Die Livedovaskulopathie als chronisch rezidivierende Erkrankung der kutanen Zirkulation gehört zu den selteneren Erkrankungen und stellt den behandelnden Dermatologen vor eine große Herausforderung. Die Diagnosefindung erfordert klinische Erfahrung, und die Therapie basiert auf systemisch eingesetzten Antikoagulanzien – eine Therapieform, die nicht jeder Dermatologe routinemäßig durchführt. Wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre haben das Krankheitsbild von den entzündlichen Vaskulitiden abgegrenzt und als eigenständige Vaskulopathie definiert. Der vorliegende Beitrag möchte das aktuelle Wissen zum Krankheitsbild der Livedovaskulopathie vermitteln und eine praktische Anleitung zur Behandlung der Patienten darstellen. Der Hautinfarkt erfordert konsequentes therapeutisches Handeln, da nur in der Frühphase irreversible Hautveränderungen vermieden werden können. Dadurch kann die Dermatologie einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität betroffener Patienten leisten.

Definition

Die Livedovaskulopathie ist eine Erkrankung mit Livedo racemosa, rezidivierenden Ulzera und weißen Narben, der aller Wahrscheinlichkeit nach eine, wenn auch bislang nicht immer definierbare, prokoagulatorische Gerinnungsstörung (Vaskulopathie) zugrunde liegt.

Epidemiologie

Die Livedovaskulopathie als Gerinnungsleiden wurde erstmalig in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Feldaker [8] beschrieben und als Livedo reticularis mit Sommerulzerationen bezeichnet. Der spätere Begriff der segmentalen hyalinisierenden Vaskulitis berücksichtigt histologische Erscheinungen der Erkrankung, stellt jedoch irreführend den entzündlichen Aspekt in den Vordergrund [2]. In der englischsprachigen Literatur findet sich das Akronym PPURPLE („painful purpuric ulcers with reticular pattern of lower extremities“), das der klinischen Beobachtung der Manifestation der Livedovaskulopathie an der unteren Extremität Rechnung trägt. Neuere englischsprachige Veröffentlichungen nutzen den Begriff „livedoid vasculopathy“, wobei auch weiterhin Publikationen mit dem Begriff „Livedo vasculitis“ existieren, die bei näherer Betrachtung das Krankheitsbild der Livedovaskulopathie beschreiben. In dem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass auch die Diagnoseverschlüsselung im ICD-10 auf Analogziffern zurückgreifen muss. Der Begriff Livedovaskulitis ist unzutreffend, da primär keine Vaskulitis vorliegt. Die ebenfalls mitunter gebrauchte Bezeichnung „idiopathische Atrophie blanche“ trägt nur dem Endbild der Erkrankung Rechnung.

Aus diesen Bedingungen ergibt sich, dass Angaben zur Inzidenz der Erkrankung auf wenig robusten Daten basieren und sich der Ruf nach einem internationalen Konsens bezüglich einer einheitlichen Nomenklatur erhöht. Es ist Ansicht des Autors, dass den betroffenen Patienten dieser seltenen Erkrankung nur effektiv geholfen werden kann, wenn Forschungsbemühungen und Therapieerfahrungen konzentriert ausgetauscht werden können. Ein Patientenregister wäre z. B. ein möglicher Lösungsansatz für dieses Problem. Für den deutschsprachigen Raum wird eine Inzidenz der Livedovaskulopathie von 1:100.000 geschätzt, im angloamerikanischen Raum wird die Erkrankung als „selten“ eingestuft, ohne dass genauere Inzidenzzahlen genannt werden [9]. Die deutschen Zahlen variieren dahingehend, dass in früheren Arbeiten zwischen der idiopathischen und symptomatischen Livedovaskulopathie unterschieden wurde, wobei Erstere unbekannter Ursache ist und Letzterer eine bekannte Ursache zugeordnet werden konnte. Es setzt sich jedoch zunehmend das Verständnis durch, dass die meisten idiopathischen Fälle aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine, wenn auch nicht immer definierbare oder noch nicht bekannte, prokoagulatorische Gerinnungsstörung zurückgehen. Durch Steigerung der diagnostischen Maßnahmen kann in den meisten Fällen eine Ursache gefunden werden kann [21]. Auch findet sich die Livedovaskulopathie als Begleiterscheinung bei Systemerkrankungen, wie z. B. dem SLE oder beim Plasmozytom. Die geringe Inzidenz der Erkrankung bedingt, dass es bisher keine Zulassungsstudien für die Therapie der Erkrankung gegeben hat und sich der behandelnde Arzt stets im „Off-label-Bereich“ bewegt.

Die dünnen epidemiologischen Daten lassen dennoch erkennen, dass die Livedovaskulopathie einen deutlichen Inzidenzhang zum weiblichen Geschlecht aufweist. Die Verteilung liegt bei 3:1. Hinsichtlich der Altersverteilung lag bei einer Untersuchung mit 42 Patienten das mittlere Alter bei 45 Jahren. Allerdings werden auch junge Patientinnen beschrieben (10 Jahre), und in der eigenen Erfahrung tritt die Erkrankung häufig ab der späten Jugend bis vor dem 30. Lebensjahr auf [11]. Erschreckend ist dabei, dass der Weg vom ersten Symptom bis zur Diagnosestellung sehr lang ist und in eigener Beobachtung von Patientenschicksalen bei ~5 Jahren liegt. Die in der Zeit bis zur Diagnosestellung auftretenden Ulzerationen und nachfolgende irreversible Atrophie blanche mit teilweise entstellendem Ausmaß manifestiert die diagnostische und therapeutische Unsicherheit mit diesem Krankheitsbild. In Analogie zum geflügelten Wort „time is brain“ und „time is muscle“ bei zentralvaskulären Ischämien bei Schlaganfall und Herzinfarkt, sollte sich auch das Verständnis „time is skin“ beim Hautinfarkt durchsetzen. Insbesondere die jüngeren Patienten profitieren dabei von einer zeitigen Diagnosestellung [10].

Klinische Erscheinungsformen

Die Livedovaskulopathie im Vollbild ist gekennzeichnet durch die Trias von Livedo racemosa, Ulzerationen und der Atrophie blanche (Abb. 1, Abb. 2). Das Erscheinungsbild ist dynamisch und muss nicht stetig alle 3 Charakteristika aufweisen. Die Livedo racemosa deutet auf eine gestörte Perfusion der kutanen Mikrozirkulation hin und ist als Neigung zur Livedovaskulopathie zu bewerten. Akute Ulzerationen manifestieren sich als Folge von kutanen Ischämien mit konsekutiver Unterversorgung der darüberliegenden Hautschichten. Die Atrophie blanche als „Endprodukt“ des Hautinfarktes ist irreversibel, begleitende postinflammatorische Hyperpigmentierungen können im weiteren Zeitverlauf teilresorbiert werden. Am Körper manifestiert sich die Erkrankung fast ausschließlich an der unteren Extremität und dort am allerhäufigsten im Bereich der Fußknöchel mit Ausläufern auf den Fußrücken und den distalen Unterschenkel. Abgeschlagenheit oder generelles Unwohlsein werden von betroffenen Patienten nicht angegeben. Diagnostische Maßnahmen aus dem angiologisch-phlebologischen Bereich liefern in der Regel keine wegweisenden Erkenntnisse. Viel aussagekräftiger ist die vom Patienten beschriebene Wahrnehmung streng lokalisierter brennender Schmerzempfindungen in der Malleolarregion, die der Manifestation in Form von Ulzera vorangehen können (Angina cutis ). Diese Prodromalphase ist von großer Bedeutung, da in dieser Phase das Vollbild des ischämischen Hautinfarktes mit konsekutiver Narbenbildung noch verhindert werden kann.

Abb. 1
figure 1

Vollbild der Livedovaskulopathie bei Zustand nach multiplen Schüben mit frischen Ulzerationen, Atrophie blanche und postinflammatorischen Hyperpigmentierungen. Die Diagnose Livedovaskulopathie wurde erst im 6. Erkrankungsjahr durch den Dermatologen gestellt. Unter systemischer Antikoagulation sind keine neuen Hautinfarkte mehr aufgetreten

Abb. 2
figure 2

Krustös belegte Ulzerationen der Malleolarregion in blitzfigurenartiger Anordnung. Im Fesselbereich und Fußrücken auch Livedo-racemosa-Zeichnung erkennbar. Porzellanweiße Atrophie blanche am proximalen Ende weisen auf frühere Infarkte hin. Der Hautinfarkt verursacht einen starken lokalen Schmerz bei der Patientin

Die Frage nach der Notwendigkeit einer „Durchuntersuchung“ auf systemische Beteiligung muss nach derzeitigem Kenntnisstand verneint werden, da die Livedovaskulopathie ausschließlich die kutane Zirkulation befällt. Die Erkrankung stellt keine Bedrohung für einen Verlust der betroffenen Extremität noch für eine verminderte Lebenserwartung dar.

Im aktuellen Verständnis ist die Livedovaskulopathie eine regionale Dermatose der unteren Extremität mit einem Manifestationsmaximum im Bereich der Knöchel und Fußrücken. Sie zeigt einen chronisch rezidivierenden Verlauf und markiert die Haut durch Atrophie-blanche-Narben. Die charakteristischen Hautsymptome werden im Folgenden detailliert beschrieben.

Livedo racemosa (Disposition)

Unter Livedo racemosa werden dunkelrote livide Flecken verstanden, die in unregelmäßiger Struktur auf der Haut sichtbar werden. Durch Druck mit dem Glasspatel lassen sie sich vorübergehend entfernen. Auch die Umgebungstemperatur verändert die Intensität der Zeichnung. Die Ausprägung der Livedo racemosa zeigt einen wechselhaften Verlauf im Rahmen der Krankheitsdauer und ist bei einigen Patienten nur sehr schwach ausgeprägt. Die Livedozeichnung ist Folge einer verminderten Sauerstoffsättigung des in diesem Areal (eingeschränkt) zirkulierenden Blutes. Terminologisch abgegrenzt, beschreibt eine Livedo reticularis ein homogenes Netzmuster, das z. T. die gesamte Extremität befällt und insbesondere bei Kälte durch physiologische Strömungsverlangsamung auftritt (Stichwort: Cutis marmorata). Die bei der Livedo racemosa auftretenden Gefäßzeichnungen sind unvollständig geschlossene Netzmaschen, da durch benachbarte Gefäßregionen die Minderperfusion zumindest teilweise kompensiert werden kann.

Ulzerationen (akute Manifestation)

Die durch die Livedo-racemosa-Zeichnung angedeutete Minderperfusion führt im Falle der kritischen Ischämie zu einem Perfusionsabfall mit konsekutivem Hautinfarkt. Der Ausfall der arteriellen Versorgung führt zur Gewebsnekrose. Der Prozess vom Ischämieschmerz bis zum Infarkt dauert 1–3 Tage und wird von vielen Patienten als Prodromalphase erlebt. In diesem Fenster ist es noch möglich, die Infarzierung therapeutisch zu verhindern. Wird die kritische Ischämiephase überschritten, kommt es zur Nekrose , z. T. auch mit hämorrhagischen Blasen, deren epidermales Dach sich fetzig ablöst. Durch Kontraktionen des Wundrandes wird ein ulzerativer Krater sichtbar, dessen Randwall die Trennung zum gesunden Gewebe darstellt. Eine schorfige Kruste belegt die Ulzeration, die im Zuge des Gewebeumbaus abgestoßen wird und das reorganisierte Gewebe freilegt.

Atrophie blanche (chronische Manifestation)

Am Ende des Umbauprozesses der kutanen Ulzerationen zeigt sich bei der Livedovaskulopathie die für die Erkrankung typische Atrophie blanche (Abb. 2). Dabei handelt es sich um porzellanfarbene, sternförmige Läsionen. In ihrer Umgebung finden sich häufig postinflammatorische Hyperpigmentierungen, seltener auch teleangiektatische Randsäume. Differenzialdiagnostisch wird eine Atrophie blanche auch im Rahmen der chronisch venösen Insuffizienz beobachtet. Diese Fälle lassen sich aber bei fehlender Racemosa-Zeichnung gut voneinander abgrenzen. Die Atrophie blanche wird auch als Capillaritis alba bezeichnet [17].

Klinisches Gesamtbild

Die hier genannten Kriterien finden sich im klinischen Vollbild parallel nebeneinander in unterschiedlicher Ausprägung der Stadien (Abb. 1). Es versteht sich, dass das Auftreten der Spätfolgen nur verhindert werden kann, wenn die erste Phase konsequent therapiert wird. Im Zeitalter einer fachspezialisierten Medizin ist es eine besondere Herausforderung, ein Krankheitsbild mit hämostaseologischem pathogenetischem Hintergrund in der Dermatologie zu behandeln.

Histologie

Da die Histologie für die Differenzialdiagnosen bedeutsam ist, sollte sie an sorgsam ausgewählter Stelle durchgeführt werden. Spindelförmige tiefe Proben bis zur Faszie aus erkrankter und klinisch gesunder Haut sind für eine sichere Diagnostik nötig. Charakteristisch für die histologische Diagnose einer Livedovaskulopathie ist der Nachweis von okkludierten Gefäßen in den Schichten der oberen und mittleren Dermis ([12], Abb. 3). Die möglicherweise noch vorhandenen Gefäßlumina sind mit fibrinoiden Ausgüssen gefüllt, oder zeigen bereits eine vollständige fibrinoide Wanddegeneration. Wichtig ist, dass sich kein bzw. ein nur sehr diskretes perivaskuläres entzündliches Infiltrat nachweisen lässt. Wird die Biopsie im fortgeschrittenen Stadium durchgeführt, kann sich mitunter eine sekundäre entzündliche Infiltration zeigen. Diese reflektiert jedoch die bindegewebige Umorganisation der Nekrosezone und stellt keine Primärmanifestation der Vaskulopathie dar. Bei Gefäßdestruktionen werden auch extravaskuläre Erythrozyten im Zuge der Mikrohämorrhagien beobachtet. Eine Hyalinisierung der Dermis und Kapillarwände kennzeichnet weiterhin die Atrophie blanche. Auch wenn sich in der Immunfluoreszenz gelegentlich Immunglobuline und Komplementablagerung nachweisen lassen, muss erinnert werden, dass sich diese Konstellation an der unteren Extremität häufig auch als unspezifische Begleiterscheinung nachweisen lässt. Sie ist daher nicht zwingend diagnostisch richtungsweisend.

Abb. 3
figure 3

Histologische Ansicht der Livedovaskulopathie. Die Gefäße in den Papillenspitzen sind wandverdickt und weisen eine fibrinoide Wanddegeneration auf, teils sind die Gefäßlumina mit fibrinoiden Ausgüssen gefüllt. Perivaskulär entzündliche Infiltrate sind kaum zu finden.

Pathogenese

Die Aufklärung der Pathogenese der Livedovaskulopathie bis auf die molekulare Ebene ist noch Gegenstand aktueller Forschungsbemühungen. Dennoch gilt als gesichert, dass es sich um eine Okklusionserkrankung mit konsekutiver Ischämie der kutanen Mikrozirkulation handelt [4, 14, 19]. Die thrombotischen Verschlüsse liegen dabei in den Gefäßen der oberen und mittleren Dermis, welche die Versorgungsgrundlage der kutanen Mikrozirkulation darstellen. In der Folge kommt es dann zur kutanen Ischämie und Infarzierung. Bei einer Großzahl der Patienten lassen sich nach intensivierter Diagnostik dementsprechend auch abnorme Gerinnungsparameter detektieren, die eine überschießende Thrombosierung begünstigen. In Tab. 1 ist eine Liste derjenigen Marker dargestellt, die bisher als prothrombotische Marker mit einer Livedovaskulopathie assoziiert werden konnten. Darunter sind Moleküle, die direkt die Gerinnungsbereitschaft erhöhen (z. B. Protein-C-Mangel) als auch die physiologische Thrombolyse reduzieren (PAI-1-Polymorphismus). Die bis dato größte Untersuchung in diesem Zusammenhang wurde an der Mayo Clinic durchgeführt, wobei retrospektiv die Gerinnungsparameter von 45 Patienten gescreent wurden [4]. In 42% der Fälle ließen sich prothrombotische Anomalien festhalten, wobei Antikardiolipinantikörper am häufigsten detektiert wurden. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Suche nach prothrombotischen Markern auch erfolglos verlaufen kann, und in Anbetracht der Analysekosten wird vorgeschlagen, die Labordiagnostik kooperativ mit einem spezialisierten Zentrum durchzuführen. Die Herausforderung der Diagnostik besteht darin, dass die prothrombotischen Marker alleine die Diagnose Livedovaskulopathie nicht erlauben und nur in der klinischen Zusammenschau valide sind. Bezüglich der Mikrothrombosierung gilt auch bei der Livedovaskulopathie die Virchow-Trias aus

  • Änderung der Blutzusammensetzung,

  • Änderung der Gefäßwand und

  • Änderung des Strömungsverhaltens.

Der Kombination aus Perfusionsdruck und Temperatur im Bereich der unteren Extremität scheint eine besondere Bedeutsamkeit zuzukommen, da sich die Erkrankung nur in dieser Region manifestiert, die Blutzusammensetzung aber selbstverständlich systemisch dieselbe ist. Ein Erklärungsmodell belegt, dass im Gewebe der unteren Extremität eine geringere Konzentration von thrombolytischen Faktoren vorliegt und daraus eine erhöhte Thromboseneigung resultiert [6]. Bezüglich der assoziierten Risikofaktoren für eine Livedovaskulopathie gilt anzumerken, dass individuelle Triggerfaktoren ebenfalls auftreten müssen, da nur ein geringer Anteil der Patienten mit z. B. Protein-C-Mangel eine manifeste Livedovaskulopathie erfährt.

Tab. 1 Livedovaskulopathie-assoziierte prothrombotische Marker. Abklärung in Zusammenarbeit mit spezialisierten Gerinnungszentren empfohlen

Es bleibt abzuwarten, welche Risikofaktoren durch weitere Untersuchungen identifiziert werden können. Als jüngstes Mitglied konnte durch uns das Lp(a) als Risikofaktor beschrieben werden [7, 11]. Lipoprotein a [Lp(a)] ist ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse. Lp(a) inhibiert durch seine Strukturhomologie zum Plasmin die Fibrinolyse und erhöht somit das kutane Infarktrisiko durch Hemmung der körpereigenen Thrombolyse.

Differenzialdiagnosen

Theoretisch könnte jedwede Form des Ulcus cruris einer Livedovaskulopathie ähneln, und somit ist die Liste der Differenzialdiagnosen der Livedovaskulopathie lang. Zur sicheren Diagnose der Livedovaskulopathie tragen die genaue Anamnese des Krankheitsverlaufs, der rezidivierende Charakter mit zwischenzeitigen Remissionsphasen sowie die Biopsie einer Hautläsion im akuten Stadium bei. Ergänzt durch die Laboruntersuchung assoziierter prothrombotischer Risikofaktoren (Tab. 1) lässt sich die Erkrankung gut abgrenzen. Die Abgrenzung zur Panarteriitis nodosa (PAN) kann klinisch zunächst komplizierter sein, ist bei passender Biopsiestelle histologisch jedoch nicht schwierig. Hier bestehen im Idealfall zusätzlich tastbare subkutane schmerzhafte Knötchen, die der evtl. Ulzeration vorangehen. Therapieerfolge mit Steroiden weisen auf PAN hin und schließen eine Livedovaskulopathie quasi aus. Atrophie blanche bei chronisch venöser Insuffizienz hat einen protrahierten zeitlichen Verlauf (Tab. 1, Differenzialdiagnosen). Die hier gemachten Angaben beziehen sich auf die idiopathische Livedovaskulopathie. Livedovaskulopathie-artige Läsionen finden sich gelegentlich auch als Sekundärphänomen bei Autoimmunerkrankungen und Tumorerkrankungen, wie z. B. SLE und Myelomen, die eine gesonderte diagnostische Abklärung erforderlich machen.

Therapie

Die Therapie der Livedovaskulopathie ist dringend indiziert und stellt die einzige Möglichkeit dar, weitere narbige Umwandlung in der Haut der Malleolarregion zu verhindern. Insbesondere im Prodromalstadium lässt sich die Manifestation eines Hautinfarktes stoppen. Einige Patienten geben an, dass begleitende Maßnahmen wie Kompressionsbestrumpfung und Meidung massiver Temperaturwechsel den Staseaspekt positiv beeinflussen. Einige Patienten profitieren auch von der topischen Applikation durchblutungsfördernder Formulierungen. Die zugrunde liegende Gerinnungsneigung bleibt von diesen Maßnahmen jedoch ausgespart. Die größte Behandlungserfahrung im deutschsprachigen Raum liegt bezüglich des Einsatzes von niedermolekularem Heparin vor. In der Dosierung von 1 mg/kgKG s.c. (bei Enoxaparin) täglich lässt sich für die Mehrzahl der Patienten ein befriedigendes Ergebnis erzielen [10, 13, 21]. In Phasen gesteigerter ischämischer Attacken ist ggf. eine Dosissteigerung in den therapeutischen Bereich von 1 mg/kgKG morgens und abends notwendig. Im Praxisalltag sieht es so aus, dass den Patienten empfohlen werden sollte, ein Schmerztagebuch zu führen. Bei dokumentiertem Anstieg der Schmerzen in einem Schmerztagebuch (VAS-Score) wird die Antikoagulation forciert, in Ruhephasen kann die Therapie vorübergehend pausieren (Abb. 4). Die typische Ansprechzeit zwischen Spritzengabe und Schmerzreduktion liegt bei 2–4 Tagen. Das Nebenwirkungsprofil der niedermolekularen Heparine ist günstig und die Gefahr z. B. einer Osteoporose gering [20]. Auch der Einsatz bei Kindern ist möglich [11]. Die Möglichkeit einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) muss genauso bedacht werden wie eine Dosisadaptation bei Niereninsuffizienz [18]. Leberwertentgleisungen können ebenfalls zur Therapiepause zwingen. Die multiplen Angriffspunkte der Heparine in die Thrombinsynthese rechtfertigen ihren Einsatz bei der Livedovaskulopathie unterschiedlicher Genese. Alternativ steht auch eine Marcumar-Therapie – in der Literatur belegt – zur Auswahl [3]. Hierbei gelten die grundsätzlichen Überlegungen zur Notwendigkeit der Therapieüberwachung (INR 2,5–3,5), und die Therapie greift nur bei Störung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren. Liegt nachweislich eine Störung der Methylentetrahydrofolat-Reduktase vor, wird der Homozysteinstoffwechsel beeinträchtigt, und somit ist die Gabe von Folsäure indiziert [16]. Folsäure und Vitamin B12 werden benötigt, um den Homozysteinspiegel zu normalisieren. Eine begleitende Antikoagulation kann dennoch erforderlich sein. Der Einsatz von Fibrinolytika ist in der Literatur auch beschrieben. Dieser experimentelle Ansatz sollte aber Spezialzentren vorbehalten sein und auch im Hinblick auf den zurückhaltenden Einsatz dieser Therapieform bei der tiefen Beinvenenthrombose aufgrund der großen Hämorrhagiegefahr unter strengster Indikationsstellung verfolgt werden [5]. Experimentelle Daten belegen den Nutzen von Immunglobulinen bei der Livedovaskulopathie [1, 15]. Da Immunglobuline zunächst eine Viskositätssteigerung des Blutes bewirken, bleibt nach Auffassung des Autors die Frage unbeantwortet, ob die Immunglobuline ggf. sekundär im Entzündungsstadium ihre Wirksamkeit entfalten. Dieser kostenintensive Behandlungsansatz sollte Einzelfällen als Ultima Ratio vorbehalten bleiben.

Abb. 4
figure 4

Verlaufskurve der Schmerzintensität einer Patientin mit Livedovaskulopathie. Enoxaparin-Gabe führt zu einer prompten und andauernden Reduktion der Schmerzen. Im Auslassversuch rasches Rezidiv, das auf erneute Therapie anspricht

Bei Auftreten der Livedovaskulopathie empfiehlt sich eine 1-monatige Antikoagulation, bevor ein Auslassversuch gestartet werden sollte. Steigt darunter der Schmerzpegel wieder an, sollte sofort wieder antikoaguliert werden. Zur Schmerzreduktion können Antiphlogistika eingesetzt werden. Bei dauerhaftem Einsatz wird dadurch aber das Warnsignal Schmerz ausgeschaltet und eine Steuerung der Antikoagulation erschwert. Ein Therapieerfolg durch systemische Steroidgabe sollte Anlass zur Überprüfung der Diagnose geben. Dieses in der Dermatologie beliebte Therapeutikum ist zur Behandlung der Vaskulopathie nicht geeignet.

Fazit für die Praxis

  • Die Livedovaskulopathie als chronisch rezidivierender Hautinfarkt stellt hohe Ansprüche an die diagnostischen und therapeutischen Fertigkeiten des behandelnden Dermatologen.

  • Auch wenn noch nicht alle Schritte zur Pathogenese aufgeschlüsselt werden konnten, so hilft die Einordnung als Vaskulopathie bei der Rechtfertigung der gerinnungshemmenden Therapie.

  • Die Diagnose stellt sich aus der Zusammenschau des klinischen Befundes, der eindeutigen Anamnese und dem Ergebnis der Biopsie.

  • Es empfiehlt sich, die umfangreiche Gerinnungsdiagnostik in Zusammenarbeit mit spezialisierten Gerinnungsambulanzen durchzuführen.

  • Nur wer die Livedovaskulopathie differenzialdiagnostisch erwägt, kann diese seltene Diagnose auch stellen.

  • Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist noch kein Therapeutikum offiziell zugelassen mit der Konsequenz einer stetigen „Off-label-Therapie“. Hier wäre der Aufbau eines entsprechenden Patientenregisters ein möglicher Schritt zur Besserung der aktuellen Situation.

  • Durch eine konsequente Antikoagulationstherapie kann das Krankheitsbild positiv beeinflusst werden.

Der Autor begrüßt ausdrücklich die Kontaktaufnahme bei Fallanfragen und steht für Rückfragen zur Erkrankung gerne zur Verfügung (tobias.goerge@ukmuenster.de).

CME-Fragebogen

Welche Aussage zur Diagnostik der LV ist falsch ?

Die Diagnose wird aus Zusammenschau von klinischen, histologischen und laborchemischen Befunden gestellt.

Nicht selten können Antikardiolipinantikörper detektiert werden.

Der Nachweis einer Faktor-V-Mutation ist mit einer LV assoziiert.

In der Biopsie zeigt sich kaum ein entzündliches Infiltrat.

Angiologisch-phlebologische Untersuchungen sind wichtigste Träger der Diagnostik.

Welche Befunde gehören nicht klassischerweise zum Krankheitsbild der Livedovaskulopathie?

Livedo racemosa

Weiße Narben

Rezidivierende Ulzera

Zugrunde liegende prokoagulatorische Gerinnungsstörung

Livedo reticularis

Welche Aussage ist charakteristisch für die LV?

Zwischen Erstmanifestation und Diagnose vergeht wenig Zeit.

Die Erkrankung ist lebensbedrohlich.

Die Erkrankung ist mit deutlichen Schmerzen verbunden.

Die Erkrankung ist selbstlimitierend und heilt rückstandslos ab.

Eine saisonale Schwankung der Erkrankung wird nicht beobachtet.

Welche der folgenden Aussagen zur Histopathologie der LV ist richtig?

Fibrinoide Ausgüsse an den Gefäßwänden und Gefäßokklusionen zeigen sich in der histologischen Untersuchung.

Immunglobulinablagerungen an der Gefäßwand in der direkten Immunfluoreszenz beweisen das Vorliegen einer LV.

Die Gefäßverschlüsse betreffen vorwiegend die größeren Gefäße der tiefen Dermis.

Zur Diagnosesicherung reicht die Entnahme einer oberflächlichen Hautstanze.

Es finden sich ausgeprägte Muzinablagerungen in der gesamten Dermis.

Welche der folgenden Aussagen zur Therapie der LV ist richtig?

Eine systemische Antikoagulation ist zur Behandlung der LV indiziert.

Mittel der ersten Wahl ist der Einsatz von Antithrombin-III.

Steroide lokal und systemisch sind dringend zur Behandlung indiziert.

Der Einsatz von niedermolekularem Heparin (Enoxaparin) erfolgt in der Regel in einer Dosierung von 50 mg/kg KG.

Das Tragen von Kompressionsstrümpfen sollte unbedingt unterbleiben.

Welche der folgenden Aussagen zur LV ist falsch ?

Die Erkrankungshäufigkeit liegt ungefähr bei 1:100.000.

Die Erkrankungshäufigkeit liegt bei 1:10.000.000.

Männer sind in unter 50% der Fälle betroffen.

Bei Kindern wird die Erkrankung auch beobachtet.

Eine gestörte Gerinnung ist Grundlage der LV.

Welches ist das erste Stadium der LV?

Atrophie blanche

Minderperfusion der kutanen Mikrozirkulation

Ulzeration

Krustenbildung

Purpura jaune d’ocre

Welche Aussage ist falsch ? Die LV wird gefunden in Zusammenhang mit …

Protein-C-Mangel

Thrombozytopenie

Homozysteinämie

Antithrombin-III-Mangel

Folsäuremangel

Welche Aussage zur LV ist falsch ?

Die Livedovaskulopathie wird oft von starkem lokalem Schmerz begleitet.

Eine konsequente Antikoagulation kann den Schmerz nehmen.

Patienten mit Livedo-racemosa-Zeichnung stehen im Risiko, eine LV zu entwickeln.

Die Erkrankung manifestiert sich meist an den oberen Extremitäten.

Postinflammatorische Hyperpigmentierungen können im weiteren Verlauf teilresorbiert werden.

Welche Aussage zu den Systemzeichen bei LV ist richtig?

Schwindel, Kopfschmerz, transitorische ischämische Attacken treten häufig auf.

Es kommt nicht selten zu Nierenversagen.

Es kann zur Retinopathie kommen.

Gastrointestinale Blutungen treten häufig auf.

Abgeschlagenheit oder generelles Unwohlsein werden von den Patienten in der Regel nicht angegeben.