Allergische Beschwerden durch kreuzreaktive Nahrungsmittelproteine haben in den letzten Jahren überproportional zugenommen [18]. Vermehrte Freisetzung von Pollen [13], höherer Gehalt an sensibilisierenden Proteinen und veränderte Ernährungsgewohnheiten gehören zu den vermuteten Erklärungen für diese Beobachtung. Unser Verständnis zur Kreuzreaktivität hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, auch wenn die immunologischen Grundlagen und verantwortlichen Allergene noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Die vorliegende Übersicht vermittelt aktuelle Erkenntnisse zum Phänomen der kreuzreaktiven Nahrungsmittelallergie. Dieses Wissen erleichtert dem klinisch tätigen Arzt die Zuordnung allergischer Beschwerden, die Interpretation diagnostischer Ergebnisse und eine kompetente Beratung allergischer Patienten.

Klassifizierung der Nahrungsmittelallergene

Nahrungsmittelallergene (NMA) können anhand ihrer physiko-chemischen Eigenschaften und ihres Sensibilisierungsweges gruppiert werden (Tabelle 1) [9]: Klasse-1-NMA umfassen die stabilen, "klassischen" NMA (z. B. Hühnerei, Kuhmilch, Fisch), die vor allem im Säuglings- und Kleinkindalter nach gastrointestinaler Sensibilisierung vorwiegend für systemische Symptome oder Verschlechterung eines atopischen Ekzems verantwortlich sind. Allergische Kreuzreaktionen werden dagegen häufig gegenüber Nahrungsmitteln beobachtet, die ähnlich strukturierte Proteine (Klasse-2-NMA) enthalten wie die Pollenallergene, gegen die sich der Organismus primär sensibilisiert hat. Da Hitze und Enzyme den Abbau labiler, kreuzreaktiver Nahrungsmittelproteine beschleunigen, bleiben die allergischen Beschwerden durch Klasse-2-NMA häufig, aber nicht immer, auf den Mund- und Rachenraum beschränkt.

Tabelle 1. Unterschiedliche physiko-chemische Eigenschaften von Nahrungsmittelallergenen

Basis der Kreuzallergie

Durch intensive Allergenforschung ist mittlerweile bekannt, dass die Übereinstimmung der Aminosäuresequenz nur indirekt das Maß der Kreuzreaktivität bestimmt. Entscheidend ist die dreidimensionale Strukur (Konformation) der kreuzreaktiven Allergene, da die spezifischen IgE-Antikörper vorwiegend oberflächliche Bindungsstellen (Konformations-Epitope) erkennen [1]. Allerdings steigt mit einer wachsenden Zahl übereinstimmender Aminosäuren in linearen Peptidabschnitten auch die Wahrscheinlichkeit einer ähnlichen Konformation und Struktur der Allergene. Einfacher gesagt lässt sich das IgE um so eher "täuschen", je mehr sich zwei Proteine in ihrer oberflächlichen Stuktur, insbesondere hinsichtlich ihrer IgE-Bindungsstellen, ähneln.

Häufigkeit und Bedeutung kreuzreaktiver Phänomene

Beschwerden durch pollenassoziierte NMA werden von einem Drittel [10, 25] bis zwei Drittel [12, 19] der Birkenpollenallergiker angegeben. Die abweichenden Zahlen lassen sich durch regionale Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern (Schweiz, Österreich, Schweden und Italien) erklären: Pollenflugdaten, Vorkommen kreuzreaktiver Allergene, regionale Sensibilisierungsunterschiede und lokale Essgewohnheiten beeinflussen wahrscheinlich die Häufigkeit der Kreuzreaktivität. Beifuß- und Graspollenallergien sind seltener mit kreuzreaktiven Nahrungsmittelsymptomen belastet. Obwohl keine exakten Zahlen vorliegen, kann die Häufigkeit von pollenassoziierten Nahrungsmittelbeschwerden in unseren Breiten grob mit ca. 5% geschätzt werden; IgE-vermittelte Sensibilisierungen (positiver Hauttest, allergenspezifisches IgE) gegen pollenassoziierte NMA sind wahrscheinlich bei 10% der Bevölkerung zu vermuten.

Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie durch kreuzreaktive Antigenkluster

Aufgrund klinischer Beobachtung, taxonomischer Verwandtschaft und molekularer Ähnlichkeit der Allergene lassen sich bestimmten Pollensensibilisierungen Nahrungsmittel zuordnen, die lokale und manchmal systemische allergische Reaktionen provozieren können (Tabelle 2). Die umfangreiche Liste der kreuzreaktiven NMA-Kandidaten nimmt kontinuierlich zu. Fortschritte wurden durch die systematische Analyse und den Vergleich der Einzelallergene erzielt. Sie werden anhand ihrer Struktur, Funktion und biologischen Aktivität in bestimmte Proteinfamilien gruppiert (Abb. 1).

Tabelle 2. Mögliche Allergie auf Pflanzenprodukte bei Patienten mit Pollinosis (modifiziert nach Vieths S et al. [29])
Abb. 1.
figure 1

Kreuzreaktive Allergenkluster und ihre Verwandschaft [9] (modifiziert nach H Breiteneder u. C Ebner; J Allergy Clin Immunol 2000; 106:27–36). Die waagerechten Linien verbinden homologe Einzelallergene von Nahrungsmitteln bzw. Latex, die einer gemeinsamen Proteinfamilie (linke Spalte) zugeordnet werden können. PR pathogenesis-related (=stressinduziert), Bet v 1 Birkenpollen-Majorallergen, Prot. identifiziertes, bisher nicht näher bezeichnetes Protein, andere Abkürzungen Einzelallergene gemäß der WHO-Nomenklatur (http://www.allergen.org/List.htm)

PR-10-Proteinfamilie der Bet v 1-Homologen

Die Abkürzung PR-10 steht für die Stress- oder Pathogenese-assoziierte (Pathogenesis-Related) Proteinfamilie Nr. 10, eine große Gruppe von Proteinen mit Ähnlichkeit zum Birkenpollen-Majorallergen (Bet v 1-Homologe) [9]. Sie sind in Apfel, Birne, Haselnuss, Kirsche, Pflaume, Pfirsich, Karotte, Sellerie, Soja und vielen anderen Pflanzenprodukten, häufig als dominierende Majorallergene, nachgewiesen worden. Gegenwärtig werden neue Strategien erprobt, um in Nutzpflanzen die Produktion von Stressproteinen (u.a. Bet v 1- bzw. Bet v 6-Homologe) und damit die Widerstandskraft der Pflanzen zu steigern. Darüber hinaus können genmodifizierte Pflanzen zur dauerhaften Produktion von Stressproteinen angeregt werden. Agrarökonomisch durchaus sinnvoll, sollten derartige Projekte sorgfältig geplant werden, um die potenzielle Allergenität dieser Pflanzen nicht unbeabsichtigt zu erhöhen [29].

PR-14-Proteinfamilie der Lipidtransferproteine

Eine weitere Gruppe potenzieller NMA, allerdings kaum pollenassoziiert, sind stabile Proteine der PR-14-Familie, sog. Lipidtransferproteine [3], die vorwiegend im Mittelmeerraum für Obst- und Gemüseunverträglichkeit verantwortlich gemacht werden [20] (z. B. systemische Reaktionen auf Äpfel, Aprikosen, Pfirsiche sowie viele andere Obst- und Gemüsesorten ohne Birkenpollenallergie [21]).

Profiline

Profiline haben sich im Laufe der Evolution kaum verändert und werden aufgrund ihrer weiten Verbreitung als Panallergene bezeichnet [11]. Obwohl diese Proteine in sämtlichen Pflanzen(-produkten) vorkommen, ist ihre klinische Bedeutung geringer als die der Bet v 1-homologen NMA. In einer niederländischen Untersuchung zeigte sich bei 85% der untersuchten Birkenpollenallergiker eine IgE-vermittelte Sensibilisierung gegen Bet v 1 und immerhin bei 71% der Betroffenen gegen Profilin (Bet v 2) [30]. Trotz der positiven IgE-Werte auf eine Reihe von pflanzlichen NMA bei Profilinsensibilisierung wurden bei Bet v 1-Sensibilisierung viel häufiger positive Hauttests und klinische Reaktionen mit den einschlägigen NMA (Apfel, Haselnuss, Pfirsich) ermittelt. Bei Profilinsensibilisierung kann offenbar eine große Palette von pflanzlichen NMA mit dem IgE kreuzreagieren (einschließlich botanisch entfernter Pollenpflanzen). Dennoch ist die klinische Bedeutung dieser Testbefunde gering. In seltenen Fällen sind multiple Pollensensibilisierungen oder durchgängig positive IgE-Werte auf Pflanzenprodukte ein Hinweis auf eine Profilinsensibilisierung, die unsere diagnostischen Werkzeuge überfordern. Zur Bestätigung kann ein positiver IgE-Test auf das rekombinante Allergen (z. B. rBet v 2) vor weiteren diagnostischen Irrtümern im Sinne von irrelevanten, positiven Testbefunden schützen.

Kohlehydratseitenketten

Da viele der verantwortlichen NMA Glykoproteine mit charakteristischen Seitenketten darstellen, kommen in seltenen Fällen auch IgE-vermittelte Sensibilisierungen gegen diese Moleküle vor. Ähnlich wie bei Profilin wären positive IgE-Befunde gegen eine Reihe von biologisch unverwandten Allergenen (als Ausdruck einer absurden Kreuzreaktivität) ein Hinweis auf eine fehlgeleitete Immunantwort gegenüber den Zuckerseitenketten (in englischen Artikeln als "crossreactive carbohydrate determinants" = CCD bezeichnet). Im Hauttest sind viele der Kohlehydratanteile als Bestandteil von Glykoproteinen allerdings nicht zur Aggregation von zellständigem IgE in der Lage und bleiben trotz positivem IgE-Befund kutan getestet negativ [27]. Eine klinische Relevanz ist wahrscheinlich wesentlich seltener als bei den kreuzreagierenden Proteinepitopen wie z. B. den Bet v 1-Homologen, kann aber aufgrund der Hitzestabilität der Zuckermoleküle mit systemischen Symptomen auf gegarte NMA einhergehen.

Birkenpollenassoziierte Kern- und Steinobstallergie

Im deutschsprachigen Raum zählt die birkenpollenassoziierte Kern- und Steinobstallergie (einschließlich Hartschalenobst = Nüsse) zu den häufigsten klinischen Manifestationen unter den pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien. Die Symptome bleiben meistens auf die Mundhöhle beschränkt: Juckreiz und Brennen an der oropharyngealen Schleimhaut mit "pelzigem" Gefühl, ggf. Schwellungen und Rötungen. Diese Beschwerden, zusammengefasst als orales Allergiesyndrom (OAS), beruhen auf einer lokalisierten Mastzellaktivierung und sind die Schleimhautvariante einer Kontakturtikaria. Die juckende Schleimhaut ist ein wertvoller Hinweis auf Histaminbeteiligung und Soforttypallergie. Brennen ohne Juckreiz wird dagegen häufig bei nichtallergischen Schleimhautirritationen beobachtet, das klassische Beispiel ist Zungenbrennen.

Das orale Allergiesyndrom beruht auf einer lokalisierten Mastzellaktivierung und ist eine Schleimhautvariante der Kontakturtikaria.

Bisher wurden 8 Einzelallergene aus Birkenpollen identifiziert, die sich Proteinklassen unterschiedlicher Struktur und Funktion zuordnen lassen (Tabelle 3) [29]. Die dominierende Rolle von Bet v 1 als Birkenpollen-Majorallergen spiegelt sich auch bei den Kreuzreaktionen wider: Zahlreiche kreuzreaktive Pflanzenallergene besitzen ein Bet v 1-ähnliches Protein (s. Abb. 1). Dazu gehören die Rosengewächse (Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume, Aprikose, Pfirsich, Nektarine), die Haselnuss und einige exotische Früchte (Kiwi, Litschi).

Tabelle 3. Birkenpollen- und Beifußpollen-Allergene und ihre Eigenschaften (modifiziert nach Vieths et al. [29])

Unter den Gemüsen lösen gelegentlich Sellerie [5] und Karotte [6] Beschwerden aus, allerdings eher als rohe Produkte als in gekochter Form (u.a. IgE-vermittelte Proteinkontaktdermatitis nach direktem Kontakt mit Kartoffel oder Sellerie).

Orales Allergiesyndrom

Kürzlich wurden schwere Reaktionen nach sojahaltigen Nahrungsmitteln (u.a. in Trinkwasser gelöstes Eiweißpulver Almased Vitalkost, Sojasprossen, Sojamilch) auf das kreuzreaktive PR-10-Sojaprotein SAM22 zurückgeführt [17]. Bereits nach erstmaligem Genuss entwickelten die betroffenen Birkenpollenallergiker vorwiegend am Kopf heftige Symptome:

  • Augenjucken,

  • Lid- und Gesichtsschwellung,

  • Gaumenjucken,

  • Halskratzen,

  • Schluckstörungen und

  • in einigen Fällen Ohrenschwellung, Fließschnupfen und Nasenblockade.

Sie entsprachen der Maximalvariante eines gesteigerten OAS und wurden offenbar durch massive Freisetzung und lokale Ausbreitung der allergischen Mediatoren verursacht. In Einzelfällen wurden sogar Erstickungsgefühl, Atemnot, Quaddeln am Körper, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Kreislaufschwäche angegeben [16]. Vermutlich war die Dosis der in Wasser gelösten, rasch resorbierten Proteine für den fulminanten Verlauf der bedrohlichen allergischen Symptome im Kopfbereich verantwortlich.

Das Beispiel verdeutlicht, dass in Einzelfällen auch birkenpollenassoziierte NMA den Patienten gefährden können. Dies ist abhängig vom Sensibilisierungsgrad des Betroffenen, der Dosis (absoluter und relativer Gehalt), der Resorbierbarkeit des aufgenommenen kreuzreaktiven Allergens und der Lokalisation der Schleimhautschwellung (z. B. Pharynx, Larynx).

Beifußassoziierte Sellerie- und Gewürzallergie

In Süddeutschland und der Schweiz wird aufgrund der traditionellen Bedeutung von Sellerie für die heimische Küche häufig das so genannte Beifuß-Sellerie-Gewürz-Syndrom [31] beobachtet. Atemwegssymptome in der Beifußpollensaison sind keine Voraussetzung für Beschwerden auf kreuzreaktive NMA, offenbar genügt eine IgE-vermittelte Sensibilisierung auf Beifußpollen. Eine vermutete Sellerieallergie lässt sich bei zwei Dritteln der Patienten durch kontrollierte Provokation bestätigen [5]. Von diesen reagiert die Hälfte mit systemischen Symptomen, für die stabile Sellerieallergene verantwortlich sind [28].

Sellerie gilt als berüchtigtes verstecktes Allergen und kann zu vielfältigen sytemischen Symptomen führen.

Das hauptverantwortliche Protein bzw. die zugrundeliegenden Determinanten für die Kreuzreaktionen zwischen Beifuß und Sellerie sind derzeit noch nicht bekannt. Klinische Relevanz bekommt das hitzestabile Allergen durch die häufigen systemischen Symptome [4], zumal Extrakte aus Sellerie vielen prozessierten Nahrungsmitteln (z. B. Fertigsuppen, Gewürzmischungen) zugesetzt werden und das würzige Gemüse daher als berüchtigtes verstecktes Allergen gilt.

Eine Beifußallergie kann ebenfalls mit einer Sensibilisierung gegenüber anderen Gemüse- und zahlreichen Gewürzsorten assoziiert sein (Übersicht bei [23]). Die potenzielle klinische Relevanz ist in Einzelfällen dokumentiert worden. Leider erlaubt ein Sensibilisierungsnachweis (Hauttest, spezifisches IgE, Beifußpollen, Nahrungsmittelallergene) keine Vorhersage einer klinischen Reaktion.

Zuordnung von Pollen- und Nahrungsmittelsensibilisierungen

Die unberechenbare Klinik und die zahlreichen kreuzreaktiven Sensibilisierungsmuster führen häufig zu Verunsicherung und Ratlosigkeit. Weder kann aufgrund einer Pollensensibilisierung sicher vorhergesagt werden, gegen welche NMA sich eine Kreuzreaktivität entwickelt, noch kann aufgrund von Beschwerden durch pollenassoziierte Nahrungsmittel zweifelsfrei auf die ursprüngliche Pollensensibilisierung geschlossen werden. Vertraut mit linearen Kausalitätsketten, fällt es schwer, die Komplexität der zugrundeliegenden Variablen zu akzeptieren (Abb. 2a).

Abb. 2a–d.
figure 2

Heterogene Zuordnung der kreuzreaktiven Nahrungsmittelallergene und der zugrundeliegenden Strukturen (Erläuterungen siehe Text). Bet v 1 Birkenpollen-Majorallergen, LTP Lipidtransferproteine, Mal d 1 Apfel-Majorallergen, P loop IgE-bindendes Epitop von Bet v 1, PR-10: Bet v 1-homologe Stressproteine, PR-14 Lipidtransferproteine, Pru av1: Kirschen-Majorallergen

Kreuzreaktivität zwischen Pollenallergenen und NMA

Zwischen Pollenallergenen und NMA (s. Abb. 2b) besteht keine eindeutige Beziehung. So kann z. B. eine Birkenpollensensibilisierung durch kreuzreaktive IgE-Antikörper eine isolierte Kiwiallergie, aber auch eine Karotten- oder eine Sellerieallergie bzw. eine beliebige Kombination aus den dreien verursachen. Umgekehrt erlaubt eine serologische Kreuzreaktivität auf Sellerie keinen sicheren Rückschluss auf die primäre Sensibilisierung, z. B. das zugrundeliegende Birkenpollen- oder Beifußpollenallergen [7].

Diverse Einzelallergene pro NMA

Eine vergleichbare Heterogenität zeigt sich bei der Analyse der Einzelallergene von pollenassoziierten Nahrungsmitteln (s. Abb. 2c). Weder gestatten die identifizierten Nahrungsmittel (z. B. Apfel oder Kirsche) die eindeutige Zuordnung zu einem spezifischen Einzelallergen, noch kann aufgrund einer Sensibilisierung gegenüber einer allergenen Proteinklasse (z. B. PR-10-Protein oder Lipidtransferprotein) sicher auf die Unverträglichkeit gegenüber einem bestimmten Nahrungsmittel geschlossen werden.

Multiple Epitope pro Einzelallergen

Auch die Analyse der Einzelallergene (z. B. Bet v 1) lässt ein Spektrum an Bindungsstellen vermuten, die für eine Kreuzreaktivität von IgE-Antikörpern verantwortlich sein können (s. Abb. 2d) und größtenteils noch nicht identifiziert sind. Umgekehrt hat eine individuelle IgE-Antwort auf ein bestimmtes Epitop (z. B. P-Loop von Bet v 1) Konsequenzen nicht nur für ein Allergen, sondern für eine Reihe von Einzelallergenen, sofern sie eine vergleichbare Bindungsstelle besitzen.

Ausschlaggebend ist offenbar das individuelle Repertoire von IgE-Antikörpern und ihren Spezifitäten. Sind sie gegen häufig vorkommende Determinanten gerichtet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Kreuzreaktivität, auch wenn die biologische Verwandtschaft der potenziellen (Nahrungsmittel-)Allergenquelle gering ist.

Konsequenzen für die Diagnostik

Für die allergologische Diagnostik ergeben sich einige wichtige Fragen:

  • Welche Tests sind erforderlich und geeignet, um potenzielle pollenassoziierte NMA aufzudecken?

  • Welche Bedeutung haben die verfügbaren Tests für die Beurteilung der klinischen Relevanz?

  • Wie lassen sich irrelevante Testresultate durch kreuzreaktive IgE-Antikörper vermeiden?

Anamnese

Eine typische Anamnese bei Birken- und/oder Beifußpollensensibilisierung sowie überzeugende klinische Beschwerden durch einschlägige Obst- oder Gemüsesorten können für die klinische Diagnose einer pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie ausreichend sein. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die anamnestischen Angaben sowohl falsch-positiv als auch falsch-negativ sein können. Durch einen positiven Pricktest auf die ursächlichen Pollenallergene lässt sich die zugrundeliegende IgE-vermittelte Sensibilisierung bestätigen. Eine ausbleibende Pollensensibilisierung, z. B. eine negative Reaktion auf Birkengewächse trotz Apfelallergie, kann darauf hinweisen, dass nicht die Bet v 1-homologen Allergene, sondern andere Proteine (z. B. hitzestabile Lipidtransferproteine) für die Obstallergie verantwortlich sind. Im Praxisalltag kann das in Abb. 3 dargestellte Vorgehen die Diagnostik erleichtern. Bei korrespondierender Pollensensibilisierung (a) ist die Diagnose ausreichend gesichert. Besteht keine Pollensensibilisierung (b), können die verdächtigen Nahrungsmittel nativ an der Haut getestet werden. Das Gleiche gilt für Pollensensibilisierung bei uneindeutiger Anamnese (c, z. B. atopisches Ekzem mit fraglicher Verschlechterung durch kreuzreaktive NMA). In zweifelhaften Fällen können erst eine Karenz und eine anschließende Provokation [22] die endgültige Diagnose sichern.

Abb. 3 a–c.
figure 3

Rationale Diagnostik mit pollenassoziierten Nahrungsmittelallergenen (Entwurf der Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der DGAI, Henzgen M et al: Kreuzreaktionen und Nahrungsmittelallergie: immunologischer Nachweis und klinische Relevanz, Allergo J 2003 in Vorbereitung). Bei typischer Anamnese auf pollenassoziierte Nahrungsmittelallergene (NMA) werden die zugrundeliegenden Pollenallergene geprüft. Vorgehen bei korrespondierender Pollensensibilisierung (a), fehlender Pollensensibilisierung (b), Pollensensibilisierung bei uneindeutiger Anamnese (c)

Prick-zu-Prick-Test

Sensibilisierungen gegenüber den birkenpollenassoziierten NMA können zuverlässig durch einen Prick-zu-Prick-Test mit nativen, frischen Obst- oder Gemüsesorten überprüft werden (Abb. 4). Bei Verwendung von portionierten, tiefgefrorenen Extrakten werden durch das Einfrieren und Auftauen die häufig instabilen Allergene degradiert und zeigen dann ggf. falsch-negative Resultate. Ein ähnliches Problem stellen kommerzielle Extrakte mit labilen NMA dar, deren Proteine schwer zu stabilisieren sind.

Abb. 4.
figure 4

Prick-zu-Prick-Test mit kreuzreaktiven, pollenassoziierten Nahrungsmitteln. Trotz der fehlenden Standardisierung hat der Test mit frischen Obst- oder Gemüsesorten den Vorteil, auch bei instabilen Allergenen eine IgE-vermittelte Sensibilisierung anzuzeigen

Weitere Hauttests für den Spezialisten

Andere unstandardisierte In-vivo-Tests sind ebenfalls erfolgreich zur orientierenden Allergiediagnostik mit kreuzreaktiven NMA angewandt worden: Mehrmaliges Reiben der Nahrungsmittel auf der volaren Seite des Unterarms (Reibtest) kann zu follikulären Quaddeln führen; manchmal genügt auch der bloße Kontakt für eine kurze Zeit. Im Scratchtest werden häufig größere Mengen des Allergens über die Haut aufgenommen, so dass bei hochgradiger Sensibilisierung und proteinreichen NMA (z. B. Nüsse, Samen) Vorsicht geboten ist.

Intrakutantest mit Nahrungsmittelextrakten

Der Intrakutantest wird heutzutage zur Diagnostik mit NMA kaum noch eingesetzt. Die vermeintlich größere Testempfindlichkeit gegenüber dem Pricktest hat sich bei Untersuchungen mit kontrollierten Provokationen nicht bestätigen können: Ausschließlich im Intrakutantest positive Reaktionen (bei negativem Pricktest) ließen sich bei oraler Exposition des betreffenden Nahrungsmittels nicht bestätigen. Inwieweit (isolierte) Spätreaktionen im Intrakutantest eine Rolle für die Diagnostik mit NMA spielen, sollte aus Sicht der Autoren in kontrollierten Studien geklärt werden.

Gezielte spezifische IgE-Bestimmung

In Einzelfällen, z. B. bei klinisch relevanten Reaktionen mit Klärungsbedarf, kann eine allergenspezifische IgE-Bestimmung weiterhelfen. Allerdings sind auch hier bei kreuzreaktiven NMA falsch-negative Ergebnisse nicht ungewöhnlich, da instabile Allergene in den von den Herstellern verwendeten Extrakten unterrepräsentiert sein können. Bei bedrohlicher Reaktion in der Anamnese, irritierenden Allergenquellen (z. B. Tomate, Gewürze) oder fehlender Hauttestmöglichkeit (uritikarieller Dermografismus) ist es möglich, von der üblichen diagnostischen Reihenfolge abzuweichen und das spezifische IgE direkt zu bestimmen [15].

Zelluläre Tests

Einige Laborverfahren nutzen zum indirekten Nachweis einer IgE-vermittelten Sensibilisierung basophile Leukozyten aus dem Blut (Bestimmung von Histamin oder Sulfido-Leukotrienen, durchflusszytometrische Bestimmung des Aktivierungsmarkers CD63). Zur Nahrungsmittelallergiediagnostik liegen noch nicht ausreichend Daten vor, so dass diese Tests nicht für die Routinediagnostik empfohlen werden können [15].

Zelluläre Tests eignen sich nicht für die Routinediagnostik der Nahrungsmittelallergie.

Eine ungezielte Diagnostik (z. B. Screening von Pollenallergikern mit Nahrungsmittelallergenen) ist durch das Phänomen der Kreuzreaktivität häufig mit irrelevant positiven Ergebnissen belastet. Diese Befunde verunsichern nicht selten Patienten oder allergologisch unerfahrene Kollegen. Insofern sollte die Diagnostik maßgeblich von den klinischen Beschwerden bestimmt und die Ergebnisse sollten anschließend sorgfältig auf ihre klinische Bedeutung überprüft werden (s. Abb. 4). Die Resultate sämtlicher Tests zeigen eine IgE-vermittelte Sensibilisierung an und sind nur bei korrespondierenden Symptomen klinisch relevant. Bei unklaren Befunden und dringendem Klärungsbedarf bleibt daher nur eine kontrollierte Provokation zum endgültigen Nachweis einer klinischen Nahrungsmittelallergie.

Symptome durch kreuzreaktive Allergene

Beratung

Bei klinisch relevanten Beschwerden durch pollenassoziierte NMA ist Allergenkarenz das Mittel der Wahl. Einige Aspekte können zusätzlich berücksichtigt werden.

  • Bei ausschließlichen Reaktionen auf die rohen Nahrungsmittel und ausbleibenden Beschwerden auf gegarte Allergene müssen Letztere nicht gemieden werden.

  • Bei hohem Sensibilisierungsgrad und/oder hoher Allergendosis können NMA, die bisher nur lokal beschränkte Symptome (z. B. OAS) verursacht haben, in Einzelfällen massive Beschwerden provozieren. Insofern ist z. B. Birkenpollenallergikern mit anamnestisch geringen oro-pharyngealen Symptomen von einer oralen Aufnahme großer Mengen der potenziellen NMA abzuraten.

  • Ein Teil der Proteine von pollenassoziierten NMA ist hitze- und säurestabil und damit auch in gegartem Zustand eine potenzielle Gefahr für Allergiker. Dies gilt z. B. für Haselnuss und besonders für die beifußassoziierte Sellerieallergie.

  • Da einige der kreuzreaktiven, stabilen Allergene häufig in verarbeiteten Nahrungsmitteln vorkommen (z. B. Sellerieextrakt, Gewürzmischungen), spielt die Aufklärung der betroffenen Patienten eine große Rolle.

Therapieoptionen

Obwohl Allergenkarenz in allen Variationen die zentrale Empfehlung für (pollenassoziierte) Nahrungsmittelallergien ist, stehen noch andere Therapieoptionen zur Verfügung.

Eine Hyposensibilisierung mit den zugrundeliegenden Pollenallergenen kann bei einem Teil der Behandelten neben den saisonalen Atemwegssymptomen offenbar auch Beschwerden durch kreuzreaktive NMA lindern: Wahrscheinlich profitieren ca. 50–80% der Baumpollenallergiker von einer spezifischen Immuntherapie mit einem Birkenpollenextrakt und vertragen entsprechende Obst- und Gemüsesorten besser [2, 14]. Die Therapieerfolge gegenüber Pollen bzw. NMA sind nicht miteinander assoziiert.

Antihistaminika können bei oralem Allergiesyndrom die Symptome lindern [8], allerdings fehlen systematische Erfahrungen für den prophylaktischen Gebrauch. Da auch systemische Symptome durch pollenassoziierte NMA ausgelöst werden können, benötigen die Betroffenen mit anamnestisch ausgeprägten Reaktionen Medikamente zur Notfallbehandlung [26]. Diese sollte der Patient bei sich führen: Nur so können die Notfallmedikamente bei Reaktionen durch unbeabsichtigten Verzehr von potenziellen NMA rasch eingesetzt werden.

Fazit für die Praxis

Kenntnisse zu kreuzreaktiven Antigenklustern erleichtern die Diagnose einer pollenassoziierten NMA. Eine nachgewiesene Pollensensibilisierung und korrespondierende Anamnese auf kreuzreaktive NMA sind hinreichend für die Diagnose. Bei fehlender Pollensensibilisierung oder uneindeutiger Anamnese können Hauttests mit nativen Nahrungsmitteln (Prick-zu-Prick) die Sensibilisierung bestätigen. Bei unklaren anamnestischen Angaben und Befunden lässt sich die klinische Relevanz durch eine Karenz und anschließende Provokation sichern.

Trotz der Identifizierung vieler Einzelallergene erlaubt eine IgE-vermittelte Sensibilisierung gegenüber den kreuzreaktiven Proteinen in Nahrungsmitteln keine Vorhersage zur klinischen Relevanz. Bei ungezielter Testung von Pollenallergikern (Hauttests, spezifische IgE-Bestimmung, zelluläre Tests) sind daher zahlreiche irrelevante Ergebnisse auf kreuzreaktive NMA zu erwarten, die zur Verunsicherung der betroffenen Atopiker und der behandelnden Ärzten führen können. Karenzempfehlungen orientieren sich daher nicht an den Sensibilisierungen, sondern ausschließlich an den klinischen Reaktionen auf kreuzreaktive NMA [24].