Heutzutage wird neben einer Verbesserung in den objektiv messbaren Parametern der Nachweis der Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität („health-related quality of life“, HR-QOL) zu einer grundlegenden Voraussetzung für die Beurteilung des Behandlungserfolgs medizinischer Maßnahmen [9]. Die Prävalenz der chronischen Tonsillitis (CTO) ist eine der höchsten im HNO-Gebiet [15]. Entsprechend gehört die Tonsillektomie (TE) zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen in Deutschland. Trotz ihrer Häufigkeit gibt es großen Mangel an hoher Evidenz bezüglich der Wirksamkeit der TE auf die HR-QOL bei Erwachsenen mit CTO [4]. Einen großen Beitrag dazu leistet das Faktum, dass aktuell weder in der deutschen noch in der internationalen Literatur validierte krankheitsspezifische HR-QOL-Messinstrumente vorliegen. Aufgrund dieser Konstellation haben wir uns das Ziel gesetzt, ein Instrument zur Messung der HR-QOL bei CTO zu entwickeln und zu validieren.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Bis zum aktuellen Zeitpunkt gibt es keine offiziellen veröffentlichten Leitlinien sowohl in Deutschland als auch im angloamerikanischen Sprachraum über die Definition der CTO bei Erwachsenen und die Indikationskriterien zur TE. In Deutschland wird diesbezüglich eine seit 2008 angemeldete Leitlinie bearbeitet und wird voraussichtlich Ende 2012 fertiggestellt [1]. Wir übernahmen als Einschlusskriterium für unser Patientenkollektiv die Definition der CTO und die Indikation zur TE aus den entsprechenden pädiatrischen Leitlinien der American Academy of Otolaryngology – Head and Neck Surgery [14], da diese in der klinischen Praxis auch bei Erwachsenen i. d. R. eingesetzt werden.

Die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg stimmte der Durchführung der Studie mit dem Schreiben vom 24.06.2006 zu (Antrags-Nr.:363/2005).

Statistik

Entwicklung und Testung des TOI-28 (α-Version)

In der 1. Phase dieser Studie wurde die α-Version des TOI entwickelt, das TOI-28. Eine Expertengruppe identifizierte 28 Gesichtspunkte mit Bezug zur HR-QOL bei Patienten mit CTO (Tab. 1). Einzelfragen (Items) wurden bewertet unter Benutzung einer 6-stufigen Likert-Skala (kein Problem – sehr geringes Problem – kleines Problem – mittelgradiges Problem – hochgradiges Problem – schlechter kann es nicht werden). Die Einzelitems wurden den Subskalen „Halsprobleme“ [Einzelfrage (e) 1, 2, 3, 7, 13], „allgemeine Gesundheit“ (e 5, 8, 9, 10, 15, 16), „sekundäre Probleme“ (e 4, 6, 11, 12, 14), „Ressourcen“ (e 17, 18, 19, 20), und „sozialpsychologische Einschränkungen“ (e 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28) zugeordnet.

Tab. 1 Analyse der Einzelitems der α-Version. Spalte „Entscheidung“

Der Fragebogen wurde vor der TE bei 33 Patienten mit CTO, die nicht zum prospektiv analysierten Kollektiv des TOI-14 einbezogen wurden, vorgelegt mit der Bitte, die Items für die vergangenen 6 Monate zu bewerten. Dabei wurden keine personenbezogenen Daten erhoben, sondern lediglich das Alter und das Geschlecht der Patienten. Die 14 männlichen und 19 weiblichen Probanden hatten ein mittleres Alter von 28,3 ± 8,6 Jahren. Die Itemreduktion und Erstellung der β-Version erfolgte mittels einer sequenziellen statistischen Analyse mit folgenden Methoden: Bestimmung der Itemschwierigkeit, der Trennschärfe, der internen Konsistenz (Cronbach-α-Koeffizient) und durch eine Faktorenanalyse.

Unter Berücksichtigung der Fragenverständlichkeit wurden dann die am besten geeigneten Einzelfragen für die β-Version ausgewählt. Die Items 4–6, 11, 13–16, 24 und 26–28 wurden aufgrund geringer Itemschwierigkeiten aus dem Fragebogen ausgeschlossen. Item 9 wurde wegen großer inhaltlicher und statistischer Übereinstimmung (Korrelationskoeffizient nach Pearson: r = 0,9) mit Item 8 entfernt. Item 12 wurde nach Auswertung von Phase 2 entfernt, da es inhaltlich zu keiner der letztendlich entstandenen Subskalen passte. In der Subskala „sozialpsychologische Einschränkungen“ wurden aus inhaltlichen Gründen die Items mit einer Itemschwierigkeit ab 0,2 belassen.

In der Literatur werden Cronbach-α-Koeffizienten unter 0,5 als Ausdruck einer schlechten, zwischen 0,5 und 0,75 als Zeichen einer mäßigen, über 0,75 als Ausdruck einer guten und über 0,9 als Zeichen einer ausgezeichneten Reliabilität angesehen [11]. Cronbach-α betrug für die Subskala „Halsprobleme“ 0,77, die Subskala „allgemeine Gesundheit“ 0,89, die Subskala „sozialpsychologische Einschränkungen“ 0,8, für die Skala „Ressourcen“ 0,76 sowie für den Gesamtscore 0,89, womit eine große interne Konsistenz gezeigt werden konnte. Im Rahmen der Faktorenanalyse ergab die Hauptkomponentenanalyse einen ersten Eigenwert mit einem Wert von 5,9, der 42,2% der Varianzen erklärte. Weitere 3 Eigenwerte mit Werten zwischen 1 und 2 klärten weitere 29,9% der Varianz auf. Eine explorative Faktorenanalyse mit Varimaxrotation und voreingestellter vierfaktorieller Lösung zeigte, dass hierdurch 72,2% der Varianz aufgeklärt werden können. Es zeigte sich eine überwiegende Übereinstimmung mit der Fragenstruktur der nach klinischen Gesichtspunkten konstruierten Subscores.

Entwicklung und Validierung des TOI-14 (β-Version)

Durch die sequenzielle statistische Analyse der 1. Phase entstand die β-Version des TOI, das TOI-14, welches aus 14 Einzelfragen besteht (Abb. 1). Die primär konstruierten Subskalen wurden im Verlauf des Bewertungsprozesses verworfen und durch die vier endgültigen Subscores „Halsprobleme“ (e 1, 2, 3, 4), „allgemeine Gesundheit“ (e 5, 6), „Ressourcen“ (e 7, 8, 9, 10) und „sozialpsychologische Einschränkungen“ (e 11, 12, 13, 14) ersetzt. Zusätzlich wurde ein Gesamtscore (e 1–14) eingeführt. Die Skalenwerte jeglichen Scores werden in einer Skala von 0–100 ausgedrückt. Um diese Transformation zu erreichen, werden die Werte der Einzelfragen addiert, durch die Summe der Spannweiten der Einzelfragen dividiert und anschließend eine Multiplikation mit 100 vorgenommen.

Abb. 1
figure 1

Tonsillectomy Outcome Inventory 14 (TOI-14)

Das TOI-14 wurde prospektiv im Rahmen einer nichtrandomisierten Längsschnittstudie validiert. Die Rekrutierung begann im September 2006 und endete im Februar 2008. Die TE wurde in Dissektionstechnik und die Blutstillung mittels bipolarer Diathermie und Umstechung durchgeführt. Das TOI-14 wurde präoperativ als Messzeitpunkt 1 (MZP 1) im Rahmen des stationären Aufenthalts sowie 6 (MZP 2) und 12 Monate postoperativ (MZP 3) postalisch ausgefüllt. Insgesamt wurden 108 Erwachsene eingeschlossen. Davon antworteten 43 zu allen 3 MZP. Von diesen Patienten waren 12 männlichen und 31 weiblichen Geschlechts, und das mittlere Alter betrug 31,5 ± 8,9 Jahre.

Für die Validierung des TOI-14 wurden die Reliabilität, die Validität und die Sensitivität des Fragebogens getestet.

Die Reliabilität wurde durch die Berechnung der internen Konsistenz und der Test-Retest-Reliabilität überprüft.

Für die Bestimmung der Validität wurden die Inhaltsvalidität, die Diskriminationsvalidität und die Übereinstimmungsvalidität bewertet. Die Beurteilung der Diskriminationsvalidität erfolgte mit dem Ziel, eine Unterscheidung zwischen Kranken und Gesunden nachzuweisen. Diesbezüglich wurden die Daten der Patienten mit CTO im präoperativen Zustand mit den entsprechenden einer Kontrollgruppe mittels t-Test verglichen. Letztere bestand aus einer erwachsenen Kohorte gesunder (ohne CTO) Studenten (n = 67) aus der Normalbevölkerung mit einem durchschnittlichen Alter von 25,6 ± 1,3 Jahren. Der Altersunterschied zu der Studiengruppe war laut t-Test signifikant (p = 0,0011). In der Kontrollgruppe waren 33 Frauen und 34 Männer, und die Geschlechtsverteilung ergab keine signifikanten Unterschiede zu der Studiengruppe (χ2: p = 0,69).

Die Übereinstimmungsvalidität wurde gemessen mithilfe der Korrelationsanalyse einer globalen krankheitsspezifischen Frage („Wie stark sind Sie durch die chronische Mandelentzündung in Ihrer Lebensqualität beeinträchtigt?“: nicht – wenig – mäßig – stark – sehr stark) mit dem Gesamtscore und jeden Subscore des TOI-14 zum MZP1. Diese globale Frage haben alle rekrutierten Patienten zusätzlich zum TOI beantwortet.

Die Sensitivität der klinischen Änderung vom präoperativen Zustand zu jedem weiteren MZP wurde durch das „standardized response mean“ (SRM) beschrieben. Dabei werden Werte ≥ 0,8 als großer Effekt bewertet [6].

Ergebnisse

Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse des Validierungsprozesses des TOI-14 dargestellt.

Interne Konsistenz

Der TOI-14 wies insgesamt für den Gesamtscore und alle Subscores zu jedem MZP eine moderate bis gute interne Konsistenz auf (Tab. 2).

Tab. 2 Cronbach-α für die Scores des TOI-14

Test-Retest-Reliabilität

Zur Bestimmung der Test-Retest-Reliabilität wurde das TOI-14 zu einem weiteren MZP 4 Wochen nach dem MZP 2 von 28 Patienten erneut ausgefüllt. Dabei zeigten sich bei den Subscores „allgemeine Gesundheit“ und „Ressourcen“ eine mäßige, beim Gesamtscore und beim Subscore „Halsprobleme“ eine gute und beim Subscore „sozialpsychologische Einschränkungen“ eine sehr hohe Test-Retest-Reliabilität (Tab. 3).

Tab. 3 Test-Retest-Reliabilität der Scores des TOI-14

Inhaltsvalidität

In einer Literaturrecherche zur HR-QOL bei Erwachsenen mit CTO haben wir die wesentlichen Beschwerden der Patienten ermittelt. Diese beinhalteten die Symptome von Halsschmerzen und Schluckbeschwerden, die Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit, das subjektive Empfinden des Krankheitsgefühls sowie Angaben über die Häufigkeit der Arztbesuche, der Antibiotikaeinnahme und des krankheitsbedingten Fehlens im Beruf [2, 3, 7, 10, 12, 13, 17]. Unsere eigenen klinischen Erfahrungen mit diesem spezifischen Patientenkollektiv haben bei der Erstellung der Items der α-Version des TOI-28 ebenfalls viel beigetragen. Bei der Endversion des TOI-14 wurden nur die aussagekräftigsten Items mit einem direkten Bezug zu den Beeinträchtigungen durch die CTO erfasst, sodass man von einer guten Abbildung der Beschwerdesymptomatik der CTO im Skaleninhalt dieses Messinstruments ausgehen kann.

Noch ein essenzieller Faktor für die umfangreiche Messung der HR-QOL ist die Erfassung aller 4 Dimensionen dieses Konzepts [5]: der physischen/somatischen (z. B. Schmerz, Müdigkeit), der funktionellen (z. B. tägliche Aktivitäten), der sozialen (z. B. Aufrechterhaltung der Beziehungen zur Familie/Freunden) und der psychologischen/emotionalen Dimension (z. B. Angst, Depression). Die Items des TOI-14 beinhalten alle der genannten Aspekte der HR-QOL. Ein weiterer Aspekt, der beim TOI-14 hinzugefügt wurde und statistisch aussagekräftig war, war die Skala der „Ressourcen“, die bei Patienten mit CTO einen gravierenden Effekt auf ihre Lebensqualität hat.

Diskriminationsvalidität

Die exzellente Diskriminationsvalidität des TOI-14 bestätigte sich in der Tatsache, dass alle Patienten der Kontrollgruppe hochsignifikant geringere Beschwerden in allen Skalen des TOI-14 als die Patienten mit CTO angegeben haben (in allen TOI-14-Scores war p < 0,0001; Tab. 4).

Tab. 4 Bestimmung der Diskriminationsvalidität des TOI-14 zwischen den präoperativen Angaben (MZP 1) der Patienten (n = 108) und der Kontrollgruppe (n = 67)a

Übereinstimmungsvalidität

Die Korrelationsanalyse nach Pearson ergab eine gute Übereinstimmung des Gesamtscores und des Subscores „allgemeine Gesundheit“ mit der globalen krankheitsspezifischen Frage und eine mäßige Korrelation mit den restlichen Subscores (Tab. 5).

Tab. 5 Prüfung der Übereinstimmungsvalidität zwischen den Scores des TOI-14 und der globalen krankheitsspezifischen Frage präoperativ (n = 108)

Sensitivität

Bei allen Scores des TOI-14 konnten sowohl 6 Monate als auch ein Jahr postoperativ sehr große Effekte demonstriert werden. Letztere waren nach einem Jahr bei allen Scores mit Ausnahme des Subscores „Ressourcen“ noch ausgeprägter (Tab. 6).

Tab. 6 Sensitivität des TOI-14, bestimmt durch das „standardized response mean“ (SRM)

Diskussion

Patienten mit CTO weisen in ihrer HR-QOL eine deutliche Einschränkung auf [7]. Es existiert diesbezüglich heutzutage im angloamerikanischen Sprachraum nur ein validiertes krankheitsspezifisches Messinstrument, das Tonsil and Adenoid Health Status Instrument (TAHSI; [16]). Dieses wurde aber nur für die pädiatrische Bevölkerung entwickelt und bezieht sich auch auf das Krankheitsbild der einfachen Tonsillenhyperplasie und der adenoiden Vegetationen. Für Erwachsenen liegen bis dato keine validierten krankheitsspezifischen Instrumente vor.

Die meisten Studien zur Lebensqualität bei Erwachsenen mit CTO und ihrer Verbesserung nach TE haben Instrumente zur allgemeinen HR-QOL und selbsterstellte Fragebögen zur Messung von krankheitsspezifischen Symptomänderungen verwendet. Das Glasgow Benefit Inventory (GBI) wurde in mehreren Studien angewendet. Es ist ein validiertes Messinstrument entwickelt speziell für die Messung der allgemeinen HR-QOL vor allem nach otorhinolaryngologischen Eingriffen in einer retrospektiven Weise [2, 3, 10, 12, 13]. In einer weiteren Studie von Baumann et al. wurde das nichtvalidierte Specific Benefits from Tonsillectomy Inventory (SBTI) konstruiert, das eine modifizierte Version des GBI darstellt zur Messung von krankheitsspezifischen Symptomänderungen nach TE [2]. Witsell et al. modifizierten ohne Validierung einige Fragen beim TAHSI, um es für Erwachsene aussagekräftig zu setzen [17].

Das TOI-14 ist durch einen konsequenten Validierungsprozess entstanden. Die Patienten konnten ihre Beschwerden zuverlässig und reproduzierbar angeben. Das TOI-14 als krankheitsspezifisches Instrument bietet mehrere Vorteile in der Lebensqualitätsforschung. Besser erfasst werden können damit klinisch relevante Veränderungen im Gesundheitszustand von Patienten mit bestimmten Erkrankungen, die zu subtil sind, um von einem allgemeinen Messinstrument ermittelt zu werden. Diese Tatsache wurde bereits bei Patienten mit chronischer Sinusitis nachgewiesen [8]. Im Vergleich zum GBI ist die retrospektive Beurteilung des Behandlungserfolgs nicht so präzise wie prospektive Messungen, denn Patienten tendieren im ersten Fall dazu, ausgeprägtere Veränderungen als bei einer seriellen prä- und postoperativen Befragung anzugeben. Mit dem TOI-14 wird die Standardisierung der krankheitsspezifischen HR-QOL-Messung zwischen verschiedenen Studien zur CTO ermöglicht, und somit könnten die Wirksamkeit der TE akkurater bestimmt, die verschiedenen TE-Modalitäten besser verglichen und die Indikationsstellung zur TE bei CTO mit höherer Evidenz etabliert werden. Die einzige Limitation der vorliegenden Studie besteht in dem signifikanten Altersunterschied der Kontroll- zu der Studiengruppe. Da es sich aber in beiden Gruppen um Erwachsenen handelt, bei denen die Tonsillen längst keine immunologische Abwehrfunktion mehr besitzen, wäre ein relevanter Einfluss des Altersunterschieds auf die Studienergebnisse äußerst unwahrscheinlich.

Das Ausfüllen des TOI-14 durch den Patienten benötigte etwa 5–10 min, und für das medizinische Personal ergab sich kein relevanter organisatorischer und zeitlicher Aufwand. Dieser geringe Arbeitsaufwand führte zu einer allgemeinen guten Akzeptanz. Daher zeichnet sich das TOI-14 neben den guten psychometrischen Eigenschaften auch durch eine praktisch einfache Handhabbarkeit aus.

Fazit für die Praxis

Das TOI-14 ist das erste weltweit validierte Messinstrument der krankheitsspezifischen HR-QOL bei Erwachsenen mit CTO. Durch seinen unkomplizierten Einsatz in der klinischen Ergebnisforschung können sowohl die Kriterien zur Definition und Schweregradbestimmung der CTO als auch die Wirksamkeit und entsprechend die Indikationsstellung zur TE präziser bestimmt werden. Dadurch könnten die therapeutischen Entscheidungen für einen verbesserten Gesundheitsstatus der Patienten optimiert werden.