Zusammenfassung
Wir berichten über einen 63-jährigen Patienten mit einem ausgeprägten perianalen und palmaren Ekzem, als dessen Ursache eine Kontaktsensibilisierung gegen Iodpropinylbutylcarbamat in feuchtem Toilettenpapier nachgewiesen werden konnte. Spättypsensibilisierungen gegen diese Substanz sind insofern von besonderer Relevanz, als dass Iodpropinylbutylcarbamat seit 1996 zunehmend als Biozid in Kosmetikartikeln (unter anderem in Feuchtwischtüchern) eingesetzt wird und dabei die als häufige Sensibilisatoren bekannten Isothiazolinone und das Methyldibromoglutaronitril verdrängt. Das erhebliche Sensibilisierungspotenzial diverser Konservierungsstoffe ist für die Kosmetikindustrie ein permanentes Problem, da allergologisch vollständig unbedenkliche Biozide derzeit nicht verfügbar sind, bestimmte Produktgruppen—wie etwa Feuchttücher—in Mehrwegpackungen aber eine profunde Konservierung erfordern.
Abstract
A 63-year old man developed severe perianal and palmar contact dermatitis caused by sensitization to iodopropynyl butylcarbamate in moist sanitary wipes. Iodopropynyl butylcarbamate is increasingly employed as preservative in common cosmetic formulations and moist sanitary wipes as substitute for the previously frequently used sensitizers isothiazolinones and methyldibromoglutaronitrile. The allergic potential of diverse preservatives is a serious problem for the cosmetic industry, since truly hypoallergenic preservatives are not available but products such as moist sanitary wipes in large packages definitely require some form of protection.
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Sowohl Palmar- als auch Analekzeme—Letztere eine der häufigsten proktologischen Erkrankungen überhaupt—erfordern häufig einen fachärztlichen Rat. Die meisten dieser Ekzeme sind konstitutionell bedingt (atopische Diathese, seborrhoisches Ekzem) oder irritativer Genese, da sezernierende Krankheiten wie Marisken, Hämorrhoiden, Analfisteln oder chronische Diarrhö ihr Auftreten begünstigen. Das allergische Kontaktekzem entwickelt sich meist als so genannte "Pfropfallergie" auf primär vorgeschädigter Haut. Im Rahmen der oben genannten kausalen Faktoren führen Nässen, Jucken und Mazeration der Haut bei der betroffenen Person zu verstärkten Hygienemaßnahmen, z. B. zum Gebrauch von feuchtem Toilettenpapier. Diese sind meist mit Duftstoffen und anderen potenziellen Allergenen wie Bioziden versehen, die durch die gestörte Barrierefunktion leichter die Epidermis durchdringen und bei wiederholter Anwendung zu einer Typ-IV-Sensibilisierung führen können.
Fallbericht
Ein 63-jähriger Patient wurde im Juni 2002 in unserer Allergieambulanz vorstellig wegen seit 2 Wochen bestehender, impetiginisierter, erosiver, nässender Effloreszenzen und dyshidrosiformer Bläschen vornehmlich an der linken Handfläche (Abb. 1). Bei einer eingehenden klinischen Untersuchung wurden zusätzlich ekzematöse Effloreszenzen perianal und in der Rima ani festgestellt (Abb. 2).
Als Grunderkrankungen konnten ein Diabetes mellitus und eine Hemikolektomie (Durchführung 1995 nach einem Dickdarmadenom) erhoben werden. Der Patient wurde zur intensiven Lokaltherapie sowie peroralen Antibiose stationär aufgenommen. Nach 1-wöchigem stationärem Aufenthalt und topischer Steroidtherapie mit Mometason furoat (Ecural Creme®, Essex Pharma) heilte das Ekzem vollständig ab.
Ein Epikutantest (Hermal, mit den Serien Standard-, Externa- und Konservierungsstoffe der DKG) ergab eine positive Reaktion auf Methyldibromoglutaronitril/Phenoxyethanol sowie auf Iodpropinylbutylcarbamat (IPBC; INCI: Iodopropynyl butylcarbamate/CAS-Nr. 88558-41-2) in 0,1-, 0,3- sowie 0,5%iger Konzentration (Abb. 3). Dieses Ergebnis war konklusiv im Hinblick auf die Anamnese, der zufolge der Patient seit seiner Operation 1995 regelmäßig feuchte Toilettenpapiertücher zur Analhygiene verwendet hatte. Die verschiedenen über die Zeit verwendeten Produkte hatten unter anderem auch jene Biozide enthalten, auf die der Patient positive Reaktionen zeigte. Das zuletzt vom Patienten verwendete Produkt ("Hakle-feucht Kamille" der Fa. Hakle GmbH) führte, in frischem Zustand epikutan getestet, ebenfalls zu einer ausgeprägten positiven Testreaktion. Dieses letztverwendete Produkt enthält als Konservierungsmittel sowohl Iodpropinylbutylcarbamat als auch Phenoxyethanol. Da Phenoxyethanol nur ein fragliches Sensibilisierungspotenzial aufweist [5], ist es vermutlich zulässig, die aktuelle Ekzemreaktion dem Konservierungsmittel Iodpropinylbutylcarbamat zuzuschreiben. Dem Patienten wurde geraten, vom weiteren Gebrauch feuchten Toilettenpapiers Abstand zu nehmen und zur Analhygiene lediglich Wasser und weißes, trockenes Toilettenpapier zu verwenden. Vor Gebrauch etwaiger konservierungsstoffhältiger Externa sollte ein "repeated open application test" (ROAT) in der Ellenbeuge durchgeführt werden.
Diskussion
Das immer größer werdende Angebot an konservierten Kosmetik- und Körperpflegeprodukten inklusive Feuchtwischtüchern (Letztere werden auch in zunehmendem Maße in der Putzmittelindustrie verwendet) führt zu häufigen Kontakten mit Bioziden. Die ansteigende Sensibilisierungsrate auf herkömmliche Biozide zwang die Industrie, zum Schutze des Konsumenten weniger sensibilisierende Alternativen zu finden, [13, 14]. In Ablösung herkömmlicher Konservierungsstoffe wie Parabene, Formaldehyd, Kathon CG® (Methylisothiazolinon/Chlormethylisothiazolinon) sowie Euxyl K 400® (1,2-Dibrom-2,4-dicyanobutan und 2-Phenoxyethanol), die epidemiologisch als bedeutsame Sensibilisatoren eingestuft werden [20], wird aktuell IPBC immer häufiger als scheinbar weniger allergisierende Substanz verwendet. IPBC wird seit 1970 als Konservierungsstoff in Holzschutzmitteln und Farben (Troysan®, Polyphase P-100®) und wurde 1996 erstmals in der Kosmetikindustrie (Glycasil®, Biodocarb®) eingesetzt [9, 10, 15]. IPBC weist fungizide bzw. bakterizide Wirkung auf und wird daher neben Kosmetika, Shampoos, Pflegecremes und Babypflegeserien auch Haushalts- und Kontaktlinsenreinigern beigefügt. Je nach Anwendung wird IPBC in einer Konzentration von 0,01–0,05% zugesetzt [7]. Seitens der Kosmetikindustrie wird es nach EU-Richtlinien in einer Konzentration von maximal 0,05% bei zahllosen Produkten verwendet. Die Ausnahme sind Produkte, die für die Mundhygiene bzw. zur Anwendung im Lippenbereich hergestellt werden [7].
Die Sensibilisierungsgefahr auf IPBC scheint bei einer Konzentration von unter 0,1% gering zu sein.
Seit dem 25.01.2002 läuft ein Monitoring von IPBC 0,1%, IPBC 0,3% und IPBC 0,5% im Rahmen der Epikutantestreihen der deutschen Kontaktallergie-Gruppe (DKG). Dabei ist die Ermittlung der optimalen Testkonzentration Gegenstand laufender Untersuchungen [2]. Eine Aufnahme in die Standardserie scheint derzeit zwar nicht gerechtfertigt, es sollte aber bei Verdacht auf Kosmetika- oder Kühlschmiermittelallergie mitgetestet werden [2].
Wiederholter Kontakt mit dem Biozid IPBC kann beim Konsumenten zur Typ-IV-Sensibilisierung und damit lediglich zu einer Verschiebung des Problems führen. Die zunehmende Tendenz wird deutlich im Vergleich zu früheren Publikationen über Feuchtwischtücher (Tabelle 1). Nach zahlreichen Studien über die zunehmenden Sensibilisierungen auf Butyl-4-hydroxybenzoat (Parabene), Kathon CG® [8, 11, 12, 16] und Euxyl K 400® [4, 5, 13, 14, 19, 20] wurde in den letzten Jahren mehrfach über Typ-IV-Reaktionen auf Iodpropinylbutylcarbamat berichtet.
Eine Typ-IV-Sensibilisierung auf IPBC in Kosmetikartikeln wurde erstmals 1997 von Bryld beschrieben [6]. Mehrere Publikationen folgten [7, 17], zuletzt im März 2002 eine von Schnuch [18] und im Juni 2002 von Badre Shia [3]. Zwischen 1996 und 1999 wurden 9 Fälle von durch IPBC ausgelöster Kontaktdermatitis publiziert, und es kamen seit der Studie von Bryld noch weitere 4 (ausschließlich Frauen) hinzu [18]. Unser "Fall" stellt die erste deutschsprachige Kasuistik dar. Aus bisherigen Berichten geht hervor, dass die Sensibilisierungsgefahr auf IPBC bei einer Konzentration von unter 0,1% gering zu sein scheint [18]. Nach der Mitteilung von Bryld treten ab einer Konzentration von 0,5% vermehrt positive Reaktionen auf [7]. Mit steigender Zahl an Expositionen und Exponierten, die mit dem gegenwärtig zunehmendem Gebrauch in Kosmetikartikeln und Haushaltsmitteln unvermeidbar sind, ist zu erwarten, dass die Sensibilisierungsrate zukünftig ansteigen wird. Die Sensibilisierungsrate der herkömmlichen Biozide ist dagegen—zumindest in den USA—wieder rückläufig. Unser Fallbeispiel soll zeigen, wie wichtig es für den Konsumenten geworden ist, über die genaue inhaltliche Zusammensetzung diverser Kosmetikartikel gut informiert zu sein. Die seit 1997 bestehende Deklarationspflicht für Kosmetikinhaltsstoffe ist diesbezüglich sowohl für den Konsumenten als auch für die ärztliche Diagnostik des allergischen Kontaktekzems eine große Erleichterung [1]. Weitere Beobachtungen suspekter Unverträglichkeitsreaktionen in Zusammenhang mit Kosmetikartikeln, Reinigungsmitteln und Feuchtwischtüchern jeglicher Art sollten mehr Aufschluss über diese Problematik geben.
Ergänzend anzufügen ist, dass viele Fälle von Kontaktallergie auf Feuchtwischtücher nicht publiziert werden, weil der Zusammenhang zwischen Ekzem und Auslöser für viele Verwender so offensichtlich ist, dass sie von einer Diagnostik absehen und die Produktgruppe fortan meiden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein rezent erschienener Artikel, der auf die Bedeutung der durch Konservierungsmittel verursachten Handekzeme bei Eltern und anderen Personen hinweist, die feuchtes Toilettenpapier anwenden. Als bezeichnender Ausdruck dafür wurde "Baby-wipe dermatitis" gewählt [12]—auf deutsch "Popo-Reinigungsekzem"!
Literatur
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Schöllnast, R., Kränke, B. & Aberer, W. Anal- und Palmarekzem durch Iodpropinylbutylcarbamat in feuchtem Toilettenpapier. Hautarzt 54, 970–974 (2003). https://doi.org/10.1007/s00105-003-0585-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00105-003-0585-3