Die Adipositas stellt als chronische Erkrankung mit weltweit zunehmender Prävalenz eine der größten Herausforderungen unseres Gesundheitssystems in den kommenden Jahren dar. Gemeinsam mit ihren assoziierten Begleiterkrankungen führt sie zu einer reduzierten Lebensqualität mit deutlich erhöhtem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko der betroffenen Patienten [36, 42].

Konservative Therapieansätze haben sich bisher als nur unzureichend wirksam erwiesen und die aktuell verfügbaren Medikamente zur Gewichtsreduktion sind darüber hinaus durch zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu hat sich die bariatrische/metabolische Chirurgie in den letzten Jahren zu einem etablierten Behandlungsverfahren entwickelt [6, 41]. Als bisher einzige Methode führen chirurgische Eingriffe in den meisten Fällen neben einer lang anhaltenden Gewichtsreduktion auch zu einer Verbesserung der mit Adipositas assoziierten metabolischen Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, arterielle Hypertonie, Lipidstoffwechselstörungen und kardiovaskuläre Erkrankungen. Häufig treten die metabolischen Verbesserungen bereits auf, noch bevor es postoperativ zu einem relevanten Gewichtsverlust gekommen ist.

Der weltweit mit am häufigsten durchgeführte bariatrische Eingriff ist der Roux-Y-Magenbypass (Roux-en-Y gastric bypass, RYGB; [6]). Viele der in den letzten Jahren unternommenen Versuche, das Erfolgsgeheimnis der bariatrisch/metabolischen Chirurgie zu entschlüsseln, haben sich daher auf Untersuchungen der RYGB-Operation konzentriert. Die prä- und postoperativen anatomischen Verhältnisse dieses Eingriffes sind in Abb. 1 schematisch dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der gastrointestinalen Anatomie a vor und b nach Durchführung einer RYGB („Roux-en-Y gastric bypass“) -Operation

Traditionell wurde die gewichtsreduzierende Wirkung des RYGB auf zwei Mechanismen reduziert:

  1. 1.

    auf eine Nahrungsrestriktion (aufgrund einer reduzierten Magenkapazität) und

  2. 2.

    auf eine kalorische Malabsorption (aufgrund einer veränderten und verkürzten Darmpassage).

Im Laufe der Jahre zeigte sich jedoch, dass die der RYGB-Operation zugrunde liegenden physiologischen Wirkmechanismen weitaus komplexer sind. Auch wenn Restriktion und Malabsorption je nach Diät unter bestimmten Umständen einen beschränkten Beitrag für den Gewichtsverlust nach RYGB liefern können, dürfen doch berechtigte Zweifel an der häufig propagierten exklusiven Relevanz dieser traditionellen Konzepte angemeldet werden. So scheint es, wenn überhaupt, nach proximalem Standard-RYGB nur zu einer vorübergehenden Periode der verminderten Kalorienresorption zu kommen [5, 35]. Darüber hinaus klagen Patienten nach proximaler RYGB-Operation häufig über Obstipation – ein Symptom, welches mit einer klinisch manifesten Malabsorption nicht vereinbar wäre. Eine Hyperphagie, wie sie häufig bei Patienten mit Malabsorption, z. B. bei einem Kurzdarmsyndrom zu beobachten ist, tritt nach proximalem RYGB ebenfalls nicht auf [11].

Auch für die mechanische Restriktion existieren weder klinische noch experimentelle Daten, die eine herausragende Rolle dieses Mechanismus für das postoperative Ergebnis nach RYGB belegen. Im Gegenteil, der Magenpouch stellt nach RYGB-Operation kein relevantes mechanisches Hindernis dar und viele Studien belegen, dass der Magenpouch nach RYGB-Operation keinerlei Speicherfunktion mehr hat [13]. Ein weiteres Argument gegen eine mechanische Restriktion als „Schlüsselmechanismus“ beruht auf der Beobachtung, dass RYGB-Patienten ihre Nahrungsaufnahme nach Behandlung mit dem Somatostatinanalogon Octreotid signifikant steigern können. Octreotid induziert eine Blockade der gastrointestinalen Hormonantwort (s.  unten; [24]) und hat keinen Einfluss auf die Weite der gastrojejunalen Anastomose oder auf das Volumen des Magenpouches nach RYGB.

Statt Restriktion und Malabsorption stehen heute mittlerweile physiologische Erklärungsmodelle für die postbariatrischen Veränderungen im Vordergrund. So kommt es aufgrund der modifizierten gastrointestinalen Anatomie nach RYGB zu vielfältigen physiologischen Veränderungen, wie beispielsweise der gastrointestinalen Hormonsekretion, der neuroendokrinen Signalübertragung und des intestinalen Mikrobioms, die für die postoperativen Effekte eine wichtige Rolle zu spielen scheinen [8, 28, 40].

Im Folgenden werden einige der wichtigsten physiologischen Wirkmechanismen vorgestellt und diskutiert. Es wird darauf hingewiesen, dass trotz zahlreicher experimenteller und klinischer Studien bisher kein einzelner Wirkmechanismus identifiziert werden konnte, der allein für die dauerhafte Gewichtsreduktion und die Stoffwechselveränderungen nach RYGB verantwortlich ist. Vielmehr scheint es sich um eine Kombination mehrerer Effekte zu handeln, die nur in ihrer Gesamtheit die beobachteten postoperativen Veränderungen bewirken. Eine Übersicht dieser Veränderungen ist in Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Die anatomischen Modifikationen nach RYGB („Roux-en-Y gastric bypass“) -Operation führen auf enteraler Ebene (dunkelblau) zu physiologischen Veränderungen, die wiederum Auswirkungen auf den systemischen Stoffwechsel (hellblau) haben und in der Folge zu Gewichtsreduktion und der Verbesserung metabolischer Erkrankungen führen. GLP-1 „glucagon-like peptide-1“, PYY Peptid Tyrosyl-Tyrosin, HDL „high-density lipoprotein“, LDL „low-density lipoprotein“, Zunahme, Abnahme

Gastrointestinale Hormone

Die veränderte Sekretion gastrointestinaler Hormone, wie das „glucagon-like peptide-1“ (GLP-1) und das Peptid Tyrosyl-Tyrosin (PYY) scheint eine wichtige Bedeutung für die postoperativen Effekte nach RYGB zu haben. Beide Hormone werden nahrungsabhängig von intestinalen endokrinen L-Zellen synthetisiert, die sich v. a. im terminalen Ileum und im Kolon befinden [7]. GLP-1 und PYY gehören zu den sog. Sättigungshormonen mit anorektischer Wirkung, die nach Nahrungsaufnahme über neuroendokrine Signalvermittlung ein reduziertes Hunger- und gesteigertes Sättigungsgefühl induzieren, was in der Folge zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme führt [3]. In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass eine gleichzeitige Applikation von GLP-1 und PYY die Nahrungsaufnahme stärker reduziert als die Gabe jedes einzelnen Hormons allein [31].

Bereits wenige Tage nach RYGB steigen GLP-1- und PYY-Spiegel

Veränderungen des Appetits sind bereits innerhalb weniger Tage nach RYGB-Operation nachweisbar [22, 24]. Analog dazu finden sich bereits 2 Tage nach RYGB-Operation erhöhte postprandiale PYY- und GLP-1-Spiegel [22, 24]. Des Weiteren besteht eine positive Assoziation zwischen dem Ausmaß der postoperativen Gewichtsreduktion und den postprandialen Plasmaspiegeln von GLP-1 und PYY nach RYGB, wobei RYGB-Patienten mit stärkerer Gewichtsreduktion höhere GLP-1- und PYY-Spiegel zeigen („good responders“) als Patienten mit geringerer Gewichtsreduktion („poor responders“; [24]). Durch Hemmung der Hormonsekretion mit dem Somatostatinanalogon Octreotid kann dieser Effekt blockiert werden, sodass es trotz RYGB-Operation zu einem gesteigerten Hungergefühl mit Anstieg der Nahrungsmenge kommt [24]. Diese Ergebnisse deuten auf eine wichtige Rolle der gastrointestinalen Hormone für die reduzierte Nahrungsaufnahme und den Gewichtsverlust nach RYGB.

Darüber hinaus bestehen Hinweise, dass GLP-1 auch für die antidiabetische Wirkung der RYGB-Operation eine wichtige Rolle spielt. GLP-1 hat einen proliferativen und antiapoptotischen Effekt auf die insulinproduzierenden β-Zellen des Pankreas [33]. Darüber hinaus wirkt GLP-1 gemeinsam mit anderen gastrointestinalen Hormonen (z. B. dem glukoseabhängigen insulinotropen Peptid, GIP) als sog. Inkretin. Inkretine verstärken die durch Glukose hervorgerufene Insulinsekretion und sorgen beispielsweise dafür, dass es nach oraler Zufuhr einer definierten Glukosemenge zu einer höheren Insulinausschüttung kommt als nach intravenöser Gabe einer identischen Glukosemenge (sog. Inkretin-Effekt). Nach RYGB kommt es zu einer Verstärkung dieses Inkretin-Effekts [40], was zumindest teilweise die rasche und gewichtsunabhängige Remission des Typ-2-Diabetes bereits wenige Tage nach der Operation erklären kann [21].

Es muss darauf hingewiesen werden, dass veränderte GLP-1-Spiegel im Blut von RYGB-Patienten einen wichtigen, aber sicherlich nicht den einzigen Mechanismus darstellen, der die Post-RYGB-Veränderungen sowohl im Essverhalten als auch in der Glukosehomöostase erklären könnte. Bei GLP-1-Rezeptor-Knockout-Mäusen und Ratten, denen der GLP-1-Rezeptor-Antagonist Exendin-9 intraventrikulär verabreicht wurde, kommt es nämlich zu einer identischen Reduktion des Körpergewichts und der Fettmasse sowie einer identischen Nahrungsaufnahme, wie bei entsprechenden Kontrolltieren nach RYGB-Operation [45].

Energieumsatz

Klinische Daten zur Energiebilanz nach RYGB im Menschen sind uneinheitlich und ermöglichen derzeit keine eindeutige Aussage bezüglich postoperativer Veränderungen [10, 12]. Die Unterschiede in den Studienergebnissen sind dabei zumindest partiell durch inadäquate Messmethoden, sehr heterogene Patientengruppen, fehlende Kontrollgruppen und unterschiedliche Operationstechniken erklärbar.

RYGB hat eine Steigerung des Energieumsatzes zur Folge

Im Vergleich zu den humanen Daten sind die Daten im RYGB-Ratten- und -Mausmodell weitaus einheitlicher. So konnten tierexperimentelle Studien zeigen, dass die RYGB-Operation nicht nur eine Senkung des Energieumsatzes verhindert, sondern im Gegenteil eine Steigerung des Energieumsatzes bewirkt [8]. Dies ist bemerkenswert, da ein durch Diät erzielter Körpergewichtsverlust normalerweise zu einer Reduktion des Energieumsatzes führt. Dabei handelt es sich um eine normale physiologische Adaptation, mit dem Ziel, die potenziell negativen Konsequenzen einer eingeschränkten Kalorienzufuhr in Zeiten einer negativen Energiebilanz zu minimieren (sog. „starvation response“).

Die genauen Mechanismen, die zu einem gesteigerten Energieumsatz nach RYGB führen, sind bislang allerdings unklar. Vieles spricht dafür, dass auch in diesem Fall die veränderten Spiegel gastrointestinaler Hormone zu einer Steigerung des Energieumsatzes beitragen. Dabei gilt allerdings auch hier, dass es sich wahrscheinlich um ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Einzelmechanismen handelt und dass ein gesteigerter Energieumsatz nach RYGB nicht ausschließlich auf einen einzigen Faktor, wie z. B. erhöhte GLP-1-Spiegel, zurückgeführt werden kann.

Intestinales Mikrobiom

Zahlreiche Studien haben in den zurückliegenden Jahren gezeigt, dass das intestinale Mikrobiom (Darmflora) zahlreiche metabolische Prozesse induziert und orchestriert. Auch für die Entstehung und Erhaltung krankhaften Übergewichts scheint die Darmflora eine wichtige Rolle zu spielen. Diese Annahme beruht auf der Beobachtung, dass der Transfer von Darmbakterien aus dem Zökum adipöser Ratten in das Zökum keimfreier Ratten zu einer größeren Gewichtszunahme führt als der Transfer von Darmbakterien aus dem Zökum schlanker Ratten [44].

Fettreiche Ernährung führt neben einer Gewichtszunahme auch zu einer veränderten Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms. Mäuse zeigen z. B. nach fettreicher Diät eine Zunahme an Phylobakterien (speziell Firmicutes) und eine Reduktion von Bifidobacterium spp. und Bacteroidetes in ihrem Zökum [26]. Im Darm adipöser Menschen konnte ein ähnliches Spektrum bakterieller Populationen nachgewiesen werden [27]. Klinische Studien konnten zeigen, dass sich bei Patienten nach RYGB die Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms deutlich verändert:

Die Konzentration der Firmicutes im Stuhl der Patienten vermindert sich, die der Bacteroidetes nimmt zu.

Die beobachteten Veränderungen scheinen dabei unabhängig von Gewichtsverlust und Nahrungsmenge zu sein [29].

Ein weiterer Hinweis, der auf einen wichtigen Beitrag des intestinalen Mikrobioms zu den RYGB-Effekten schließen lässt, liegt in der Beobachtung, dass die Analyse des intestinalen Mikrobioms von RYGB-Ratten Veränderungen zeigt, die mit denen nach Behandlung mit Präbiotika vergleichbar sind. Präbiotika sind nicht verdaubare Lebensmittelbestandteile, die ihren Wirt günstig beeinflussen, indem sie das Wachstum und/oder die Aktivität einer oder mehrerer Bakterienarten im Dickdarm gezielt beeinflussen und somit die Gesundheit des Wirts verbessern können [18]. Präbiotika können u. a. die Freisetzung gastrointestinaler Hormone (wie z. B. GLP-1 und PYY) steigern und den Glukose- und Fettstoffwechsel bei adipösen Mäusen mit Diabetes mellitus Typ 2 verbessern [14]. Dies deutet an, dass veränderte Spiegel gastrointestinaler Hormone sowie die antidiabetischen Effekte der RYGB-Operation zumindest partiell mit den Veränderungen des intestinalen Mikrobioms in Zusammenhang stehen [28].

Da bei den meisten klinischen Untersuchungen zum intestinalen Mikrobiom herkömmliche Stuhlproben analysiert wurden, lassen sich keine Rückschlüsse ziehen, wie sich die bakteriellen Populationen in den einzelnen Darmabschnitten nach RYGB-Operation verhalten (alimentärer Schenkel vs. biliopankreatischer Schenkel vs. „common channel“; [17, 46]). In einer tierexperimentellen Studie, bei der das intestinale Mikrobiom in den unterschiedlichen Darmabschnitten getrennt untersucht wurde, zeigten sich interessanterweise die größten Veränderungen des Mikrobioms im alimentären Schenkel. Verglichen mit den Kontrolltieren fanden sich hier 14 Wochen nach RYGB vermehrt Bifidobacterium spp. und Bacteroides/Prevotella spp. [32].

Gallensäuren

Adipöse Individuen weisen im Vergleich zu normalgewichtigen Personen niedrigere Konzentrationen zirkulierender Gallensäuren in ihrem Blut auf. Sowohl im Menschen als auch im Tiermodell kommt es nach RYGB-Operation zu einer Normalisierung dieser erniedrigten Spiegel [34].

Generell spielen Gallensäuren nicht nur eine Rolle bei der intestinalen Lipidabsorption, sondern sie regulieren auch ihren eigenen Stoffwechsel, beeinflussen den Energieumsatz und übernehmen wichtige Vermittlungsfunktionen im Glukose- und Fettstoffwechsel. Eine Aktivierung des nukleären Gallensäurerezeptors FXR führt beispielsweise zu einer Verbesserung von Hyperglykämie und Dyslipidämie [25]. Darüber hinaus stimulieren Gallensäuren die intestinalen enteroendokrinen L-Zellen, die wiederum vermehrt gastrointestinale Hormone synthetisieren. Auch ein Einfluss auf das intestinale Mikrobiom wird für Gallensäuren vermutet [34].

Diese Zusammenstellung macht deutlich, dass Gallensäuren ähnlich wie die gastrointestinalen Hormone in beinahe allen bisher bekannten physiologischen Wirkmechanismen nach RYGB involviert zu sein scheinen.

In einer aktuellen Studie zum Schlauchmagen, einem weiteren bariatrisch/metabolischen Operationsverfahren, konnte an Mäusen gezeigt werden, dass ein Verlust des FXR die Effektivität der Schlauchmagenoperation erheblich reduziert. Bei Mäusen ohne FXR-Signalwirkung kam es zu einem deutlich geringeren Gewichtsverlust und einer mangelnden Verbesserung der Glukosetoleranz nach Schlauchmagenanlage [37]. Vergleichbare Experimente stehen für die RYGB-Operation allerdings noch aus.

Veränderte Nahrungspräferenz

Viele RYGB-Patienten berichten nach der Operation von einer veränderten, „gesünderen“ Nahrungsauswahl als vor der Operation. Dabei werden Speisen mit niedrigerem Kaloriengehalt (wie Obst und Gemüse) bevorzugt, während Süßigkeiten und fetthaltige Nahrung eher gemieden werden [9, 23]. Die Beobachtungszeiträume der entsprechenden Studien sind allerdings vergleichsweise kurz und es bleibt unklar, ob bei RYGB-Patienten der Fettanteil in der Nahrung auch langfristig niedriger ist als vor der Operation. Nichtsdestotrotz scheint es nach RYGB-Operation zu Veränderungen der Geschmackswahrnehmung auf sensorischer und möglicherweise auch auf zentralnervöser Ebene zu kommen.

Nach RYGB kommt es zu Veränderungen der Nahrungspräferenz

Mit entsprechenden Untersuchungen an RYGB-operierten Ratten konnten diese klinischen Ergebnisse im tierexperimentellen Setting reproduziert werden. In sog. „Two-bottle-preference“-Tests, d. h. wenn Ratten zwischen Lösungen mit bestimmten Zucker- (oder Fett-)Konzentrationen und Wasser wählen können, zeigen nicht operierte Kontrolltiere eine sehr starke Präferenz für hochkonzentrierte Lösungen. Diese Präferenz ist bei RYGB-Ratten quasi vollständig aufgehoben.

Dabei ist die Frage nach den zugrunde liegenden Mechanismen nicht zweifelsfrei geklärt. Insbesondere ist unklar, ob gastrointestinale Hormone wie GLP-1 und PYY an diesen Effekten beteiligt sein könnten. Dies erscheint grundsätzlich plausibel, da GLP-1 in den Rezeptorzellen der Geschmacksknospen von Mäusen exprimiert wird und entsprechende GLP-1-Rezeptoren auf den anliegenden Nervenfasern nachweisbar sind. Außerdem zeigen GLP-1-Knockout-Mäuse eine abgeschwächte Reaktion auf hochkonzentrierte Zuckerlösungen im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen. Schließlich ist bekannt, dass alle Komponenten der an der Wahrnehmung des süßen Geschmacks beteiligten Rezeptoren und Second-messenger-Systeme der Geschmackssinneszellen auch in den L-Zellen des Gastrointestinaltrakts nachweisbar sind und evtl. eine Rolle bei der Sekretion von GLP-1 und PYY spielen könnten [20].

Neben peripheren Mechanismen könnten an den beschriebenen Verhaltensänderungen auch Veränderungen der zentralen Geschmacksbewertung beteiligt sein [4, 39, 43]. Während hochkalorische Speisen bei adipösen Patienten eine Aktivierung luststeigernder Gehirnareale bewirken, scheint die RYGB-Operation diese Aktivierung aufzuheben oder zumindest abzuschwächen. Und auch in diesem Fall wird eine mögliche Rolle von PYY und GLP-1 diskutiert. PYY z. B. wirkt modulierend in den zentralen Belohnungszentren wie dem orbitofrontalen Kortex, dem ventralen Striatum oder dem Inselkortex; in diesen Belohnungsarealen konnten GLP-1-Rezeptoren nachgewiesen werden [4, 39, 43].

Weibliche Geschlechtshormone

Obwohl derzeit ca. 85 % aller bariatrischen Operationen an Frauen durchgeführt werden [16], ist der eventuelle Einfluss weiblicher Geschlechtshormone auf das Ergebnis der bariatrisch/metabolischen Chirurgie unklar. Dabei deuten zahlreiche epidemiologische und präklinische Daten an, dass Sexualhormone bei der Regulation des Körpergewichts eine wichtige Rolle spielen. So ist beispielsweise die Verteilung des Körperfetts östrogenabhängig, was dazu führt, dass es bei Frauen seltener zur Entwicklung einer viszeralen Adipositas kommt als bei Männern. Die viszerale Adipositas ist mit einem höheren Risiko für die Entstehung eines metabolischen Syndroms und kardiovaskulärer Folgeerkrankungen behaftet [30]. Östradiol, neben Östron und Östriol eines der wichtigsten natürlichen Östrogene, steigert die Insulinrezeptorexpression im Fettgewebe und reduziert dadurch das Risiko, eine Adipositas oder Insulinresistenz zu entwickeln [19]. Darüber hinaus wirken Östrogene hemmend auf Appetit und Nahrungsaufnahme [2]. Dennoch kommt es bei Frauen signifikant häufiger zur Entstehung einer morbiden Adipositas [15].

Trotz dieser bekannten Effekte wurden für nahezu alle tierexperimentellen Studien zur Klärung der physiologischen Effekte der RYGB-Operation bisher männliche Versuchstiere verwendet [38]. Dies vermindert zwar einerseits die zu beachtenden Einflussfaktoren der Studien, führt aber andererseits zu einer Diskrepanz zwischen klinischer und basiswissenschaftlicher Realität.

Eine Studie, die den Einfluss weiblicher Geschlechtshormone nach RYGB im Tiermodell untersuchte, konnte zeigen, dass mit Östrogen behandelte ovarektomierte („prämenopausale“) Tiere nach RYGB eine geringere Nahrungsaufnahme und eine größere Gewichtsreduktion aufwiesen als nicht behandelte ovarektomierte („postmenopausale“) Tiere [1]. Diese Ergebnisse sind möglicherweise von höchster klinischer Relevanz, da sie sich mit der häufigen klinischen Beobachtung decken, dass ältere Frauen nach RYGB weniger Gewicht verlieren als Frauen jüngeren Alters. Eine klinische Studie zur Bestätigung dieses potenziellen Östrogeneffekts bei Patientinnen nach RYGB liegt allerdings bisher nicht vor.

Fazit für die Praxis

  • Die bariatrische/metabolische Chirurgie führt nicht wegen mechanischer Restriktion oder Malabsorption, sondern vielmehr wegen einer Vielzahl komplexer physiologischer Wirkmechanismen zu einer Gewichtsreduktion und einer Verbesserung der assoziierten Begleiterkrankungen.

  • Die metabolischen Verbesserungen können bereits unmittelbar postoperativ und unabhängig vom Gewichtsverlust auftreten.

  • Mögliche Mechanismen beinhalten veränderte Spiegel gastrointestinaler Hormone, einen gesteigerten Energieumsatz, Modifikationen in der Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms, einen veränderten Gallensäuremetabolismus, eine veränderte Nahrungspräferenz sowie den menopausalen Status im Falle weiblicher Patienten.

  • Weitere Untersuchungen zur Wirkungsweise der bariatrischen/metabolischen Chirurgie sind erforderlich, um daraus neuere Therapieverfahren abzuleiten und die Behandlung der Adipositas und ihrer metabolischen Begleiterkrankungen zu optimieren.