Zusammenfassung
Die Mehrzahl chronischer Wunden wird durch arterielle oder venöse Gefäßerkrankungen verursacht. Ihre Behandlung ist eine interdisziplinäre Aufgabe und eine ökonomische Herausforderung. In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Wundauflagen und innovative Therapien eingeführt worden. Die Grundlagenforschung hat zu einem besseren Verständnis heilungsfördernder und heilungshemmender Faktoren im Wundmilieu geführt. Für einzelne Bereiche konnten bisher empirische Konzepte durch klinische Studien mit guter Evidenz bestätigt oder als verzichtbar klassifiziert werden. Die kausale Therapie der Grunderkrankung und ein adäquates Débridement sind Voraussetzung für eine effektive, phasenadaptierte Lokaltherapie der Wunde. Die Auswahl der geeigneten Wundauflagen basiert auf der regelmäßigen Beurteilung der Wundsituation. Aktuelle Strategien bei den häufigsten chronischen Wunden, spezifische Optionen wie Vakuumversiegelung und Gewebeersatz werden aufgezeigt und Hinweise zur Wundtherapie unter Bedingungen des GMG (Gesundheitsmodernisierungsgesetz) gegeben.
Abstract
Most chronic wounds are caused by arterial or venous vascular disease. Wound care is an interdisciplinary task and economic challenge. Numerous new wound dressings and treatment methods have been introduced recently. Basic research has enhanced our understanding of stimulation and inhibition of wound healing. Well-constructed clinical studies have shown some traditional approaches to be effective and others, less so. Successful wound healing requires treatment of the underlying disease as well as correction of local factors that may delay healing. The choice of dressings must be based on continuous re-assessment of the wound. Modern approaches for the most common types of chronic wounds, as well as options such as vacuum treatment and tissue-engineered skin are presented along with information on latest rules for reimbursement for wound care in Germany.
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In der täglichen Praxis werden Dermatologen mit einer Vielzahl akuter und chronischer Wunden sehr unterschiedlicher Ursachen konfrontiert.
In der Bundesrepublik Deutschland leiden schätzungsweise über 4 Mio. Menschen an chronischen Wunden. Etwa 80% sind angiogener Genese und betreffen vorwiegend die unteren Extremitäten. Die Behandlungskosten betragen gegenwärtig ca. 5 Milliarden EUR pro Jahr. Die Lebensqualität der Betroffenen wird durch Schmerzen erheblich beeinträchtigt.
Die Betreuung dieser Patienten setzt interdisziplinäre Kooperation voraus, die in größeren Wundzentren/Wundambulanzen bereits gut etabliert ist. Dermatologische Kompetenz wird in der Differenzialdiagnostik, in der phasenadaptierten Lokaltherapie und bei operativen Verfahren gefordert. In den letzten 3 Jahren wurden mehrere wissenschaftliche Studien mit Evidenzgrad Ib publiziert, die bisher empirisch geprägte Therapiekonzepte stützen oder widerlegen und Grundlage für wissenschaftlich begründete Therapiestandards sind.
Grundlagen der Wundheilung
Nach Verletzung der Haut beginnt ein komplexer Prozess des Defektverschlusses durch Narbengewebe und Epithel. Schematisiert werden Entzündungs-, Proliferations- und Reparationsphase unterschieden, obwohl sie überlappend oder synchron in einer Wunde vorhanden sein können. Initial wird nekrotisches Gewebe durch Entzündungsprozesse degradiert (Reinigungsphase), nachfolgend wird Granulationsgewebe durch Gefäßeinsprossung, Fibroblastenmigration und Synthese von Matrixproteinen (Kollagen, Fibronektin usw.) ausgebildet (Proliferationsphase). Schließlich entsteht der Wundschluss durch zentripetal einwachsende Epithelzellen (Epithelisierungsphase). Dazu ist ein koordiniertes Zusammenspiel komplexer Zell-Zell-Interaktionen von Keratinozyten, Fibroblasten und passageren Entzündungszellen (neutrophilen Granulozyten, Makrophagen, Lymphozyten) sowie Zell-Matrix-Interaktionen notwendig, die durch multiple Wachstumsfaktoren (VEGF, FGFs, TGFs, PDGF), Proteasen und Wachstumsinhibitoren [Proteaseinhibitoren wie „tissue inhibitor of metalloproteinases“ (TIMPs), Antiplasmin, Antitrypsin] reguliert werden. Danach schließt sich über Wochen bis Monate eine Remodellierungsphase mit stabilisierenden Umbauvorgängen (Fibrosierung) in der Dermis an [15, 20, 25, 33].
Pathogenese chronischer Wunden
Allen Wunden gemeinsam ist der Substanzdefekt der Haut und ggf. tiefer liegender Strukturen. Durch natürliche Wundheilung heilen Verletzungen der Haut bei gesunden Menschen innerhalb von 2–4 Wochen vollständig ab. Multiple Faktoren können die Wundheilung verzögern oder vollständig inhibieren: mikrobielle Infektionen, vorgeschädigte Haut bei Gefäßkrankheiten oder kortikoidinduzierter Atrophie, Diabetes, Mangelernährung, Immobilisation oder Inkontinenz — Faktoren, die in einer älter werdenden Bevölkerung immer häufiger auftreten.
Sekundär heilende Wunden werden als chronisch bezeichnet, wenn sie in Abhängigkeit von ihrer Größe trotz adäquater Therapie, innerhalb der physiologischen Heilungszeit von bis zu 12 Wochen nicht epithelisiert sind. Zu unterscheiden sind die Erosion, der oberflächliche, auf die Epidermis beschränkte Defekt, und die Ulzeration, der epithelüberschreitende Defekt, der über die Dermis, Subkutis, Faszie bis zu knöchernen Strukturen reichen kann. Die meisten chronischen Wunden entstehen durch Mikro- oder Makrozirkulationsstörungen [13, 17, 20]. Die häufigsten Formen sind
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Ulcus cruris venosum,
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Ulcus cruris arteriosum,
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Ulcus cruris mixtum,
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Ulcus diabeticorum (bei Mikroangiopathie und Neuropathie) sowie
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Dekubitalulzera.
Eine akute traumatische oder operative Wunde kann durch Infektion oder Mindervaskularisation zur chronischen Wunde werden.
Seltenere, gleichwohl im dermatologischen Patientenkollektiv verbreitete Ursachen chronischer Wunden sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Diagnostik chronischer Wunden
Grundvoraussetzung jeder Wundbehandlung ist die Diagnostik und Therapie der Grunderkrankung, unterstützt durch supportive Maßnahmen, wie adäquate Ernährung und (druckentlastende) Mobilisation oder Lagerung.
Dazu ist eine enge Kooperation zwischen Hautärzten, Angiologen, Gefäßchirurgen, Diabetologen, Radiologen, Orthopäden, Neurologen, Mikrobiologen, Physiotherapeuten, Ernährungsberatern, Orthopädietechnikern und Podologen unverzichtbar. Eine Übersicht der diagnostischen Maßnahmen zeigt Tabelle 2. In etwa 4% der chronischen Wunden sind primäre Malignome, Metastasen oder sekundäre Neoplasien nachweisbar. Dies unterstreicht die Bedeutung der histologischen Abklärung!
Eine histologische Abklärung chronischer Wunden sollte erfolgen
Ebenso wie Patienten mit chronischen Ekzemerkrankungen erwerben Menschen mit chronischen Wunden häufiger Kontaktsensibilisierungen. Eine rezente Untersuchung der Universitätshautklinik Essen zeigte, dass 64,8% der Patienten mindestens 1 Kontaktsensibilisierung aufwiesen: Perubalsam (29,5%), Amerchol L-101 (18,1%), Duftstoffmix (16,2%), Wollwachsalkohole und Kolophonium (10,5%) und PVP-Jod (4,8%). Sensibilisierungen gegen Inhaltsstoffe enzymatischer Wundreinigungspräparate oder Wundauflagen waren mit insgesamt 3,8% relativ selten.
Bedeutung der Kontamination, (kritischen) Kolonisation und Infektion chronischer Wunden
Die meisten chronischen Wunden weisen eine bakterielle Kontamination mit Keimen aus der umgebenden Haut (Staphylococcus aureus und epidermidis, verschiedene Streptokokken) und, je länger sie bestehen, ein sog. fäkales Spektrum mit E. coli, Klebsiella, Enterobacter, Proteus und Pseudomonas aeruginosa und möglichen Anaerobiern, wie Bacteroides spp., Clostridium und Fusobakterien auf [4]. Das Überschreiten einer relativ geringen Keimzahl von 100.000 pro Gramm Gewebe wird als kritische Kolonisation mit heilungsverzögerndem Effekt betrachtet, wenngleich keine sicheren Daten dazu vorliegen. Hinweise, dass bakterielle Proteasen die physiologische Wundheilung, u. a. durch Degradation von VEGF inhibieren [6], begründen Maßnahmen zur bakteriellen Reduktion. Weiterhin kann bei Koexistenz mehrerer Bakterienarten in einer Wunde eine schleimige Matrix (Glykokalix) mit optimalen Wachstumsbedingungen entstehen. Dieser sog. Biofilm ist durch Débridement zu entfernen, da das Risiko für eine bakterielle Infektion abhängig vom Immunstatus des Patienten und der Grunderkrankung steigt. Auf eine beginnende Infektion — eine ausreichende Vaskularisation des Gewebes vorausgesetzt — deuten hin:
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ausbleibende Heilungstendenz,
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verstärkte Exsudation,
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übler Geruch,
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Verfärbung der Wunde und
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zunehmende Schmerzen.
Die manifeste Wund- und umgebende Weichteilinfektion als Zellulitis, Lymphangitis oder Phlegmone ist an den klassischen Entzündungszeichen zu erkennen:
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Rubor (Rötung, speziell der Wundränder),
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Dolor (Schmerz),
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Calor (Überwärmung),
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Tumor (Schwellung/Ödem der Wundumgebung)
Die serologischen Parameter Leukozytose und CRP werden ggf. in die Untersuchung mit einbezogen und zeigen so wie Fieber eine systemische Infektion an. Die Keimzahl übersteigt dann oft 1 Mio. pro Gramm Gewebe.
Methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) werden immer häufiger in chronischen Wunden, teilweise in über 20% bei Erstkontakten in einer Wundsprechstunde nachgewiesen. Aufgrund der medizinischen und ökonomischen Herausforderung bei MRSA-bedingten Infektionen gilt es, die Verbreitung dieser Keime zu verhindern: durch ein bakteriologisches Screening chronischer Wunden vor Therapie und mit regelmäßigen Kontrollen im Verlauf sowie durch konsequente Händedesinfektion und Hygienemaßnahmen aller Beteiligten.
Therapiekonzepte für chronische Wunden
Wesentliche Säulen der Therapie heilungsgestörter und chronischer Wunden sind das Débridement und die feuchte Wundbehandlung.
Verfahren zum Wunddébridement
Die Beseitigung von Nekrosen (nicht vitalem Gewebe) und übermäßigen Fibrinbelägen ist stets der erste Schritt einer phasenadaptierten Wundgrundkonditionierung. Das chirurgische Débridement ist mit Abstand am effektivsten, um die chronische Wunde wieder in eine frische zu überführen. Das erfordert je nach Ausdehnung der Wundfläche und der Grunderkrankung eine vollständige Analgesie durch Regionalanästhesie oder Intubationsnarkose. Wegen des Risikos der Nachblutung ist eine stationäre Durchführung bei tief reichenden/großen Defekten indiziert. Kleinflächige Wunden und im Heilungsverlauf nachfolgend adaptierte (Minor-)Débridements, insbesondere bei Ulcus cruris, können unter topischer Anästhesie mit EMLA® Creme mittels scharfem Löffel oder Ringkürrette erfolgen [35].
Das chirurgische Débridement ist am effektivsten
Weitere Optionen sind Biochirurgie, Ultraschall oder enzymatisches Débridement mit peptidhydrolysierenden Proteasen und Kollagenasen tierischer oder bakterieller Herkunft [10]. Zu beachten ist, dass Letztere ihre Aktivität nur in ausreichend feuchtem und körperwarmem Milieu optimal entfalten. Beim osmotischen Débridement mit hyperosmolaren Zuckerderivaten, spezifischen Honigzubereitungen oder jodhaltigen Granulaten ist die passagere osmotische Zellschädigung gesunden Gewebes bei gleichzeitig geringer Effektivität zu beachten.
Laserassistierte Verfahren sind bisher wegen Kosten, technischem Aufwand und potenziell keimbeladenem Aerosol wenig verbreitet. Eine vergleichsweise schonende und schmerzarme Option bieten neue Hydrochirurgiesysteme, die mittels schnellen Wasserstrahls Nekrosen abtragen, Aerosol und Gewebe zugleich absaugen. Methodenvergleichende Untersuchungen stehen für die meisten Verfahren (noch) aus.
Eine schmerzlose, effektive, aber langwierigere Alternative ist das autolytische Débridement durch körpereigene Proteasen (Kollagenase, Elastase, saure Hydroxylase) und Makrophagen im feuchten Milieu unter Hydrogelen, Alginate oder Nasstherapeutika, die mit Antiseptikazusätzen (s. unten) kombiniert werden können. Zu beachten ist das Risiko der Mazeration der umgebenden Haut (Abb. 1).
Herausgestellt werden 2 innovative Methoden:
Der Einsatz der steril gezüchteten Goldfliegenmade Lucilia sericata auf Wunden wird als Biochirurgie bezeichnet. Die Proteasen im Speichelsekret der Made bewirken eine selektive Nekrolyse. Weiterhin scheint bakterielles Wachstum in der Wunde durch die alkalische pH-Wert-Verschiebung infolge des Ammoniak- und Calciumcarbonat-Gehaltes sowie durch die direkte Aufnahme in den Verdauungstrakt der Maden gehemmt zu werden. Die granulationsfördernde Sekretion von Wachstumsfaktoren und Allantoin im Madenspeichel ist noch weiter zu klären. Die verbesserte Applikationsform in sog. Biobags erlaubt eine einfache Anwendung, verhindert den Freilauf der Maden und sichert eine ausreichende Sauerstoff-/Feuchtigkeitsversorgung mit einem lockeren Überverband. Besonders im ambulanten Bereich bietet diese weitestgehend schmerzfreie Methode ein sicheres Débridement, ergänzend oder alternativ zu chirurgischen Verfahren [11, 14, 40].
Niederfrequenter Leistungsultraschall kann zum Wunddébridement mit einem wassergespülten Ultraschalldissektor eingesetzt werden. Über eine ca. 0,5 cm große handstückintegrierte Schallsonde wird der Ultraschall mit ca. 25 kHz (Intensität 35–40 W/cm2) unter kontinuierlicher Wasserspülung direkt auf die Wundfläche appliziert, wo Kavitationsphänomene zur Nekrolyse und zur Reduktion der bakteriellen Kolonisation führen. Eine Potenzierung der Wirkung kann durch antiseptische Zusätze in der Spüllösung erreicht werden [3, 9]. Je nach Leistungsdichte des Ultraschalls ist eine Lokalanästhesie erforderlich. Trotz Aerosolabsaugung über das Handstück sind hygienische Schutzmaßnahmen für Patient, Therapeut und Umgebung zu treffen.
Innovative Methoden sind Biochirurgie und niederfrequenter Leistungsultraschall
Beide Methoden stellen im Einzelfall eine effektive Alternative zum chirurgischen Débridement für mit multiresistenten Keimen besiedelte Wunden dar.
Als obsolet sind (wiederholte) Débridements mit Wasserstoffperoxid, farbstoff- oder jodhaltigen Lösungen zu bewerten. Ihr zytotoxischer Effekt schädigt vitales Gewebe im Wundgrund und epitheliale Zellen am Wundrand. Mechanisches Débridement mit Sand ist häufig schmerzhaft, mit dem Risiko der Austrocknung behaftet und von geringerer Effektivität als die oben genannten Methoden. Eine detaillierte Übersicht ist in [11] publiziert.
Die Bedeutung des Débridements wird am klinischen Fallbeispiel (Abb. 2a–d) gezeigt:
Ein 78-jähriger Patient, Diabetes mellitus Typ 2b und CVI 2. Grades. Über 4 Monate chronische posttraumatische Wunde — nach einer Abschürfungsverletzung im Schwimmbad mit nachfolgendem Erysipel. Ausbleibende Heilungstendenz unter antibiotischer Fettgaze oder Hydrokolloiden. Kein Anhalt für pAVK oder diabetische Neuropathie. Keimspektrum der Wunde: Streptococcus epidermidis, E. coli, Staphylococcus aureus (ohne Resistenzen), Proteus mirabilis (Abb. 2a). Vitaler Wundgrund nach dem Débridement unter EMLA Creme, keine Infektionszeichen (Abb. 2b). Therapie: konditionierende Hydropolymerverbände und Kompression mit Tubulcus-Verband. Nach 7 Wochen über 80% reduzierte Wundfläche durch Granulation und Reepithelisierung (Abb. 2c), nachfolgend Hydrokolloidverband bis zum vollständigen Wundschluss in Woche 12 (Abb. 2d).
Wirkstoffe für die Wundantiseptik
Die aktuelle evidenzorientierte Konsensusempfehlung [24] zum gezielten Einsatz antiseptischer Substanzen in der Prophylaxe und Therapie von Wundinfektionen stellt Octenidin- und PVP-Jod basierte Antiseptika als gleichwertig heraus für die kurzzeitige Anwendung (über wenige Tage) in akuten, infizierten bzw. kolonisierten Wunden. Für chronische, schlecht heilende oder sehr empfindliche Wunden (z. B. Verbrennungen 2. Grades) wird Polihexanid (z. B. Lavasept, Prontosan) als Mittel der Wahl empfohlen. Kurzfristig ist auch die Anwendung von Octenidin und PVP-Jod vertretbar, z. B. zur Anfangssanierung oder vor Transplantation. Bei allen Antiseptika sind die produktspezifischen Einschränkungen und Kontraindikationen zu beachten.
Wegen unzureichender antiseptischer bzw. epitheltoxischer Wirkung wird die Anwendung von Farbstoffen, organischen Quecksilberverbindungen, Nitrofural und Ethacridinlactat als obsolet bewertet. Die Substanzen Chloramin, Chlorhexidin, Silbersulfadiazin und H202 (s. oben) sind im Allgemeinen entbehrlich. Abgelehnt wird der Einsatz von Lokalantibiotika wegen schmalem, unzureichendem Wirkspektrum, Resistenzentwicklung und Sensibilisierungspotenzial.
Chronische Wunden ohne klinische Infektionszeichen können im häuslichen Bereich beim Verbandwechsel durch Ausduschen mit lauwarmem Leitungswasser mechanisch gereinigt werden [16, 34]. In der aktuellen Diskussion zeigte eine Pilotstudie, dass mechanisches Ausduschen (selbst bei Keimnachweis an Brausenköpfen und Wasserhähnen) die Keimbelastung der Wunde signifikant und vergleichbar reduziert wie das Spülen mit einer antiseptischen Lösung. Das Spülen mit Kochsalzlösung dagegen bewirkte keine Keimreduktion [21]. Weitere Untersuchungen sollen diese Empfehlung stützen.
Mechanisches Ausduschen reduziert die Keimbelastung der Wunde signifikant
Kontrovers wird der systemische Einsatz von Antibiotika bei Nachweis einer Kolonisation beurteilt. Es gibt bisher keine Untersuchungen, die eine Verbesserung der Wundheilung unter Antibiotika im Vergleich zu Débridement und antiseptischer Lokaltherapie bei Wunden ohne klinische Infektionszeichen belegen. Selbst bei MRSA-Kolonisation ist bereits die topische Wundbehandlung mit Polyhexanid zur Eradikation erfolgreich.
Bei manifesten Infektionszeichen der Wunde/Umgebung ist eine systemische Antibiotikumtherapie indiziert. Zunächst wird mit einem Breitbandantibiotikum, nach Vorlage des Resistogramms gezielt gegen das Erregerspektrum behandelt. Parallel werden lokal Antiseptika eingesetzt.
Prinzip der feuchten Wundbehandlung
Die moderne Wundbehandlung basiert auf tierexperimentellen Arbeiten von George Winter (1962), die eine erhebliche Beschleunigung der Heilungsvorgänge in offenen Wunden im feuchten Milieu zeigten [39]. Das Prinzip der feuchten Wundbehandlung ist in der Dermatologie bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. So führte von Hebra in Wien z. B. die Wasserbettbehandlung von Brandverletzten ein.
Zahlreiche Wundauflagen stehen heute als interaktive Verbände für die Förderung der Granulation und Reepithelisierung zur Verfügung: Sie ermöglichen einerseits einen semipermeablen Wundabschluss, bewahren ein feuchtes Milieu und schützen die Wunde vor Kontamination bzw. Infektion (u. a. mit Urin, Stuhl etc.), andererseits besitzen sie eine unterschiedlich stark ausgeprägte Absorptionskapazität für Wundexsudat. Diese Produktgruppe enthält Hydrokolloide, Alginate und hydropolymere Schaumstoffverbände, Letztere zum Teil kombiniert mit Absorbervliesen. Die Protektion der wundumgebenden Haut vor Mazeration gewinnt zunehmend an Bedeutung [32].
Wachstumsfaktoren im Wundsekret stimulieren nicht nur die Zellen der physiologischen Wundheilung, sondern auch das Wachstum von Bakterien in einer Wunde. Infizierte Wunden erfordern neben der systemischen Antibiose deshalb eine differenzierte Gratwanderung zwischen antiseptischer und feucht haltender Lokaltherapie. Dazu werden heute vorwiegend lokale Antiseptika oder silberimprägnierte aktivkohlehaltige Wundauflagen eingesetzt.
Cave: Bei speziellen Indikationen, insbesondere bei Heilungsstörungen durch pAVK kann eine trockene Behandlung vor interventionellen oder chirurgischen Maßnahmen indiziert sein, um ein Fortschreiten der Infektion (als feuchte Gangrän) zu verhindern [20].
Aus einer prospektiven Datenerfassung von 6598 Wunden in 10 Zentren des Wundnetzes e.V. [5] wurden 998 vergleichbare chronische Wunden selektiert und der Einfluss der Wundauflage auf die Abheilungsgeschwindigkeit analysiert [28]. Dabei zeigte sich die „feuchte“ Wundtherapie der „trockenen“ Wundtherapie deutlich überlegen; es bestand jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen den modernen Wundauflagen Alginaten, Hydrokolloiden und NaCl-Kompressen oder anderen Studienpräparaten. Die lokale Anwendung des Antiseptikums Polyhexanid ergab eine vergleichbar gute Heilungsgeschwindigkeit.
Die „feuchte“ Wundtherapie ist der „trockenen“ deutlich überlegen
Daraus leitet sich die Forderung nach weiteren prospektiven Studien ab — z. B. hinsichtlich der Effektivität der silberhaltigen Wundauflagen im Vergleich zu Antiseptika. Inwieweit kollagenhaltige Produkte in Vlies-, Membran- oder Pulverform die Heilung beschleunigen, bleibt unter standardisierten Bedingungen ebenso zu prüfen.
In der klinischen Praxis orientiert sich die Auswahl der Wundauflage an den Parametern
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Exsudatmenge,
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Hautzustand der Wundumgebung (adhäsiv vs. non-adhäsiv),
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Patientenkomfort,
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Frequenz der Verbandwechsel,
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Ökonomie.
Bei palliativer Wundbehandlung, z. B. bei ausgedehnten Tumornekrosen oder nicht vorhandener Operationsfähigkeit, können Schmerz und Geruchsbelastung durch Kombination von Antiseptika und/oder Aktivkohlevliesen und adhäsiven Absorberverbänden wirksam reduziert werden und einen akzeptablen Patientenkomfort gewährleisten.
Die Wirkung der Hydrogele wurde beim autolytischen Débridement erläutert. Eine neue Formulierung zur lokalen Wundbehandlung wurde im letzten Jahr eingeführt. Die liposomale Hydrogelpräparation (Repithel®) enthält niedrig konzentriert Polyvinyl-Pyrollidine- (PVP-)Jod 3% und kombiniert feuchtes Wundmilieu durch hydrosomale Gewebepenetration mit gezielter antimikrobieller Wirkung [30]. Die Wirksamkeit hinsichtlich der schnelleren Epithelisierung und des höheren Angehens von Gitterspalthauttransplantaten wurde in einer randomisierten Phase-III-Studie im Vergleich zu konventioneller Fettgazebehandlung dokumentiert [37]. Weiterhin lassen positive Berichte über den Einsatz bei akuten und chronischen Wunden sowie chronisch entzündlichen Hauterkrankungen dieses Präparat als Bereicherung des therapeutischen Repertoires erscheinen.
Bei akuten, großflächigen Erosionen der Haut eignen sich Wundauflagen aus Hydrokolloidfasermatrix oder Silikon.
Eine neue Therapieoption bietet die Kombination von Hydrogel und niedrig konzentrierten PVP-Jod 3% bei Spalthauttransplantaten und sekundär heilenden Wunden
Für die Therapie von akuten, großflächigen Erosionen der Haut (bei bullösen Dermatosen, Verbrennungen 1. Grades oder toxisch epidermaler Nekrolyse) gewährleisten nicht adhäsive, perforierte Wundauflagen aus einer Hydrokolloidfasermatrix oder aus Silikon weitestgehend schmerzfreie Verbandwechsel und ermöglichen darüber die Applikation von lokalen Antiseptika oder Hydrogelen während der Reepithelisierung.
Eine modifizierte Verbandstechnik ist der Pipeline-Verband, der sowohl für den stationären als auch für den ambulanten Bereich geeignet ist, wenn im Rahmen der feuchten Wundbehandlung bei gering sezernierenden oder zu kühlenden Wundflächen, insbesondere an den unteren Extremitäten, mehrmaliges Nachfeuchten des Verbandes mit Ringer- oder antiseptischer Lösung indiziert ist. Dazu werden ca. 25 cm lange Kunststoffschläuche mit Luer-Lok-Kopf (z. B. kurze Infusionsverbindungsstücke oder Butterfly-Schläuche nach Abtrennen der Nadel) in den Verband integriert, mit dem offenen Ende auf der Wundauflage positioniert und das verschließbare Ende auf dem äußeren Verband fixiert (Abb. 3). Diese Technik kann mit einem Kompressionsverband kombiniert werden und ermöglicht dem Patienten selbst oder den Pflegenden das adäquate Nachfeuchten mehrmals täglich oder je nach Wundsituation über mehrere Tage, ohne dass der gesamte Verband abgelöst werden muss [38].
Vakuumversiegelung
Der Vakuumversiegelung ist als V.A.C.-Therapie („vacuum assisted closure“) in vielen Zentren für die Therapie akuter und chronischer Wunden etabliert. Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen [27] wurden klinisch vielfach bestätigt [1, 12]. Die kontinuierliche Absaugung überschüssigen Wundsekretes optimiert die Flüssigkeitsbilanz in der Wunde, beschleunigt die Rückbildung von Weichteilödemen in der Wundumgebung und erlaubt eine wirkungsvolle Exsudatkontrolle. Die bakterielle Kolonisation auf der Wundoberfläche wird vermindert. Durch Stimulation der Angiogenese wird die Ausbildung von Granulationsgewebe beschleunigt.
Indikationen in der Dermatologie sind u. a. die Konditionierung bei stark sezernierenden (Gamaschen-)Ulzera, die Sicherung des Einheilens von großflächigen Transplantaten [31] an mobilisationsgefährdeten Lokalisationen (Gelenknähe) oder auf bradytrophem Wundgrund, z. B. nach ausgedehnter Tumorexzision (mit histologisch kontrollierten tumorfreien Schnitträndern), nach Shave-Therapie oder Fasziektomie der Dermatolipofasziosklerose bei Ulcus cruris venosum [7].
Diese Technik erlaubt eine adaptierte Mobilität — ein großer Vorteil für betagte Patienten. Eine weitere Option stellt die Instillationsvakuumversiegelung bei infizierten Wunden dar [12].
Die Reduktion der notwendigen Verbandwechsel steht in den meisten Fällen in einer positiven ökonomischen Bilanz zu den Tagestherapiekosten der Vakuumversiegelung von ca. 64 EUR. Eine Überleitung in die ambulante Behandlung setzt eine gute Compliance und ständige pflegerische sowie ärztliche Betreuung im Falle eines Sogverlustes voraus. Sie ist derzeit noch von einer Einzelfallgenehmigung der Krankenkasse abhängig.
Das klinische Fallbeispiel (Abb. 4a–f) zeigt einen 69-jährigen Patienten mit einer seit 6 Monaten nässenden Wunde an der rechten Schulter. Sie entstand in einem Radioderm infolge der Strahlentherapie eines Hämangioms in der Kindheit (Abb. 4a). Die Histologie mehrerer Randbiopsien zeigte ein ulzeriertes Basalzellkarzinom. Aufgrund narbiger Prozesse im Radioderm erfolgte die komplette Tumorexzision unter Mitnahme der Muskelfaszie. Der Defekt wurde partiell verschlossen, der freiliegende Muskel mit einer Kollagenmembran temporär bedeckt (Abb. 4b). Nach histologischer Bestätigung tumorfreier Schnittränder wurde Gitterspalthaut aufgebracht (Abb. 4c) und 5 Tage mit Vakuumtherapie behandelt (Abb. 4d). Danach zeigten sich ein gut eingeheiltes Tx und Epithelisierungstendenz in den Gitterlücken (Abb. 4e). Das Transplantat ist unter Vakuumeinfluss gut an Stufen im Gewebeniveau anmodelliert worden. Zwanzig Monate nach Operation besteht ein rezidivfreies, funktionell gutes Resultat (Abb. 4f).
Verfahren zum Gewebeersatz bei chronischen Wunden
Bei akuten großflächigen Wunden (Brandwunden, Tumordefekte) oder mangelnder Granulation und Epithelisierung bei chronischen Wunden kann eine Transplantation von Haut oder Hautprodukten den Wundschluss herstellen. Dabei wird zwischen autologen Hauttransplantaten des Patienten (Spalthaut, Vollhaut, Nah-/Fernlappenplastik), autologen, in vitro expandierten Keratinozyten und biotechnisch hergestellten Produkten („tissue engineered skin“) unterschieden: allogener Hautersatz (von einem anderen Menschen) oder xenogener Hautersatz tierischer Herkunft.
EpiDex® sind autologe Epidermisäquivalente aus äußeren Haarwurzelscheiden, die als 1 cm messende Plättchen an einer Silikonträgerfolie auf die Wunde gebracht werden. In einer randomisierten Multicenterstudie bei Patienten mit Ulcus cruris war die ambulante EpiDex-Applikation der stationären Spalthauttransplantation gleichwertig [22].
BioSeed S® wird aus Hautbiopsien kultiviert und als Keratinozytensuspension in Fibrinkleber auf die Wunden gesprüht. Die Ergebnisse einer Multicenterstudie im Vergleich zu konventionellen Wundverbänden stehen noch aus [22].
Bei tief reichenden Defekten ist eine Wundgrundkonditionierung unabdingbar. Zwei der verfügbaren Produkte werden in der Dermatologie unter kritischer Kosten-Nutzen-Abwägung eingesetzt:
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Apligraf® ist zur Behandlung diabetischer und venöser Ulzera zugelassen. Es besteht aus bovinem Kollagen mit eingebrachten neonatalen Fibroblasten und epidermaler Deckschicht aus allogener Keratinozytensuspension. Das Produkt ist derzeit der teuerste Hautersatz, und die Studienergebnisse sind spärlich [18].
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Integra® ist ein Dermisäquivalent aus bovinem Kollagen und Glykosaminglykanen. Die Matrix ist mit einer Silikonschicht bedeckt. Nach einer Vaskularisationszeit von 14–21 Tagen, die mittels Vakuumtherapie verkürzt werden kann, und 2-zeitiger Transplantation von dünner Spalthaut sind die elastischen Gewebeeigenschaften im Langzeitvergleich besser als nach Spalthauttransplantation alleine [18]. Einsatzgebiete sind große epifasziale Defekte z. B. nach ausgedehnter Exzision eines kongenitalen Nävus oder anderer Tumoren und nach Nekrosektomie bei Verbrennungen.
Andere Verfahren
Für wassergefilterte Infrarottherapie (wIRA), hyperbare Oxygenierung oder CO2-Trockengasbäder von chronischen Wunden liegen positive Erfahrungsberichte vor, prospektive, kontrollierte Studien stehen aus.
Die Elektrostimulation mit geringem Strom konnte im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit diabetischen Ulzera (n=40) in einer prospektiven Untersuchung die Wundheilung signifikant beschleunigen [29].
Behandlungsoptionen für die häufigsten chronischen Wunden
Ulcus cruris venosum
Der empirisch bekannte Stellenwert der Kompressionstherapie für die Ulkusheilung wurde in mehreren prospektiven Studien belegt. So zeigte sich z. B. beim Vergleich eines 2-Lagen- mit einem 4-Lagen-System elastischer Kompressionsbinden nach 12 Wochen eine bessere Heilungsrate unter dem 4-Lagen-System bei gleichzeitiger Kostenreduktion durch die geringere Anzahl von Verbandwechseln [26].
Eine prospektiv-randomisierte multizentrische Studie an 121 Patienten zeigte nach 12 Wochen eine signifikant höhere Abheilungsrate von 47,5% unter einem speziellen Ulkuskompressionsstrumpf (Venotrain ulcertec) im Vergleich zu 31,7% unter einem klassischen Kompressionsverband [23]. Hinsichtlich der Rezidivprophylaxe sind stärkere Kompressionsstrümpfe wirksamer als schwächere. Verbandsysteme wurden bisher nicht untersucht. Eine phlebochirurgische Sanierung kann die Rezidivrate deutlich vermindern. In der großen randomisierten ESCHAR-Studie (n=500) zeigte sich nach 12 Monaten in der Gruppe mit Phlebochirurgie und Kompression eine Rezidivrate von 12% im Vergleich zu 28% in der Gruppe mit ausschließlicher Kompression. Die Heilungszeit war in beiden Gruppen etwa gleich: 65% aller Ulzera in 24 Wochen [2]. In kleineren selektionierten Kollektiven mit endoskopischer Perforantendissektion sind die Resultate noch überzeugender.
Diabetische Ulzera
Druckentlastung ist für neuropathische Ulzera ein wesentliches Therapiekonzept. Dabei können oberflächliche und kleine Ulzerationen mit Schaumstoffeinlage in den Schuh vergleichbar gut wie mit einem Entlastungsschuh behandelt werden [41]. Tiefere Ulzera benötigen einen Entlastungsschuh, ggf. einen gefensterten Unterschenkelgips. Therapieziel ist, die Amputationsrate durch frühzeitige interdisziplinäre Betreuung zu senken.
Der Einsatz von Wachstumsfaktoren konnte bisher nur beim diabetischen Ulkus überzeugen. Zur aktiven Wundtherapie ist der rekombinante „platelet derived growth factor“ (PDGF, Regranex) zugelassen. Nachdem in einer experimentellen Arbeit [6] untersucht wurde, wie die Aktivität von überschüssigen Metalloproteasen in Wundflüssigkeiten durch Bindung an und Deaktivierung durch eine synthetische Matrix aus Kollagen (55%) und oxidierter regenerierter Zellulose (45%) vermindert wird, konnte in einer prospektiven randomisierten Studie der positive Effekt von Promogran® auf die Wundheilung bei diabetischen Ulzera gezeigt werden [36].
Ulzera bei arterieller Verschlusskrankheit
Bei arterieller Minderdurchblutung ist die Revaskularisation durch interventionelle oder chirurgische Maßnahmen entscheidend [20]. Sind die Chancen dafür nicht mehr gegeben, wird eine trockene Wundbehandlung bis zur definitiven chirurgischen Versorgung angestrebt, um eine Infektion (feuchte Gangrän) zu verhindern. Nach Verbesserung der Zirkulation erfolgt die phasenadaptierte Lokaltherapie wie oben beschrieben.
Wundbehandlung unter Bedingungen des GMG
Alle Wundverbände (sofern nicht im Ausnahmekatalog gelistet — vgl. http://www.bvmed.de) inklusive Hydrogele, Alginate und silberhaltige Aktivkohlewundauflagen werden von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet, ebenso alle verschreibungspflichtigen Substanzen: Lokalantibiotika, z. B. Fusidinsäure und enzymatische Präparate, z. B. Iruxol N®; auch PVP-Jod-haltige Präparate für die Indikationen Dekubitus und Ulcus cruris. Eine Vielzahl von Wundbehandlungsprodukten ist seit 2004 nicht mehr generell erstattungsfähig, da sie nicht verschreibungspflichtig sind. Dies betrifft Wundspüllösungen und Antiseptika, EMLA-Creme (zum Débridement), Octenisept und Rezepturen mit Polyhexanid. Die Biochirurgie mit Lucilia sericata ist formell ein Rezepturarzneimittel. Die Lieferung erfolgt direkt an den Arzt (keine Apothekenpflicht). Eine Anfrage bei der zuständigen GKV wird vorher empfohlen, da keine Erstattungspflicht besteht.
EDV-gestützte Wunddokumentation
Rationale einer standardisierten und reproduzierbaren Wunddokumentation sind:
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individuelle Verlaufskontrolle,
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forensische Absicherung,
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Qualitätskontrolle zur Evaluierung der Therapiemaßnahmen,
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Informationstransfer an weitere Therapeuten.
Die Dokumentation von Wundart, Größe, Tiefe, Wundzustand und jeweiliger Therapie kann in der Akte z. B. mittels einfacher Messung (Länge×Breite×Tiefe), durch Planimetrie mit normierten Rasterfolien oder mittels digitaler Fotodokumentation und Implementierung in ein EDV-gestütztes Dokumentationssystem erfolgen.
Auch wenn der Nutzen unbestritten ist, so ist der Zeitaufwand für die Dokumentation hoch und kann nur durch automatisierte Verfügung der Daten für andere Dokumente (z. B. Arztbriefe, Therapieprotokolle, Leistungserfassung, wissenschaftliche Evaluation) in vernetzten Strukturen attraktiv werden [5].
Fazit für die Praxis
Das Spektrum der Behandlung chronischer Wunden ist deutlich verbessert. Zukünftige Therapieansätze könnten sich u. a. durch heilungsstimulierende Speichelisolate von Lucilia sericata, proteasenstabile modulierte Wachstumsfaktoren oder autologe dermoepidermale Composite-Grafts ergeben.
Die kausale Therapie der Grunderkrankung steht an erster Stelle. Die regelmäßige Beurteilung der Vitalität des Gewebes im Wundgrund, des Zustands der umgebenden Haut, möglicher Infektionszeichen und der Menge des Wundexsudats bestimmt das phasenadaptierte Konzept: ggf. wiederholtes Débridement, Einsatz von schonenden Antiseptika und unterschiedlich absorbierenden Wundauflagen. Interdisziplinäre Kooperation und Vernetzung werden in Zukunft den Rahmen für effiziente Versorgung bilden. Nur auf diesem Weg wird es möglich sein, eine angemessene Vergütung für qualifizierte Leistungen zu verhandeln. Einer aktuellen DocCheck-Umfrage zufolge verordnen bisher nur 20% der Ärzte moderne Wundbehandlungsprodukte.
Die Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V. (DGfW) strebt in Kooperation mit wundheilungsorientierten Arbeitsgemeinschaften anderer Fachgesellschaften (u. a. mit der AG Wundheilung der DDG) die Vernetzung von spezialisierten Wundzentren/-ambulanzen sowie die zertifizierte Weiterbildung für Ärzte und Pflegende an, um eine standardisierte Therapie chronischer Wunden in Deutschland zu etablieren. Ziel ist es, die Wundheilung zu beschleunigen, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und die Behandlungskosten zu senken.
Internetlinks und Kontaktadressen
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1.
Leitlinien der AWMF unter http://www.awmf-online.de oder http://leitlinien.net/
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Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (zuletzt überarbeitet Mai 2004; Nr. 037/009 L)
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Leitlinie: Diabetisches Fußsyndrom (Stand Mai 2004, Nr. 057/018 k)
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Leitlinie: Arterielle Verschlusskrankheit der Becken- und Beinarterien (Stand Juli 2001; Nr. 065/003, zurzeit in Überarbeitung)
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Leitlinie Dekubitus der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (Stand 1999, zurzeit in Überarbeitung; Nr.036/005)
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2.
http://www.derma.de/152.0.html
Arbeitsgemeinschaft Wundheilung (AGW) der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft
Kontakt: Frau PD Dr. med. S. Eming, Hautklinik der Universität zu Köln
E-Mail: sabine.eming@uni-koeln.de
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3.
Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V.
c/o Brigitte Nink-Grebe, Glaubrechtstraße 7, 35392 Gießen
Tel. 0641-6868-518
Fax 0641-6868-517
E-Mail: dgfw@dgfw.de
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5.
BVMed — Bundesverband Medizintechnologie, Berlin
E-Mail: info@bvmed.de
Informationskarte zur Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit von Verbandsmitteln online oder via E-Mail abrufbar.
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6.
Robert Koch-Institut, Berlin
Merkblatt für Ärzte zu MRSA
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Dill-Müller, D., Tilgen, W. Bewährte und aktuelle Verfahren in der Wundheilung. Hautarzt 56, 411–422 (2005). https://doi.org/10.1007/s00105-005-0932-7
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00105-005-0932-7