FormalPara Originalpublikation

Lewis A, Raoof M, Ituarte PHG et al (2019) Resection of the primary gastrointestinal neuroendocrine tumor improves survival with or without liver treatment. Ann Surg; 270: 1131–1137

FormalPara Hintergrund.

Bei gastrointestinalen neuroendokrinen Tumoren (GI-NET) liegt zum Zeitpunkt der Diagnose häufig bereits eine Metastasierung vor. Aktuell wird diskutiert, ob die Resektion des Primärtumors (PTR) bei GI-NET im Stadium IV einen Überlebensvorteil bietet. Insbesondere wird die palliative, ileusprophylaktische Operation bei NET des Dünndarms (SI-NET) hinterfragt [1]. Basierend auf dem Krebsregister und den Krankenhausentlassungsdaten des Staates Kalifornien (USA) wurden für die aktuelle Studie 854 Patienten identifiziert, die zwischen 2005 und 2011 eine Behandlung bei einem GI-NET im Stadium IV erhalten haben.

FormalPara Material und Methoden.

In die retrospektive Analyse wurden Patienten mit histologisch gesicherten GI-NET eingeschlossen. Von insgesamt 7317 Patienten mit der Diagnose eines GI-NET lag bei 854 (11,6 %) ein Stadium IV vor. Bei 430 (50,4 %) Patienten bestand eine synchrone Lebermetastasierung; 240 erhielten unterschiedliche Lebertherapien. Neben histopathologischen Parametern und der Lokalisation des PT wurden weitere Daten zur Komorbidität, Ethnizität und Art der lebergerichteten Therapie erfasst und in einer multivariaten Analyse auf ihren Einfluss auf das Gesamtüberleben getestet.

FormalPara Ergebnisse.

In der multivariaten Analyse verbesserte die PTR mit/ohne Lebertherapie das Gesamtüberleben im Vergleich zu keiner Therapie. Das 5‑Jahres-Überleben bei Patienten mit nichtbehandelter Lebermetastasierung war deutlich besser, wenn der PT reseziert wurde (39,1 % vs. 14,5 %, p ≤ 0,001). Die Subgruppenanalyse bestätigte dies für Pankreas (48,9 % vs. 13,1 %, p < 0,001), Dünndarm (62,6 % vs. 26,6 %, p < 0,001) und Kolorektum (15,2 vs. 0 %, p < 0,001). In der multivariaten Analyse war die PTR (HR 0,50 p < 0,001) ein signifikanter Prädiktor für längeres Gesamtüberleben.

Das mediane Überleben eines SI-NET im Stadium IV lag bei 17 Monaten. Demgegenüber wurde das mediane Überleben bei Durchführung einer palliativen, ileusprophylaktischen Operation nach 60 Monaten noch nicht erreicht. Bei gleichzeitiger Durchführung einer lebergerichteten Therapie der Metastasen war der Überlebensvorteil noch deutlicher (HR 0,39, p < 0,001).

Kommentar

Auf Grundlage der vorgestellten Studie ergibt sich ein deutlicher Überlebensvorteil für die Palliativresektion des Primärtumors hepatisch metastasierter NET des Pankreas, Dünn- und Dickdarms. Der positive Effekt einer PTR war unabhängig von der Durchführung einer weiteren lebergerichteten Therapie. Unklar bleibt, welche Ursachen das niedrige mediane Überleben bei palliativ behandelten Patienten mit SI-NET im Stadium IV hat. Möglicherweise spielen sozioökonomische Faktoren eine Rolle. In welchem Umfang die ileusprophylaktische PTR bei Dünndarm-NET einen Überlebensvorteil liefert, wird in der Arbeit nicht im Detail berichtet.

Die Ergebnisse dieser retrospektiven, gleichwohl anhand des umfangreichen Datensatzes valide belegten Studie lassen die Empfehlung der Autoren gerechtfertigt erscheinen, bei NET des Pankreas und Darmes zumindest auf individueller Basis eine PTR trotz Lebermetastasierung in Betracht zu ziehen.