Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags ...

  • kennen Sie die unterschiedlichen Ursachen eines tränenden Auges und wissen, wie man diese differenzieren kann,

  • sind Ihnen die wichtigsten Tests bekannt, mit denen man die Diagnose präzise stellen kann, und

  • haben Sie einen Überblick über die möglichen Therapieoptionen eines evaporativen trockenen Auges.

Hintergrund

Das tränende Auge ist ein häufiges Symptom, mit dem der Augenarzt, aber auch der Hals-Nasen-Ohren-Arzt konfrontiert wird. Neben den klassischen Erkrankungen der ableitenden Tränenwege, die teilweise direkt den Fachbereich der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde betreffen, gilt es gerade beim tränenden Auge, neben der Tränenabflussstörung auch primär ophthalmologische Ursachen, wie die Hypersekretion, auszuschließen. Nicht selten taucht in diesem Zusammenhang auch der Begriff des „trockenen Auges“ auf. Dieser Terminus umfasst nicht nur das klassische Tränenmangelsyndrom , sondern auch die Hypersekretion, die zu einem „feuchten trockenen Auge“ führen kann. Im nachfolgenden Beitrag werden die unterschiedlichen Erkrankungen, wichtige diagnostische Schritte und therapeutische Optionen, die zu einer Hypersekretion oder Epiphora führen können, näher beschrieben. Das Verständnis der zugrunde liegenden pathologischen Veränderungen ist maßgeblich für die Wahl der richtigen Therapie.

Tränenapparat

Der Tränenapparat kann in einen sekretorischen und einen ableitenden Anteil unterteilt werden.

Sekretorischer Anteil

Die Gl. lacrimalis (Tränendrüse) liegt im temporosuperioren Teil der Orbita, hat einen Durchmesser von etwa 10–20 mm und wird durch den M. levator palpebrae in einen größeren orbitalen und kleineren palpebralen Anteil geteilt. Bei der ophthalmologischen Untersuchung können die äußeren Drüsenausführungsgänge beim Ektropionieren des Oberlids auch makroskopisch betrachtet werden. Die Produktion liegt im Durchschnitt bei etwa 5–7 µl Tränenflüssigkeit pro Minute und umfasst damit den größten Anteil der wässrigen Phase des Tränenfilms. Durch äußere Reizstimulation kann der Tränenfluss um das 100-Fache erhöht werden. Nur etwa 5 % der Tränenflüssigkeit werden durch akzessorische Tränendrüsen (Wolfring- und Krause-Drüsen) produziert, die am Oberrand des Tarsus und in der oberen und unteren Umschlagsfalte ebenfalls wässrige Tränenflüssigkeit sezernieren.

Die Liddrüsen umfassen die Meibom-, Moll- und Zeis-Drüsen , welche die Lipide des Tränenfilms produzieren. Die Meibom-Drüsen stellen große, teilweise über 1 cm lange Talgdrüsen dar, die in den Lidknorpel eingebettet sind und deren Ausführungsgänge an der inneren Lidkante des Ober- und Unterlids enden. Je Lid sind normalerweise 30–35 dieser Drüsen vorhanden. Die Moll-Drüsen sind kleine Schweißdrüsen, die eiweißreiches Sekret produzieren. Variabel ausgebildet sind die Zeis-Drüsen, die als rudimentäre Talgdrüsen klassifiziert werden können.

Die dritte Komponente des Tränenfilms, das Muzin, wird von den Becherzellen der Bindehaut produziert.

Die Tränendrüse wird sensibel innerviert durch den N. lacrimalis, einem Ast des N. trigeminus, sowie sekretorisch von parasympathischen Fasern des N. petrosus major.

Ableitender Anteil

Durch den Lidschlag, der physiologisch etwa 10- bis 20-mal pro Minute stattfindet, wird die Tränenflüssigkeit zum medialen Lidwinkel transportiert. Die Tränenpünktchen nehmen dann in unterschiedlichem Verhältnis (oberes Tränenpünktchen etwa 20 %; unteres Tränenpünktchen etwa 80 %) die Tränenflüssigkeit auf und transportieren diese über das etwa 10 mm lange obere und untere Tränenkanälchen (Canaliculi lacrimalis) und dem gemeinsamen Tränenkanal (Canaliculus communis) zum Tränensack (Saccus lacrimalis). Der Tränensack ist etwa 12–15 mm lang, liegt in der knöchernen Fossa lacrimalis, geht nach inferior in den fast gleichlangen Ductus nasolacrimalis über und mündet im knöchernen Verlauf in die untere Nasenmuschel (Concha nasalis inferior; [1, 2]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung des Tränenapparats (aus [1]). Tränenproduktion überwiegend lateral im Bereich der Tränendrüse (grün). Abfluss der Tränen im medialen Lidwinkel über die Puncta lacrimalia und die Canaliculi lacrimales in den Tränensack (Saccus lacrimalis). Von dort aus Abfluss über den Ductus nasolacrimalis in die untere Nasenmuschel

Tränenfilmzusammensetzung

Zum Verständnis der pathologischen Veränderungen des Tränenfilms ist eine kurze Erklärung der Zusammensetzung des Tränenfilms unerlässlich. Die Funktion des Tränenfilms ist vielfältig: Neben der nutritiven Versorgung der superfiziellen Anteile der Augenoberfläche kommt dem Tränenfilm auch eine protektive Funktion zu, so z. B. dass die oberflächlichen Epithelien nicht direkt der Luft ausgesetzt werden und antimikrobielle Komponenten wie z. B. Lysozyme und IgA eine unkontrollierte bakterielle Besiedlung verhindern. Bei normaler Augenöffnung sind etwa 2–3 cm² Augenoberfläche der Luft ausgesetzt, wovon etwa 45–55 % korneale Anteile sind [4]. Der präkorneale Tränenfilm wird je nach Untersuchungsmethode mit einer Dicke zwischen 3 und 7 µm angegeben [5].

Nach aktuellem Verständnis sollte die bislang häufig beschriebene Schichteneinteilung des Tränenfilms nicht mehr verwendet werden und stattdessen von verschiedenen Komponenten des Tränenfilms gesprochen werden. Neben der wässrigen Phase, die etwa 90 % der Tränenflüssigkeit ausmacht, spielen die Muzin- und die Lipidkomponente eine wichtige Rolle. Die Lipidkomponente bildet die äußere Grenzschicht des Tränenfilms, verzögert die Verdunstung, verringert die Oberflächenspannung und ist somit ein ausgesprochen wichtiger Bestandteil des Tränenfilms. Die Muzinkomponente verbessert die Adhäsion der wässrigen Phase des Tränenfilms an den Oberflächen der Epithelien und trägt somit auch zur optimalen Ausbildung eines gleichmäßigen Tränenfilms bei, der die gesamte Augenoberfläche benetzt.

Tränendes Auge

Ableitende Tränenwege

Störungen der ableitenden Tränenwege sind als Ursache für ein tränendes Auge einfach zu diagnostizieren. Neben Fehlstellungen der Lidkante und des Tränenpunkts liegen am häufigsten Stenosen, seltener Fisteln der Tränenwege an sich vor. Diese werden entsprechend ihrer Lokalisation in die häufigeren post- und die selteneren präsakkalen Veränderungen unterteilt. Stenosen sind im Kindesalter i. d. R. angeboren, im Erwachsenenalter aber am häufigsten postentzündlich oder posttraumatisch bedingt. Die Tab. 1 gibt einen Überblick über pathologische Veränderungen, die zu Fehlfunktionen, Verengungen und Verlegungen anhand der Lokalisation innerhalb der ableitenden Tränenwege führen können.

Tab. 1 Ursachen für Störungen der ableitenden Tränenwege

Neben der Einteilung nach der anatomischen Lokalisation der Stenose kann auch eine ätiologische Klassifikation verwendet werden. Die Ursache der primär erworbenen postsakkalen Tränenwegstenose („primary acquired nasolacrimal duct obstructions“, PANDO) ist unklar. Eine chronische Entzündungsursache wird als Ursache angenommen, es wird u. a. vermutet, dass diese von aufsteigenden Nasenentzündungen herrühren könnten [6]. Zu den Ursachen sekundärer prä- und postsakkaler Tränenwegstenosen („secondary acquired lacrimal duct obstructions“, SALDO) gehören Traumata, Infektionen, systemische entzündliche Erkrankungen (z. B. M. Wegner, Sarkoidose), aber auch Neoplasien des Nasenraums und der Nasennebenhöhlen. Erkrankungen wie das vernarbende Schleimhautpemphigoid, aber auch eine zytostatische Therapie (z. B. mit 5‑Fluorouracil) sollten in der Differenzialdiagnose bedacht werden.

Diagnostik

Als einfache diagnostische Tests kommen eine Tränenwegsondierung und -spülung oder ein primärer oder sekundärer Farbstofftest nach Jones infrage. Nach Erweiterung der Tränenpünktchen mit einer konischen Sonde kann mit einer stumpfen Tränenwegskanüle eine Sondierung und Spülung der ableitenden Tränenwege durchgeführt werden. Wird kein Abfluss über die Nase bzw. den Rachen vom Patienten bestätigt, muss zwischen einer prä- und postsakkalen Stenose unterschieden werden. Bei einem „harten Stopp“ erreicht man mit der Kanüle ohne Widerstand die knöcherne Begrenzung der Fossa lacrimalis, was auf eine postsakkale Stenose schließen lässt.

Bei einem „weichen Stopp“ kann man die Kanüle nicht bis in den Tränensack vorschieben, je nach Reflux der Spülung handelt es sich dann um einen solitären Verschluss eines Canaliculus oder des Canaliculus communis. Die Sondierung sollte aufgrund der Gefahr einer Verletzung der Tränenwege mit weiteren Komplikationen (z. B. Infektionsgefahr oder iatrogene Via falsa mit Vernarbungsrisiko) nur von Augen- oder erfahrenen HNO-Ärzten durchgeführt werden. Beim primären Farbstofftest („Jones I“) wird Fluoreszeinlösung in den Bindehautsack getropft und der Abfluss mit einem mit Lokalanästhetikum benetzten Wattetupfer im Bereich der unteren Nasenmuschel nach 2–5 min überprüft.

Der sekundäre Farbstofftest („Jones II“) wird im Anschluss an einen Jones-I-Test durchgeführt. Nach Ausspülen des Bindehautsacks werden die Tränenwege wie beschrieben mit klarer Lösung gespült. Kommt in der Nase nur klare Flüssigkeit an oder kommt es zu einem klaren Reflux, spricht dies für eine präsakkale Tränenwegstenose. Zeigt sich eine Gelbfärbung in der Nase, spricht dies für einen Verbleib von gefärbter Flüssigkeit in einem Reservoir des Tränensacks, somit liegt hier am wahrscheinlichsten eine postsakkale Tränenwegstenose vor.

Auch eine Dakryozystographie mit Kontrastmittel mit oder ohne digitale Subtraktionstechnik kann hilfreich in der Diagnostik von Tränenwegstenosen, Identifikationen von Dakryolithen und bei der Planung operativer Interventionen, insbesondere in der Differenzierung absoluter von funktionellen Stenosen sein. In spezialisierten ophthalmochirurgischen Zentren stehen auch Endoskope zur transkanalikulären Untersuchung zur Verfügung.

Behandlung

Abflusshindernisse, die durch eine Fehlstellung des medialen Lidapparats einschließlich des Tränenpünktchens oder durch Verschluss desselben auftreten, können durch die Lidstellung korrigierende ophthalmochirurgische Eingriffe bzw. mechanische Erweiterung oder Exzision der Hinterwand des vertikalen Anteils des Canaliculus lacrimalis behoben werden. Bei punktuellen oder kurzstreckigen Stenosen der Canaliculi oder des Ductus nasolacrimalis können minimalinvasive transkanalikuläre endoskopische Verfahren mit Mikrobohrern oder Lasern sowie Ballondilatationen und Stentimplantationen zur Anwendung kommen [7, 8].

Bei längerstreckigen Verschlüssen, Mukozelen oder anatomischen Anomalien ist die bereits seit über 100 Jahren durchgeführte Dakryozystorhinostomie die Methode der Wahl. Der Zugang kann entweder von extern (nach Toti) oder endonasal (nach West) gewählt werden, wobei Ophthalmologen den externen Zugang bevorzugen; die Wahl des „besseren“ Zugangs ist seit Jahrzehnten umstritten. Beiden Methoden gleich ist die Eröffnung des Tränensacks und die Verbindung der Nasenschleimhaut mit der des Tränensacks, um einen großlumigen Abfluss aus den Canaliculi in den Nasenraum zu ermöglichen. Das dabei anzulegende Knochenfenster sollte etwa 15 mm groß sein: Bei der Variante nach Toti wird das vordere und hintere Schleimhautblatt des Tränensacks jeweils mit dem korrespondierenden Blatt der nasalen Schleimhaut vernäht, nachdem ein Platzhalter, i. d. R. ein Silikonschlauch, eingeführt worden ist. So wird eine möglichst primäre Wundheilung erreicht. Dieser bleibt für mehrere Monate in loco.

Bei der Variante nach West wird ähnlich von endonasal vorgegangen. Im Bereich vor und über der mittleren Nasenmuschel wird ein Schleimhautlappen präpariert, zur genauen Lokalisation kann dies auch nach Lokalisation mithilfe einer Diaphanoskopie durch den Tränensack von Canaliculusseite durchgeführt werden. Dann wird auch hier der Knochen mit Stanze oder Bohrer entfernt und nach Inzision des Tränensacks eine Verbindung mit der Kavität des Tränensacks hergestellt. Auch hier kann als Platzhalter und Schutz vor Vernarbungen ein Silikonschlauch prophylaktisch eingelegt und endonasal verknotet werden. Vorteile der endonasalen Technik sind u. a. die Möglichkeit der gleichzeitigen Beseitigung weiterer sinunasaler pathologischer Veränderungen und die Vermeidung äußerer Narben, auch wenn die kleine Narbe, die bei der externen Technik entsteht, i. d. R. nicht störend ist.

Die primären Erfolgsraten sind bei beiden Varianten in der Literatur variabel und liegen zwischen 60 und 95 %. Ein Cochrane-Metaanalyse aus dem Jahr 2011 kommt zu dem Schluss, dass die Frage, welche operative Technik eine höhere Erfolgsrate habe, derzeit nicht ausreichend beantwortet werden kann [9]. Es gibt lediglich eine randomisierte prospektive Studie mit 64 Patienten, bei der die Erfolgsquote der externen mit 91 % gegenüber der endonasalen Dakryozystorhinostomie mit 63 % nach 12 Monaten signifikant höher war, wobei es sich bei der endonasalen Technik um eine Laseranwendung, nicht um die in der HNO-Heilkunde meist übliche Anwendung von Fräsen und Stanzen handelte [10].

Evaporatives trockenes Auge

Die Definition und Klassifikation des trockenen Auges, der Diagnostik und der Therapie ist bislang durch einen stetigen Wandel in der Literatur gekennzeichnet. Eine Harmonisierung der Definition wurde zuletzt durch den Dry Eye WorkShop (DEWS) 2007 versucht [11]. Eine Neuauflage mit Einarbeitung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist für das Jahr 2017 geplant. Das trockene Auge wird danach als multifaktorielle Erkrankung der Tränenflüssigkeit und der Augenoberfläche definiert, die zu Beschwerden, Sehstörungen und Tränenfilminstabilität mit möglicher Beschädigung der Augenoberfläche führt. Innerhalb dieses komplizierten Systems kann es zu vielfältigen Störungen kommen, die z. B. die Tränenbildung, die Zusammensetzung des Tränenfilms, den Zustand der zu benetzenden Gewebe und ihrer Randbereiche sowie den Abfluss bzw. die Verdunstung der Tränen betreffen können.

Das „feuchte trockene Auge“, auch evaporatives trockenes Auge genannt, kommt am häufigsten durch eine erhöhte reflektorische Tränensekretion bei erhöhter Verdunstung (Evaporation) des Tränenfilms zustande.

Man unterscheidet i. Allg. zwischen intrinsischen und extrinsischen Ursachen. Zu den intrinsischen Ursachen zählen Veränderungen, bei denen es zu einem Verdunstungsverlust aus dem Tränenfilm direkt kommt (z. B. Mangel an Meibom-Lipiden, Störung der Lidöffnung, niedrige Blinzelrate).

Extrinsische Ursachen steigern die Verdunstung durch einen externen Pathomechanismus, wie z. B. bei Tragen von Kontaktlinsen, Vitamin-A-Mangel (Xerophthalmie) oder der Applikation von konservierungshaltigen Augentropfen. Die Grenze zwischen den intrinsischen und extrinsischen Ursachen ist fließend. Die Symptome können stark variieren und gehen nicht unbedingt mit dem Schweregrad des objektivierbaren Befundes einher. Bei Patienten mit evaporativem trockenem Auge treten die Beschwerden meist in den Morgenstunden auf und manifestieren sich überwiegend durch Augenbrennen.

Eine erhöhte Verdunstung des Tränenfilms beim evaporativen trockenen Auge führt zu einer Zunahme der Tränenfilmosmolarität, die wiederum eine Aktivierung von Entzündungsereignissen in den epithelialen Zellen mit Aktivierung von MAP-Kinasen und Freisetzung von Entzündungszytokinen (IL-1α, -1β, TNF-α) und Matrixmetalloproteinasen (MMP9) bewirkt [12, 13]. Durch die osmotische, inflammatorische und mechanische Belastung kommt es zu einer Epithelschädigung mit Apoptose, Verlust von Becherzellen und Störung der Muzinexpression, was wiederum zu einer Tränenfilminstabilität führt, die den Circulus vitiosus schließt, indem nachfolgend die Tränenfilmosmolarität erhöht wird. Bei normaler Tränendrüsenfunktion kann initial eine Reflexstimulation mit einer Erhöhung der Tränenproduktion ausgelöst werden.

Es gibt einige Hypothesen, die im weiteren Verlauf der Erkrankung eine „Tränendrüsenerschöpfung“ durch die übermäßige Reflexstimulierung annehmen, Beweise hierfür gibt es allerdings noch nicht [14, 15].

Häufig ist es nicht einfach, dem Patienten verständlich zu machen, dass er an einem trockenen Auge leidet, da die Hypersekretion das klinische Bild eines „feuchten Auges“ vermittelt [16].

Im Folgenden sollen die wichtigsten intrinsischen und extrinsischen Ursachen des evaporativen trockenen Auges aufgezeigt werden.

Intrinsische Ursachen

Meibom-Drüsen-Dysfunktion.

Zu den häufigsten intrinsischen Ursachen zählt die Meibom-Drüsen-Dysfunktion, oder posteriore Blepharitis [17, 18]. Häufig ist diese vergesellschaftet mit verschiedenen Dermatosen, wie der Acne rosacea (Abb. 2) oder der seborrhoischen oder atopischen Dermatitis. Durch die systemische Therapie der Acne vulgaris mit Isotretinoin, einer Form von Vitamin A, wird die körperweite Produktion öliger Sekrete aus Drüsen reduziert, in seltenen Fällen kann dadurch auch eine reversible Atrophie der Meibom-Drüsen eintreten [19].

Bei einer vernarbenden Meibom-Drüsen-Dysfunktion kann es zu einer Verlagerung der Ausführungsgänge nach posterior kommen, was durch die Sekretion in die tieferen Schichten des Tränenfilms zu einer Destabilisierung der Lipidphase führt. Darüber hinaus muss der Zusammenhang der unterschiedlichen mikrobiellen Lidflora und deren Einfluss auf die Lipidschicht berücksichtigt werden. In verschiedenen Studien wurde der Einfluss von koagulasenegativen Staphylokokken, Proprionibacterium acnes und S. aureus auf die Lipidschicht in vitro untersucht [20, 21, 22]. Hierbei zeigte sich, dass es durch die Esterasen und Lipasen, die durch diese Bakterien vermehrt produziert werden können, zur okulären Reizungen und Seifenbildung kommen kann, die auch als „Meibom-Schaum“ bekannt sind (Abb. 3).

Abb. 2
figure 2

Zahnpastaartiges Sekret im Bereich der Meibom-Drüsen-Ausführungsgänge an der Unterlidkante bei einer okulären Rosazea

Abb. 3
figure 3

Schaumiges Sekret in der Lidspalte, auch „Meibom-Schaum“ genannt (Abbildung dankenswerterweise von Hr. J.K.G. Dart, London überlassen)

Lidfunktionsstörungen.

Eine erhöhte Evaporation kann auch durch teilweise relativ diskret erscheinende Veränderungen und Anomalien entstehen, die die gleichmäßige Oberflächenbeschaffenheit der Cornea und Konjunktiva verändern oder die die Verdunstungsoberfläche erhöhen [23]. Ein z. B. durch eine endokrine Orbitopathie, Kraniostenosen, hohe Myopie oder auch andere Erkrankungen verursachter Exophthalmus führt zu einer Erweiterung der Lidspalte überwiegend in der vertikalen Achse mit einer deutlichen Zunahme der Verdunstungsoberfläche der Konjunktiva. Bei schwerwiegenden Befunden mit Lidschlussdefiziten ist der Verdunstungseffekt durch die permanente Exposition nochmals erhöht. Durch angeborene wie auch durch traumatische Ursachen bedingte Lidfehlstellungen tragen ebenfalls zur Erhöhung der Evaporation bei.

Lidschlagrate.

Eine geringe Lidschlagrate führt zu einer zwischen den Lidschlägen verlängerten Expositionszeit der Augenoberfläche mit einer erhöhten Flüssigkeitsevaporation. Hierzu wurden verschiedene Studien durchgeführt, die den Einfluss der Blinzelrate auf das trockene Auge untersuchten. Bei Tätigkeiten, die eine konzentrierte visuelle Aufmerksamkeit erfordern, z. B. am Bildschirmarbeitsplatz oder bei längerer Verwendung mobiler Video-Display-Einheiten, oder bei reduzierter kornealer Sensitivität und verringerter Expositionsfläche kommt es zu einer Abnahme der Lidschlagrate [24]. Ferner ist bekannt, dass bei extrapyramidalen Störungen, wie z. B. der Parkinson-Krankheit , durch eine Reduktion der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra eine Reduktion der Lidschlagrate auftritt [25]. Diese Beobachtung wird zusätzlich zu den Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie für die Entstehung des trockenen Auges bei Parkinson-Patienten verantwortlich gemacht [26].

Extrinsische Ursachen

Störungen der Augenoberfläche.

Zu den extrinsischen Ursachen gehören Veränderungen, die zu Störungen der Augenoberfläche führen. Hierzu zählt man den Vitamin-A-Mangel und die durch topische Medikamente ausgelösten Veränderungen der Tränensekretion und der Oberfläche der Konjunktiva und Cornea.

Das trockene Auge beim Vitamin-A-Mangel wird als Xerophthalmie bezeichnet, verursacht eine Störung der Entwicklung der Becherzellen und kann auch zu einer azinären Tränendrüsenschädigung führen. Diese Veränderungen führen über einen Tränenflüssigkeitsmangel und eine veränderte Tränenfilmzusammensetzung zu einem trockenen Auge und teilweise zu Reflexsekretion [27].

Durch extensive topische Applikation von Augentropfen mit Konservierungsmitteln, wie z. B. Benzalkoniumchlorid, kann eine Schädigung der Epithelien mit einer Verminderung der Oberflächenbenetzbarkeit eintreten. Dies sieht man häufiger bei Glaukompatienten , die mit mehreren Augentropfenpräparaten behandelt werden (Abb. 4). Dieser Effekt ist aber normalerweise reversibel nach Umstellung der Medikation auf konservierungsmittelfreie Präparate [28].

Abb. 4
figure 4

Blepharokeratokonjunktivitis durch konservierungsmittelhaltige Glaukomaugentropfen (Brimonidin). Beidseitige ausgeprägte Rötung und Schwellung der Ober- und Unterlider mit chemotischer und injizierter Bindehaut

Allergische Konjunktivitis.

Veränderungen, die sich in den Formenkreis der allergischen Konjunktivitiden eingruppieren lassen, wie die saisonale allergische Konjunktivitis, die vernale und die atopische Konjunktivitis, veranlassen über verschiedene Signalkaskaden die Freisetzung von Entzündungszytokinen. Über eine Stimulierung der Becherzellsekretion und den Verlust der Oberflächenmembranmuzine kommt es zum Absterben von Epithelzellen mit einer weiteren Freisetzung von Entzündungsmediatoren sowie einer Reflexstimulation der Tränendrüse [29]. Die Epitheldefekte ihrerseits können über Oberflächenunregelmäßigkeiten zu einer Tränenfilminstabilität führen.

Andere chronisch entzündliche Erkrankungen der Augenoberfläche führen nahezu immer zu einem Verlust von Becherzellen, was sekundär zu einer Störung des Tränenfilms und einer möglichen Reflexsekretion führen kann.

Differenzialdiagnosen

Die Diagnose des trockenen Auges bei Auftreten einer Tränenhypersekretion ist eine Ausschlussdiagnose. Insbesondere ein streng einseitiger Befund sollte hierbei hinterfragt werden (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Einseitige ausgeprägte Blepharitis mit lokalisierter Entzündung und Stauung der Meibom-Drüsen (unebene Lidkanten)

Bakterielle oder virale Entzündungen der Lider , Cornea oder Konjunktiva sowie Erkrankungen des autoimmunen und rheumatoiden Formenkreises müssen je nach klinischem Befund ausgeschlossen werden.

Lidfehlstellungen, wie z. B. Ektropium und Entropium, können den physiologischen Tränenabfluss behindern oder eine Reflexhypersekretion bewirken.

Ophthalmologische Diagnostik

Wie bereits erwähnt, können die Symptome des trockenen Auges stark variieren und gehen nicht unbedingt mit dem Schweregrad der objektivierbaren Befunde einher [30, 31]. Es gibt eine Vielzahl von Tests zur Evaluation des trockenen Auges. Die Publikationen des DEWS fassen detailliert alle bis dato bekannten Testverfahren ausführlich zusammen [11, 32, 33, 34]. Das große Problem ist die schon beschriebene Heterogenität der Tränenfilmveränderungen bei Auftreten eines trockenen Auges. Dies führt dazu, dass es keinen Test gibt, der eine ausreichend hohe Sensitivität und Spezifität besitzt, um zuverlässig alle Nuancen der unterschiedlichen Ätiologien des trockenen Auges zu erfassen und klar zu differenzieren. Nachfolgend sind eine Reihe der beim Ophthalmologen im Praxisalltag möglichen Untersuchungen kurz aufgeführt. In der Regel ist aber die qualifizierte Zusammenschau mehrere Tests mit der spezifischen Anamnese und augenärztlichen Untersuchung diagnostisch hinreichend zielführend.

Ocular-Surface-Disease-Fragebogen

Der durch den Probanden auszufüllende Ocular-Surface-Disease-Fragebogen (OSDI) besteht aus 12 Fragen und soll den Schweregrad des trockenen Auges in Bezug auf die subjektiven Beschwerden beurteilen. Sechs Fragen beschäftigen sich mit der Sehfunktion, 3 Fragen mit Augensymptomen und weitere 3 Fragen mit Umweltfaktoren, die ein trockenes Auge begünstigen können. Beurteilt wird der Zeitraum von einer Woche vor bis zum Untersuchungstermin. Die Validität und Reliabilität dieses Symptomfragebogens wurde in verschiedenen Arbeiten mit gut bis exzellent bewertet [35, 36].

Tränenfilmosmolarität

Die Tränenfilmosmolarität konnte bis vor wenigen Jahren nur mit aufwendigen Laborverfahren mittels Gefrierpunkterniedrigung gemessen werden. Seit einigen Jahren ist ein kommerzielles System verfügbar, das mittels temperaturkorrigierter Impedanzmessung die Leitfähigkeit einer 50 nl großen Tränenprobe misst und damit die Osmolarität der Tränenflüssigkeit indirekt bestimmt (Tearlab®, Fa. TearLab Cooperation, San Diego/CA, USA). Mithilfe einer chargenspezifischen Kalibrierungskurve kann so die Osmolarität als quantitativer Wert, welcher in mosmol/l angegeben wird, gemessen werden.

Zur Messung wird ein Einmal-Testchip am Lesestift des Geräts befestigt, dessen Spitze in den Tränenmeniskus am Auge zum Aufsaugen der Probe eintaucht (Abb. 6). Dabei erfolgt die Entnahme einer 50-nl-Probe zur Tränenfilmanalyse. Eine Berührung des lateralen Tränenmeniskus von wenigen Sekunden ist häufig ausreichend. An der Basisstation wird dann innerhalb von 30 s der Tränenfilmosmolaritätswert in mosmol/l digital auf einem Display angezeigt. Werte unter 312 mosmol/l werden als normal eingestuft.

Abb. 6
figure 6

Tränenfilmosmolaritätsmessung mittels TearLab®-Osmometer. Erläuterung s. Text

MMP9-Test

Seit Kurzem ist ein Schnelltest namens InflammaDry® (Fa. Rapid Pathogen Screening Inc, Sarasota/FL, USA) auf dem Markt, mit dem die Bestimmung des Gesamtgehalts von (latenten und aktiven) Matrixmetalloproteasen 9 (MMP-9) qualitativ aus einer Tränenprobe gemessen werden kann [37]. Der Schnelltest unterscheidet allerdings nur zwischen mehr oder weniger als 40 ng/ml MMP-9 in der Tränenflüssigkeit, was mittels eines positiven oder negativen Teststreifens im Testfenster des Einmaltests abgelesen werden kann. Eine Skala für unterschiedliche Konzentrationen von MMP-9 ist leider nicht vorhanden [13].

Schirmer-Test

Beim Schirmer-Test wird beidseits ein etwa 35 mm langer Papierstreifen im unteren lateralen Drittel des Unterlids in den Bindehautfornix eingelegt (Abb. 7). Nach 5 min wird der Papierstreifen entfernt und der befeuchtete Anteil in Millimetern angegeben. Der Test kann mit und ohne Lokalanästhesie durchgeführt werden. Ohne Lokalanästhesie wird die absolute Tränenreizsekretion gemessen. Normalerweise werden Werte über 10 mm erreicht, ab Werten unter 6 mm spricht man von einem quantitativen Volumenmangel der Tränen [34, 38].

Abb. 7
figure 7

Schirmer-Test. Einlegen von Teststreifen von 35 mm Länge mit abgeknicktem Ende in den unteren Fornix im lateralen Drittel des Unterlids

Tränenfilmaufrisszeit

Die Messung der Tränenfilmaufrisszeit („tear break-up time“, TBUT) ist ein Test zur Beurteilung der Stabilität des Tränenfilms . Sie wird definiert als das Intervall zwischen dem letzten vollständigen Blinzeln und dem Auftreten eines ersten trockenen Areals oder dem Aufreißen des Tränenfilms [39]. Hierzu wird dem Tränenfilm Fluoreszein beigefügt. Nach mehrmaligem Blinzeln wird dann der Tränenfilm an der Spaltlampe unter blauem Kobaltlicht betrachtet und die Zeit zwischen dem letzten Blinzeln und dem ersten Aufreißen des Tränenfilms gemessen. Die TBUT wird pro Auge 3‑mal gemessen, in Sekunden aufgezeichnet und anschließend der Mittelwert aus den 3 Werten berechnet. Die Normwerte liegen bei mehr als 10 s [34].

Fluoreszeinanfärbung der Cornea

Mit diesem Test kann beurteilt werden, wie stark Oberflächenschädigungen durch das trockene Auge an der Hornhaut bereits ausgeprägt sind. Wie bei der TBUT wird hier dem Tränenfilm Fluoreszeinlösung beigefügt. Nach etwa 2 min wird die Cornea an der Spaltlampe unter blauem Kobaltlicht hinsichtlich eventueller Oberflächenerosionen beurteilt (Abb. 8). Es gibt unterschiedliche Methoden zur Evaluierung der Veränderungen. Die gesunde Hornhaut sollte keine oder nur eine unwesentliche Anfärbbarkeit der Hornhaut zeigen [39].

Abb. 8
figure 8

Korneale Fluoreszeinfärbung und Betrachtung mit Kobaltblaufilter an der Spaltlampe. Typisches Bild bei ausgeprägtem trockenem Auge

Lissamingrünanfärbung der Konjunktiva

Entzündung und Erosionen der Konjunktiva werden durch Anfärben mit Lissamingrün sichtbar gemacht. Nach Einträufeln von Lissamingrün-Farblösung kann die Konjunktiva an der Spaltlampe unter weißem Licht begutachtet werden. Die gesunde Bindehaut lässt sich nicht mit Lissamingrün anfärben [39].

Meibom-Drüsen-Evaluation

Durch Betrachtung der Lidkanten bei hoher Vergrößerung durch die Spaltlampe lassen sich die Veränderungen im Bereich der Meibom-Drüsen beurteilen. Neben qualitativen Parametern wie der Sekretbeschaffenheit werden auch quantitative Werte erhoben, wie die Anzahl der exprimierbaren Drüsen oder die Menge des abgegebenen Sekrets bei Druck mit einer definierten Kraft auf das Lid [18]. Neuere Methoden umfassen die Aufnahme von Infrarotbildern zur direkten Visualisierung der Meibom-Drüsen (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Meibom-Drüsen-Darstellung mittels Infrarotfotografie nach Ektropionieren. Vertikale helle Drüsengänge mit den Öffnungen an den Lidkanten

Wie initial beschrieben, gibt es leider keinen Einzeltest, der eine ausreichend hohe Spezifität und Sensitivität besitzt, um ein trockenes Auge, gerade in der leichten bis mittleren Ausprägung, zu diagnostizieren. In vielen Arbeiten wurde die Messung der Tränenfilmosmolarität als Goldstandard in der Diagnose des trockenen Auges beschrieben, die Kombination mit anderen Testverfahren erscheint aber am ratsamsten [13, 40, 41]. Composite-Scores , also Bewertungssysteme, die mehrere Einzeltests gemeinsam auswerten und in einem Score zusammenzufassen, haben sich bislang nicht durchsetzen können. Exemplarisch sei hier das „dry eye severity grading system“ des DEWS genannt, das anhand von subjektiven Beschwerden, visuellen Symptomen, Bindehautinjektion, Bindehautfärbung, Hornhaut-Tränenanzeichen, Lid-/Meibom-Drüsen-Veränderungen, Tränenfilmaufrisszeit und Schirmer-Test in groben Abstufungen 4 Schweregrade definiert [11]. Aufgrund der teilweise unscharfen Abgrenzungen zwischen den Stadien ist dieser Composite-Score allerdings nur sehr eingeschränkt verwendbar.

Die Diagnostik der Veränderungen des Tränenfilms ist trotz der vielfältigen Möglichkeiten der vorhandenen Testverfahren immer noch ein sehr komplexes, nicht standardisiertes Gebiet [13]. Die Diagnostik setzt entsprechende Erfahrung und apparative Möglichkeiten voraus, die Konsultation eines Augenarztes sollte daher immer bei der Diagnostik eines tränenden Auges erfolgen.

Therapie

Ziel der Therapie ist es zum einen, die subjektiven Beschwerden des Patienten zu lindern, und zum anderen, den physiologischen Aufbau des Tränenfilms wiederherzustellen.

Lidrandhygiene

Bei der häufig auftretenden Meibom-Drüsen-Dysfunktion mit posteriorer Blepharitis hat sich die dauerhafte Anwendung einer konsequenten Lidrandhygiene bewährt. Durch Auflage von feucht-warmen Umschlägen täglich für 2‑ bis 3‑mal 5 min und nachfolgender Lidkantenmassage mittels eines in Babyshampoo getränkten Watteträgers wird das Meibom-Drüsen-Sekret verflüssigt und aus den Ausführungsgängen herausgedrückt. Dadurch soll eine Verbesserung der Funktion der Meibom-Drüsen bewirkt werden. Hierbei ist der Patient darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine temporäre Therapie handelt und die Lidrandhygiene dauerhaft durchgeführt werden sollte. Mittlerweile gibt es auch automatisierte Systeme zur Lidmassage (Lipiflow®), die allerdings aufgrund der Kosten spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben [42, 43].

Antiinflammatorische Substanzen

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass inflammatorische Komponenten an der Pathogenese des trockenen Auges maßgeblich beteiligt sind. Auf dieser Basis wurde der Einsatz von verschiedenen antiinflammatorischen Wirkstoffen klinisch getestet.

Der Einsatz von Ciclosporin (Cyclosporin A) in der Therapie des trockenen Auges war lange Jahre eine Off-Label-Therapie, die Zulassung von Restasis ® (Ciclosporin 0,05 %) in den USA erfolgte bereits im Jahre 2002. Seit 2015 ist nun auch Ikervis® (Ciclosporin 0,05 %) in Deutschland für die schwere Keratitis bei trockenem Auge zugelassen. Die Therapie zeigt kaum Nebenwirkungen, nur etwa 10 % der Patienten berichten über Brennen bei der Applikation. Ciclosporin bewirkt eine Erhöhung der Becherzelldichte um bis zu 200 % und verringert die Expression von Immunaktivierungsmarkern (HLA-DR), Apoptosemarkern und inflammatorischen Zytokinen (IL-6) in den Epithelzellen der Bindehaut [44, 45].

In verschiedenen Studien wurde auch die Wirksamkeit von topischen Kortikosteroiden bei der Behandlung der entzündlichen Komponenten nachgewiesen [46, 47]. Sowohl die subjektiven Beschwerden als auch die Immunaktivierungsmarker wurden signifikant durch die topische Anwendung reduziert. Die Verwendung von topischen nichtsteroidalen Antirheumatika im Vergleich zeigte demgegenüber keine signifikante Wirkung. Topisches Rimexolon (Vexol®) scheint v. a. bei Lipiddefiziten zu wirken, Prednisolonacetat (Inflanefran forte®) wirkt bei allen Formen des trockenen Auges. Allerdings sollte immer auf die zeitlich begrenzte Therapiemöglichkeit mit topischen Steroiden geachtet werden (Nebenwirkungen: Glaukom, Kataraktentwicklung).

Tetrazyklinderivate

Wie bereits beschrieben, ist bekannt, dass verschiedene Bakterien Einfluss auf die Zusammensetzung des Meibom-Drüsen-Sekrets haben können und damit die Lipidschicht nachhaltig verändern können. Es wurde nachgewiesen, dass natürliche Tetrazykline, aber auch die semisynthetischen Tetrazykline Minocyclin und Doxycyclin zu einer deutlichen Symptomverbesserung bei Patienten mit Meibomitis, Acne rosacea oder posteriorer Blepharitis führen. Grund hierfür könnte die Reduktion der Lipaseproduktion durch tetrazyklinempfindliche Bakterienstämme sein [48]. Außerdem weisen Tetrazykline antiinflammatorische Eigenschaften auf, die bei der Behandlung der chronisch entzündlichen Blepharitis vorteilhaft sind. Möglicherweise hat auch ein antiangiogenetischer Effekt, der bislang aber nur im Kaninchenmodell nachgewiesen werden konnte, einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Acne rosacea [49].

Es gibt unterschiedliche Dosierungsempfehlungen und Angaben über die Behandlungsdauer in der Literatur. In der Regel erwies sich eine Behandlung mit Doxycyclin in einer Dosierung von 50 mg/Tag über 3 Monate als ausreichend, um eine Meibomitis suffizient zu therapieren [50].

Nahrungsergänzungsmittel

Die Wirkung von Ernährungsfaktoren in der Pathogenese des trockenen Auges ist nach wie vor unklar. In einigen Studien wurde der vorteilhafte Effekt von Omega-3-Fettsäuren auf die rheumatoide Arthritis beobachtet. Nach 45-tägiger Therapie mit den Omega-6-Fettsäuren Linolensäure und γ‑Linolensäure sowie Tränenersatzmittel zeigte sich in einer Studie mit 26 Patienten eine Reduktion der Oberflächenentzündung und eine Verbesserung der Symptomatik [51].

Zusätzliche Optionen

Umweltfaktoren, die die Evaporation des Tränenfilms erhöhen können, sollten möglichst gemieden oder reduziert werden. Es sollte versucht werden, eine möglichst luftfeuchte Umgebung zu erzeugen, hilfreich hierfür ist häufiges Lüften von Räumen oder die Verwendung von Luftbefeuchtern. Die Verwendung von Klimaanlagen sowohl in Räumen wie auch in Kraftfahrzeugen sollte minimiert und eine Exposition der Augen in Umgebung mit starkem Luftzug vermieden werden. Konzentrierte visuelle Tätigkeiten, wie z. B. an Bildschirmen oder Mikroskopen, führen zu einer Verringerung der Lidschlagrate und damit Verlängerung der Expositionszeit des Tränenfilms. Durch aktives, bewusstes Blinzeln sollte die Expositionszeit zwischen den Lidschlägen reduziert werden.

Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr wie auch auf eine Nikotinkarenz sollte ebenfalls geachtet werden.

Zur Stabilisierung des Tränenfilms ist ebenfalls ratsam, Tränenersatzmittel regelmäßig zu applizieren. Die Auswahl ist hier sehr umfangreich. Neben pflegenden hyaluronsäurehaltigen Tränenersatzmitteln gibt es mittlerweile auch verschiedene, die Lipidphase unterstützende Präparate. Je nach Grad der Ausprägung der bereits vorhandenen kornealen Oberflächendefekte reicht das Behandlungsspektrum auch von therapeutischen Kontaktlinsen über Albumin-Augentropfen bis hin zu aufwendig hergestellten Eigenserum-Augentropfen [3, 52, 53].

Fazit für die Praxis

  • Das evaporative trockene Auge kann mit den paradox erscheinenden Symptomen eines „feuchten“ Auges einhergehen.

  • Die Kenntnis der zugrunde liegenden Pathomechanismen ist essenziell für die Wahl der richtigen Therapie.

  • Andere Veränderungen, die ein feuchtes Auge verursachen können, müssen initial ausgeschlossen werden.

  • Das therapeutische Spektrum bietet heute – neben der Lidrandhygiene bei Blepharitis – topische Ciclosporin- und Kortikosteroid-Augentopfen zur Behandlung der meist begleitenden Entzündungsreaktionen.

  • Ein Therapieversuch mit systemischen Doxycyclinen ist bei zusätzlicher Beeinträchtigung der Meibom-Drüsen oder bei bekannter Acne rosacea empfehlenswert.

  • Allgemeine Richtlinien über Maßnahmen, die die Verdunstung des Tränenfilms reduzieren, sollten dem Patienten zusätzlich mitgeteilt werden.

  • Eine Mitbeurteilung durch den Ophthalmologen ist immer zu empfehlen.