt.
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Die verschiedenen Theorien über die mögliche Funktion der NNH werfen sowohl kontroverse als auch komplexe Fragen auf.
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Insbesondere die Produktion von Stickoxid (NO) und die Funktion als Reservoir von Gas zur Unterstützung der Immunabwehr in der Nasenhaupthöhle ist ein vielversprechender aktueller Erklärungsansatz.
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Die NNH dienen als „Knautschzone“ im Rahmen von Schädel-Hirn-Traumata zum Schutz lebenswichtiger zerebraler Strukturen, insbesondere der hinteren Schädelgrube und der Orbita.
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Zusätzlich dienen die NNH vermutlich dazu, die Funktion der Nase insgesamt zu optimieren.
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Vielleicht stellen sie auch Überreste der evolutionären Entwicklung dar.
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H.L. Sieron, F. Sommer, T.K. Hoffmann, A.-S. Grossi, M.O. Scheithauer, F. Stupp und J. Lindemann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Sieron, H.L., Sommer, F., Hoffmann, T.K. et al. Funktion und Physiologie der Kieferhöhle. HNO 68, 566–572 (2020). https://doi.org/10.1007/s00106-020-00869-2
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