Hintergrund

Ziel der kurativ intendierten Krebschirurgie im Allgemeinen ist die R0-Resektion. Dies gewinnt im kleinen Becken eine besondere Brisanz, einerseits weil die Präparation wegen der oft engen räumlichen Verhältnisse höhere Anforderungen stellt, andererseits weil ein aggressiv nachwachsender Krebs dort eine ganze Reihe eng beieinander liegender Organe und Strukturen, besonders auch Nerven, gleichzeitig in Mitleidenschaft ziehen kann. Für die betroffenen Patienten ist letzteres, auch weil die Region keine zentral lebenswichtigen Organe beherbergt, oft mit langem quälendem Leiden verbunden.

Unzweifelhaft und durch zahlreiche Untersuchungen belegt ist, dass nicht nur die lokale R2-Resektion, sondern auch die R1-Resektion des Rektumkarzinoms zu signifikant verschlechterten Heilungschancen führt. Gleichwohl sind die kausalen Verknüpfungen dabei nicht lückenlos klar. Zumindest gibt es hinsichtlich mancher Auswirkungen der R1-Situation eine relative große Variation der Literaturdaten. Ungeachtet dessen ist aber gerade auch bei der Operation eines Rektumkarzinoms die radikale Tumorexstirpation als R0-Resektion ein erstrangiges Ziel. Neben der Analyse der Folgen einer R1-Resektion ist es deshalb wichtig, der Frage nachzugehen, welche Faktoren genau einen wesentlichen Einfluss auf die lokale Radikalität haben. Daraus können dann Strategien entwickelt werden, wie sich R1-Situationen für möglichst viele Patienten vermeiden lassen.

Definition

Die Definition, was beim Rektumkarzinom eine R1-Resektion ist, ist komplizierter geworden. Um Verwirrung zu vermeiden, muss deshalb insbesondere für Vergleiche zwischen einzelnen Studien und Auswertungen klar angegeben werden, was mit welchem Begriff gemeint ist [9].

In Deutschland findet die von der S3-Leitlinie vorgegebene Definition Anwendung [8]. Diese fokussiert für eine erweiterte Definition auf den zirkumferenziellen Resektionsrand (CRM), bei dem das Risiko eines positiven Befundes am größten ist und für den Daten vorliegen, die zeigen, dass das Risiko für ein Lokalrezidiv (LR) bereits deutlich ansteigt, wenn der Abstand zwischen Tumor und Resektionsfläche weniger als 1 mm beträgt [15, 16, 20]. „Tumor“ bedeutet dabei kontinuierliche Primärtumorausläufer, Satelliten, Lymphknotenmetastasen sowie Lymphgefäß-, Venen- oder Perineuralscheideninvasion. In der Leitlinie heißt es:

Der zirkumferenzielle Sicherheitsabstand ist negativ, wenn er 1 mm oder mehr beträgt (R0 „wide“). Ein positiver zirkumferenzieller Sicherheitsabstand liegt vor, wenn der zirkumferenzielle Sicherheitsabstand weniger als 1 mm beträgt (R0 „close“) oder Tumorgewebe direkt an ihn heranreicht (R1). Der gemessene Abstand soll in Zahlen dokumentiert werden.

Im Pathologiebericht (und selbstverständlich bei wissenschaftlichen Analysen) ist demnach zirkumferenziell, bislang aber nicht longitudinal, zwischen den drei genannten Kategorien klar zu unterscheiden. Es bleibt dabei, dass „R1“ bedeutet, dass Tumor direkt am Resektionsrand ist. Trotzdem kann es aber sein, dass eine Resektion insgesamt als R0 klassifiziert wird, obwohl ein „positiver zirkumferenzieller Sicherheitsabstand“ als R0-close vorliegt und wir wissen, dass dies in Wahrheit häufig R1 bedeutet. Die Definitionen bleiben wahrscheinlich im Fluss, zumal sich Befunde mehren, dass auch bei einem Abstand von 1–5 mm zum CRM ein erhöhtes Lokalrezidivrisiko besteht [20].

Folgen einer R1-Resektion beim Rektumkarzinom

Lokalrezidivrisiko

Ursache eines jeden Lokalrezidives muss logischerweise eine lokale R1/2-Resektion sein (nihil de nihil gigniFootnote 1), auch wenn sie nicht histologisch nachgewiesen ist. Allein deshalb ist das Erreichen einer R0-Situation ein überaus wichtiges Ziel. Die Vermeidung von LR bzw. die Verringerung der LR-Rate können unabhängig vom Einfluss auf die Überlebensprognose wesentlich dazu beitragen, Leiden zu vermindern.

Die meisten Studien bestätigen den eindeutigen Zusammenhangs zwischen R1-Resektion und daraus hervorgehendem LR [2, 5, 6, 14]. So betrug die LR-Rate in einer Untersuchung von Marleen et al. [14] 8 % bei freiem CRM, aber 43 % nach R1-Resektion am CRM.

Die R‑Klassifikation des CRM ist kein guter Surrogatparameter für das LR-Risiko

Trotzdem ist die Datenlage nicht ganz homogen [21]. Dafür kann es vielfältige Gründe geben:

  • Erstens kann es auf verschiedene Weise zu einer intraoperativen Tumorzelldissemination und damit zu einer De-facto-R1-Situation mit einem erhöhten LR-Risiko kommen, auch dann wenn die Schnittränder allseits tumorfrei erscheinen.

  • Zweitens ist der positive Schnittrand kein eindeutiger Beweis dafür, dass tatsächlich vitale Tumorzellen zurückgeblieben sind, wiewohl dies sehr wahrscheinlich ist.

  • Drittens ist es nicht zwingend, dass aus zurückgebliebenem Tumor ein LR entsteht. Residuale Tumorzellen oder Tumorzellverbände können auch postoperativ zugrunde gehen, vom Immunsystem kontrolliert oder narbig eingekapselt werden.

  • Viertens kann Residualtumor auch durch adjuvante Therapie oder Fortwirkung neoadjuvanter Therapie zerstört werden.

  • Fünftens ist davon auszugehen, dass viele R1-Situationen histologisch nicht erfasst werden. Die Dunkelziffer ist jedenfalls mindestens so groß (bzw. aus den oben genannten Gründen sogar noch größer) wie die Differenz der beschriebenen R1-Resektionen zur Anzahl aufgetretener LR. Verlässliche Daten stehen ohnehin erst aus jüngerer Zeit zur Verfügung, seit die Aufarbeitung der Rektumkarzinompräparate insbesondere auch hinsichtlich der Beurteilung des zirkumferenziellen CRM standardisiert wurde [10, 18]. Dabei ist außerdem von einer Art Will-Rogers-Phänomen [3]Footnote 2 auszugehen. Das heißt, mit besserer histologischer Aufarbeitung eines Präparates steigt der Anteil an R1-Resektionen, während das Lokalrezidivrisiko in der R1-Gruppe statistisch sinkt.

  • Sechstens ist anzunehmen, dass einige Patienten an Fernmetastasen versterben, bevor es zur Manifestation eines LR kommt. Auch dabei hat die neoadjuvante/adjuvante Therapie einen Einfluss, weil die LR, die trotzdem noch auftreten, durchschnittlich später im Verlauf beobachtet werden.

Auf gar keinen Fall ist es statthaft, der lokalen Radikalität eine geringere Bedeutung beizumessen, nur weil sich die logisch zwingende Kausalbeziehung in der Lokalrezidiventstehung wegen der oben skizzierten komplexen Beziehungsgeflechte nicht immer statistisch nachweisen lässt. Allerdings eignet sich die R‑Klassifikation des CRM aus diesem Grund nicht gut als Surrogatparameter für das Lokalrezidivrisiko.

Fernmetastasenrisiko

Auch bezüglich eines Zusammenhanges zwischen R1-Resektion und Fernmetastasierungsrate sollte man sich wegen der heute besser standardisierten pathohistologischen Untersuchungsmethoden eher auf neuere Arbeiten beziehen. Hier zeigen die meisten Studien eine eindeutige Korrelation zwischen R1-Resektionen und dem Fernmetastasenrisiko [12, 21]. Dabei ist (wie stets) zu bedenken, dass eine Korrelation nicht dasselbe ist wie ein Kausalzusammenhang. Anders als bei Tumorrezidiven im alten Operationsgebiet ist nicht belegbar, dass R1-Resektionen alleine ursächlich für eine Fernmetastasierung sind. Von einem mikroskopischen Tumorrest wäre ein Metastasierungspotenzial auch theoretisch kaum anzunehmen. Wenn sich daraus allerdings ein manifestes lokales Rezidiv entwickelt, so ist dieses naturgemäß sowohl zu lymphogener wie hämatogener Metastasierung fähig.

Darüber hinaus ist denkbar und bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich, dass Tumoren, die postoperativ als R1-Resektion befundet werden, eine Negativselektion darstellen, indem sie zu einem höheren Anteil weiter fortgeschritten und wohl auch aggressiver sind. Wiederum ist es aber zumindest das Lokalrezidiv als Quelle sekundärer Metastasierung, das sich durch lokale Maßnahmen zur Vermeidung von R1-Situationen, besonders durch eine subtile radikale Operationstechnik im Auftreten vermindern lässt.

Prognose

Die Feststellungen, dass einerseits Lokalrezidive nur aus residualem Tumor und nicht „de nihil“ entstehen können und dass R1-Resektionen andererseits mit einer erhöhten Rate an Fernmetastasen einhergehen, begründen bereits die deutliche Vermutung, dass ebenfalls ein Zusammenhang mit der Prognose quoad vitam besteht. Tatsächlich ist dies in Studien klar belegbar. Nach R1-Resektion zeigt sich gegenüber R0-Resektion eine signifikant schlechtere Prognose sowohl hinsichtlich des tumorfreien als auch des Gesamtüberlebens der betroffenen Patienten [1, 2, 21].

Faktoren mit Einfluss auf die chirurgische Radikalität

Primärtumor

Unter den Faktoren, die Einfluss auf die lokale Operationsradikalität haben, ist als erstes die Ausdehnung des Primärtumors zu nennen. Dabei ist „Ausdehnung“ einschließlich lokaler Metastasierung in verschiedener Weise zu verstehen:

  • Volumen des Tumors,

  • Tiefenausdehnung (T-Kategorie),

  • Lymphknotenmetastasierung (N-Kategorie),

  • Abstand von Tumor und oder Lymphknotenmetastasen zur mesorektalen Hüllfaszie (Fascia pelvis visceralis nach Westhues),

  • direkte Infiltration von Nachbarorganen/-strukturen sowie

  • regionale Fernmetastasierung, besonders als diskontinuierliche pelvin limitierte peritoneale Metastasen.

Die meisten Rektumkarzinome >T1 wachsen schüsselförmig ulzerierend mit mehr oder weniger aufgeworfenem Randwall. Gelegentlich findet man aber auch sehr voluminöse Befunde (Abb. 1). Dabei handelt es sich um T3-T4-Karzinome, die oft keine Fernmetastasen haben, weil bevorzugt Tumoren mit niedrigem oder fehlendem Metastasierungspotenzial die nötige Zeit für das Erreichen der entsprechenden Größe haben. Weil diese Tumoren außerdem oft lange verdrängend wachsen, sind sie normalerweise, wie auch das Beispiel aus Abb. 1, einer kurativen Operation grundsätzlich zugänglich. Die operativen Probleme sind vorwiegend mechanischer Art. Das Risiko einer R1/2-Resektion ist erhöht, weil in Bezug auf benachbarte Strukturen, welche geschont werden sollen, wenn sie nicht infiltriert sind, die Präparationsebenen eng und die Sicherheitsabstände gering sind. Hierbei muss das Hauptaugenmerk, wie meistens in der Chirurgie fortgeschrittener Rektumkarzinome, auf den zirkumferenziellen Abständen liegen. Longitudinale Abstände sind nur bei sehr tief sitzenden Karzinomen ein Problem.

Die Entscheidung für eine Exstirpation, nur weil der Tumor sehr fortgeschritten ist, ist also nicht logisch. Diese Indikation besteht nur bei zu knappem Abstand zum M. sphincter ani oder wegen breiter Infiltration des Levatortrichters. So war es auch bei der Patientin aus Abb. 1 möglich, trotz multiviszeraler Resektion (mit Uterus, Adnexen und linkem Ureter) sphinktererhaltend zu operieren (Abb. 2). Sogar wenn wegen der Tumorausdehnung eine vollständige Beckenexenteration erforderlich ist, kann dies ggf. noch sphinktererhaltend erfolgen. Abb. 3 zeigt das Präparat einer solchen Operation mit breiter Infiltration des Tumors in die Blase im Trigonumbereich.

Abb. 1
figure 1

Extrem voluminöses Rektumkarzinom (pT4, pN0, M0) mit Infiltration von Uterus, Adnexen und linkem Ureter

Abb. 2
figure 2

Operationspräparat der Patientin aus Abb. 1: sphinktererhaltende En-bloc-Resektion

Abb. 3
figure 3

Sphinktererhaltende Beckenexenteration bei einem männlichen Patienten mit Infiltration eines Rektumkarzinoms in die Blase: Operationspräparat mit eröffneter Blase

Beim Abstand des Tumors zur Fascia pelvis visceralis kommt es immer auf die nächstgelegene Tumormanifestation an. Das kann der Primärtumor selbst sein oder eine Lymphknotenmetastase. Mit den modernen Techniken der pelvinen Magnetresonanztomographie (MRT) lässt sich dies sehr präzise bestimmen und vorhersagen [4, 22]. Insbesondere aus diesem Grund ist die präoperative MRT (in adäquater Technik!) für jedes Rektumkarzinom eine sehr wesentliche Untersuchung, auch bei vermeintlichen Stadium-1-Befunden. Eine lokale peritoneale Metastasierung, häufig im Bereich der peritonealen Umschlagsfalte gelegen, ist dagegen schwieriger vorherzusagen. Dies muss bei der intraoperativen Exploration des Situs genau eruiert werden.

Anatomie

Die individuellen anatomischen Verhältnisse gehören wie die Tumorausdehnung zu den Einflussfaktoren, die vorgefunden werden und nur bedingt verbessert werden können. Bekanntlich haben Männer ein engeres Becken als Frauen, woraus höhere technische Anforderungen an die Präparation resultieren. Auch innerhalb des männlichen Geschlechtes gibt es aber noch eine relativ große Variation der Beckenanatomie. Hinzu kommt der Faktor Übergewicht, der sich in diesem Fall nicht allein als Body-Mass-Index (BMI) ausdrücken lässt. Vielmehr kommt es auf die Fettverteilung an. Auch hier sind Frauen im Vorteil, weil sie typischerweise mehr subkutane Fettspeicher ausbilden, während bei Männern die Speicherung mehr intraabdominell und intrapelvin erfolgt. Diese für Männer schlechteren Voraussetzungen kommen zusammen mit einem anatomisch bedingten höheren Risiko für die Blasen- und Sexualfunktion bei erweiterter Radikalität, weil das autonome Nervensystem, besonders tief im kleinen Becken, bei Männern deutlich näher am Rektum liegt als bei Frauen.

Operationstechnik

Eine standardisierte radikale Operationstechnik kann helfen, R1-Resektionen weitestgehend zu vermeiden. Umgekehrt erhöht eine inadäquate Technik das Risiko. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die Rate an R1/2-Resektionen auch vermindert werden kann – allerdings nur statistisch –, wenn man mehr Tumoren für irresektabel hält. Lokale technische Irresektabilität kommt aber bei primären Rektumkarzinomen (von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht vor. Eigentlich ist die R1-Resektionsrate eines Operateurs oder einer Institution also nur dann vergleichbar darzustellen, wenn man nicht nur eine klare Definition hat (s. oben), sondern auch die als irresektabel angesehenen Fälle mit hinzunimmt. Ebenfalls hinzuzurechnen wären intraoperative Tumorverletzungen, weil in solchen Fällen, auch wenn sie nicht die formalen Kriterien einer R1-Resektion erfüllen, eine intraoperative Tumorzelldissemination angenommen werden muss.

In kritischen CRM-Bereichen wird der Sicherheitsabstand entsprechend erhöht

Bei jeder radikalen Operation eines Rektumkarzinoms ist, je nach Höhenlokalisation, die partielle oder totale mesorektale Exzision (PME bzw. TME) klarer Standard. Mit dem aus dem präoperativen MRT (s. oben) gewonnenen Wissen um die kritischen zirkumferenziellen Bereiche kann die Operationsplanung im kleinen Becken sehr viel sicherer und genauer vorgenommen werden. Intraoperativ wird man dann in solchen betroffenen Bereichen den Sicherheitsabstand entsprechend größer wählen. Das kann bedeuten, den Eingriff auf die Mitresektion von Nachbarstrukturen oder -organen auszuweiten, was in jedem Fall en bloc durchgeführt werden soll.

Nach dorsal kann es notwendig werden, die Waldeyer-Faszie mit dem präsakralen Gewebe mitzuresezieren. Die früher oft beschriebene Gefahr von Blutungen aus präsakralen Venen kann dabei heute als sehr viel geringer eingeschätzt werden. Dies liegt einerseits an der präoperativen Radio-Chemo-Therapie, andererseits stehen jetzt sehr viel bessere Methoden für blutungsarmes Präparieren und für die Blutstillung zur Verfügung. Wird die Situation dennoch einmal schwierig, kann eine Beckenhochlagerung und ggf. eine passagere Beckentamponade helfen. Bei ventralem Tumorsitz soll die Denovillier-Faszie regelhaft mitreseziert werden. Wird diese vom Tumor nach ventral überschritten, kann eine Teilresektion der Prostata nötig sein. Bei Frauen gilt Entsprechendes für die Vaginalhinterwand.

Hinsichtlich jeder Dimension der Resektion gilt, dass die Präparationsebene im Zweifel weiter vom Tumor entfernt gewählt werden sollte. Zwar muss stets auch die Möglichkeit von Schnellschnittuntersuchungen gegeben sein. Dies ist aber nur das zweitbeste Mittel für die Erhöhung der Sicherheit. Ein positiver Befund in einer Schnellschnittuntersuchung erfordert eine großzügige Nachresektion des gesamten Bereiches mit erneuter Schnellschnittuntersuchung. Der positive Befund ist entsprechend mit der Nachresektion im Operationsbericht zu vermerken und natürlich als intraoperative Tumorverletzung zu werten.

Dasselbe trifft auf den aboralen Resektionsrand zu. Leitliniengemäß [7] kann nach neoadjuvanter Therapie bei sehr tiefen anterioren Resektionen zur Vermeidung einer Rektumexstirpation ein verminderter aboraler Sicherheitsabstand von 0,5 cm akzeptiert werden. Auch in solchen Fällen ist eine Schnellschnittuntersuchung nötig, ggf. mit aboraler Nachresektion/Exstirpation.

Neoadjuvante Therapie

Die neoadjuvante Therapie führt zu einer Verminderung der Lokalrezidivrate [13, 17, 19]. Dies gilt sowohl für die konventionell fraktionierte Radio-Chemo-Therapie als auch für die Kurzzeitvorbestrahlung mit 5‑mal 5 Gy. Das bedeutet, dass die Rate unradikaler Operationen (erkannte und nicht erkannte) geringer sein muss. Die dafür verantwortlichen Faktoren sind Downgrading und die zumindest durch die Langzeitvorbehandlung erreichte Tumorverkleinerung mit anschließend technisch erleichterter Operation. Hinzu kommt, dass residuale Tumorzellen oder Tumorzellverbände durch die Vorbehandlung so geschädigt sein können, dass sie trotz R1-Resektion postoperativ mit größerer Wahrscheinlichkeit noch zugrunde gehen, als dies ohne neoadjuvante Therapie zu erwarten wäre. Außerdem verschlechtern sich möglicherweise durch postoperative Vernarbungsprozesse die Bedingungen für das Wachstum von Lokalrezidiven. Dafür spricht unter anderem auch, dass die trotzdem noch auftretenden Lokalrezidive später im Verlauf festgestellt werden.

Wenn allerdings trotz der neoadjuvanten Therapie eine R1-Resektion mit manifest positivem CRM erfolgt, ist die Prognose schlecht, unabhängig von einer im Übrigen eventuell zu beobachtenden Tumorregression [12, 14].

Fazit für die Praxis

  • R1-Resektionen bei Rektumkarzinom sind ein unabhängiger Risikofaktor für Lokalrezidive, Fernmetastasen und das Gesamt- sowie das krankheitsfreie Überleben.

  • Wegen komplexer Geflechte von Einflussfaktoren eignen sich R1-Resektionen nicht als Surrogatparameter für das Lokalrezidivrisiko.

  • Der Sicherheitsabstand zum CRM folgt nicht dem „Alles-oder-nichts“-Prinzip. Deshalb wurde die Differenzierung zwischen R0-wide, R0-close und R1 eingeführt.

  • Vergleichbarkeit von Ergebnissen unterschiedlicher Studien oder Institutionen hinsichtlich der zirkumferenziellen Radikalität kann nur hergestellt werden, wenn die Definitionen genau dargelegt und beachtet werden.

  • Die chirurgische Technik (ggf. Ausdehnung des Eingriffs außerhalb der Hüllfaszien) bleibt der wichtigste beeinflussbare Faktor für die Vermeidung von R1-Resektionen. Die neoadjuvante und adjuvante Therapie kann dies unterstützen, aber keinesfalls ersetzen.