Die Lymphologie umfasst die Lehre der Erkrankungen der Lymphgefäße, beginnend im interstitiellen Raum der Haut und endend an den Wiedereintrittsstellen der Lymphflüssigkeit in das venöse System im Bereich des rechten und linken Venenwinkels. Sie ist nicht befasst mit den hämatologischen Erkrankungen, die sich im Bereich der Lymphknoten selber abspielen.

Konservative Therapiemöglichkeiten in der Lymphologie

Lymphologische Therapie ist im Wesentlichen die Domäne der konservativen Therapie. Seit Anfang des letzten Jahrhunderts sind etabliert:

  • manuelle Lymphdrainage,

  • Kompressionstherapie,

  • Hautpflege und

  • Bewegungstherapie.

Mit all diesen Maßnahmen wird der periphere Lymphstrom zentralwärts unterstützt bzw. getrieben.

Chirurgische Therapiemöglichkeiten in der Lymphologie

In den letzten 90 Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, auch in der Lymphologie durch operative Maßnahmen kurativ tätig werden zu können. Diese Maßnahmen sind jedoch in Gänze gescheitert. So war die radikale Entfernung von Hautlappen bei elephantiastischen Extremitäten meistens gefolgt von der Ausbildung lymphogener Fisteln, die das Grundproblem des reduzierten Lymphflusses nur verschlechterten. Es lohnt sich, auch in der Lymphologie wie in der übrigen Medizin pathophysiologisch zu denken und sich von diesem Standpunkt aus dem Problem der extrem langsam fließenden Lymphe und ihrem Gefäßsystem zu nähern. Eingriffe an diesem angiologischen Gebilde, welcher Art auch immer sie seien, müssen die konservative Basistherapie berücksichtigen. Tun sie dies nicht, sind sie nach heutigem Wissensstand, der auf einer großen Anzahl operierter Patienten basiert, auf Dauer nicht erfolgreich.

So haben sich die plastisch-chirurgischen Interventionen am Fetthautlappen in nahezu allen Fällen als desaströs herausgestellt. Einzig die operative Behandlung des Skrotalödems scheint von Erfolg gekrönt.

Primäre und sekundäre Lymphödeme

Mit Blick auf die lymphologischen Differenzialdiagnosen sei in Erinnerung gerufen, dass zwischen primären und sekundären Lymphödemen zu unterscheiden ist. Die primären Lymphödeme und die konsekutive Schwellung von Extremitäten oder Körperteilen sind dem schlecht angelegten oder dem in seiner Transportkapazität ungünstig ausgelegten Lymphgefäßsystem geschuldet. Hier sei an Hypoplasien, aber auch an Lymphknotensklerosen erinnert [14].

Die sekundären Lymphödeme sind entsprechend der medizinischen Nomenklatur in der Regel Ausdruck chirurgischer Eingriffe am Lymphgefäßsystem. Einer der häufigsten Eingriffe ist sicherlich die Lymphknotenexstirpation im onkologischen Fachbereich bei Gynäkologen und Urologen. Bei ca. 50.000 Brustkrebspatientinnen, die pro Jahr in der Bundesrepublik operiert werden und bei denen Lymphknoten in unterschiedlicher Weise axillär zum Staging der onkologischen Erkrankung gewonnen werden, resultieren bei bis zu 38% sekundäre Arm- und Thoraxwandödeme [4, 5]. Diese erschreckend hohe Zahl kann voraussichtlich nur reduziert werden, wenn präoperativ Erkenntnisse mittels einer entsprechenden Diagnostik bezüglich der anatomischen Verhältnisse im lymphogenen Abflussbereich der Axilla bzw. des Armes gewonnen würden. Dies gehört allerdings nicht zur Routine der senologischen Operateure. Die verstärkte Hinwendung auf den „sentinel node“ als primärer Fokus zur Aussage der Metastasierung in die Lymphknoten fördert unter lymphologischer Sicht die Zunahme der Thoraxwandödeme ganz erheblich. Auch dies ist der besonderen anatomischen Situation mancher „sentinel node“ geschuldet, findet allerdings in der nichtlymphologischen Fachwelt bislang keine größere Bedeutung.

Lipödem

Über die primären und sekundären Lymphödeme hinaus kennt der Lymphologe noch weitere Krankheitsbilder, die unter den Differenzialdiagnosen genannt werden müssen. An erster Stelle steht hier das Lipödem [13, 18]. Diese angeborene Fettverteilungsstörung, die symmetrisch an Beinen und bei über 80% der Patientinnen auch an den Armen ausgeprägt ist, ist sicherlich eine der Diagnosen, die sehr häufig zu Fehlbehandlungen führen. Lipödeme zu diagnostizieren bedeutet, eine Patientin in nahezu entkleidetem Zustand im Stehen zu untersuchen. Die Fußrücken müssen schlank und frei von Ödemen sein, der Fettmuff beginnt in der Regel am oberen Sprunggelenk und endet definitionsgemäß im Bereich des Trochanters. Er ist symmetrisch an beiden Beinen gleichzeitig ausgelegt. Das Fett ist alimentär nicht zu beeinflussen, es ist für Diäten oder Sport bezüglich der Reduktion nicht zugänglich. Ein paradoxer Pinching-Test, also das leichte Touchieren der Haut im Bereich der äußeren Areale der Beine, führt zu Schmerzen. Die Patientin gibt an, dass sie leicht blaue Flecken bekommt. In der Regel erwähnt sie ebenfalls, dass die Veränderung seit der Pubertät besteht. Bei genauer Untersuchung des gesamten Integuments fällt auf, dass bei einem sehr hohen Anteil – bis zu 80% – der Patientinnen ähnliche Veränderungen im Bereich der Arme zu finden sind. Die Hände sind bis zum Handgelenk von jeder Vergrößerung des subkutanen Fettgewebes ausgespart. Ab dem Handgelenk beginnt die symmetrische, gleichförmige Veränderung bis in die Schulter hinein, die denselben Veränderungen am Bein entspricht.

Es gibt kein schmerzloses Lipödem

Diese angeborene Fettverteilungsstörung geht mit besonderen pathophysiologischen Mechanismen einher, die als Marsch-These in die Literatur Eingang gefunden hat. Das Fettgewebe dieser Patientinnen ist an den Extremitäten sehr gut durchblutet, die Blutgefäße zeichnet eine Wandschwäche und damit hohe Vulnerabilität aus, sie produzieren eine deutliche gesteigerte Menge an Lymphflüssigkeit. Das Fettgewebe selber besteht allerdings aus Lobuli und Septen. In den Septen sind die Gefäß- und Nervenbündel vereinigt. So muss die Lymphflüssigkeit über die jedoch nur in den Septen vorhandenen Lymphgefäße zurückfließen. Aufgrund der hohen Anflutung in der lymphologischen Vorlast kommt es zu einem Missverhältnis in Produktion und Abtransport, das der strukturellen Drainageschwäche der Fettgewebsanatomie geschuldet ist. Im Ergebnis entsteht [3, 22], eine radiologisch darstellbare Hochvolumeninsuffizienz, die sich altersadaptiert zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr zu einem deutlichen Rückgang der Transportkapazität im Lymphfluss entwickelt. Mit Zunahme dieser Imbalance in Produktion und Abtransport und Verlagerung des Gleichgewichtes zu Ungunsten des Abtransportes entsteht ein interzellulärer Lymphstau, der sich histologisch beweisen lässt [4, 5]. Die mikroangiographische Beweisführung für diese These ist ebenfalls dargestellt worden [1]. Es liegt nahe, die Druckschmerzhaftigkeit, die auf leichtes Touchieren bei nicht drainierten Beinen gut auslösbar ist, diesen im Interstitium liegenden Flüssigkeitsmengen im Sinn eines Spannungsschmerzes zuzuweisen. Unter Berücksichtigung all dieser pathophysiologischen Zusammenhänge gibt es kein schmerzloses Lipödem. Ein Lipödem zeichnet sich also durch eine angeborene symmetrische Fettverteilungsstörung an den Extremitäten, Hämatome und Schmerzhaftigkeit aus. Wenn die Schmerzhaftigkeit graduell gering ausgeprägt ist, so spricht dies dafür, dass die dynamische Insuffizienz noch nicht in ihrer Gänze entwickelt ist bzw. eine gut durchgeführte komplexe Entstauungstherapie ihr Ziel erreicht hat.

Die bisherige Therapie bestand ausschließlich in den konservativen Methoden der komplexen Entstauungstherapie. Ihr Ziel ist, eine Verminderung der Schmerzhaftigkeit. Eine Reduktion des Fettmantels, der nach den oben dargestellten pathophysiologischen Zusammenhängen für das Krankheitsbild Lipödem, das man besser aufgrund der histologischen Struktur des Fettgewebes Lipohyperplasia dolerosa [11] nennt, verantwortlich ist, kann durch manuelle Lymphdrainage nicht beeinflusst werden.

Liposuktion beim Lipödem

Im Jahr 1997 gab Sattler erstmals einen diskreten Hinweis in H+G [20], dass die in Deutschland neu eingeführte Methode der Liposuktion auch beim Lipödem erfolgreich sein könnte.

Cornely hat dann unter Berücksichtigung der Daten der Pathophysiologie die lymphologische Liposkulptur zur kurativen Behandlung des Lipödems weiterentwickelt [8, 9]. Präoperativ wurden in den Anfangsjahren dieser Methode von allen Patienten Lymphszintigraphien und indirekte Lymphangiographien prä- und postoperativ angefertigt. Um Langzeiteffekte prüfen zu können, erfolgte die abschließende Publikation erst 2007 im Nachgang zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie, auf dem die Ergebnisse erstmals dargestellt wurden [2]. Im Ergebnis ist die lymphologische Liposkulptur unter Berücksichtigung der besonderen Anatomie der Lymphgefäße und einer entsprechenden Technik beim Einbringen der Tumeszenz eine schonende Methode, um das die Lipohyperplasia dolorosa kurativ zu behandeln [13].

Dem Gedanken der Marsch-These folgend, gab es nur 2 dermatochirurgische Möglichkeiten:

  • Implantieren neuer Lymphgefäße, um das Abtransportmissverhältnis zu verbessern,

  • operative Entfernung der Fettgewebsmassen an Beinen und Armen, um die lymphogene Vorlast zu senken.

Durch Übernahme der Methoden aus der Ästhetik folgten zuerst vorsichtige Versuche der Liposuktion bei Patienten mit Lipohyperplasia dolorosa an den Oberschenkeln außen und innen sowie anschließend an den Unterschenkelseiten außen und innen. Im Jahr 1997 wurde dies noch in 4 Operationen in lokaler Anästhesie ohne begleitende Analgosedierung durchgeführt. Die Ergebnisse waren eindeutig positiv. Im Verlauf des ersten halben Jahres der postoperativen Nachsorge sind die Beschwerden im Bereich der Beine vollständig verschwunden. Eine manuelle Lymphdrainage und Kompression waren daraufhin nicht mehr nötig. Bis heute werden diese ersten Patienten aus den Anfängen der Methode klinisch nachverfolgt. Es kam bisher zu keinen Rezidiven. Jährlich werden zurzeit in einem speziell dafür eingerichteten Operationszentrum in Franken, das in Kooperation mit der Lympho-Opt-Klinik in Pommelsbrunn in Vorra respektive Hirschbach entstand, 120–150 Operationen durchgeführt. Dies entspricht nach der heutigen Verfahrensmodifikation, bei der in 2 Eingriffen die kompletten Fettmassen an Armen und Beinen entfernt werden können, ca. 70 operierten Patientinnen pro Jahr. Bei der lymphologischen Liposkulptur [9, 10, 15] wird besonderer Wert auf folgende Parameter gelegt:

  • Die 1. Sitzung wird der kompletten äußeren Hälfte des Beins vom Trochanter bis zur Achilles-Loge gewidmet.

  • In der 2. Sitzung, die frühestens 4 Wochen nach der 1. Operation erfolgen sollte, hat sich als erfolgreich herausgestellt, die Innenseite der Beine vollständig zu operieren. Wenn die Mengen des Aspirates es zulassen, und dies ist bei den meisten der Patientinnen der Fall, so sanieren wir in der 2. Sitzung zeitgleich auch die Arme komplett.

Es sei – wie schon so oft – darauf hingewiesen, dass eine Operation des Lipödems nur dann erfolgreich sein kann, wenn von der Handwurzel bis in die Schulter respektive vom oberen Sprunggelenk bis in die Hüfte hinein das lipödematöse Fett, das den Kern der Erkrankung „Lipohyperplasia dolorosa“ darstellt, vollständig entfernt wird. Teiloperationen sind aus lymphologischer Sicht abzulehnen [14].

Es werden nicht mehr als 10 l Tumeszenzlösung der Formulierung nach Klein in der Hamburger Modifikation ins Gewebe eingebracht. Die hilfreiche Analgosedierung erfolgt durch eine Anästhesistin. Die Lösung lässt man anschließend 1 1/2–2 h einwirken. Nach Beendigung dieser Einwirkzeit, in der das Fettgewebe sich deutlich von den Bindegewebs- und Gefäßstrukturen zu scheiden scheint, folgt die Absaugung mit langen Kanülen von 4 mm Durchmesser und einer Vibrationsfrequenz von 4800 Schlägen. Besondere Lagerung und der primär fasziennahe Zugang in längsaxialer Richtung sind eine Voraussetzung für den schonenden Zugang bei lymphologisch begründeten Liposuktionen (Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3; [15]). Ein Criss-Cross verbietet sich. Wir gewinnen auf diese Art und Weise bei einer Saugkapazität von 100 ml/min bis zu 5 l Aspirat und beenden die Operation dann. Diese Mengen werden strikt eingehalten. Der genannte Eingriff erfolgt unter anästhesiologischer Kontrolle.

Abb. 1
figure 1

Lagerung von Arm und Schulter

Abb. 2
figure 2

Lagerung Arm volar

Abb. 3
figure 3

Lagerung Bein innen

Eine postoperative Behandlung zur Wiederherstellung der Balance des Lymphflusses ist notwendig

Die weitere postoperative Prozedur ist nach unserem Kenntnisstand entscheidend für den Erfolg der Methode [17]. Direkt vom Operationstisch wird die Patientin in die Hände des Physiotherapeuten gegeben. In nassem Zustand erfolgt die erste manuelle Lymphdrainage, die umgehend weitere Flüssigkeitsmengen aus den Beinen transportiert. Die Zugangsöffnungen wurden nicht verschlossen. Die manuelle Lymphdrainage dauert ca. 1 h, anschließend werden die operierten Extremitäten gepolstert und bandagiert, so wie es im Konzept der komplexen Entstauungstherapie üblich ist [21]. Dieses postoperative Konzept wird dann für eine Woche unter stationären Bedingungen im Therapiezentrum Hirschbach weiter durchgeführt. Der Flüssigkeitsaustritt sistiert nach 2 Tagen, innerhalb der 24-h-Grenze sind die üblichen klinischen Zeichen des Zustands nach Liposuktion bei Tumeszenzanästhesie mit Erythem an den Wangen bei nahezu 100% der Patientinnen zu sehen. Die Kreislaufkontrolle erfolgt unter stationären Bedingungen. Wir lehnen es strikt ab, Patienten nach solchen Operationen in die häusliche Pflege zu entlassen bzw. lymphologische Liposkulpturen bei Lipödemen an Armen und Beinen ohne eine postoperative Betreuung und Behandlung durchzuführen, die der Wiederherstellung der Balance des Lymphflusses dient (Abb. 4, Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Manuelle Lymphdrainage

Abb. 5
figure 5

Postoperative Bandagierung

Unter Berücksichtigung dieser methodischen Angaben, die dem pathophysiologischen Verständnis des Lipödems folgen, wurden von 1997–2007 651 Patientinnen operiert. Alle Untersuchungen bezüglich der Operationsergebnisse und der lymphologischen Parameter erfolgten generell 6 Monate und 1 Jahr postoperativ. Rezidive des Lipödems wurden bislang nicht beobachtet [12]. Hier decken sich unsere Erfahrungen mit denen der Kollegen Rapprich [19], Schmeller und Sattler. Wir können das Sistieren der Hämatomneigung allerdings nicht bestätigen, dies erleben wir bei unseren Patientinnen nicht.

Das Lipödem ist zurzeit die einzige lymphologische Erkrankung, die kurativ durch eine Operation behandelt werden kann

Nach nunmehr 11 Jahren Erfahrung mit dieser Methode nach der Erstbeschreibung betonen wir in besonderer Weise, dass das Lipödem zurzeit als einzige lymphologische Erkrankung kurativ durch eine Operation behandelt werden kann [16]. Dies ist ein Meilenstein in der Lymphologie und wirft natürlich neue Fragen auf, denen sich die operierenden Dermatologen in besonderer Weise zuwenden sollten.

Es sei schon einmal erwähnt, dass die lymphologische Liposkulptur sicherlich ebenso eine respektable Anwendung in der Behandlung sekundärer Bein- und Armlymphödeme finden wird. Die von Brorson erstmals beschriebene Methode der Fettabsaugung bei sekundären Armlymphödemen, die dem subkutanen Gewebe, nicht der Lymphe selber geschuldet ist, gibt es schon seit 1998. Während Brorson als plastischer Chirurg eine trockene Methode in Blutleere bevorzugt [6, 7], bevorzuge ich die Anwendung der Prinzipien der lymphologischen Liposkulptur, so wie sie bei Lipödemen während 11 Jahren erfolgreich entwickelt wurden.

Im Ergebnis erzielen wir bei der Absaugung der sekundären Arme eine Reduktion der Lymphdrainage um 50–80%, die Beobachtungszeiträume umfassen allerdings erst einen Zeitraum von 4 Jahren.

Fazit für die Praxis

Die dermatologische Operationsmethode der lymphologischen Liposkulptur hat sich in der Behandlung des Lipödems als überaus erfolgreich erwiesen. Einer Lipödempatientin muss heute als Standard der Behandlung neben der komplexen Entstauungstherapie, die lebenslang durchzuführen ist, auch die Option auf eine operative Intervention angeboten werden, erst recht, da wir als Diagnostiker und Behandler wissen, dass die lebenslange Behandlung des Lipödems damit hinfällig wird. Spätestens 6 Monate nach der Operation sollte die Patientin beschwerdefrei sein und weder komplexe Entstauungstherapie noch irgendwelche anderen lymphologischen Behandlungen bezüglich ihres Lipödems benötigen.