Die Untersuchung von pH-Werten der menschlichen Haut beschäftigt die dermatologische Forschung schon seit mehr als einem Jahrhundert. Der pH-Wert beschreibt logarithmisch die reziproke Konzentration der freien Wasserstoffionen. Die Skala der Messwerte wird in Werte von 0–14 eingeteilt. Zahlreiche endogene und exogene Faktoren, wie beispielsweise die Temperatur, können auf die Konzentration von Wasserstoffionen und somit auf den zu messenden pH-Wert einen wesentlichen Einfluss ausüben [2]. Bereits 1892 wurde erstmalig von Hesus und 1928 erneut von Schade und Marchioni das saure Milieu der intakten Hautoberfläche beschrieben [3, 8, 20]. Dieser auch als physiologischer "Säuremantel" bezeichnete pH-Wert der Haut wird abhängig von Lokalisation und Alter der Probanden mit Werten von 4,0–6,0 angegeben und scheint von essenzieller Bedeutung für deren vollständige Funktion und insbesondere für deren Resistenz gegenüber Noxen zu sein [18, 26]. Der physiologisch saure pH-Wert der Haut resultiert überwiegend aus der Lösung von Aminosäuren, Fettsäuren, Pyrrolidoncarbonsäuren und weiteren sauren Stoffwechselprodukten. Somit kann das Lactat-Bicarbonat-Puffer-System in seiner Dissoziation partiell verschoben werden, und reaktiv stellt sich ein saurer pH-Wert ein. Auch die Messungen des pH-Wertes von humanem Schweiß zeigen saure pH-Werte von 5,6–6,75. Eine Ausnahmen bilden hingegen Axillen, Genitokruralfalten, Rima ani, Zehenzwischenräume und Teile der Plantarregion [2, 10, 14]. Auch bei Neugeborenen finden sich zunächst pH-Werte um 7,0. Geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der gemessenen pH-Werte der intakten Haut konnten allerdings nicht festgestellt werden [26].

Bislang existieren kaum Untersuchungen über den pH-Wert im Milieu chronischer Wunden oder dessen Beeinflussung durch therapeutische Interventionen. Im Rahmen der Abheilung akuter Wunden wird initial eine physiologische Azidose beobachtet, die wesentlich durch die Produktion organischer Säuren und durch eine Stase-bedingte CO2-Anreicherung verursacht wird [6, 9]. Darüber hinaus kommt es durch eine überwiegend anaeroben Glykolyse zu einer vermehrten Laktatproduktion, insbesondere während der Kollagensynthese mit einem Maximum in der Phase der Ausbildung von Granulationsgewebe [6]. Als ein weiterer Faktor für die Förderung eines sauren Wundmilieus wird die Bildung von Pus beschrieben, wohingegen als ein alkalisierender Faktor in Wunden die Ausbildung von Nekrosen beobachtet werden konnte [6].

Ziel unserer Untersuchungen war es, den pH-Wert des Milieus chronischer Wunden unterschiedlicher Genese im Rahmen einer modernen Wundtherapie zu ermitteln und potenziell kausale Faktoren auf deren pH-Wert-beeinflussende Effekte zu untersuchen.

Material und Methode

Probanden

Untersucht wurden ausschließlich ambulante Patienten, die sich im Rahmen der Wundsprechstunde der Dermatologie des Universitätsklinikums Essen in einem Beobachtungszeitraum von 12 Monaten vorstellten. Sämtliche Patienten bei denen der pH-Wert im Milieu von Wunden ermittelt werden konnte, wurden entsprechend den jeweils erhobenen Anamnesen in Probanden mit akuten oder chronischen Wunden eingeteilt. Als chronisch wurde eine Wunde eingestuft, wenn eine sekundär heilende Wunde trotz kausaler und sachgerechter lokaler Therapie innerhalb von 3 Monaten keine Tendenz zur Heilung zeigte bzw. nach 12 Monaten nicht spontan abgeheilt war. Entsprechend wurden die jeweils kürzer bestehenden Wunden als akut eingestuft. Sämtliche untersuchten chronischen Wunden bestanden an den Unterschenkeln oder den Füßen der jeweiligen Patienten, wohingegen die akuten Wunden auch an den Oberschenkeln insbesondere nach Spalthautentnahme zu sehen waren. Bei den Patienten mit akuten Wunden handelte es sich bis auf 2 Ausnahmen (Patient H.R. und S.I.) um postoperative Patienten. Hier erfolgten die jeweils ersten Messungen des pH-Wertes zwischen dem 3. und 8. postoperativen Tag. Bei keiner der untersuchten Wunden fand sich klinisch der Anhalt auf eine Infektion, sodass zum Zeitpunkt der jeweiligen Messungen auch nicht mit einer Antibiose hätte therapiert werden müssen.

Wundtherapie

Die jeweiligen therapeutischen Maßnahmen erfolgten unabhängig von unseren Untersuchungen, orientiert an einer phasenadaptierten modernen Wundversorgung. Anhand der jeweiligen Therapeutika ist auch der Status der Wundheilung zu erkennen. So können die Phasen der Wundheilung grob in Entzündung, Granulation und Epithelisation eingeteilt werden. Verwendung fand in der initialen Wundversorgung zur Durchführung eines enzymatischen Debridements Iruxol® N Salbe, für die Förderung der Granulation Algosteril® Trionic, Promogran®, Hyalofill® und schließlich für die Unterstützung der Epithelisation Mepilex®, Grassolind® oder Varihesive® E. Eine Ausnahme stellte die im Rahmen eines individuellen Heilversuches verwendete Applikation von 20%iger Azelainsäure (Skinoren® Creme) dar.

pH-Wert Messungen

Die pH-Wert Messungen erfolgten mit einer Flachmembranglaselektrode, die an das Messgerät pH 315i der Firma Wissenschaftlich-Technische Werkstätten (WTW, Weilheim) angeschlossen war. Aufgrund der Größe des Elektrodenkopfes mussten die Wunden mindestens eine Fläche von 1,0 cm2 aufweisen. Die Wunden wurden nach Entfernung des Wundverbandes zuerst auf ihren pH-Wert überprüft und erst anschließend gereinigt und einem adäquatem Verband zugeführt (Abb. 1). Die Frequenz der Verbandswechsel erfolgten, den Angaben der Hersteller entsprechend, je nach Wundauflage und Exsudation der Wunden alle 1–5 Tage. Für die Messungen des Wundmilieus wurde der Elektrodenkopf senkrecht für einen Zeitraum von ca. 3 min auf die Wundoberflächefläche aufgebracht, bis ein konstanter pH-Wert ermittelt werden konnte.

Abb. 1.
figure 1

Messung des pH-Wertes im Milieu einer chronischen Wunde mittels Flachmembranglaselektrode

Die Ergebnisse der pH-Werte der im Rahmen der Behandlung chronischer Wunden verwendeten Therapeutika stellt jeweils den Mittelwert der Messergebnisse von 3 Produkten dar. Sämtliche Therapeutika wurden in dem Zustand gemessen in dem sie nach Angaben des jeweiligen Herstellers auf die Wunden zu applizieren sind. So erfolgte für die Präparate Actisorb® Silver, Promogran®, Algosteril® Trionic, Telfa® und Tenderwet® 24 ein anfeuchten mit Ringer-Lösung und für das Präparat Hyalofill® ein anfeuchten mit 0,9% NaCl-Lösung. Es wurde vor Durchführung der jeweiligen Messungen das Aufquellen der faserhaltigen Präparate abgewartet.

Sämtliche pH-Wert Messungen wurden bei einer konstanten Zimmertemperatur von circa 25°C durchgeführt. Die Eichung des pH-Messgerätes erfolgte täglich mittels Abgleichs zweier kommerziell erworbener standardisierten Pufferlösungen (WTW, Weinheim) mit einem definierten pH-Wert.

Ergebnisse

Messungen des pH-Wertes im Milieu chronischer Wunden

In der Tabelle 1 finden sich die Untersuchungsergebnisse von insgesamt 247 Messungen der pH-Werte im Milieu chronischer Wunden von 39 verschiedenen Probanden. Siebzehn dieser Probanden waren männlich, 12 weiblich. Die meisten der untersuchten Probanden hatten ein Ulcus cruris venosum als Genese einer chronischen Wunde. Es konnten pH-Werte von 5,45–8,65 ermittelt werden. Somit ergab sich als Mittelwert der Messungen aller Patienten ein pH-Wert von 7,42. Wir konnten bezüglich Alter oder Geschlecht der Probanden, Genese der Ulzera, Diabetes, Wundheilungsphase der chronischen Wunden oder der verwendeten phasenadaptierten Wundauflagen tendenziell keine Einflussgrößen feststellen. Eine Ausnahme stellte die im Rahmen eines individuellen Heilversuches unternommene Applikation von 20%iger Azelainsäure dar. Unter dieser therapeutischen Intervention wurden mit Werten bis zu 5,45 die niedrigsten aller beobachteten pH-Werte gemessen. Eine relevante statistische Aussage konnte aber aufgrund der geringen Fallzahlen und des sehr inhomogenen Patientengutes und deren Therapie nicht getroffen werden.

Tabelle 1. Daten der pH-Wert-Messungen im Milieu chronischer Wunden

Bei fortlaufender Beobachtung einzelner Patienten zeigten sich auch größere individuelle Unterschiede der pH-Wert Messungen von bis zu 1,73 (Patient H.H.) innerhalb des Untersuchungszeitraumes von 12 Monaten.

Messungen des pH-Wertes im Milieu akuter Wunden

In Tabelle 2 finden sich die Ergebnisse der pH-Wert-Messungen im Milieu akuter Wunden. Es wurden insgesamt 23 Messungen bei 10 verschiednen Probanden mit unterschiedlicher Genese der jeweiligen akuten Wunde dokumentiert. Es fanden sich pH-Werte von 6,5–8,07. Der Mittelwert aller Messungen betrug 7,44. Tendenziell besteht somit kein wesentlicher Unterschied zu den Messergebnissen in chronischen Wunden, wenn auch aufgrund der geringen Probandenzahl, des geringeren Lebensalters von durchschnittlich 56,7 Jahren (Patienten mit chronischen Wunden 66,9 Jahren) oder des höheren Anteils von Wunden in der Phase der Epithelisation nur eine eingeschränkte Vergleichbarkeit der beiden Gruppen möglich ist.

Tabelle 2. Daten der pH-Wert-Messungen im Milieu akuter Wunden

Messungen des pH-Wertes der Oberflächen von Wundauflagen

In Tabelle 3 finden sich die Ergebnisse unserer Messungen des pH-Wertes der Oberflächen von Wundauflagen, die derzeit in Deutschland für die Versorgung von Wunden Verwendung finden. Es wurde bei der Auswahl der Präparate kein Anspruch auf Vollständigkeit sämtlicher in Deutschland verfügbarer Präparate gelegt, vielmehr sollte jede Art von Wundauflage durch repräsentative Produkte vertreten sein. Es fanden sich bei Messung von insgesamt 43 Präparaten pH-Werte von 2,44–7,50. Der niedrigste aller ermittelten Werte zeigte sich bei der Wundauflage Promogran®.

Tabelle 3. Daten der pH-Wert-Messungen von Wundtherapeutika

Herstellerangaben und Daten unabhängiger Autoren zu proteolytischen Enzymen

In Tabelle 4 sind sämtliche uns zur Verfügung stehende Informationen zu pH-Wert-abhängigen Faktoren proteolytischer Enzyme zusammengefasst, die international einen klinischen oder präklinischen Einsatz in der Therapie chronischer Wunden gefunden haben.

Tabelle 4. Herstellerangaben und Daten unabhängiger Autoren zu Eigenschaften bezüglich des pH-Wertes proteolytischer Enzyme, die in der Therapie chronischer Wunden eingesetzt werden

Es fällt auf, dass das pH-Optimum mehrerer Enzyme nicht in den von uns ermittelten pH-Wert-Bereichen liegt. Die DNAse wäre theoretisch in keiner der hier untersuchten Wunden enzymatisch aktiv. Andere Enzyme, wie beispielsweise die Streptokinase, könnten lediglich bei 26 der 39 Probanden zumindest temporär aktiv sein. Leider waren die Angaben über die verschiedenen proteolytischen Enzyme nicht vollständig zu ermitteln.

Diskussion

Unsere Untersuchungen zeigen erstmalig komplexe Daten zum pH-Wert des Milieus chronischer Wunden im Rahmen einer modernen Wundtherapie. Wir konnten für das Milieu in chronischen Wunden zeigen, dass

  1. 1.

    individuell vorliegende pH-Werte verschiedener chronischer Wunden sehr unterschiedlich sein können und innerhalb unserer Untersuchungen pH-Werte von 5,45–8,65 aufweisen,

  2. 2.

    tendenziell keine Unterschiede des mittleren pH-Wertes in chronischen und akuten Wunden im Rahmen einer modernen Wundtherapie bestehen,

  3. 3.

    im Rahmen einer fortlaufenden Beobachtung auch bei einzelnen Patienten große Unterschiede bezüglich des zu messenden pH-Wert-Bereiches von bis zu 1,73 bestehen können,

  4. 4.

    tendenziell der pH-Wert nicht wesentlich von Geschlecht und Alter oder Diabetes des Patienten, Genese der Wunde oder der verwendeten modernen Wundauflage abhängig ist, obwohl die untersuchten Wundtherapeutika unterschiedliche pH-Werte in einem Bereich von 2,44–7,50 aufweisen.

Eine Ausnahme stellte die im Rahmen eines individuellen Heilversuches unternommene Applikation von 20%iger Azelainsäure dar [1]. Hierbei handelte es sich nicht um ein für die Wundheilung zugelassenes Präparat. Die Anwendung erfolgte als innovative therapeutische Option in der Behandlung eines Ulcus cruris venosum bei zuvor frustranem Verlauf mit Stagnation in der Phase der Granulation. Unter dieser therapeutischen Intervention konnte nicht nur eine gute Förderung der Wundheilung, sondern es konnten auch die niedrigsten aller beobachteten pH-Werte dokumentiert werden. Der niedrigste aller gemessenen pH-Werte der Wundtherapeutika konnte mit 2,44 für das Produkt Promogran® ermittelten werden. Bedauerlicherweise existiert im Rahmen unserer Untersuchungen lediglich eine einzelne Messung des pH-Wertes einer chronischen Wunde unter der Therapie mit Promogran®. Es wäre insbesondere für diese Wundauflage interessant, den Einfluss auf den pH-Wert im Milieu chronischer Wunden mittelfristig zu beobachten, weil evtl. eine Verschiebung des pH-Wertes in den sauren Bereich resultieren könnte.

Angaben der Hersteller und unabhängiger Autoren zufolge wurden der aktuellen Literatur die Angaben in Tabelle 4 über proteolytische Enzyme, die in der Therapie chronischer Wunden Verwendung gefunden haben, entnommen. Wenn auch die zu ermittelnden Angaben zu den einzelnen Enzymen nicht vollständig vergleichbar sind, so fällt doch auf, dass viele Substanzen in den von uns gemessenen individuell zum Teil sehr unterschiedlichen pH-Wert Bereichen nicht oder zumindest nicht maximal aktiv sein können. Somit stellt sich die Frage, ob der oft empirisch ermittelte Therapieerfolg für mehrere Produkte nicht eher durch die verwendete Grundlage und eine Förderung der Autolyse bedingt wird. Auch wäre es denkbar nach Messung des pH-Wertes jeweils das für den Patienten individuell sinnvollste Präparat auszuwählen oder durch eine zusätzliche therapeutische Modifikation der Wundmilieus den Wirkungsgrad der Enzyme günstig zu beeinflussen.

Auswirkung des pH-Wertes auf den Therapieerfolg

Als ein Beispiel für die Auswirkung des pH-Wertes auf den Therapieerfolg einer Wundheilung kann die Untersuchung über pH-Werte, die sich für die Transplantation von Spalthaut oder Meshgraft als günstig erwiesen haben, angesehen werden. In dieser Untersuchung konnten pH-Werte von 6,9–9,4 mit einem Maximum von 23 der 36 untersuchten Patienten bei pH-Wert 8,2 beobachtet werden. Der Autor beschreibt pH-Werte des Granulationsgewebes unter einer Therapie mit NaCl getränkten Kompressen zwischen 7,4 und 8,2 als wesentlich günstiger für die vollständige Einheilung von 90% der Transplantate als alle anderen pH-Wert-Bereiche [6]. Leider fehlen in dieser Untersuchung Angaben über die Genese oder Bestanddauer der untersuchten Wunden.

Kolonisation mit Mikroorganismen

Chronische Wunden sind oft mit endogenen fäkalen, oralen und dermalen Mikroorganismen kolonisiert. Wenn auch insbesondere für die Staphylococcus-aureus-Kolonisation chronischer Wunden eine Verzögerung der Wundheilung beschrieben wurde [7], ist bislang wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt, ob eine bakterielle Kolonisation die Heilung chronischer Wunden verzögert [17]. Dennoch stellt die Reduktion der Bakteriendichte ein wesentliches Therapieziel in der Behandlung chronischer Wunden dar. Es existieren Hinweise darauf, dass durch bakterielle Kolonisationen der pH-Wert intakter Haut alkalischer werden kann [22]. Hingegen wurde die Ausbildung einer Azidose insbesondere in putriden Wunden beobachtet, ohne dass jedoch ein kausaler Zusammenhang zwischen der Höhe des pH-Wertes und dem Grad der bakteriellen Kolonisation oder der Art der Bakterien festgestellt werden konnte [6]. Im Sekret chronischer Wunden wird unter nicht permeablen Verbänden ein saureres Wundmilieu gefunden als bei der Verwendung eines permeablen Wundverbandes. In weiterführenden In-vitro-Untersuchungen konnten allerdings keine Unterschiede bezüglich des Bakterienwachstums in den beiden untersuchten Wundsekreten festgestellt werden, sodass hier die Akkumulation von anaerob generierten Stoffwechselprodukten als ein kausaler Faktor diskutiert wurde [24]. Die meisten humanpathogenen Keime werden in ihrem Wachstum in einem pH-Wert Bereich <6,0 und insbesondere zwischen pH 4 und 5 gehemmt, wohingegen deren pH-Optimum mit 6,2–7,8 angegeben wird [14, 21, 23]. So konnte bei Patienten mit Hemiplegie oder Diabetes mellitus gezeigt werden, dass nach Senkung des pH-Wertes der intakten Haut durch topische Verwendung von sauren Externa die Bakteriendichte deutlich reduziert wird [12]. Ein Grund könnte die veränderte Aktivität, die beispielsweise für Enzyme von Staphylokokken in unterschiedlichen pH-Wert-Bereichen beschrieben wurde sein. So sind die meisten Staphylokokkenenzyme in alkalischen Milieus weniger aktiv, wohingegen in sauren Milieus vermehrt Proteasen ausbildet werden [6]. Für das Staphylokokkenenterotoxin C2 (SEC2) konnte aktuell gezeigt werden, dass sich die 3-dimensionale Struktur abhängig vom dem umgebendem pH-Milieu ändert und somit eine differenzierte Aktivität resultieren könnte [11]. Die Modifikation des pH-Wertes im Milieu chronischer Wunden könnte somit über eine gezielte Reduktion der bakteriellen Kolonisation einen relevanten Faktor in der verzögerten Abheilung chronischer Wunden beeinflussen.

Auch der Therapieerfolg von weiteren adjuvanten therapeutischen Maßnahmen kann durch den pH-Wert des Wundmilieus moduliert werden. So konnte in vitro beobachtet werden, dass die Aktivität eines neuen Glycopeptid-Antibiotikums (Oritavancin, LY333328) gegenüber Vancomycin-resistenten E. faecium im sauren Milieu bei einem pH-Wert von 6,4, verglichen mit den pH-Werten 7,4 und 8,4, signifikant reduziert ist [15]. Höhere pH-Werte fördern darüber hinaus auch das Wachstum von iatrogen induzierten Kolonisationen der menschlichen Haut mit Candida albicans. Die Autoren diskutierten als kausale Faktoren einerseits eine erhöhte Virulenz von Candida albicans und andererseits eine reduzierte Resistenz der Haut durch Erhöhung des umgebenden pH-Wertes [19].

Therapeutische Veränderung des Wundmilieus

Von mehreren Arbeitsgruppen wurde postuliert, dass eine therapeutisch induzierte Azidose innerhalb des Wundmilieus zu einer Progredienz der Wundheilung führen kann [13, 25]. Als ein wesentlicher kausaler Faktor wurde von den Autoren die als Bohr-Effekt bekannte Steigerung der zellulären Sauerstoffverfügbarkeit benannt [9, 13]. Es existieren aber auch Hinweise darauf, dass beispielsweise durch die Applikation von Fliegenmaden eine bessere Wundheilung durch eine Verschiebung des Wundmilieus in alkalische Bereiche erzielt werden kann. Diese als Biochirurgie bezeichnete Therapie mit Maden der Gattung Lucilia sericata beruht unter anderem auf der Sekretion der Maden von Phenylacetat, Phenylacetaldehyd, Allantoin, Urea, Ammoniak und Calcium-Carbonat [16]. Es wurde diskutiert, dass insbesondere bei bakteriell kolonisierten Wunden die Alkalisierung des Wundmilieus einen bakteriostatischen oder sogar bakteriolytischen Effekt induziert [4, 5].

Stellenwert des pH-Werts für Therapien

Die Kenntnisse über den pH-Wert chronischer Wunden und weiterführende Untersuchungen über die gezielte Beeinflussung des pH-Wertes könnten also einen entscheidenden Faktor in der zukünftigen Therapie chronischer Wunden darstellen. So ist es denkbar, zumindest temporär durch eine gezielte Verschiebung des pH-Wertes des Wundmilieus in Bereiche, die für spezifische Bakterien ein ungünstiges Milieu darstellen, insbesondere bei Infektionen oder Kolonisationen mit "Problemkeimen", diese therapeutische Option mit in Erwägung zu ziehen.

Die Messung des pH-Wertes kann auch in der Praxis schnell und kostengünstig vorgenommen werden, sodass eine regelmäßige Dokumentation einfach möglich ist. Neben einer gezielten therapeutischen Beeinflussung des Wundmilieus sind aber auch gerade für die Produktion und die individuelle Auswahl von Wundauflagen, die in der Therapie chronischer Wunden eingesetzt werden, Kenntnisse über den physiologischen pH-Wert von essenzieller Bedeutung, da ansonsten viele Produkte keine optimale Funktion ausüben können.

Schlussfolgerung

Um abschließende Empfehlungen über den pH-Wert-abhängigen Einsatz von Wundheilungsstrategien aussprechen zu können, fehlen bislang weitere Untersuchungen, die größere Patientenkollektive mit chronischen Wunden unterschiedlichster Genese über einen möglichst langen Zeitraum dokumentieren. Auch sollten in zukünftigen Studien mit größeren Patientenkollektiven die unterschiedlichen Wundheilungsstadien und Begleiterscheinungen, wie beispielsweise Infektionen, mehr Berücksichtigung in den Auswertungen finden können.

Unsere Untersuchungen über den pH-Wert des Milieus chronischer Wunden im Rahmen einer modernen Wundtherapie soll einen ersten Beitrag für das Verständnis kausaler Faktoren, die eine Wundheilung beeinflussen können, liefern und anregen, über den individuell differenzierten Einsatz von verschiedenen Wundheilungsprodukten nachzudenken.