Diese Übersicht hat das Ziel, den aktuellen Wissensstand zur Begleitmedikation und Pharmakoprophylaxe bei SIT darzustellen und Empfehlungen für den klinischen Alltag zu formulieren. Wegen fehlender Daten zur Begleitmedikation bei sublingualer Immuntherapie (SLIT) beziehen sich die dargestellten Sachverhalte im Wesentlichen auf die subkutane Immuntherapie (SCIT). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die hier dargestellten Ausführungen analog auch auf die SLIT anzuwenden sind.

Grundsätzlich ist bei der in zeitlichem Zusammenhang zur allergenspezifischen Immuntherapie (SIT) angewendeten Medikation zwischen Substanzen zu unterscheiden, die vom Patienten unabhängig von der SIT angewendet werden (Begleitmedikation), und solchen, die gezielt zur Vermeidung von unerwünschten Nebenwirkungen der SIT verabreicht werden (Pharmakoprophylaxe). Während bei der Begleitmedikation stets kritisch zu hinterfragen ist, ob ein ungünstiger Effekt auf Nebenwirkungen oder Wirksamkeit der SIT möglich ist, sind für zur Pharmakoprophylaxe verabreichte Arzneistoffe Daten zur Wirksamkeit in Bezug auf Verringerung von Nebenwirkungen zu fordern. Um eine bessere Verträglichkeit einer SIT zu erreichen, ist eine Pharmakoprophylaxe nur eine von mehreren Vorgehensweisen [33].

Pharmakoprophylaxe

H1-blockierende Antihistaminika

Prävention von Nebenwirkungen der SIT

In mehreren kontrollierten Studien wurde der Effekt einer Pharmakoprophylaxe mit H1-blockierenden Antihistaminika bei Einleitung der SIT mit Aeroallergenen oder Insektengiften mittels Cluster- oder Ultra-Rush-Schema untersucht. Eingesetzt wurden verschiedene Substanzen: das heute in vielen Ländern vom Markt genommene Terfenadin [2, 3, 23, 39], Loratadin 10 mg [25], Fexofenadin in einer Dosis von 60 mg [26] oder 180 mg [29] und Levocetirizin 5 mg [24]. Noch ausstehend sind Studien mit neueren Antihistaminika, wie z. B. dem Rupatadin, das neben den H1-Rezeptoren auch PAF-Rezeptoren blockiert und dadurch möglicherweise besondere Vorteile in der Prävention von anaphylaktischen Reaktionen hat.

In einer doppelblinden placebokontrollierten Studie mit 45 Probanden reduzierte eine Prämedikation mit Loratadin 10 mg 2 h vor Injektion eines Birkenpollen- bzw. Gräserpollendepotextrakts signifikant die Häufigkeit und Schwere systemischer Reaktionen der SIT mit einem Cluster-Schema [25]. In der Loratadin-Gruppe zeigten 33% systemische Reaktionen auf die SIT, in der Placebogruppe 79% (p=0,002). Es gab keine Hinweise, dass Loratadin schwere systemische Reaktionen maskiert oder das zeitliche Auftreten verzögert.

Müller et al. [24] zeigten in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie an 54 Patienten, dass die Gabe von 5 mg Levocetirizin in Vergleich zu Placebo 2 Tage vor SCIT mit Bienengift zu einer signifikanten Reduktion systemischer Reaktionen führte. Das Auftreten schwererer SAR bei kann durch H1-blockierende Antihistaminika aber nicht verhindert werden [4, 29, 34].

In den meisten Studien wurden die H1-Antihistaminika 1–2 h vor der ersten Injektion verabreicht. Möglicherweise könnte der Effekt verbessert werden, wenn mit der Antihistaminikaeinnahme früher, z. B. bereits am Vortag oder entsprechend der Pharmakokinetik einige Tage vor Hyposensibilisierung, begonnen werden würde.

Neben der Reduktion der Nebenwirkungen besteht ein weiterer Vorteil einer Pharmakoprophylaxe mit einem H1-Antihistaminikum darin, dass ein höherer Anteil der Patienten die angestrebte Erhaltungsdosis erreichen konnte [26]. Gerade weil es häufig Compliance-Probleme bei mehrjähriger SIT gibt und die Compliance wesentlich durch das Auftreten von Nebenwirkungen mitbestimmt wird [14], könnten H1-blockierende Antihistaminika möglicherweise geeignet sein, die Compliance wesentlich zu verbessern.

Orale H1-Antihistaminika können als Prämedikation bei SIT empfohlen werden

Die Zusammenfassung der Studien ist methodisch zwar nicht unproblematisch, da als Prämedikation nicht nur unterschiedliche Antihistaminika verwendet wurden, sondern auch die SIT mit Behandlungsextrakten verschiedener Hersteller und zum Teil mit als besser verträglich geltenden Depotpräparaten oder hochaufgereinigten Präparaten durchgeführt wurde. Auch die unterschiedlichen Allergenquellen können Unterschiede in der Verträglichkeit bewirken. Trotz dieser Ausgangssituation kann jedoch festgehalten werden, dass ausreichend Evidenz vorliegt, um orale H1-Antihistaminika als Prämedikation bei SIT zu empfehlen: Sowohl bei SIT mit Insektengiften [4, 29] wie auch Pollenallergenen [14, 27] führt die orale Gabe eines H1-blockierenden Antihistaminikums zu einer Reduktion sowohl von örtlichen wie auch leichten, auf die Haut beschränkten systemischen Nebenwirkungen.

Obwohl bislang keine Daten zur Pharmakoprophylaxe speziell bei SLIT vorliegen, wird analog auch zur Vermeidung der anfänglich häufigen unerwünschten Lokalreaktionen an der Mundschleimhaut eine systemische Prämedikation mit einem Antihistaminikum empfohlen [12].

Effekte auf die Wirksamkeit der SIT

Histamin ist nicht nur der wichtigste Mediator allergischer Soforttypreaktionen, sondern ist auch entscheidend beteiligt bei der Regulation der Zielzellen der SIT, den antigenspezifischen und regulatorischen T-Zellen. Somit ist denkbar, dass ein Antihistaminikum während SIT auch die Wirksamkeit der SIT beeinflusst.

Im Tierexperiment führte die Gabe von Clemastin zu einer reduzierten Effektivität einer Bienengift-SIT bei sensibilisierten Mäusen [11]. Bei mit Insektengift-SIT behandelten Patienten fand sich dagegen kein Hinweise für eine mögliche Wirkungsabschwächung durch Levocetirizin, was durch die Ergebnisse einer Bienenstichprovokation belegt wurde [24]. Umgekehrt gab es aber auch keinen Beleg für eine bessere klinische Wirksamkeit unter Prämedikation mit einem H1-Antihistaminikum, auch wenn einige Unterschiede in immunologischen Parametern während SIT zu beobachten waren, die so etwas nahelegen könnten. So fand sich in der mit Levocetirizin behandelten Gruppe ein deutlicherer Anstieg von IL-10, weiter verhinderte das Antihistaminikum die Abnahme der Histamin-Rezeptor-1/Histamin-Rezeptor-2-Ratio an allergenspezifischen T-Zellen. Die Autoren schlussfolgerten, dass Levocetirizin unerwünschte Nebenwirkungen der Bienengift-SIT reduziert, ohne die Effektivität zu beeinflussen.

Um den Effekt von H1-Antihistaminika auf immunologische Modulation und die klinische Wirksamkeit der SIT zu untersuchen, sind allerdings noch weitere Studien erforderlich.

H2-blockierende Antihistaminika und Kombinationstherapien

Ein günstiger Effekt einer Pharmakoprophylaxe mit H2-Antihistaminika ist nicht belegt: Die kombinierte Behandlung mit Terfenadin und Ranitidin reduzierte die unerwünschten Nebenwirkungen einer Hymenopterengift-SIT nicht besser als Terfenadin allein [3].

Die Pharmakoprophylaxe mit Prednison, H1- und H2-Antihistaminikum bei Rush-SIT mit Inhalationsallergenen in einer doppelblinden placebokontrollierten Studie an 22 Kindern reduzierte die Rate systemischer Reaktionen von 73 auf 27% [27]. In einer anderen Untersuchung wurde eine Kombination aus Antihistaminika, Kortikosteroiden und Theophyllin [10] bei Hyposensibilisierung mit einem Pollenextrakt angewendet und führte ebenfalls zu einer signifikanten Reduktion der systemischen Nebenwirkungen gegenüber Placebo. Da allerdings schon H1-blockierende Antihistaminika effektiv sind, ist der Vorteil zusätzlicher Medikamente nicht abschätzbar, systematische Untersuchungen zur Wirkung unterschiedlicher Kombinationen fehlen. Derzeit können H2-blockierende Antihistaminika in der Pharmakoprophylaxe bei SIT nicht empfohlen werden.

Leukotrienrezeptorantagonist

In einer Pilotstudie mit sehr kleiner Fallzahl reduzierte die Pharmakoprophylaxe mit dem Leukotrienrezeptorantagonisten Montelukast im Vergleich zu Placebo signifikant verstärkte örtliche Reaktionen bei Hyposensibilisierung mit Insektengiften und wirkte besser als ein H1-blockierendes Antihistaminikum [43]. Ein Unterschied hinsichtlich des Juckreizes ergab sich dagegen nicht. Bisher fehlen allerdings weitere Studien, um die Wirkung von Leukotrienrezeptorantagonisten zur Verringerung von Nebenwirkungen der Hyposensibilisierung besser einschätzen zu können. Aktuell ist die Datenlage nicht ausreichend, um Montelukast als Pharmakoprophylaxe bei SIT zu empfehlen

Omalizumab

Der Anti-IgE-Antikörper Omalizumab ist ein rekombinanter humanisierter monoklonaler Anti-IgE-Antikörper, der für die Behandlung des perennialen allergischen Asthma bronchiale zugelassen ist. Die Pharmakoprophylaxe mit Omalizumab reduziert Serum-IgE und FcεRI-Rezeptoren auf dendritischen Zellen, Mastzellen und Basophilen. Es besteht ein Risiko anaphylaktischer Reaktionen auf Omalizumab (0,09–0,2% der Patienten; [6]), das bei Patienten mit anaphylaktischer Reaktionslage besonders zu beachten ist.

In kontrollierten Studien wurde gezeigt, dass Omalizumab Nebenwirkungen der SIT mit Aeroallergenen reduziert. So traten nach einer 9-wöchigen Vorbehandlung mit Omalizumab während einer Rush-SIT mit einem Ragweed-Pollenextrakt signifikant weniger systemische allergische Reaktionen auf [5]. Eine Studie mit 248 trotz Glukokortikoidtherapie schlecht kontrollierten Patienten mit perennialem Asthma bronchiale zeigte, dass Omalizumab die Rate systemischer Reaktionen bei Cluster-SIT mit Hausstaubmilben- oder Tierepithelienextrakt halbierte [21]. Auch kommt es durch die Kombination einer SIT mit Omalizumab offensichtlich zu einer Verbesserung der Wirksamkeit der SIT. So wurde die Effektivität von Omalizumab bei moderatem persistierendem, allergischem Asthma und allergischer Rhinitis in Kombination mit SIT mit verschiedenen Inhalationsallergenen bei Erwachsenen und Kindern gut belegt [5, 13, 17, 19, 31]. Die zusätzliche Gabe von Omalizumab vor und während der Pollensaison [16, 31] bzw. parallel zur Erhaltungstherapie [19] führte zu einer verbesserten Symptom- und Asthmakontrolle von Kindern und Jugendlichen. Ob die positiven Effekte langfristig bestehen bleiben, auch wenn Omalizumab abgesetzt wird, ist bislang nicht untersucht. Angesichts der hohen Kosten für Omalizumab und der fehlenden Zulassung für diese Indikation ist aktuell ein Einsatz dieses Präparats als Pharmakoprophylaxe bei SIT mit Aeroallergenen kaum vorstellbar.

Bei einer lebensbedrohlichen allergischen Reaktion kann Omalizumab eingesetzt werden

Bei einer potenziell lebensbedrohlichen allergischen Reaktionslage ist dies jedoch anders zu beurteilen. Kasuistisch wurde bereits gezeigt, dass bei Patienten mit wiederholten mittelschweren bis schweren anaphylaktischen Reaktionen auf eine Insektengift-SIT durch eine Vorbehandlung mit Omalizumab eine Verträglichkeit der Behandlung erzielt werden kann [1, 8, 15, 20, 35, 40, 42]. Eine formale Studie wurde nicht durchgeführt. Während in 3 Fällen lediglich eine 1-malige Omalizumab-Gabe vor der Einleitungstherapie mit Insektengift erfolgte, wurde in 2 Fällen 3- bis 5-mal Omalizumab verabreicht und in 2 Fällen monatlich (über 7 bzw. 24 Monate) während der Erhaltungstherapie. Nicht in allen Fällen konnte durch Omalizumab die Verträglichkeit einer Insektengift-SIT erreicht werden [36], und in einigen Fällen wurde die SIT nur unter fortwährender Gabe von Omalizumab weiter vertragen [8, 15].

Wenn bei Patienten mit Insektengiftallergie aufgrund wiederholter schwerer Reaktionen die SIT jedoch abgebrochen wird und in der Folge tödliche oder zu Behinderung führende Stichreaktionen auftreten könnten, ist die Behandlung mit Omalizumab unter Umständen lebensrettend und dann medizinisch gerechtfertigt, wenn nicht anderweitig eine Verträglichkeit der SIT herzustellen ist [28, 33]. Da Omalizumab auch für diese Indikation nicht zugelassen ist, muss der Patient besonders aufgeklärt und die Kostenübernahme durch den zuständigen Krankenversicherungsträger vorab beantragt werden. Klinische Studien wären dringlich angezeigt.

Begleitmedikation

Immunsuppressiva

Grundsätzlich wird von einer Begleitmedikation mit Immunsuppressiva bei SIT abgeraten [12], entsprechend ist bei Immunsupprimierten die Indikation zur SIT zurückhaltend zu stellen.

Publikationen zur Interaktion zwischen SIT und mehreren Immunsuppressiva wie Methotrexat, Azathioprin, Ciclosporin A und Mykophenolatmofetil finden sich bei einer aktuellen Literaturrecherche allerdings nicht. Auch in Bezug auf eine regelmäßige Einnahme von Glukokortikosteroiden gibt es keine formalen Untersuchungen, ob die Effektivität einer SIT dadurch beeinträchtigt ist. Auch Glukokortikosteroide könnten theoretisch die erwünschten immunologischen Effekte der SIT unterdrücken. Kürzlich wurde gezeigt, dass die systemische Immunsuppression bei Organtransplantierten keinen Einfluss auf die allergenspezifische Antwort regulatorischer T-Zellen aufweist [7]. Dies impliziert, dass die Effektivität einer SIT durch systemische Immunsuppressiva möglicherweise nicht negativ beeinträchtigt wird. Letztlich kann wegen fehlender klinischer Daten dies weder belegt noch ausgeschlossen werden.

Eine Dauerbehandlung mit Immunsuppressiva deutet immer auf zugrunde liegende Erkrankungen hin, und es muss kritisch gefragt werden, ob sich die SIT nicht möglicherweise auf die Grunderkrankung ungünstig auswirkt. Kürzlich wurden Patienten mit rheumatoider Arthritis, Overlap-Syndrom (Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis), Psoriasisarthritis oder multipler Sklerose vorgestellt, bei denen unter Immunsuppression mit z. B. Prednisolon, Methotrexat oder β-Interferon eine Insektengift-SIT (Einleitung mit Ultra-Rush-Schema, anschließend mehrjährige Erhaltungstherapie) durchgeführt wurde. Weder wurden systemische Reaktionen bei SIT noch eine Verschlechterung der Grunderkrankung beobachtet und, soweit aufgrund nur bei einem Teil der Patienten durchgeführter Stichprovokationen beurteilbar, gab es auch keinen Hinweis auf eine fehlende Wirksamkeit [18].

Bei einigen zugelassenen SIT-Extrakten sind Immunsuppressiva explizit unter Gegenanzeigen in den Gebrauchs- und Fachinformationen aufgeführt. Bei vielen Präparaten sind Autoimmunerkrankungen und Immundefekte allgemein als Gegenanzeigen gelistet. In der aktuellen S2-Leitlinie werden bei SCIT und SLIT unter Kontraindikationen schwere Autoimmunerkrankungen und Immundefizienzien, bei SLIT auch Immunsuppression aufgeführt. In begründeten Einzelfällen kann bei Patienten mit Insektengiftallergie dennoch eine SIT versucht werden.

Biologika

Patienten sind grundsätzlich schlechter für eine SIT geeignet, wenn eine aktive Autoimmunerkrankung besteht oder eine Therapie mit neuen, hinsichtlich ihrer Interaktion mit der SIT nicht charakterisierten Immuntherapien (z. B. Biologika) erfolgt [28]. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche monoklonale Antikörper zur Therapie unterschiedlicher Erkrankungen zugelassen worden, die auf unterschiedlichste Weise zum Teil auch mit Immunzellen interagieren. Es ist bei mehreren solcher Antikörper vorstellbar, dass die Kombination mit einer SIT zu unerwünschten Nebenwirkungen und einer eingeschränkten Wirkung der SIT führen könnte. Besonders TNF-Antagonisten haben vielfältige immunmodulierende Wirkungen. Für keines dieser Biologika liegen jedoch Erkenntnisse vor, inwiefern eine allergenspezifische Immuntherapie dadurch beeinträchtigt wird.

Während von einer SIT mit Inhalationsallergenen bei Biologika grundsätzlich abzuraten ist, kann bei Insektengiftallergie im Einzelfall eine SIT nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung versucht werden, insbesondere wenn Risikofaktoren für besonders schwere Reaktionen bestehen [28]. Dennoch ist auch bei vitaler Indikation eine SIT in Kombination mit einer Therapie mit Biologika äußerst zurückhalten zu beurteilen.

Schutzimpfungen

Denkbar ist, dass die zusätzliche Aktivierung des Immunsystems durch eine Impfung zu vermehrten Nebenwirkungen von Impfung wie auch SIT führen könnte und/oder auch die Wirksamkeit beider Behandlungen negativ beeinflusst werden könnte. Es sind allerdings hypothetische Überlegungen; weder gibt es Fallberichte, die einen solchen Zusammenhang plausibel machen, noch liegen systematische Untersuchungen dazu vor.

In einigen Gebrauchs- und Fachinformationen wird empfohlen, einen Abstand von mindestens 1 Woche zwischen Impfung und letzter Injektion der SIT einzuhalten. Nach erfolgter Impfung sollte dann erst frühestens nach 2 Wochen weiter hyposensibilisiert werden. Der Konsens der S2-Leitlinie empfiehlt, zwischen einer SCIT-Injektion und einer planbaren Impfung einen mindestens 1-wöchentlichen Abstand einzuhalten und Impfungen daher in der Erhaltungsphase der SCIT zwischen 2 in 4-wöchigem Abstand verabreichten Injektionen der SIT durchzuführen. Sofort notwendige Impfungen (z. B. Tetanus nach Verletzungen) können jederzeit erfolgen. Die Fortsetzung der SCIT erfolgt dann entweder gemäß den Fach- und Gebrauchsinformationen oder 2 Wochen nach der Impfung mit der zuletzt verabreichten Dosis [12].

β-Blocker

Eine Behandlung mit β-Blockern (auch in Augentropfen) ist laut Fachinformation eine Kontraindikation der SIT unabhängig von der Darreichungsform und Art der Allergene. Diese Empfehlung basiert auf der Hypothese, dass β-Blocker im Falle einer anaphylaktischen Reaktion zu einem schwereren klinischen Verlauf führen könnten. Zwar wurden bei anaphylaktischen Zwischenfällen im Rahmen von Röntgenkontrastmitteluntersuchungen sowohl die Anwendung von β-Blockern wie auch vorbestehende Herz-/Kreislauferkrankungen als Risikofaktor für schwere anaphylaktische Reaktionen gefunden, wobei beide Risikofaktoren miteinander assoziiert waren [20]. Belege dafür, dass β-Blocker auch bei SIT als Risikofaktor wirken, gibt es allerdings nicht. Sowohl die Häufigkeit als auch der Schweregrad von Nebenwirkungen einer Insektengift-SIT waren bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen während Dosissteigerung und Erhaltungstherapie mit oder ohne β-Blocker-Behandlung vergleichbar häufig [22].

Wenn ein Umsetzen des β-Blockers möglich ist, so soll das vor SIT erfolgen.

Aus forensischen Gründen sollte eine SIT mit Aeroallergenen unter β-Blocker-Behandlung nicht durchgeführt werden. Ist ein Absetzen des β-Blockers nicht vertretbar, so darf eine Insektengift-SIT dennoch vorgenommen werden, wobei ein kardioselektiver Wirkstoff zu empfehlen ist [28].

ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorantagonisten (Sartane)

„Angiotensin-converting enzyme“ (ACE)-Hemmer hemmen die Kininase (ACE). Kininase katalysiert unter anderem den Abbau des auch bei Anaphylaxie freigesetzten Bradykinins. Bradykinin führt intravasal zu einer NO-Freisetzung und damit zu einer Gefäßdilatation mit Blutdruckabfall. Interstitiell erweitern sich durch die Bradykinin-Wirkung die Interzellularverbindungen, wodurch die Ödembildung begünstigt wird. Aufgrund der pharmakologischen Interaktion erscheint es möglich, dass ACE-Hemmer den Verlauf einer Anaphylaxie ungünstig beeinflussen.

Aufgrund von Einzelfallberichten, in denen eine schlechtere Verträglichkeit einer SIT mit Insektengift unter gleichzeitiger Behandlung mit einem ACE-Hemmer beobachtet wurde [38], wurde in deutschsprachigen Ländern in die Fachinformation der SIT sowohl für Insektengift und teilweise auch Aeroallergene eine Warnung vor ACE-Hemmern aufgenommen. In größeren Studien zeigt sich zwar kein Hinweis dafür, dass ACE-Hemmer das Risiko von Nebenwirkungen einer Insektengift-SIT erhöhen [34, 41]. Da allerdings ACE-Hemmer das Risiko schwererer Stichreaktionen bei ungeschützten Patienten erhöhen [33], sollte zur Sicherheit bei Patienten mit Insektengiftallergie grundsätzlich auf ACE-Hemmer verzichtet werden.

Bei Patienten mit Insektengiftallergie sollte auf ACE-Hemmer verzichtet werden

In einer Untersuchung zur Verträglichkeit der Insektengift-SIT wurde während Einleitung der Therapie zwar bei Patienten mit Antihypertensivatherapie ein insgesamt erhöhtes Risiko für bedeutsame Nebenwirkungen gefunden [34]. Dieser Effekt ließ sich jedoch nicht auf ein bestimmtes Medikament beziehen und wurde eher als Hinweis auf die Bedeutung der zugrunde liegenden Herz-/Kreislauferkrankung interpretiert. Internistische Erkrankungen sollten vor SIT möglichst gut medikamentös eingestellt sein. Eine Alternative für ACE-Hemmer oder β-Blocker wären z. B. Angiotensinrezeptorantagonisten, für die aufgrund ihres Wirkmechanismus kein Risiko bei Anaphylaxie zu erwarten wäre. Formale Untersuchungen liegen dazu aber nicht vor.

Nichtsteroidale Antirheumatika

Azetylsalizylsäure (ASS) ist nicht nur ein häufiger Auslöser von Überempfindlichkeitsreaktionen, sondern kann auch allergische Reaktionen auf andere Auslöser triggern. Besonders gut ist dies für allergische Reaktionen gegen Nahrungsmittel belegt. Der Mechanismus hierbei geht möglicherweise über eine verbesserte Resorption von Nahrungsmittelallergenen durch eine ASS-induzierte Schädigung der Mukosa. Es wurde auch immer wieder diskutiert, ob der vermehrte Anfall von Leukotrienen nach Anwendung von ASS oder anderen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) nicht auch zu einer verbesserten Freisetzung von Mediatoren aus Mastzellen beitragen könnte [37]. Damit würden NSAR auch bei subkutaner Allergenzufuhr ein Risiko darstellen. Da es allerdings keine Daten gibt, die diesen hypothetischen Zusammenhang bestätigen, gibt es kein Evidenz dafür, die Anwendung von NSAR bei SIT einzuschränken.

Fazit für die Praxis

  • Basierend auf den vorhandenen Daten wird empfohlen, zur Vorbeugung örtlicher oder leichter systemischer allergischer Reaktionen der allergenspezifischen Immuntherapie (SIT) eine Pharmakoprophylaxe mit der Standarddosis eines nicht sedierenden H1-Antihistaminikums durchzuführen.

  • Bei rezidivierenden anaphylaktischen Reaktionen im Rahmen der Insektengift-SIT und bei dringlicher Indikation zur Fortsetzung der Behandlung stellt Omalizumab eine vielversprechende Therapieoption im Off-label-Use dar.

  • Prä- und Begleitmedikation und ihre Veränderungen sind nicht nur bei der Indikationsstellung, sondern bei jeder SIT zu erfragen und entsprechend zu berücksichtigen.

  • Auch wenn konkrete Daten fehlen, so muss bei Therapie mit Immunsuppressiva oder einigen Biologika eine Wirkungsabschwächung der spezifischen Immuntherapie vermutet werden.

  • ACE-Hemmer sollten bei Insektengift-SIT abgesetzt werden.

  • β-Blocker müssen – sofern aufgrund der Grunderkrankung möglich – aus forensischen Gründen abgesetzt werden.

  • Kontrollierte Studien sind erforderlich um die Interaktion von Pharmakoprophylaxe oder Begleitmedikation mit einer SIT besser einschätzen zu können.