Schwannome sind gutartige Tumoren, die von Schwann-Zellen ausgehen, welche die Myelinscheide peripherer Nerven bilden. Der Entstehungsort liegt i. d. R. im myelinisierten Teil des Nervs lateral der sog. Obersteiner-Redlich-Zone, die den Übergang von Glia- zu Schwann-Zellen und damit die Grenze zwischen peripherem und zentralem Nervensystem bildet [1]. Sie können prinzipiell in allen Körperregionen auftreten und wachsen gut abgekapselt in direkter Nachbarschaft des Ausgangsnervs, ohne jedoch die Nervenfasern einzubinden [2]. Ist der VIII. Hirnnerv der Ausgangsnerv, handelt es sich um ein Vestibularisschwannom.

Die typische Lokalisation von Vestibularisschwannomen ist der innere Gehörgang bzw. der Kleinhirnbrückenwinkel. Eine intralabyrinthäre Lokalisation ist äußerst selten. Seit der Erstbeschreibung durch Mayer 1917 [3] wurden weniger als 100 Fälle beschrieben [4, 5, 6]. Man kann je nach Entstehungsort intracochleäre und intravestibuläre Tumoren unterscheiden. Intracochleäre Schwannome entwickeln sich aus Ästen des N. cochlearis. Intravestibuläre Schwannome entstehen in Endästen der Pars vestibularis des N. vestibulocochlearis (N. utricularis, N. saccularis, N. ampullaris anterior, posterior und lateralis; [7]). Typische Symptome sind eine langsam fortschreitende oder auch plötzlich einsetzende einseitige cochleäre Schwerhörigkeit, Vertigo in unterschiedlicher Form und Ausprägung und einseitiger therapieresistenter Tinnitus [5, 6, 8, 9].

Vor der Zeit der hochauflösenden, gadoliniumgestützten Magnetresonanztomographie (MRT) wurde die Diagnose eher durch Zufall in Felsenbeinpräparationen oder im Rahmen labyrinthdestruierender Eingriffe gestellt. Inzwischen werden nicht zuletzt wegen der deutlich verbesserten Auflösung in MRT-Untersuchungen zur diagnostischen Abklärung von Vertigo, einseitigem Tinnitus oder Hörminderung mehr und mehr intralabyrinthäre Schwannome gefunden [7]. Viele Autoren gehen daher davon aus, dass die Inzidenz dieser Tumoren lange Zeit unterschätzt wurde [5, 7].

Wir beschreiben hier 4 Fälle von Patienten, die aktuell wegen intralabyrinthärer Schwannome in der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie am Klinikum Bielefeld behandelt werden. Diagnostik und Therapiestrategien werden diskutiert.

Fallberichte

Symptome und Therapieverläufe der 4 Patienten sind in Tab. 1 aufgeführt. Befunde der MRT und CT sowie Operationssitus und Operationspräparate der Patienten 1 und 2 sind in Abb. 1 und Abb. 2 dargestellt.

Tab. 1 Symptome und Therapie der 4 Patienten mit intralabyrinthären Schwannomen
Abb. 1
figure 1

Befunde von Patient 1. a Axiale MRT in T1-Wichtung nach Gadoliniumgabe: knapp 5 mm großes Enhancement im Vestibulum des rechten Labyrinths (Pfeil). b Axiale MRT in T2-FSE-(Fast-Spin-Echo-)Sequenz: mit der Kontrastmittelanreicherung korrespondierende Auslöschung des Flüssigkeitssignals (Pfeil). c Axiale CT der Felsenbeine: Befund nicht abgrenzbar. d Operationssitus: Tumor im Vestibulum des bereits größtenteils entfernten Labyrinths (Pfeil); * Sinus sigmoideus; ** hintere Gehörgangswand. e Operationspräparat

Abb. 2
figure 2

Befunde von Patient 2. a Axiale MRT in T1-Wichtung nach Gadoliniumgabe: knapp 5 mm großes Enhancement im Vestibulum des rechten Labyrinths (Pfeil). b Axiale MRT in T2-FSE-(Fast-Spin-Echo-)Sequenz: mit der Kontrastmittelanreicherung korrespondierende Auslöschung des Flüssigkeitssignals (Pfeil). c Axiale CT der Felsenbeine: Befund nicht abgrenzbar. d Operationssitus: Tumor im Vestibulum des bereits größtenteils entfernten Labyrinths (Pfeil). e Operationspräparat

Diskussion

Intralabyrinthäre Schwannome sind selten, wenn auch die Inzidenz möglicherweise bislang unterschätzt wurde [5, 7]. Neuere Studien gehen davon aus, dass intralabyrinthäre Schwannome etwa 10% aller Vestibulocochlearisschwannome ausmachen [7]. Die Symptomatik ist unspezifisch, eine einseitige, langsam progrediente sensorineurale Schwerhörigkeit oder auch plötzliche Ertaubung wird in allen publizierten Fällen beschrieben. Vertigo in unterschiedlicher Ausprägung, als dauerhaftes Symptom oder auch anfallsweise auftretend ist ebenso beschrieben wie Tinnitus [4, 5, 7, 10]. Daher sind Verwechslungen mit anderen vestibulocochleären Erkrankungen häufig, insbesondere wird über eine Verwechslung mit der Menière-Erkrankung berichtet [5, 10]. Eine MRT-Untersuchung von Patienten mit entsprechenden Symptomen ist empfehlenswert, auch zum Ausschluss eines „regulär gelegenen“ Schwannoms des Kleinhirnbrückenwinkels.

Alle in unserer Abteilung betreuten Patienten berichteten von einseitiger Hörminderung, Tinnitus und intermittierendem Schwindel als Erstsymptomen. Im Verlauf kam es bei allen 4 Patienten zu einer einseitigen Ertaubung bzw. hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit. Während sich eine Patientin auf eigenen Wunsch in der Wait-and-Re-scan-Phase befindet, entschlossen sich 3 Patienten nach der Ertaubung zur translabyrinthären Resektion des Tumors. Dieser Eingriff führte bei allen Patienten zu einer deutlichen Reduktion sowohl der Schwindelsymptomatik als auch des Ohrgeräusches.

In der Diagnostik nimmt die MRT den größten Stellenwert ein. In gadoliniumunterstützten hochauflösenden T1-gewichteten Bildern zeigt sich eine intensive Kontrastmittelaufnahme der Tumoren. T2-FSE- und 3-D-CISS-Sequenzen eignen sich besonders gut zur Darstellung des flüssigkeitsgefüllten Labyrinths, des inneren Gehörgangs und des Kleinhirnbrückenwinkels [4, 5, 7]. Eine CT ist nicht hilfreich in der Diagnostik, da sich auf das Labyrinth oder die Cochlea beschränkte Tumoren aufgrund ihrer Größe und Lage in der CT nicht nachweisen lassen.

Die durchschnittliche Wachstumsgeschwindigkeit von Vestibularisschwannomen wird in der Literatur mit 1,8–2,4 mm pro Jahr angegeben [11, 12]. Trotz des langsamen Wachstums kommt es bei intralabyrinthären Schwannomen im Verlauf meist zu einer hochgradigen sensorineuralen Schwerhörigkeit oder Ertaubung, oft auch bei kleinen Tumoren. Diese kann langsam voranschreitend sein oder auch plötzlich einsetzen [4, 5, 6, 7, 8, 9, 10]. Die Möglichkeit eines Hörerhalts besteht chirurgisch aufgrund der Lokalisation des Tumors nicht, da auch kleine Tumoren nicht ohne Destruktion des Labyrinths entfernt werden können.

In der Behandlung intralabyrinthärer Schwannome empfehlen wir bei noch erhaltenem Hörvermögen eine Strategie des Abwartens und der Kontrolle mittels bildgebender Verfahren, da die Tumoren durch die frühzeitig einsetzenden Symptome bei der Erstdiagnose oftmals noch sehr klein sind. Kommt es zur Ertaubung oder zu stark belastendem Schwindel, ist eine Operation sinnvoll. Ein translabyrinthäres, im Falle einer intracochleären Lokalisation auch transotisches, transcochleäres Vorgehen kommt hier in Frage [6, 8]. Im Rahmen der Operation sollte zur Hörverbesserung eine BAHA-CROS-Versorgung erwogen werden. So kann monaural ein pseudostereophones Hören ermöglicht werden [4]. Eine simultane oder auch spätere Versorgung mit einem Cochlear implant kommt in Frage, wenn die Cochlea intakt ist [13, 14, 15].

Mehrere Autoren berichten über die Besserung von Schwindel und Tinnitus nach Resektion des Tumors [6, 16, 17]. Dies deckt sich mit unserer Erfahrung aus den beschriebenen Fällen.

Eine effektive Strahlentherapie intralabyrinthärer Schwannome ist aufgrund der geringen Größe der Tumoren technisch schwierig. Bisher existieren keine Berichte über die stereotaktische Strahlentherapie dieser Tumoren, und die Erfolgsaussichten sind gering [6]. Das langsame Wachstum der Tumoren würde eine Erfolgskontrolle erschweren, und Aufwand und Risiko einer chirurgischen Resektion sind vergleichsweise gering. Eine Strahlentherapie käme somit am ehesten in Frage für Patienten mit massiven Symptomen und Kontraindikationen gegen eine Operation [6].

Fazit für die Praxis

  • Die Inzidenz intralabyrinthärer Schwannome wurde bislang unterschätzt.

  • Eine Wait-and-Re-scan-Strategie ist indiziert bei erhaltenem Hörvermögen und leichtem Schwindel bzw. wenig belastendem Tinnitus.

  • Ein chirurgisches Vorgehen ist indiziert bei Ertaubung oder belastendem Schwindel/Tinnitus, führt jedoch zur Ertaubung.

  • Eine hochauflösende MRT-Untersuchung des Felsenbeins und Kleinhirnbrückenwinkels bei Patienten mit einseitiger sensorineuraler Schwerhörigkeit, Tinnitus und unklarem Schwindel ist empfehlenswert.

  • Intralabyrinthäre Schwannome können in der CT nicht nachgewiesen werden.

  • Die Strahlentherapie hat keinen Stellenwert in der Behandlung intralabyrinthärer Schwannome.