Krebserkrankungen im Hals- und Kopfbereich stehen weltweit an 8. Stelle der Häufigkeit von Tumoren [10]. Vor allem das fortgeschrittene orale Plattenepithelzellkarzinom ist mit hoher Sterblichkeit verbunden. Kaum eine Krebsbehandlung kommt ohne eine pharmakologische Domäne aus. Die überwiegende Anzahl der Substanzen mit krebshemmender Wirkung ist natürlichen Ursprungs. So stellen Naturprodukte auch heute immer noch wertvolle Quellen zur Entdeckung und Entwicklung neuer Behandlungsoptionen für Krebs dar [16]. Krebshemmende Wirkung wurden auch den Arten der Gattung Salvia [14, 23] aus der Familie der Lamiaceae (Lippenblütler) zugeschrieben. Die meistzitierten sind die schweißunterdrückenden, antibiotischen, antifungalen, antiviralen, astringierenden, krampflösenden und blutzuckersenkenden Wirkungen. Diverse Extrakte von verschiedenen Vertretern der Gattung Salvia haben diese Effekte gezeigt [4, 12, 19, 24]. Die bekannteste und meist verwendte Art ist Salvia officinalis L. (Salbei).

In der HNO wird der Salbei bei der Behandlung von Entzündungen und Infektionen der Hals- und Mundschleimhäute wie Stomatitis, Gingivitis und Pharyngitis geschätzt [14, 18]. Die Wirksamkeit von Salvia ist v. a. durch den hohen Gehalt an ätherischen Ölen und Gerbstoffen (Tanninen). Die meisten biologischen Effekte des Salbeis rühren von den Inhalsstoffen des ätherischen Öls, wie Cineol, Borneol und Thujon [2].

Um die Wirkung der vielfältigen Inhaltsstoffe des ätherischen Öls des Salbei auf kanzerogenes Geschehen im HNO-Bereich zu überprüfen, wählten wir das Zellkulturmodell der humanen Plattenepithelkarzinom-Zelllinie (UMSCC1-Zellen). Das ätherische Öl des Salbei wurde dazu zunächst gaschromatographisch charakterisiert und hinsichtlich seiner Wachstumshemmung auf die Krebszellen untersucht. Um diese Wirkung des Salbeis molekularbiologisch zu beschreiben und Hinweise auf die beteiligten Mechanismen zu bekommen, haben wir die Gen-Expressionen mit Microarrays analysiert.

Material und Methoden

Gewinnung und Analyse des ätherischen Öls

Das zur gaschromatographischen Analyse verwendete Pflanzenmaterial der Salvia officinalis wurde in Ross-on-Wye (Großbritannien) angebaut. Aus einer Mischung von Blüten, Blättern und Stengeln wurde durch Dampfdestillation bei 100°C ätherisches Öl von der Fa. Rehau AG (Rehau) gewonnen.

Das 1:10 in n-Hexan verdünnte ätherische Öl wurde von der Fa. Phytolab GmbH (Vestenbergsgreuth) mittels eines 6890-N-Gaschromatographen mit HP-5-Kapillarsäule (0,25 mm x 60 m; 0,25 µm Schichtdicke) von der Fa. Agilent Technologies (Santa Clara, USA) analysiert.

Kultur der Plattenepithelkarzinom-Zelllinie

Die Zelllinie UMSCC1 wurde von der Zellbank ATCC (American Type Culture Collection, Rockwell, USA) bezogen. Sie stammte von einem männlichen Patienten mit einem T2N0M0-Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle [13]. Die UMSCC1-Zellen wurden in McCoy’s 5-A-Medium (Fa. Invitrogen, Karlsruhe) mit 10% fötalem Rinderserum (FBS) und 1% antibiotisch-antimykotischer Lösung (10000 I.E. Penicillin, 10 mg Streptomycin und Amphotericin B (Fungizone®) von Invitrogen (Karlsruhe) kultiviert. Die Zellen wuchsen einschichtig in Plastik-Kulturflaschen (75 ml, Fa. Nunc, Langenselbold) bei 37°C in wasserdampfgesättigter Atmosphäre mit 5% CO2.

Zellwachstum

Die UMSCC1-Zellen wurden zu je 105 Zellen in 100 µl in 96-Loch-Platten (Fa. Costar, Corning, USA) ausgesät. Pro 96-Loch-Platte blieb je eine Reihe völlig unbehandelt, eine weitere diente als Lösungsmittelkontrolle (DMSO). Als Maß für die Zellproliferation diente die Messung der zellulären Dehydrogenasenaktivität mittels der Farbstoffumsetzung des gelben XTT (Fa. Roche Diagnostics, Mannheim) in das orangefarbene Formazan, die photometrisch bestimmt wurde. Aus einer Verdünnungsreihe des ätherischen Öls von Salvia officinalis in DMSO wurden in McCoy’s 5-A-Zellkulturmedium ( + 10% FBS) Endkonzentrationen von 0,54 µg/ml bis 18 mg/ml des ätherischen Öls angesetzt auf die Zellen gegeben und für 72 h inkubiert. Die nicht mit Zellen besetzten Löcher wurden allesamt mit Medium zur Vermeidung von Verdunstungsverlusten oder als Blindwert für den XTT-Test verwendet. Jede der getesteten Wirkstoffkonzentrationen wurde in mindestens 2 Versuchsansätzen (verschiedene Zellkulturplatten und Passagen) untersucht.

Im Anschluss an die Zellbehandlung wurde das XTT-Reagenz (50 µl) in die Löcher mit den Zellen und den Blindwerten pipettiert. Nach weiteren 3 h unter Zellkulturbedingungen wurden die Platten in einem Photometer für 96-Loch-Platten bei 490 nm und 655 nm Referenzwellenlänge ausgelesen.

Die Auswirkung der Verbindungen im XTT-Test wurde als Zellvitalität wie folgt errechnet:

(Equ1)

Zur Auswertung der Ergebnisse wurde das Simple-Ligand-Modul der Sigmaplot-Software (Version 10.0, San José, USA) benutzt.

Die mittlere inhibitorische Konzentration (IC50) des ätherischen Öls von Salvia officinalis auf das Zellwachstum der UMSCC1, die in diesen Versuchen ermittelt wurde, diente als Konzentration für die Zellbehandlung (72 h) in den Microarray-Versuchsansätzen: 135 µg/ml.

RNA-Isolierung

Die Gesamt-RNA der UMSCC1-Zellen wurde nach Angaben des Herstellers mit dem RNeasy®Mini-Kit (Fa. Qiagen Inc, Valencia, USA) extrahiert, im Probenpuffer des Herstellers aufgenommen und mittels Elektrophorese im Total-RNA-Nano-Chip-Assay im Agilent-2100-Bioanalyzer (Fa. Agilent Technologies, Santa Clara, USA) auf ihre Integrität geprüft. Das Gerät errechnet als Ergebnis einen Qualitätsindex (RIN). Die RNA-Isolate mussten den Wert 8,5 überschreiten, um für das Microarray verwendbar zu sein.

Die RNA-Konzentration wurde mit dem NanoDrop-Photometer (Fa. NanoDrop Technologies, Wilmington, USA) bestimmt und die Proben bis zur weiteren Verwendung bei −80°C gelagert.

Sondenmarkierung und Microarray-Hybridisierung

Von jeder Gesamt-RNA wurden 250 ng in komplementäre DNA (cDNA) revers transkribiert. Diese cDNA wurde anschließend mit dem MessageAmp-II-Amplification-Kit (Fa. Ambion Inc. Austin, USA) zu komplementärer RNA (cRNA) umgeschrieben und dabei gleichzeitig mit biotinmarkiertem UTP (Fa. Roche Applied Science, Penzberg) markiert. Nach einer weiteren Aufreinigung wurde die biotinmarkierte cRNA analog der Gesamt-RNA qualitativ und quantitativ analysiert.

Je 50 ng cRNA/µl wurden pro Microarray (Sentrix-HumanRef-8-Expression-Beads-Chips, Fa. Illumina Inc., San Diego, USA) bei 58°C in GEX-HCB-Puffer (Fa. Illumina Inc.) für 20 h in einer feuchten Kammer hybridisiert. Als interne Standards wurden dem Hybridisierungsansatz jeweils 3 Konzentrationsstufen RNA, eine Mismatch-Kontrolle, sowie Biotinylierungs-Kontroll-Oligonukleotide zugesetzt. Anschließend wurden die Microarrays 2-mal in E1BC-Puffer (Fa. Illumina Inc.) bei Raumtemperatur für je 5 min gewaschen und für weitere 5 min einer Blockierungslösung aus 1% Kasein (Hammarsten-Grade, Fa. Pierce Biotechnology Inc., Rockford, USA) in phosphatgepufferter Saline (PBS) ausgesetzt.

Die biotinmarkierte, hybridisierte cRNA auf den Microarrays wurde mit dem Fluoreszenzfarbstoff Cy3-gekoppeltem Streptavidin für 10 min in 1% Blockierungslösung inkubiert. Nach einem weiteren Waschen mit E1BC-Puffer wurden die Microarrays getrocknet und ausgelesen.

Microarray-Auswertung

Die Microarrays mit über 24.000 Genen wurden mit dem Illumina-Bead-Array-Scanner (Fa. Illumina Inc.) mit einem Skalierungsfaktor von 1 und der Photomultiplier(PMT)-Einstellung von 430 gescannt. Jedes untersuchte Gen war auf dem Microarray im Schnitt mit 30-facher Redundanz aufgebracht. Die Signale dieser Punkte wurden als Zahlenwerte vom Scanner ausgegeben und als Mittelwert mit Standardabweichung ausgegeben (Punkte mit Werten über der 2,5-fachen der mittleren absoluten Abweichung wurden dabei ausgeschlossen). Jede Gesamt-RNA der UMSCC1-Zellen wurde 2-mal mit einem Microarray ausgewertet. Nach der Herausrechnung des Hintergrundsignals wurde zur Normalisierung der Signaldaten der kubische Spline-Algorithmus verwendet. Als differenziell reguliert wurden Gene betrachtet, die im Vergleich von Proben oder Untersuchungsgruppen sich über den Betrag einer Standardabweichung voneinander unterschieden. Diese Gene wurden als x-fach reguliert mit ihrem p-Wert gelistet.

Durch den Ausschluss von Genen mit mRNA-Expressionsunterschieden zwischen den Untersuchungsgruppen, die unterhalb der Größenordnung einer Standardabweichung lagen, ergab sich ein Satz von 747 Genen, die in die weitere Analyse eingingen.

Die Datenanalyse wurde mit der Software Chipster (http://www.chipster.csc.fi) durchgeführt.

Ergebnisse

Zusammensetzung des ätherischen Öls

Die gaschromatographische Analyse des ätherischen Öls von Salvia officinalis ergab 9 Hauptkomponenten, die 55,66% des Öls ausmachen (Tab. 1). Die größte Fraktion gehört der Gruppe der Monoterpene an, wobei Thujon mit 18,17% die häufigste Einzelsubstanz war, gefolgt von β-Pinen (16,97%) und 1,8-Cineol (12,87%).

Tab. 1 Gaschromatographische Analyse des ätherischen Öls von Salvia officinalis L

Zellvitalität

Der mit dem XTT-Assay erhobene Einfluss auf das Zellwachstum der humanen Krebszelllinie UMSCC1 ist in Abb. 1 dargestellt. Bis zu einer Konzentration von 18 µg/ml stieg die Zellvitalität bis auf auf 224% im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle. Darüber hinaus sank die Vitalität stetig bis auf 3% bei 180 µg/ml ab. Die daraus ermittelte IC50 betrug 135 µg/ml.

Abb. 1
figure 1

Effekt des ätherischen Öls von Salvia officinalis auf die Vitalität der Zelllinie UMSCC1 im XTT-Assay nach 72 h. Die Dosis-Wirkungs-Kurve wurde aus drei unabhängigen Versuchsansätzen ermittelt. Angegeben sind Mittelwerte und Standardfehler

Differenzielle Genexpression

Der Effekt des ätherischen Öls von Salvia officinalis auf die differenzielle Genaktivität von UMSCC1-Zellen wurde mithilfe von Microarrays bestimmt. Dabei zeigten 747 Gene signifikante unterschiedliche Expression durch die Zellbehandlung mit der IC50-Konzentration des ätherischen Öls. Die Expressionsänderungen bewegten sich nach Log2-Transformation zwischen 1,27/−1,27 und 2,15/−2,36. In Tab. 2 sind die 7 Gene mit den jeweils größten differenziellen Expressionen dargestellt.

Tab. 2 Die Gene mit der stärksten Expressionsänderung durch das ätherische Öl von Salvia officinalis in der Plattenepithelzellkarzinom-Zelllinie UMSCC1

Stoffwechsel- und Signalwegaufklärung

Um das biologische Geschehen in den UMSCC1-Zellen nach der Behandlung mit Salbei besser erfassen zu können, wurden die differenziellen Genaktivitäten einer Analyse mit der Ingenuity-Pathway-Analysis-Software (Version 6.5, Redwood City, USA) unterzogen. Diese Software kennt 57 Gruppen von Genen mit verwandten Funktionen, von denen 48 durch die Behandlung mit Salbei signifikant (p < 0,05) differenziell reguliert wurden. Die Gruppen mit den niedrigsten p-Werten waren mit „Krebs“, „zelluläres Wachstum und Proliferation“, „Zelltod“, „Zellmorphologie“, „Zellzyklus“, „Genexpression“ und „DNA-Reparatur“ überschrieben (Abb. 2 a) dargestellt. Die Ingenuity-Pathway-Analysis-Software analysierte die differenziell regulierten Gene auch nach ihrer Zugehörigkeit zu bekannten Signalwegen. Durch die Behandlung mit Salbei wurden v. a. (p < 0,05) der Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor-Signalweg, die Zellzyklusregulation (Übergang G1- zu S-Phase) und der p53-Signalweg beeinflusst (Abb. 2 b). Die differenziell regulierten Gene dieser Signalwege sind im Einzelnen in Tab. 3 aufgeführt.

Abb. 2
figure 2

Effekt des ätherischen Öls von Salvia officinalis auf die Genaktivität der Zelllinie UMSCC1. Zusammengefasst nach a funktionellen Gruppen und b Signalwegen. Die Höhe der Balken steht für die Signfikanz der differenziellen Genativität. Die Ratio in der rechten Achse in b stellt den Anteil der aktivierten Gene am entsprechenden Signalweg dar

Tab. 3 Aktivierte Signalwege und ihre beteiligten Gene nach Behandlung der Zelllinie UMSCC1 mit dem ätherischen Öl von Salvia officinalis nach der Analyse mit der Ingenuity-Pathway-Analysis-Softwarea

Diskussion

Diese Untersuchung belegt zum ersten Mal die hemmende Wirkung des ätherischen Öls von Salvia officinalis auf das Wachstum der humanen Krebszelllinie der Mundhöhle (UMSCC1). Sehr niedrige Konzentrationen stimulierten die metabolische Aktivität im XTT-Assay. Bei der mittleren inhibitorischen Konzentration des ätherischen Öls zeigten die UMSCC1-Zellen im Microarray die stärkste differenzielle Genaktivität bei krebsrelevanten, zellwachstums- und -todassoziierten. und DNA-Reparaturgenen. Die am stärksten stimulierten Signalwege betrafen dabei den Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor(AhR)-Signalweg, die Zellzyklusregulation und den p53-Signalweg.

Auffällig war die konzentrationsabhängige Vitalität der UMSCC1-Zellen, die unter einem Konzentrationsschwellenwert um das Doppelte gesteigert wurde und erst durch höhere Konzentrationen gehemmt wurde. Die Zellstimulation bei subtoxischen Konzentrationen wurde z. B. auch bei dem Zytostatikum Doxorubicin gefunden [21, 22]. Dieser Effekt kann als Abwehrmaßnahme interpretiert werden, die erst bei höheren Wirkstoffkonzentrationen überfordert wird. Anzumerken ist, dass der XTT-Assay zwar normalerweise stark mit der Zellzahl korrelliert, de facto aber nicht die Zellzahl, sondern im Wesentlichen deren mitochondriale Dehydrogenaseaktivität erfasst. Aktive Transportprozesse beim Herausschleusen der Xenobiotika könnten daher bis zu einem Schwellenwert die metabolische Aktivität der Zellen und damit die Werte für die Zellvitalität (XTT-Assay) deutlich erhöht haben.

Die Möglichkeit, mit dem ätherischen Ölen der Gattung Salvia Krebszellen zu hemmen, ist mehrfach belegt, u. a. an Nierenzellkrebskulturen [14] sowie an Glioblastom-, Dickdarm- und Prostatakrebszelllinien [7]. Bei Effekten durch Pflanzenextrakte stellt sich unweigerlich die Frage nach den wirksamen Inhaltsstoffen. Aus den Wurzeln von Salvia officinalis wurden diterpenoide Chinone mit zytotoxischen und DNA-schädigenden Wirkungen auf humane Kolonkarzinom- und Hepatomzellen isoliert [20]. In einer anderen Arbeit wurde aus dem Öl der Salbeiblätter das Monoterpen 1,8-Cineol als die häufigste Substanz isoliert, der Zusammenhang der Wirkung des ätherischen Öls und des isolierten 1,8-Cineols ließ sich aber nicht herstellen [14]. Das Monoterpen β-Pinen hingegen, das wir ebenfalls in unserem ätherischen Öl nachgewiesen haben, hat in einer anderen Arbeit antiproliferative Wirkung auf humane Hautmelanomzellen (A375), Brustkrebszellen (MCF-7) und Zellen des hepatozellulären Karzinoms (HepG2) gezeigt [11]. Zwar ist das Thujon in unserem ätherischen Öl des Salbeis die häufigste Substanz, aber dessen krebszellenhemmende Wirkung als Einzelsubstanz ist nicht belegt. Dies gibt uns Grund zur Annahme, dass in unserem Salbeidestillat ebenfalls β-Pinen und 1,8-Cineol die aktivsten Substanzen hinsichtlich der Effekte auf die UMSCC1-Zellen waren. Weitere Untersuchungen mit den Einzelsubstanzen im Vergleich mit dem ätherischen Öl des Salbeis müssen die Rolle der restlichen Bestandteile bei der Zytotoxität auf UMSCC1-Zellen klären.

Die Microarray-Technologie ermöglicht einen Blick auf die komplexe zelluläre Antwort auf den Reiz des ätherischen Öls des Salbeis auf der Ebene der Genaktivität, von denen hier nur die jeweils am stärksten regulierten aufgeführt sind. Erwartungsgemäß waren bei der mittleren inhibitorischen Konzentration Gene des Zellzyklus stark beteiligt. Dennoch ist bei phänotypischer Proliferationshemmung das genregulatorische Szenario in diesem Punkt widersprüchlich. Das Gen CDCA7 („cell division cycle associated 7“), ein Gen, dessen Aktivität überdies durch das Protoonkogen c-Myc gesteuert wird, deutet auf einen proliferativen Zellzustand. Die Überexpression von CDCA7 verstärkt die Transformation lymphoblastioder Zellen und trägt so zur c-Myc-gesteuerten Tumorentstehung bei [1]. Im Gegensatz dazu trägt TIMP3, das ein Protein aus der Gruppe der Inhibitoren von Metalloproteinasen (MMP) kodiert, möglicherweise zur zytotoxischen Wirkung des ätherischen Öls des Salbeis bei. MMP sind in fast allen Formen des Krebs überexprimiert, v. a. in fortgeschrittenen Stadien [5, 6].

Auch die in unserem Versuch hochregulierten Glykoproteine Thrombospondin-1 und -2 haben einen engen Matrixbezug und unterdrücken Tumorwachstum sowie Angiogenese [1]. Für die in unserem Versuch negativ regulierten Gene fanden sich in der Literatur keine Hinweise auf Beteiligung bei der wachstumshemmenden Wirkung des ätherischen Öls von Salvia officinalis.

Allein diese kleine Auswahl an diskutierten differenziell regulierten Gene deutet auf die enorme Komplexität der zellulären Antwort auf das ätherische Öl des Salbeis. In einer Momentaufnahme, wie es die Microarray-Analyse hier ist, kann es daher zu unerwarteten Ergebnissen kommen, die nicht unmittelbar mit der Wachstumshemmung zur Deckung zu bringen sind.

Die Zuordnung geänderter Genaktivitäten der UMSCC1-Zellen zu Signalwegen zeichnet ein etwas einheitlicheres Bild. Der Signalweg, der durch Liganden des Aryl-Hydrocarbon-Rezeptors (wie Dioxine und andere Xenobiotika) aktiviert wird, steht für die Reaktion der Zellen auf das ätherische Öl von Salvia officinalis im Rahmen einer toxischen Abwehrreaktion. Die über den AhR regulierten Genkaskaden regulieren Proliferation, Apoptose und Differenzierung [9]. Jede Proliferationshemmung beeinflusst die Zellzyklusregulation. Die G1-Phase spielt eine herausragende Rolle bei der Proliferation, Differenzierung, der onkogenen Transformation und der Apoptose [17]. Der Effekt von Salvia officinalis auf die G1-Phase und evtl. den Übergang zur S-Phase könnte daher einen vielversprechenden Ansatzpunkt in der Krebsbehandlung darstellen.

Die Behandlung von UMSCC1-Zellen mit Salvia officinalis hat gleichzeitig mit dem p53-Signalweg einen der prominentesten Tumorsuppressor-Signalwege aktiviert. Dieser wird meist unter Bedingungen wie DNA-Schädigung, Nukleotidmangel oder Hypoxie ausgelöst. Die Zielgene von p53 sind proapoptotisch und hemmen die Zellzyklusprogression [3]. Das ätherische Öl von Salvia officinalis stellt somit einen interessanten Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen dieses Naturprodukts auf das Plattenzellkarzinom im Bereich der Mundhöhle dar.

Fazit für die Praxis

Der in der HNO-Heilkunde bei der Behandlung von Entzündungen und Infektionen der Hals- und Mundschleimhäute geschätzte Salbei (Salvia officinalis) besitzt ein größeres Potenzial als bislang bekannt. Das breite Inhaltsstoffspektrum kann bei entsprechender Konzentration eine Plattenepithelkarzinom-Zelllinie hemmen. Der Nachweis der Wirksamkeit und Verträglichkeit in vivo steht allerdings noch aus, sodass keine Anwendungsempfehlungen beim Krebs der Mundhöhle gegeben werden können.