Die Verwendung von Stimmprothesen gilt als Goldstandard der Stimmrehabilitation nach totaler Laryngektomie. Unabhängig vom Typ der Stimmprothese liegen die Erfolgsraten bei 85–95% [2, 6, 12, 20]. Das Verfahren zeichnet sich durch eine unkomplizierte und schnell durchführbare operative Technik, eine einfache Stimmanbahnung und eine niedrige Komplikationsrate aus. Schwerwiegende lebensbedrohliche Komplikationen, wie z. B. Ösophagusperforation mit Mediastinitis, Weichteilabszesse oder Verletzungen der Wirbelsäule, sind äußerst selten [1, 4].

Geringfügige lokale Komplikationen kommen häufiger vor: Dazu gehören eine Biofilmbesiedlung der Stimmprothese mit nachfolgender Fehlfunktion, Spasmen oder Stenosen im krikopharyngealen Segment mit nachfolgender Einschränkung der Schluckfähigkeit, Granulationen im Bereich der tracheoösophagealen Fistel sowie eine periprothetische Leckage durch Erweiterung der tracheoösphagalen Fistel mit nachfolgender Aspirationssymptomatik [6, 9, 12, 17, 19, 20, 25]. Insbesondere die periprothetische Leckage mit der Aspiration von Speichel und Nahrungsbestandteilen stellt eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen Patienten dar.

Stimmshunterweiterung

Eine geringgradige Fistelerweiterung kann im Laufe der Zeit bei etwa 25–30% aller mittels Stimmprothese rehabilitierten Patienten beobachtet werden. Eine massive Fistelerweiterung, die eine orale Ernährung unmöglich macht, findet sich lediglich bei 5–8% aller mit Stimmprothesen versorgten Patienten [4, 6, 8, 9, 12, 17, 19, 25]. Prinzipiell können 2 Typen der Fistelerweiterung unterschieden werden:

  • Zum einen gibt es die dilatativ-atrophe Fistel, bei der eine Atrophie des gesamten Paries membranaceus mit Muskulatur, Bindegewebe und Schleimhaut vorliegt. Diese Form der Fistelerweiterung tritt häufig erst Jahre nach der Prothesenerstanlage auf. Bemerkenswert sind die nur geringe Tendenz dieser Fistel zur Schrumpfung und die schwere Therapierbarkeit.

  • Zum anderen gibt es den infiziert nekrotischen Typ, bei dem es durch lokale Infektionen, Drucknekrosen bei zu kurzer Prothese oder bei einer mechanischen Reizung durch die Prothese zu einer Schwellung des Gewebes im Bereich der Stimmfistel kommt. Somit wird Druck durch die Prothesenflansche auf die Schleimhaut ausgeübt, was letztendlich zu einer Nekrose im Bereich der Fistel führt. Die Fistelerweiterungen aufgrund des infiziert nekrotischen Typs zeigen häufig große Durchmesser, sie sind aber unter antiinflammatorischer und antibiotischer Behandlung gut therapierbar [12].

    Stimmshunterweiterungen kommen bei etwa 25–30% aller Patienten vor

Diskrete Fistelerweiterungen können durch relativ einfache, wenig invasive Maßnahmen erfolgreich behandelt werden. Übermäßige, therapierefraktäre Erweiterungen der Stimmfisteln erfordern jedoch umfangreiche Maßnahmen bis hin zum Ösophagushochzug oder dem Einsatz von mikroanastomosierten Interponaten [6, 8, 17, 19].

Genese

Die der Fistelerweiterung zugrunde liegenden Ursachen sind bis dato nicht völlig geklärt. Neben der individuellen Prädisposition werden u. a. eine postradiogene Gefäßrarifizierung, Gewebsirritationen durch Mikrobewegungen der Stimmprothese, Traumatisierung beim Prothesenwechsel, Diabetes mellitus, Hypertonie sowie ein pathologischer gastroösophagealer Reflux als mögliche Risikofaktoren diskutiert [3, 10, 12, 13, 14, 15, 19, 27].

Bei 2 unserer Patienten war zu beobachten, dass ein zunächst mehrfacher frustraner Verschluss einer deutlich erweiterten tracheoösophagealen Stimmfistel mittels Muskellappen erst nach gleichzeitiger aggressiver Therapie der synchron vorhandenen Refluxerkrankung gelang. Daher führten wir eine prospektive Studie zur Evaluierung des Zusammenhangs zwischen dem Problem der periprothetischen Leckage und der Inzidenz eines klinisch manifestierbaren Refluxes durch. In der vorliegenden Arbeit wurde unter Studienbedingungen untersucht, ob bei Patienten, die eine übermäßige Erweiterung der tracheoösophagelen Stimmfistel aufweisen, häufiger supraösophageale Refluxe auftreten.

Patienten und Methodik

Patienten

Im Zeitraum von März 2006 bis November 2007 wurden 48 von 110 laryngektomierte Patienten (5 Frauen, 43 Männer) aus dem Patientengut unserer HNO-Klinik nach eingehender Aufklärung und Unterzeichnung einer Einverständniserklärung in eine von der Ethikkommission der Universität Ulm positiv bewertete Studie (06/2006) zufällig einbezogen.

Das Durchschnittsalter der ausnahmslos am Bundeswehrkrankenhaus Ulm laryngektomierten Patienten betrug 62 (±8,8) Jahre (Reichweite 40–80 Jahre). Das mittlere Zeitintervall zwischen Laryngektomie und Aufnahme in die Studie lag bei 57 (±42) Monaten. Eine postoperative Strahlentherapie wurde bei 34 von 48 Patienten (70,8%) durchgeführt. Keiner der Patienten wurde vor der Laryngektomie bestrahlt (Tab. 1). Alle Patienten waren im Rahmen des Primäreingriffs mit einer Provox®-1-Prothese versorgt worden. Zum Zeitpunkt des Studienbeginns verwendeten 46 Patienten eine Provox®-2-Prothese und 2 Patienten eine Provox-Activalve®-Prothese.

Tab. 1 Charakteristik der 48 in die Studie aufgenommenen Patienten

Stimmfistelprobleme

16 von 48 Patienten (33,3%) klagten über Probleme mit der tracheoösophagealen Stimmfistel. Sie waren vor Studienbeginn wiederholt wegen einer rezidivierenden periprothetischen Leckage, einer übermäßigen Fistelweitung oder einer Atrophie des Paries membranaceus behandelt worden. Zusammengefasst wurden in dieser Gruppe (Gruppe A) jene Patienten, bei denen eine Erweiterung der Stimmfistel über 15 mm Durchmesser vorlag, sowie Patienten, die im Beobachtungszeitraum mehr als 3-mal frustran wegen einer periprothetischen Leckage bei Atrophie des Paries membranaceus behandelt worden waren.

Refluxproblematik

Um einen Anhalt zu bekommen, ob bei Patienten, die in der pH-Metrie objektivierbare pathologische Refluxereignisse zeigen, tatsächlich ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung einer übermäßigen periprothetischen Leckage oder Fistelerweiterung besteht, wurden anhand der pH-Metrie-Ergebnisse die Patienten ohne pathologische Refluxzeichen (n=16) mit den Patienten verglichen, deren pH-Metrie-Ergebnis pathologisch ausfiel (n=32).

Strahlentherapie

Da das Patientenkollektiv hinsichtlich der postoperativen Bestrahlungssituation heterogen war, erfolgte außerdem eine Unterteilung in bestrahlte (n=34) und nichtbestrahlte Patienten (n=14). Anhand dieser beiden Gruppen wurde das relative Risiko für das Auftreten von Stimmfistelerweiterungen in Abhängigkeit von einer postoperativen Bestrahlung berechnet.

Methoden

Nach erfolgter umfangreicher Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung (Zeitpunkt T1) erfolgte zunächst eine Fotodokumentation und Vermessung des Fisteldurchmessers.

24-h-pH-Metrie

Zur Objektivierung des Refluxgeschehens wurde bei allen Patienten eine 24-h-pH-Metrie unter Einsatz des Geräts Digitrapper® (Fa. Medtronic Xomed, Jacksonville/FL, USA) durchgeführt. Verwendet wurden Messonden mit 2 Messpunkten in 10 cm Abstand (Versatil®, Fa. Promedia, Siegen). Initial wurde der Patient in der Handhabung des Messgerätes geschult. Die Platzierung der Messsonde erfolgte transnasal in Oberflächenanästhesie. Die Sonden wurden dabei soweit vorgeschoben, bis ein pH-Umschlag beider Messpunkte auf dem Display des Digitrapper® abgelesen werden konnte. Danach wurde die Sonde zurückgezogen, bis beide Messpunkte einen pH-Wert von >7 registrierten. Eine manometrische Überprüfung des unteren Messsensors erfolgte nicht. Zusätzlich wurde vor Messbeginn eine transnasale flexible Endoskopie durchgeführt um sicherzustellen, dass der obere, schwarz markierte Messsensor auf Höhe der tracheoösophagealen Fistel lokalisiert war. Die pH-Werte wurden in Intervallen von 4 s über einen Zeitraum von 24 h registriert.

Die Zeitintervalle, in denen Nahrung aufgenommen oder in denen eine liegende Position eingenommen wurde, registrierte der Patient sowohl durch Betätigen entsprechender Eingabetasten am Messgerät als auch durch handschriftliche Eintragungen in ein Protokollformular. Die Aufzeichnung und Auswertung der Messwerte erfolgte mit Hilfe der Software PolgramNet® (Fa. Medtronic Xomed, Jacksonville/FL, USA). Erfasst wurden dabei die Anzahl der Refluxereignisse mit einem Abfall des pH-Werts unter 4 im distalen Ösophagus, die Anzahl der Refluxereignisse mit einem Abfall des pH-Werts unter 4 im Bereich des proximalen Messsensors auf Höhe der tracheoösophagealen Fistel, die Dauer der Refluxereignisse, die kumulierte Refluxdauer, der Reflux-Area-Index (RAI 4) für einen pH-Wert <4 und der DeMeester-Score.

Der RAI 4 wurde zur Quantifizierung von Refluxen im Bereich des oberen Ösophagusspinkters im Zusammenhang mit laryngopharyngealen Refluxerkrankungen entwickelt. Da Refluxereignisse in diesem Bereich – sowohl hinsichtlich der Episodendauer als auch der Anzahl – geringer als im distalen Ösophagus ausfallen, gelten die üblichen Refluxparameter und Scores für diesen Bereich als nur bedingt aussagekräftig.

Der RAI 4 beschreibt den Quotienten aus der Refluxfläche unter einem pH-Wert von 4 im entsprechenden Zeitintervall der pH-Kurve sowie der Dauer des betreffenden Zeitintervalls. Er berücksichtigt damit sowohl die absolute Anzahl von proximalen Refluxereignissen als auch die Dauer der pH-Abfälle und das Ausmaß des pH-Abfalls. Ein supraösophagealer Reflux gilt bei Werten >6,3 als wahrscheinlich. Ein weiterer Vorteil dieses Index, der von der verwendeten Software automatisch errechnet wird, liegt darin, dass alle Artefakte, die Phasen der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sowie ein postprandialer Zeitraum von 3 min von der Analyse ausgeschlossen werden, sodass ein Wert für die tatsächlichen Refluxereignisse ermittelt wird. Zusätzlich wurden die Messprotokolle nochmals „per Hand“ überprüft, um einen Ausschluss aller Pseudorefluxe im Bereich des oberen Messpunkts zu gewährleisten. Hierbei wurden im Bereich des proximalen Messpunkts nur jene pH-Wert-Abfälle <4 als Refluxepisoden gewertet, die klar mit einem distalen pH-Abfall einhergingen.

Ein supraösophagealer Reflux gilt bei RAI-Werten >6,3 als wahrscheinlich

Der DeMeester-Score wird für die gesamte Aufzeichnungszeit der 24-h-pH-Metrie, basierend auf den Refluxepisoden mit einem pH-Wert unter 4, berechnet. Er berücksichtigt die Anzahl der Säurerefluxe, die Anzahl der Refluxepisoden >5 min, die längste Refluxepisode, die Gesamtzeit mit einem pH-Wert <4 sowie die Zeiten in liegender und aufrechter Position mit einem pH-Wert <4. Die Beurteilung des DeMeester-Scores in dieser Arbeit muss allerdings kritisch beurteilt werden, da die Lage des unteren Messpunkts (Lage knapp oberhalb des unteren Ösophagussphinkters) anhand des pH-Wert-Umschlags und nicht manometrisch überprüft wurde.

Statistik

Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Exel®-Softwarepaket (Fa. Microsoft, Redmont/WA, USA) und dem Statistikprogramm InStat® 3.05 (Fa. Graphpad Software, San Diego/CA, USA).

Der Vergleich der beiden Patientengruppen (Gruppe A: übermäßige Erweiterung der Stimmfistel; Gruppe B: keine Stimmfistelerweiterung) erfolgte bei fehlender Normalverteilung mit dem Mann-Whitney-Test. Für die Anwendung des Testverfahrens wurde eine Irrtumswahrscheinlichkeit von p<5% akzeptiert.

Um zu beurteilen, ob ein manifester Reflux das Auftreten einer Erweiterung der Stimmfistel begünstigt, wurden die Patienten in eine Gruppe mit objektivierbarem Reflux (n=32) und eine Gruppe ohne Reflux (n=16) eingeteilt. In den Patientengruppen mit und ohne pathologischen Reflux erfolgte die Ermittlung der „Risiken“ von Stimmfistelkomplikationen und die Berechnung des „relativen Risikos“. Das relative Risiko ist das Verhältnis der Risiken in beiden Patientengruppen und beschreibt das Risiko für das Auftreten einer Fistelkomplikation in Gegenwart eines pathologischen Refluxes. Ebenso erfolgte die Einteilung in eine Gruppe nichtbestrahlter Patienten (n=14) sowie eine Gruppe von Patienten mit postoperativer Bestrahlung (n=34) zur Ermittlung des relativen Risikos einer Bestrahlung auf die Ausbildung von Fistelkomplikationen.

Die Berechnung des relativen Risikos und der 95%-Konfidenzintervalle sowie der Signifikanz erfolgte mittel eines 4-Felder-Tests und des χ2-Tests.

Ergebnisse

Die objektivierbaren Refluxparameter aus der 24-h-pH-Metrie sind in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Vergleich der Ergebnisse der 24-h-pH-Metrie bei 16 Patienten mit Stimmfistelerweiterung bzw. rezidivierender Leckage mit 32 Patienten ohne Leckageprobleme

In der Patientengruppe A, die eine ausgeprägte Erweiterung der tracheoösophagealen Stimmfistel oder eine rezidivierende Leckage bei Atrophie des Paries membranaceus zeigten, betrug der Wert für den DeMeester-Score 104,4 (±21,3), während er im Kollektiv ohne Fistelprobleme (Gruppe B) bei 42,9 (±11,8) lag (p=0,002).

Im Bereich des proximalen Messpunkts (supraösophagealer Reflux) wurden im Mittel 202,8 (±44,0) Refluxereignisse in der Gruppe A und 70,8 (±13,2) Refluxereignisse in der Gruppe B (p=0,002) gemessen.

Die Häufigkeit von Refluxereignissen mit einer Dauer von mehr als 5 min lag im Mittel bei 4,35 (±1,02) in Gruppe A und bei 1,74 (±0,42) in Gruppe B (p=0,019).

Der RAI 4 lag bei den Patienten mit Fistelerweiterung im Mittel bei 419,5 (±112,5) im Vergleich zu einem RAI-Wert von 146,9 (±40,4) in der Gruppe ohne Fistelerweiterung (p=0,014).

Der mittlere Gesamtzeitraum mit einer Exposition der Ösophagusschleimhaut gegenüber einem pH-Wert <4 betrug in Gruppe A 152,9 (±57,0) und 55,3 (±13,9) in Gruppe B (nicht signifikant).

Insgesamt zeigten die Patienten mit einer Erweiterung der Stimmfistel in den objektivierbaren Refluxparametern der 24-h-pH-Metrie signifikant höhere Werte im Vergleich zu den Patienten ohne Fistelerweiterung.

Wurden die Patienten unter dem Aspekt eines vorhandenen pathologischen Refluxes betrachtet, konnten bei den Patienten mit objektivierbarer Refluxerkrankung deutlich häufiger Komplikationen im Bereich der tracheoösophagealen Stimmfistel beobachtet werden. Hierbei handelte es sich v. a. um eine periprothetische Leckage sowie eine ausgeprägte Erweiterung des Stimmfisteldurchmessers. Das relative Risiko für das Auftreten von Granulationen lag bei 1,2 (50 vs. 35%, p= nicht signifikant), während für eine periprothetische Leckage (65 vs. 6%, p=0,003) bzw. eine übermäßige Stimmfistelerweiterung (47 vs. 6%, p=0,012) ein relatives Risiko von 2,3 bzw. 1,8 berechnet wurde (Tab. 3).

Tab. 3 Einfluss eines manifesten supraösophagealen Refluxes auf das Risiko zur Ausbildung von Stimmfistelproblemen

Wurde das relative Risiko für das Auftreten von Fistelkomplikationen mit der postoperativen Strahlentherapie korreliert, ergab sich für keine der untersuchten Stimmfistelproblematiken ein erhöhtes Risiko. Granulation im Bereich der Stimmfistel fanden sich bei bestrahlten Patienten in 41% der Fälle, bei nichtbestrahlten Patienten in 50% der Fälle (RR=0,9; p=0,81), auch das Risiko für das Auftreten einer periprothetischen Leckage (44 vs. 50%, p=0,96) bzw. einer übermäßigen Stimmfistelerweiterung (24 vs. 42%, p=0,322) war durch die Strahlentherapie nicht erhöht (RR=0,933 bzw. 0,75; Tab. 4).

Tab. 4 Einfluss einer postoperativen Bestrahlung auf das Risiko zur Ausbildung von Stimmfistelproblemen

In der Gruppe A fand sich auch kein gehäuftes Auftreten eines Diabetes oder einer Hypertonie.

Die Wechselfrequenz und somit die durchschnittliche Lebensdauer der Stimmprothesen wird durch einen vorhandenen Reflux und die damit verbundenen Fistelprobleme beeinflusst. So lag bei Patienten mit pathologischem Reflux die Wechselfrequenz durchschnittlich bei 3,6/Jahr im Vergleich zu 1,4/Jahr bei Patienten ohne relevanten Reflux (durchschnittliche Lebensdauer der Prothesen bei Patienten mit Reflux 99,1 (±34) Tage, bei Patienten ohne Reflux 254,9 (±79,7) Tage (p<0,001; Tab. 5).

Tab. 5 Wechselfrequenz der Stimmprothesen in Abhängigkeit vom Vorhandensein einer Refluxerkrankung

Diskussion

Die Verwendung von Shuntventilen bei Anlage einer tracheoösophagealen Fistel zur stimmprothetischen Rehabilitation hat sich in den letzten 20 Jahren als die Therapie der Wahl nach totaler Laryngektomie durchgesetzt. Dieses Verfahren zeichnet sich durch einen geringen chirurgischen Aufwand ohne wesentliche Verlängerung der Operationszeit bei geringer Komplikationsrate sowie durch einen ausgezeichneten Rehabilitationserfolg mit einer bis zu 90%igen Erfolgsquote aus [2, 20]. Der Nachteil des erhöhten Nachsorgeaufwands für die regelmäßig notwendigen Prothesenwechsel wird durch den raschen Erwerb der Ersatzstimme und die schnelle soziale Reintegration ausgeglichen.

Leckage

Ernsthafte, durch die Prothese oder die Operation bedingte Komplikationen sind äußerst selten [1, 4, 17, 20]. Geringgradige Komplikationen wie Prothesendefekte, Verborkungen und Candidabesiedlungen lassen sich zumeist ohne größeren Aufwand beherrschen. Die periprothetische Leckage, bei einer nur geringgradigen Fistelweitung, stellt die häufigste relevante Komplikation bei laryngektomierten und stimmprothetisch versorgten Patienten dar. Die Inzidenz wird in der Literatur mit 6–39% angegeben [6, 9, 12, 13, 17, 19, 20, 25]. Bei unserem Patientengut fand sich eine periprothetische Leckage unterschiedlichen Schweregrades in 33% der Fälle (16 Patienten). Bei 7 von 48 Patienten fand sich eine periprothetische Leckage mit einem Fisteldurchmesser von mehr als 15 mm. Die 9 weiteren Patienten zeigten eine Leckage geringeren Ausmaßes, die jedoch mehr als 3 Interventionen (Augmentation, Tabaksbeutelnaht, Schrumpfung) notwendig gemacht hatte.

Shunterweiterung

Systemische Risikofaktoren

Als mögliche Ursachen der Fistelerweiterung werden lokale Entzündungsreaktionen im Bereich der Stimmfistel mit Granulationsbildung sowie eine Atrophie im Bereich des Paries membranaceus diskutiert. Als Risikofaktoren werden neben einer Hypertonie, einem Diabetes mellitus und einer postoperativen Strahlentherapie Traumen im Rahmen der Stimmprothesenwechsel sowie ein pathologischer gastroösophagealer und/oder supraösophagealer Reflux in der Literatur angeführt [3, 4, 6, 15, 21].

Es bestand kein Hinweis für Diabetes, Hypertonus oder Strahlentherapie als Ursache der Stimmfistelerweiterung

In der vorliegenden Studie ergab sich kein Hinweis dafür, dass ein Diabetes, ein Hypertonus oder eine postoperative Strahlentherapie das Risiko für eine Fistelweitung mit periprothetischer Leckage signifikant beeinflussen.

Lokale Einflüsse

Anders verhält es sich mit dem supraösophagealen Reflux. Frühere Studien unserer Arbeitsgruppe, aber auch die Ergebnisse anderer Untersuchungen konnten bereits zeigen, dass bei Patienten, die an einem Kehlkopfkarzinom erkrankt waren, gehäuft ein pathologischer Reflux besteht [3, 16, 18, 21, 22]. Das Auftreten von Wundheilungsstörungen im oberen Aerodigestivtrakt sowie eine erhöhte Rate pharyngokutaner Fisteln im Zusammenhang mit einer Refluxerkrankung wurden in der Literatur bereits mehrfach beschrieben [7, 26]. Ein Zusammenhang zwischen einer periprothetischen Leckage bzw. einer Erweiterung des Stimmshunts in Zusammenhang mit Reflux wurde in der Literatur bis dato allerdings nur vereinzelt erwähnt [16]. Jedoch finden sich Hinweise auf eine verstärkte Granulationsneigung mit Versagen des Stimmshunts sowie auf eine verstärkte Ausbildung von krikopharyngealen Stenosen/Spasmen in Zusammenhang mit einem supraösophagealen Reflux [21].

Für die schädigende Wirkung von Magensaft im Bereich des Ösophagus gibt es ausreichend Belege. Die Schädigungen können hierbei von Erosionen über die Entwicklung eines Barett-Ösophagus bis hin zum Adenokarzinom reichen. Während im Bereich der Speiseröhre aufgrund der Schleimhautmorphologie eine natürliche Barriere gegenüber physiologischen Refluxereignissen besteht, ist die Schleimhaut im Pharynx und Trachea überhaupt nicht gegenüber einer Säureexposition geschützt. Selbst geringgradige Expositionen können zu massiven Schädigungen führen [5, 11, 29]. Außerdem liegen bei Tumorpatienten, insbesondere nach postoperativer Strahlentherapie, eine verminderte Clearance des Ösophagus sowie eine Störung der Bikarbonat-Säurepufferung bei strahlengeschädigten Speicheldrüsen vor [3]. Daher können schon geringe Säuremengen aufgrund der verlängerten Expositionszeit starke Schäden verursachen.

Als schädigende Faktoren werden neben dem niedrigen pH-Wert auch die Einwirkung von Pepsin, Pankreasenzymen und Gallensäuren [30] diskutiert. Die Wirkung proteolytischer Enzyme im Magensekret vermag über Stunden anzuhalten. Sie kann insbesondere im Gefolge von lokalen Traumen, wie sie z. B. beim Reinigen der Prothese oder im Rahmen eines Prothesenwechsels entstehen können, Gewebeläsionen oder eine verzögerte Wundheilung verursachen [7].

In der Literatur gelten mehr als 6–10 Refluxereignisse in 24 h als der Grenzwert, ab welchem eine Schädigung der Schleimhaut des Pharynx auftritt [24]. Arbeiten zum extraösophagealen und laryngopharyngealen Reflux zeigen, dass hier bereits wenige Refluxereignisse zu massiven Schädigungen führen können [3, 11, 21, 28].

Die vorliegende Untersuchung konnte zeigen, dass sowohl der RAI, die Anzahl der Refluxereignisse im Bereich der Stimmfistel als auch der DeMeester-Score bei Patienten mit einer Erweiterung des Stimmshunts signifikant erhöht waren.

Alle Patienten mit Stimmfistelerweiterung zeigten eine hochpathologische Refluxdiagnostik

Dies wird insbesondere bei Betrachtung des derzeit sensitivsten Parameters für die Analyse ösophagealer und extraösophagealer Refluxereignisse, nämlich des RAI 4, offensichtlich. Der Normalwert für diesen Parameter wird in der Literatur mit 6,3 angegeben [23, 24, 27, 28]. Bei den Patienten ohne rezidivierende Komplikationen im Bereich der ösophagotrachealen Fistel war dieser Wert um mehr als das 10-fache, bei den Patienten mit rezidivierenden Fistelproblemen um mehr als das 40-fache erhöht. Der RAI 4 berücksichtigt allerdings nur Refluxepisoden mit einem pH-Abfall unter 4, aktuelle Studien zeigen jedoch, dass Pepsin, einer der aggressivsten Bestandteile des Magensaftes, bis zu einem pH-Wert von 7 aktiv sein kann. Aus diesem Grund wird zunehmend ein weiterer Refluxindex für einen pH-Wert <5 (RAI 5) propagiert [24]. Da wir für die vorliegende Studie eine Vergleichbarkeit mit der vorhandenen Literatur gewährleisten wollen, verwendeten wir den etablierten RAI-Score, für weitere Arbeiten sollte jedoch zusätzlich der RAI 5 berücksichtigt werden.

Ebenfalls eindrückliche Ergebnisse konnten auch für die absolute Anzahl an supraösophagealen Refluxereignissen, die um das 3-fache bei Patienten mit Stimmfistelerweiterung erhöht waren, sowie den DeMeester-Score, der um etwa das 2,5-fache erhöht war, gezeigt werden. Allerdings muss das Ergebnis für den DeMeester-Score kritisch gewertet werden, da die Lage des unteren Messpunkts nur anhand des pH-Umschlags und nicht manometrisch verifiziert wurde.

Das Ausmaß der Belastung der Ösophagusschleimhaut gegenüber saurem Magensekret wird auch durch die mittlere Expositionszeit gegenüber einem pH-Wert unter 4 reflektiert. Sie lag bei Patienten mit Fistelproblemen annähernd um den Faktor 3 höher als bei Patienten ohne relevante Fistelprobleme.

Granulation

Ein Zusammenhang zwischen Veränderungen im Bereich der tracheoösophagealen Stimmfistel und einem supraösophagealen Reflux wurde auch von Pantani et al. gezeigt. Er beschreibt eine direkte Korrelation zwischen einem vermehrten Auftreten von Granulationsgewebe im Bereich der Stimmfistel bei Patienten, bei denen durch 24-h-pH-Metrie oder transnasale Ösohagoskopie eine Refluxerkrankung nachgewiesen werden konnte. Unter konsequenter Antirefluxtherapie konnte bei 78% dieser Patienten ein kompletter Rückgang des Granulationsgewebes beobachtet werden [21].

Auswirkungen des supraösophagealen Refluxes

Aufgrund der deutlichen Korrelation dem Auftreten einer Stimmfistelerweiterung und hochpathologischen Werten in der 24-h-pH-Metrie führten wir eine Risikoanalyse zum Zusammenhang Refluxerkrankung und Stimmfistelprobleme durch. Hierzu erfolgte die Aufteilung in Patientengruppen mit und ohne nachweisbare Refluxsymptomatik und die Korrelation mit den typischen Stimmfistelproblemen Granulationen, periprothetische Leckage und übermäßige Fistelerweiterung. Hierbei zeigte sich eine Risikoerhöhung für das Auftreten dieser Probleme um das 1,8- bis 2,3-fache bei vorhandenem Reflux.

Das Risiko für periprothetische Leckage ist bei supraösophagealem Reflux erhöht

Die entsprechende Analyse für eine postoperative Strahlentherapie ergab kein erhöhtes Risiko für Probleme an der Stimmfistel, ein Ergebnis, welches mit den Daten anderer Autoren übereinstimmt [10, 14, 26]. Ein Risiko für Probleme an der Stimmfistel wird jedoch von einigen Arbeitsgruppen bei einer präoperativen Strahlentherapie oder einer sekundären Stimmfistelanlage gesehen [3, 13].

Das erhöhte Risiko für Stimmshuntprobleme bei vorhandenem supraösophagealem Reflux spiegelt sich auch in der Prothesenlebensdauer wider. Die Patienten mit Refluxbeschwerden stellten sich in unserer Ambulanz im Mittel 3,6-mal jährlich zum Prothesenwechsel vor. Patienten ohne Reflux hingegen nur durchschnittlich 1,4-mal im Jahr. Patienten, die mit einer Provox-Activalve®-Stimmprothese versorgt waren, wurden in dieser Analyse nicht berücksichtigt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit der vorliegenden Studie erstmals die Bedeutung eines pathologischen supraösophagealen Refluxes für Komplikationen im Bereich der tracheoösophagealen Fistel, v. a. für eine rezidivierende periprothetische Leckage mit Fistelerweitungung, objektiv nachgewiesen werden konnte. Darüber hinaus ergaben sich Hinweise dafür, dass die Lebensdauer der Stimmprothesen durch ein Refluxgeschehen reduziert wird.

Fazit für die Praxis

Laryngektomierte Patienten zeigen zu einem hohen Prozentsatz einen supraösophagealen Reflux. Insbesondere bei Patienten mit einer Erweiterung des Stimmshunts und konsekutiver Aspirationssymptomatik zeigen sich signifikant höhere Refluxwerte. Aufgrund dieser Erkenntnisse empfiehlt es sich bei laryngektomierten Patienten, die mit einer Stimmprothese versorgt sind, eine pH-Metrie durchzuführen. Bei nachgewiesenem pathologischem Reflux sollte eine prophylaktische Behandlung mit einem Protonenpumpeninhibitor (PPI) eingeleitet werden. In weiteren Studien sollte der Effekt einer langfristigen PPI-Medikation auf die Inzidenz von Stimmshunterweiterungen überprüft werden.