Die deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) geht in Deutschland von einer HSV-1-Durchseuchung von über 90% in der Adoleszenz aus [6]. Entgegen der allgemeinen Auffassung können HSV-1-Infektionen sehr häufig auftreten, eine starke Krankheitsaktivität entfalten und sich über weite Teile der Lippen und des Gesichtsbereichs ausbreiten [8]. Die Betroffenen leiden oftmals unter starken Schmerzen, einem verminderten Selbstwertgefühl, Selbstekel, einer subjektiven Beeinträchtigung ihrer Attraktivität und anderen psychosozialen Konsequenzen. Sucht man die für die Reaktivierung der Viren verantwortlichen Mechanismen, so werden häufig fieberhafte Infektionen, UV-Licht, hormonelle Einflüsse, gesichts- und zahnmedizinische Eingriffe, aber auch emotionaler Stress und Angst als Triggerfaktoren zitiert [8]. Oftmals werden die Herpesinfektionen in einem Zusammenhang mit einer geschwächten Immunabwehr gesehen. Dabei könnten die einzelnen Triggerfaktoren zu einer Immunsuppression führen, die ein Herpesrezidiv begünstigt [8]. Die nachfolgend dargestellte Studie befasst sich mit den Einflüssen von Stress und aversiven Emotionen auf rezidivierende Herpesinfektionen und daraus resultierenden Implikationen für eine psychologische Herpesbehandlung.

Einflüsse von Stress

Hinsichtlich der immunsuppressiven Wirkung von Stress werden 2 Hauptmechanismen unterschieden [16]. Über die neurohumorale Stressregulation werden vermehrt Katecholamine, Hormone und Neuropeptide ausgeschüttet. Daneben vermutet man auch zentralnervöse Auswirkungen auf das Immunsystem, wie z. B. sympathikusvermittelte Einflüsse auf lymphatische Organe [2, 16, 35]. In einer prospektiven Studie wurden Veränderungen der Herpesantikörpertiter unter Prüfungsstress untersucht [10, 19]. Während sich in diesen Studien die Herpesantikörpertiter zu den unterschiedlichen Messzeitpunkten signifikant unterschieden, konnten andere Autoren diese Befunde nicht replizieren [9, 25]. Auch Studien zu den Auswirkungen von länger anhaltendem Stress auf die Immunfunktionen führten zu widersprüchlichen Ergebnissen [2]. In einer Übersicht zu Feldstudien [31] ließen sich keine konsistenten Zusammenhänge zwischen erhöhtem Alltagsstress und Herpesrezidiven feststellen.

Aversive Emotionen

Neben Stress machen Herpespatienten häufig eine negative emotionale Befindlichkeit für die Entstehung neuer Infektionen verantwortlich [16, 27]. Katcher et al. belegen Zusammenhänge zwischen negativen Emotionen und der Auftretenshäufigkeit von Herpes [18, 33], allerdings konnte dies nicht immer repliziert werden [5, 24].

Herpespatienten machen häufig eine negative emotionale Befindlichkeit für die Entstehung neuer Infektionen verantwortlich

Ekel wird als charakteristisches Gefühl im Zusammenhang mit der Herpesinfektion beschrieben

Psychologische Interventionen bei Herpes

Zahlreiche Studien konnten die Wirksamkeit psychologischer Interventionen bei Herpes nachweisen [3, 23]. Die Behandlungsmethoden reichten von allgemeinen Entspannungstechniken, kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätzen und Stressmanagement bis zu komplexen psychosozialen Behandlungsprogrammen. Hierbei war jedoch häufig nicht der Herpes labialis, sondern der zumeist durch HSV 2 verursachte Herpes genitalis Gegenstand der Untersuchung.

Eine beträchtliche Anzahl von Studien belegen Auswirkungen auf das Immunsystem und eine verringerte Auftretenshäufigkeit von Herpesinfektionen durch hypnotherapeutische Interventionen [11, 12, 19]. Die Hypnotherapie scheint sich hierbei als besonders nützlich zu erweisen, da sie sowohl zu einer generellen körperlichen Entspannung und einer verbesserten Balance allgemeiner Immunfunktionen, als auch zu spezifischen Veränderungen der Immunparameter beitragen kann [17].

Methode

Versuchsplan und Stichprobe

In der hier durchgeführten Pilotstudie wurden die Frequenz und die Ausprägung der Herpesrezidive der Behandelten mit einer Wartelistekontrollgruppe zu Untersuchungsbeginn und 6 Monate später (Katamnese) verglichen (zweifaktorielle Varianzanalysen, univariat).

Die Patienten wurden durch Pressenotizen in regionalen Tageszeitungen und eine über die Universität verschickte Rundmail angeworben. Die Teilnehmer legten eine ärztliche Diagnose der Herpeserkrankung vor (mit einer durchschnittlichen Auftretenshäufigkeit von mindestens 5-mal/Jahr oder länger als 10 Tage anhaltender Symptomatik). Ausgeschlossen wurden Personen, die unter sich stark auf das Immunsystem auswirkenden Erkrankungen litten und/oder immunsuppressiv wirkende Medikamente einnahmen (Krebserkrankungen, Chemotherapie, Kortisonbehandlung, Transplantationspatienten). Zunächst wurden 21 interessierte Personen nach der Auftretenshäufigkeit in 3 verschiedene Kategorien eingeteilt (I=5-mal/Jahr, II=6- bis12-mal/Jahr und III=>12-mal/Jahr). Innerhalb dieser Kategorien erfolgte eine randomisierte Zuweisung zu einer Experimental- (n=10) und einer Kontrollgruppe (n=11). Das Durchschnittsalter für beide Gruppen betrug 41,45 Jahre. Die Gruppen wiesen keine signifikanten Unterschiede in den Variablen Geschlecht, Alter und Schulbildung auf. In jeder Gruppe nahmen jeweils nur 2 männliche Probanden teil. Sowohl in der Experimental- als auch in der Kontrollbedingung behandelten die Patienten ihre Herpeserkrankungen ausschließlich lokal mit Aciclovir-Salbe. Die Medikation wurde während der hypnotherapeutischen Behandlung nicht verändert.

Erhebungsinstrumente

Skala zur Beurteilung der Erkrankung (SBE) mit visuellen Analogskalen (VAS)

Zur Erfassung der Symptomatik wurde in Anlehnung an den SCORAD-Fragebogen („European Task Force on Atopic Dermatitis“ [30]) eine Skala zur Beurteilung der Erkrankung (SBE) entwickelt. Die in verschiedenen Stadien der Herpeserkrankung entstehenden Hautsymptome wurden anhand von 8 fünfstufigen Ratingskalen erfasst. Diese beinhalteten folgende Punkte:

  1. 1.

    Nicht sichtbare Prodromalzeichen;

  2. 2.

    Rötung;

  3. 3.

    Knötchenbildung;

  4. 4.

    Voll ausgebildete Bläschen;

  5. 5.

    Ausgetrocknete Bläschen;

  6. 6.

    Krustenbildung;

  7. 7.

    Verbleibende Schwellung;

  8. 8.

    Abgeheilt mit anhaltender leichter Rötung.

Abschließend wurde ein Summenwert „Intensität“ gebildet. Zur Erfassung der subjektiven Beeinträchtigung (Aussehen und Schmerz) wurden visuelle Analogskalen von 0 („keine Beeinträchtigung“) bis 10 („die am stärksten vorstellbare Ausprägung“) verwendet. In der vorliegenden Studie sollte das Messinstrument zur Selbsteinschätzung des klinischen Schweregrads dienen.

Marburger Hautfragebogen (MHF [32])

Der MHF erfasst die mit chronischen Hauterkrankungen verbundenen spezifischen Probleme und Bewältigungsreaktionen und stellte in der vorliegenden Untersuchung das einzige normierte hautspezifische Messinstrument dar (6 fünfstufige Ratingskalen mit 51 Items).

SVF: Stressverarbeitungsfragebogen [14]

Der SVF ermöglicht eine Differenzierung stressreduzierender oder -vermehrender Bewältigungsstrategien. Der Test besteht aus 19 Subskalen mit jeweils 6 Items, die auf einer fünfstufigen Ratingskala eingeschätzt werden [15].

KKG: Fragebogen zu Kontrollüberzeugungen zu Krankheit bzw. Gesundheit [22]

Mit Hilfe des KKG können die Veränderungen generalisierter Kontrollüberzeugungen gemessen werden. Die Kontrollüberzeugungen „Internalität“, „soziale Externalität“ und „fatalistische Externalität“ wurden auf einer sechsstufigen Likert-Skala erfasst.

CIS: „Creative imagination scale“ [34]

Die „Creative imagination scale“ sollte dazu dienen, mögliche Zusammenhänge zwischen der Imaginationsfähigkeit und den Kriterien für den Behandlungserfolg zu ermitteln. Der Test wurde erst nach der Behandlung durchgeführt, um einer Voreingenommenheit bezüglich der Hypnotisierbarkeit vorzubeugen.

BSS: Der Beeinträchtigungsschwere-Score [29]

Mit Hilfe des BSS kann der Therapeut die Beeinträchtigungsschwere auf 3 Subskalen (körperlich, psychisch und sozial-kommunikativ) einschätzen [29]. In der vorliegenden Untersuchung wurde das Instrument als Verlaufsmaß für die während der Behandlungsphase beobachteten Beeinträchtigungen eingesetzt.

Ablauf und Behandlungsmethode

Die Behandlung fand am psychologischen Institut der Universität Tübingen statt. An einem Informationsabend wurden die Vorbehandlungsdaten erhoben und SBE-Protokolle zum Zwecke der Dokumentation auftretender Herpeserkrankungen ausgeteilt. Im Anschluss daran erhielten die Teilnehmer der Experimentalgruppe 5 wöchentliche individuelle Therapiesitzungen von jeweils 60 min Dauer. Jede Sitzung wurde auf eine Audiokassette aufgezeichnet, die die Patienten zu Übungszwecken mit nach Hause nahmen. Nach einem Katamnesezeitraum von 6 Monaten wurden in einer abschließenden Gruppensitzung die Nachbehandlungsdaten erhoben. Anschließend begann die nach denselben Prinzipien gestaltete Behandlung der Kontrollgruppe.

Der Inhalt des Behandlungsprogramms fokussierte nach der Tranceinduktion im Besonderen auf die Stresswahrnehmung, das Erlernen verschiedener Stressbewältigungstechniken, die Vermittlung von Kontrollmöglichkeiten über Körperprozesse und die Visualisierung eines günstigeren Umgangs mit aversiven Emotionen. Die ersten 3 Sitzungen fanden in stark standardisierter Form statt. So wurden den Patienten in der ersten Sitzung erste Entspannungserfahrungen und allgemeine Selbsthypnosetechniken vermittelt. Die zweite Sitzung befasste sich mit der Wahrnehmung der Prodromalzeichen und der symptomorientierten Behandlung des Herpes. Hierbei lernten die Teilnehmer, bereits bei den ersten Anzeichen für Herpes ausgewählte Techniken der Selbsthypnose anzuwenden (z. B. direkte Suggestionen der Taubheit und Unempfindlichkeit, Kühle und der besseren Durchblutung zur Förderung des Heilungsprozesses in der betroffenen Region), und somit den Schmerz und die mit der Infektion verbundenen unangenehmen Symptome zu verhindern bzw.—bei bereits bestehendem Herpes—zu lindern. Die dritte Sitzung beinhaltete eine Körperreise mit einer Visualisierung des Immunssystems und damit verbundener Ressourcen über körperliche Beeinflussungsmöglichkeiten. Die letzten beiden Sitzungen orientierten sich an der mit dem Herpes verbundenen individuellen Problematik der Patienten. Hierbei wurden verstärkt metaphorische Beschreibungen zur Auseinandersetzung mit dem Krankheitsprozess eingesetzt.

Statistische Auswertungen

Mittelwertsunterschiede zwischen den Gruppen und Zeitpunkten wurden anhand von zweifaktoriellen ANOVAs analysiert. Eine Überlegenheit der Experimentalgruppe zeigt sich dabei in einem signifikanten Interaktionseffekt (Gruppe × Zeit). Bereits vor der Behandlung bestehende Gruppenunterschiede wurden mit t-Tests für unabhängige Stichproben überprüft. Zusätzlich wurden Effektstärken für die einzelnen Variablen berechnet. Zusammenhänge zwischen der Imaginationsfähigkeit und dem Therapieerfolg wurden mit Produkt-Moment-Korrelationen erfasst (Pearson, zweiseitige Prüfung mit p<5%). Um die Ergebnisse auch hinsichtlich ihrer klinischen Signifikanz darzustellen, wurden die Vor- und Nachbehandlungswerte außerdem grafisch in einem bivariaten Streudiagramm dargestellt [13].

Hierbei differenzierte ein „Cut-Off-Punkt“ zwischen „Hautgesunden“ und „Hautkranken“. Überschreitet ein Patient diesen „Cut-Off-Wert“ zwischen t1 und t2, so lässt er sich am Ende der gesunden Population zuordnen und gilt somit als geheilt, liegt er lediglich oberhalb der Diagonalen, dann gilt er als gebessert. Bei der Anwendung dieses Verfahrens muss die Zuverlässigkeit des Messinstruments berücksichtigt werden: Die Differenz der Mittelwerte der zu t1 und t2 erhobenen Daten muss den Wert von 2 Standardmessfehlern überschreiten, um eine individuell reliable Veränderung darzustellen.

Ergebnisse

Subjektive Symptomschwere (SBE)

Vor der Behandlung unterschieden sich die beiden Gruppen hinsichtlich der Hautparameter nicht wesentlich (t-Test). Durch die Behandlung sank der Mittelwert der Experimentalgruppe von t1 nach t2, auf der Skala „Intensität“ von 26,0 (10,3Footnote 1) auf 15,0 (7,0), während der Mittelwert der Kontrollgruppe von 24,4 (6,1) auf 23,1 (3,8) praktisch unverändert blieb (Abb. 1). Anhand der Varianzanalyse ergab sich entsprechend ein sehr signifikanter Interaktionseffekt (df=1; F=8,4; p=0,01).

Abb. 1
figure 1

Durchschnittliche Ausprägung der Hautitems (Skala „Intensität“), getrennt nach Experimental- und Kontrollgruppe

Auf der visuellen Analogskala (VAS) „Schmerz“ erreichte die Experimentalgruppe eine (nicht signifikante) Abnahme von 5,7 (3,3) auf 3,6 (1,9). Die Mittelwerte der Kontrollgruppe blieben vor (6,2 (2,3)) und nach der Behandlung (6,3 (2,2)) nahezu unverändert.

Auf der VAS „Subjektive Beeinträchtigung des Aussehens“ sanken die Mittelwerte sowohl der Experimentalgruppe von 6,4 (2,8) auf 3,6 (2,7), als auch die der Kontrollgruppe von 7,1 (1,6) auf 5,9 (2,1; signifikanter Haupteffekt für den Faktor „Zeit“: df=1; F=9,1; p=0,008).

Deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen zeigten sich auch bei der „Häufigkeit des Auftretens“: Der Mittelwert der Hypnosegruppe fiel von 10,4 (7,6) zu t1 auf 5,2 (3,3) zu t2. Bei der Kontrollgruppe ließ sich ein leichter Anstieg von 7,2 (5,7) auf 8,5 (6,8) feststellen (nahezu signifikante Zeit-Gruppe-Interaktion mit F=0,1; df=1; p=0,056; Abb. 2, 3).

Abb. 2
figure 2

Mittelwerte Intensität zu t1 (Baseline) und t2 (Katamnesezeitraum), getrennt nach Gruppen

Abb. 3
figure 3

Mittelwerte „Erkrankungshäufigkeit“ zu t1 (Baseline) und t2 (Katamnese), getrennt nach Gruppen

Für alle Skalen ließen sich hohe Vor-Nach-Effektstärken zwischen (−1,16) und (−1,42) bestimmen.

Das bivariate Streudiagramm der Personen aus beiden Gruppen zeigt Abb. 4. Die senkrechte und waagerechte Linie geben jeweils den „Cut-Off-Punkt“ an. Dieser trennt zwischen „behandlungsbedürftigen“ und „gesunden“ Patienten. Die Diagonale gibt den Bereich an, in dem die Personen zu beiden Zeitpunkten dieselben Werte aufweisen. Somit gelten Personen, die sich auf dieser Gerade oder in ihrer unmittelbaren Nähe befinden, als unverändert. Der „Cut-Off“ für „hautgesund“ wurde nach den Angaben in der dermatologischen Literatur bei der Häufigkeit 5-mal pro Jahr gesetzt (z. B. [26]). Beträgt die jährliche Auftretenshäufigkeit mehr als 5, wird eine Behandlungsbedürftigkeit angenommen. Da dies kein Messverfahren, sondern eine quasi-objektive Zählung ist, kann der Standardmessfehler als „Null“ angenommen werden.

Abb. 4
figure 4

Klinisch bedeutsame Veränderungen der Häufigkeit von t1 (Baseline) und t2 (Katamnesezeitraum)

Als geheilt können 4 Patienten der Hypnosegruppe gelten. Verbessert hatten sich 2 Personen in der Experimentalgruppe und ein Patient aus der Kontrollgruppe (Spontanremission, bzw. medikamentöse Beeinflussung). Je 2 behandelte und 2 unbehandelte Personen blieben unverändert; ein behandelter und 5 unbehandelte Patienten hatten sich verschlechtert. Insgesamt haben 6 der 10 Behandelten von der Hypnose profitiert.

Marburger Hautfragebogen (MHF)

Beim Vergleich der Mittelwerte der in einem Summenwert zusammengefassten MHF-Skalen (mit Ausnahme der Skala „Juckreiz-Kratz-Zirkel“) zwischen der Experimental- und der Kontrollgruppe war in der Experimentalgruppe (t1=103,3 (29,5); t2=95,4 (35,8)) eine Tendenz zur Reduktion der Werte erkennbar, während die Messwerte für die Kontrollgruppe (t1=97,9 (27,6); t2=99,3 (37,5)) leicht anstiegen (signifikanter Interaktionseffekt für die Skala „Soziale Ängste/Vermeidung“: F=5,0; df=1; p=0,04). Für die anderen Skalen wurden keine signifikanten Werte gefunden.

Stressverarbeitung (SVF)

Die Mittelwerte der zusammengefassten SVF-Skalen sind lediglich im Sinne einer Veränderung, aber nicht als Verbesserung oder Verschlechterung interpretierbar. Einige Skalen wiesen signifikante Effekte auf: „Bedürfnis nach sozialer Unterstützung“ (Skala 10: F=4,1; df=1; p=0,056) und Skala 14: „Gedankliche Weiterbeschäftigung“ (F=4,4; df=1; p=0,05) zeigten nahezu signifikante Ergebnisse. Die Effektstärken für die Skalen „Fluchttendenz“ (−1,07) und „soziale Abkapselung“ (−1,17) lagen in einem zufriedenstellenden Bereich. Alle Subskalen außer „soziale Abkapselung“ zeigten vor der Intervention keine Gruppenunterschiede.

Übrige Skalen (KKG, BSS, CIS)

Entgegen unserer Erwartungen blieb die Externalität gleich, während die internalen Kontrollüberzeugungen in beiden Gruppen geringfügig anstiegen. In der Varianzanalyse und im t-Test für unabhängige Stichproben zeigte sich für keine der 3 Skalen ein signifikanter Effekt. Der CIS wurde mit allen ermittelten Vor- und Nachskalenwerten korreliert. Es zeigten sich keine Zusammenhänge zwischen der Veränderung der Hautparameter und der Imaginationsfähigkeit. Ebenso wenig zeigte sich ein signifikantes Ergebnis für die Veränderung der Beeinträchtigungsschwere (BSS).

Diskussion

Die Ergebnisse belegen eine deutliche Abnahme der Krankheitsintensität durch die Hypnosebehandlung. Obwohl das Ergebnis keine statistische Bestätigung fand und daher nicht automatisch auf eine Behandlungswirkung geschlossen werden kann, war es erstaunlich, dass auch der Schmerz bei der Experimentalgruppe durchschnittlich um 36,3% zurückging (Kontrollgruppe: Anstieg um 0,9%). Ähnliches ergab sich bezüglich der subjektiven Beeinträchtigung des Aussehens (Reduktion um 43,72% bei Hypnosebehandlung; 17,28% in der Kontrollgruppe). Es muss jedoch betont werden, dass es sich bei der oben dargestellten Skala (SBE) um ein nicht validiertes Messinstrument und eine Selbsteinschätzung der Patienten sowie um retrospektive Einschätzungen ihrer jährlichen Erkrankungshäufigkeit handelt, was durchaus zu Verzerrungen und Fehleinschätzungen führen könnte.

Auf dem Hautfragebogen (MHF) zeigten sich nur teilweise Veränderungen. Die sozialen Ängste und das Vermeidungsverhalten schienen sich durch die Behandlung bei den Teilnehmern der Experimentalgruppe zu reduzieren. Es bleibt im Übrigen fraglich, inwieweit der MHF herpesspezifische Probleme erfasst. Eine Veränderung der Stressbewältigungsmechanismen konnte nur in den Subskalen „Bedürfnisse nach sozialer Unterstützung“ und „gedanklicher Weiterbeschäftigung“ belegt werden. Insgesamt scheinen allerdings die im SVF konzipierten Stressverarbeitungsmodelle eher zeitkonstant und daher nur von beschränktem Wert für eine Veränderungsmessung zu sein.

Entgegen unserer Erwartungen ließ sich kein Unterschied in der Zunahme internaler Kontrollüberzeugungen demonstrieren. Auch hier bleibt fraglich, ob sich die durch die Hypnotherapie veränderte unmittelbare Kontrolle über körperliche Vorgänge durch den KKG adäquat abbilden lässt. Eine andere Erklärung könnte der für eine Veränderung der internalen Kontrollüberzeugungen zu kurze Behandlungszeitraum und die selektive Stichprobe darstellen. Es wäre denkbar, dass Patienten, die sich für ein Hypnotherapieprogramm interessieren, fälschlicherweise von der Hypnose Hilfe von außen erwarten.

Aufgrund methodischer Schwächen wie der geringen Stichprobengröße, der Heterogenität der Stichprobe und dem verhältnismäßig kurzen Katamnesezeitraum muss die klinische Bedeutsamkeit der Ergebnisse relativiert werden. Bereits bei der Rekrutierung der Teilnehmer hat sich gezeigt, dass sowohl die Frequenz der Herpesrezidive als auch die Symptomatik selbst sehr unterschiedlich ausfielen. Es liegt nahe, dass jede Herpeserkrankung in Abhängigkeit von den Triggerfaktoren, dem Lokalisationsort, der Erkrankungsdauer, dem Krankheitsverlaufs etc. auch eine unterschiedliche Problematik bezüglich der wahrgenommenen Einschränkung darstellt und verschiedene subjektive Krankheitshypothesen mit sich bringt.

In dieser Studie wurde gänzlich auf die Messung von Immunparametern verzichtet, da ihre Veränderung schwierig zu bewerten ist. Der Herpesantikörpertiter ist unabhängig vom klinischen Verlauf und von der Symptomatik der Herpeserkrankung [6, 8, 9]. Des Weiteren ist umstritten, ob Stress eher eine Immunsuppression oder eine gesteigerte Immunreaktion bewirkt [16, 20].

Die Beschäftigung mit aversiven Emotionen wie dem Ekel kann zu einem besseren Verständnis der Herpeserkrankung beitragen. Über Ekel als Auslöser für Rezidive oder als eine im Zusammenhang mit der Erkrankung auftretende Emotion berichten 6 der 10 behandelten Patienten. Diese Ekelgefühle richteten sich gegen bestimmte Objekte wie z. B. Spinnen und Regenwürmer oder durch Lippenstiftreste verschmutzte Gläser. Besonders betont wurden jedoch der durch die Krankheitssymptomatik hervorgerufene Selbstekel und Ekelgefühle in Bezug auf die Nähe anderer Personen, die z. B. in einem als kontaminiert betrachteten Umfeld lebten oder selbst unter unansehnlichen Hauterkrankungen litten.

Auffällig war, dass gerade diese Patienten explizit Gefühle der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins gegenüber ihrer Herpeserkrankung und einen geringen wahrgenommenen Selbstschutz beschrieben. Sie fühlten sich ausgegrenzt, „aussätzig“ und ausgeschlossen von genüsslichen Aktivitäten. Innerhalb der symptomorientierten Behandlung wollten sie sich ungern mit ihren Herpessymptomen auseinander setzen und stellten sich Hilfsmittel vor, die den Herpes möglichst ohne weitere Konfrontation ausrotten sollten. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sinnlichkeit und nicht zugestandenen Wünschen und moralischen Vorstellungen, mit Nähe- und Distanzerwartungen und dem Selbstbild hat nach dem Eindruck der Autoren die Therapie bereichert. Für zukünftige Forschungsvorhaben wäre es sinnvoll, geeignete Messinstrumente zur Erfassung dieser spezifischen Emotionen einzubeziehen.

Die Effektstärken bieten die Möglichkeit des Vergleichs mit anderen chronischen Hauterkrankungen. Die berechneten Werte (d zwischen 1,1 und 1,4) fallen im Vergleich mit anderen Hautbehandlungsprogrammen (z. B. [7]) durchaus positiv aus. Für weitere Studien wäre es u. U. empfehlenswert, die Befindlichkeit der Patienten in regelmäßigen Abständen festzuhalten, um z. B. anhand von Zeitreihenanalysen individuelle Veränderungstrends zu berechnen. Auch wäre ein Untersuchungszeitraum von mindestens einem Jahr wünschenswert, um saisonal auftretende Herpesrezidive angemessen zu berücksichtigen. In weiterführenden Studien sollte die begleitende dermatologische Behandlung genauer spezifiziert und zwischen den Gruppen verglichen werden, um darauf zurückzuführende Behandlungseffekte zu kontrollieren. Prospektive Untersuchungen und größere Stichproben könnten die Validität der Ergebnisse erhöhen. Auch die Anwendung objektiver, herpesspezifischer, nicht ausschließlich auf subjektiven Selbsteinschätzungen beruhender Tests würde sich vorteilhaft auf eine Vergleichbarkeit zwischen Studien auswirken.

Fazit für die Praxis

Durch die vorliegende Studie wurde demonstriert, dass die hypnotherapeutische Behandlung des Herpes labialis als einfach durchzuführendes, kostengünstiges, nichtinvasives Verfahren eine gute Ergänzung zur dermatologischen Behandlung darstellt. Ein Herpestherapieprogramm muss verschiedene Komponenten berücksichtigen. Hierzu müssen neben einer ausführlichen Exploration der psychischen und physischen Belastung Informationen über präventive Maßnahmen, ein geeignetes Stressmanagement und günstigere kognitive Strategien vermittelt werden. Wichtig erscheint auch die Auseinandersetzung mit körperlichen Vorgängen—z. B. in Form einer Visualisierung von Immunprozessen—und die Wahrnehmung der eigenen Einflussmöglichkeiten. Insbesondere die Beschäftigung mit den individuellen Krankheitshypothesen und damit verbundenen negativen Emotionen macht die Behandlung fassettenreicher.