Für eine chirurgische Standardversorgung bedarf es einer Standardhernie. Gibt es eine solche? Narbenhernien unterscheiden sich nicht nur in der Größe des Fasziendefekts, in der Lokalisation und vorangegangenen Schnittführung, der Nähe zu knöchernen Strukturen und dem Bruchinhalt, sondern auch im Risikoprofil des einzelnen Patienten. Entscheidend bei der offenen Reparation von Narbenhernien ist der Faszienverschluss. Gerade bei den medianen Hernien wird dies durch den Querdurchmesser des Fasziendefekts, der muskulären Lateralisation und dem Ausmaß der Protrusion des Bauchinhaltes bestimmt. Dies entscheidet, ob eine Netzaugmentation oder eine Netzüberbrückung durchgeführt werden kann.

Die Netzaugmentation ist eine reine Verstärkung der Bauchwand, bei der ein lückenloser Faszienverschluss durchgeführt und somit eine anatomische Wiederherstellung der Bauchwand angestrebt wird. Kann aus unterschiedlichen Gründen kein vollständiger Verschluss der Faszie erfolgen, dann wird bei der Netzüberbrückung („bridging“) das Netz als partieller Faszienersatz genutzt. In diesem Bereich ist das Netz nur von subkutanem Fettgewebe überdeckt. Dies ermöglicht vor allem die spannungsarme Versorgung von großen Narbenhernien mit ausgedehntem Querdurchmesser. Beide Verfahren können mit Entlastungsinzisionen oder besser mit muskulofaszialen Verschiebeplastiken wie z. B. die Bauchdeckenkomponentenseparation nach Ramirez [1] kombiniert werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der retromuskulären Netzaugmentation (a) mit Nahtverschluss von Peritoneum und hinterem Blatt der Rektusscheide sowie Nahtverschluss des vorderen Blattes der Rektusscheide. Im Gegensatz dazu werden beim retromuskulären „bridging“ (b) zwar ebenfalls Peritoneum und hinteres Blatt der Rektusscheide verschlossen, zudem sind transfasziale Fixationsnähte notwendig, jedoch kann kein Verschluss des vorderen Blattes der Rektusscheide erfolgen

Konventionelle Nahtverfahren gehen mit einer Rezidivrate von 60% einher

Betrachtet man die Zahlen der Bundesärztekammer zur Narbenhernienversorgung in Deutschland im Jahr 2007, dann möchte man schlussfolgern, dass es bislang keine chirurgische Standardversorgung gibt. Im Jahr 2007 wurden von den fast 48.000 Narbenhernienreparationen immerhin ein Drittel der Patienten mit einer konventionellen Nahttechnik versorgt. Und dass bei einer in der Literatur belegten Rezidivrate von bis zu 60% je nach Länge des Untersuchungszeitraums [2, 3, 4]. Die einfachen, konventionellen Nahtverfahren sind heute als obsolet anzusehen und sollten nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Bei kleinen Trokarhernien, bei denen der initiale Verschluss des Trokarfasziendefekts vielleicht ausgeblieben ist, kann dies in Erwägung gezogen werden. In diesem Fall muss der Patient über das erhöhte Rezidivrisiko dezidiert aufgeklärt werden. Auch bei potenziell kontaminierten Wundverhältnissen ist ein Nahtverfahren noch vertretbar. Inwieweit hier in Zukunft biologische Netze eine Indikation finden werden, bleibt abzuwarten. Alle anderen Narbenhernien sollten heute ausnahmslos unter Verwendung von alloplastischen Netzmaterialien repariert werden.

Netzposition

Die einfachste Form der Netzreparation ist die Inlay-Technik. Hierbei wird das Netz in den Fasziendefekt eingenäht. Obwohl dies eine völlig spannungsarme Reparation ermöglicht, werden bei dieser Reparationstechnik Rezidivraten von über 40% beschrieben [5, 6]. Dies mag daran liegen, dass es sich am Fasziennetzrand um ein reines Nahtverfahren handelt. Konsekutiv sollte auch diese Form der Reparation keine Anwendung mehr finden.

Die epifasziale Netzreparation, die von Chevrel in den 1970er Jahren beschriebene Onlay-Plastik, findet auch heute noch Einsatz. Es ist ein durch sein geringeres operatives Trauma bestechendes Verfahren. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren mit Nahtverschluss der Faszie und ventral der Rektusscheide platzierter Netzaugmentation. Die breite epifasziale Dissektion und Abdeckung der eingebrachten Netzprothese ausschließlich von Subkutangewebe erklären die höheren Infektionsraten. Zum anderen fehlt dem Netz ein ausreichendes Widerlager, es wird ausschließlich von der Art und Weise der Netzfixation gehalten. Dies kann mit Einzelknopf- oder fortlaufenden Nähten, neuerdings auch mit Fibrinkleber erfolgen. In der Literatur finden sich zur Onlay-Technik Rezidivraten von bis zu 20% je nach Länge des Untersuchungszeitraums [7, 8].

Das Standardverfahren bei der offenen Narbenhernienreparation mit alloplastischem Material ist die retromuskuläre Netzaugmentation. Diese ermöglicht eine extraperitoneale Netzplatzierung mit muskulärer Netzüberdeckung und einem natürlichen Widerlager durch den darüber liegenden Faszienverschluss. Diese Technik wurde von dem französischen Chirurgen Jean Rives erstmalig in den 1970er Jahren beschrieben [9]. Dieses Standardverfahren der offenen Narbenhernienreparation kann erweitert werden. Unter Einbeziehung der Bauchwandkomponentenseparation nach Ramirez zum einen und der retromuskulären Netzüberbrückung zum anderen, lassen sich auch bei großen Fasziendefekten standardisierte Versorgungen gewährleisten.

Indikation, Vorbereitung und Lagerung

In der weit überwiegenden Zahl der Fälle wird eine Narbenhernie elektiv operiert. In der Vorbereitungsphase sollten Gewichtsreduktion und infektfreie Hautverhältnisse angestrebt werden. Je nach Größe des Fasziendefekts und sonstigen Vorerkrankungen ist zur individuellen Risikoabschätzung der Patienten eine präoperative Abklärung der Lungenfunktion (Ganzkörperplethysmographie mit Blutgasanalyse) und ggf. Optimierung dieser durchzuführen. Zudem empfiehlt es sich additiv, die Leistungsfähigkeit der Patienten durch eine Ergometrie zu untersuchen. Eine präoperative orthograde Darmspülung wird heute nicht mehr routinemäßig durchgeführt, wir beschränken die Darmvorbereitung auf ein Enteroklysma am Vorabend der Operation.

Lungenfunktion und Leistungsfähigkeit sind zur individuellen Risikoabschätzung zu prüfen

Am Operationstag erfolgt bei großen Hernien wenn möglich die Anlage eines thorakalen peridualen Schmerzkatheters (PDK). Denn zum einen entsteht durch die notwendige Präparation unweigerlich eine Wundfläche mit mehr oder weniger großer Oberfläche, welche relevante postoperative Schmerzen verursachen wird. Zum anderen ist die Rückverlagerung der vorgefallenen viszeralen Organe mit einer konsekutiven Kompromittierung, einer vermutlich schon häufig präexistent reduzierten Lungenfunktion assoziiert. Eine entstehende postoperative, schmerzbedingte Minderventilation kann ohne suffiziente Schmerztherapie zu einer nicht unerheblichen Destabilisierung führen, welche pulmonale Komplikationen oder gar die Notwendigkeit zur maschinellen Beatmung nach sich zieht. Zuletzt ist bei Verwendung eines PDK die positive Wirkung auf die intestinale Motilität gerade nach einer notwendigen Adhäsiolyse nicht zu vernachlässigen.

Aufgrund der aufwendigeren anatomischen Präparation bei der retromuskulären Netzaugmentation wird dieser Eingriff in Intubationsnarkose durchgeführt. Danach erfolgen die Anlage eines transurethralen Dauerkatheters und die Platzierung einer Magensonde. Bei medianen Narbenhernien wird der Patient in Rückenlage platziert, der rechte Arm wird angelagert und der Operationstisch wird mittig aufgeklappt, um den Patienten diskret in Hyperlordose zu bringen. Bei Implantation von alloplastischen Netzmaterialien erfolgt routinemäßig der Einsatz einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe mit einem Cephalosporin der 2. Generation (z. B. Ceforoxim®). Um eine optimale Wirkung zu erzielen, sollte die i.v. Applikation 30 min vor Hautschnitt erfolgen.

Operationsablauf der retromuskulären Netzaugmentation

Die Operation beginnt mit der kompletten Ausschneidung der alten Hautnarbe. Dies erfolgt nicht nur über dem Fasziendefekt, sondern sollte vollständig über die gesamte Länge der Hautnarbe erfolgen. Dies hat nicht nur kosmetische Vorteile beim späteren Hautverschluss, sondern soll auch sicherstellen, dass die dorsal liegende Fasziennarbe komplett durchtrennt wird. Es reicht nicht aus nur den Fasziendefekt zu sanieren, da zum einen im Verlauf der Fasziennarbe häufig weitere, bis dahin klinisch asymptomatische Defekte im Sinne einer Gitterhernie bestehen. Zum anderen liegt den meisten Patienten mit einer Narbenhernie eine Störung des Kollagenstoffwechsels zugrunde; dies lässt eine komplette Versorgung der ganzen Fasziennarbe sinnvoll erscheinen, um spätere Pseudorezidive zu vermeiden. Entlang des meist einfach zu identifizierenden Bruchsacks erfolgt die zirkuläre Präparation mit einer sparsamen epifaszialen Darstellung des Faszienrandes. Dies erleichtert zum einen den Einstieg in das retromuskuläre Netzlager und zum anderen vereinfacht es auch den späteren Faszienverschluss. Die Eröffnung des Bruchsacks ermöglicht eine lokale Adhäsiolyse von viszeralen Organen aus dem Bruchsack, eine bessere Übersicht und vereinfacht die weitere Präparation des Netzlagers. Eine interenterische Erweiterung der Adhäsiolyse wird nur bei entsprechender Anamnese von möglichen Verwachsungsbeschwerden durchgeführt. Hiernach erfolgt die protektive Abdeckung des Bauchraums mit einem warmen und feuchten Tuch.

Das retromuskuläre Netzlager sollte soweit medial wie möglich eröffnet werden, um nicht unnötig Anteile der vorderen Faszie zu opfern, dies könnte wiederum einen spannungsarmen Faszienverschluss im weiteren Verlauf erschweren. Der Einstieg in den retromuskulären Raum kann sich je nach vorangegangener Operation und Technik des initialen Bauchdeckenverschlusses durch eine breitflächige Fasziennarbe schwierig gestalten. Als Leitstruktur kann man sich am längsverlaufenden, medialen Rand der geraden Rektusmuskulatur orientieren. Einmal eröffnet lässt sich der retromuskuläre Raum meist einfach weiterpräparieren, da hier nur selten Verklebungen bestehen und anatomisch relevante Strukturen erst am lateralen Rand der Rektusscheide auftreten. Die hier verlaufenden epigastrischen Gefäße sowie kleinere Kollateralgefäße sollten wenn möglich geschont werden. Im Falle einer iatrogen Verletzung aber unbedingt suffizient umstochen werden, um einer möglichen Nachblutung vorzubeugen. Die ausreichende Netzunterfütterung von mindestens 5 cm ist nach lateral meist unproblematisch. Schwieriger ist die Netzplatzierung im Bereich der Mittellinie kranial und kaudal des Fasziendefekts zu erzielen. Dies erklärt auch, warum die meisten Narbenhernienrezidive nach Netzreparation am kranialen Netzrand in der Mittellinie auftreten [10].

Gelingt es nicht, das Netz ausreichend weit hinter der Linea alba zu platzieren, resultiert in diesem Bereich eine sog. Inlay-Reparation ohne ausreichende Netzabdeckung mit entsprechender Rezidivneigung.

Um dies zu vermeiden, muss das hintere Blatt der Rektusscheide beidseits der Linea alba auf eine Länge von 5 cm inzidiert werden (Abb. 2). Dadurch kommt das dorsal liegende präperitoneale Fettgewebe zum Vorschein, welches als sog. „fatty triangle“ imponiert (Abb. 3). Die vordere Rektusfaszie und die Linea alba bleiben ventral des Netzlagers zur suffizienten kranialen Netzunterfütterung intakt [11]. Liegt der untere Rand des Fasziendefekts oberhalb der Linea arcuata, so gilt es auch hier das hintere Blatt der Rektusscheide beidseits der Linea alba zu inzidieren. Unterhalb der Linea arcuata zieht das hintere Blatt der Rektusscheide in das vordere Blatt hinein, sodass in diesem Bereich das Netzlager vornehmlich von Peritoneum und/oder Bruchsack und präperitonealem Fett gebildet wird. Hier wird eine retromuskuläre Netzplatzierung nicht von der Linea alba verhindert, sodass sich in dieser Schicht der retrosymphysäre Raum stumpf präparieren lässt (Abb. 4). So gelingt es, ein ausreichend großes Netzlager mit einer Unterfütterung von mindestens 5 cm nicht nur nach lateral, sondern auch nach kranial und kaudal zu präparieren.

Abb. 2
figure 2

Ansicht des präparierten Netzlagers für die retromuskuläre Implantation. Dargestellt in humanen Kadaverpräparaten. Der M. rectus abdominis (R) ist nach ventral verlagert, direkte Sicht auf das hintere Blatt der Rektusscheide (RS) sowie die Linea alba (LA)

Abb. 3
figure 3

Präparation des Netzlagers im Oberbauch, ebenfalls im humanen Kadaverpräparat. a Vor Präparation und b nach Präparation mit Inzision der hinteren Rektusscheide beidseits der intakten Linea alba (LA). Nach Inzision zeigt sich ein ausreichendes Netzlager mit Darstellung von präperitonealem Fettgewebe („fatty triangle“, ft)

Abb. 4
figure 4

a Intraoperativer Situs nach Präparation dorsal des Processus xiphoideus durch Ablösung der hinteren Rektusscheide und Eröffnung des retroxiphoidalen Raums. Bei bis an den Processus heranreichenden Hernien kann so eine ausreichende Unterfütterung mit der Netzprothese erreicht werden. b Operativer Situs nach retrosymphysärer Präparation

Bei Fasziendefekten, welche bis an benachbarte, knöcherne Strukturen heranreichen, kann dies erschwert werden. Nach kaudal lässt sich der retrosymphysäre Raum meist stumpf darstellen, wie sich dies auch bei der Leistenhernienreparation nach Wantz oder Stoppa oder auch bei den laparoskopischen Techniken erzielen lässt. Kranial muss das Netz dorsal des Xiphoid und des Corpus sterni platziert werden. Dafür muss das hintere Blatt der Rektusscheide scharf von Xiphoid abgelöst werden. So erreicht man den retroxiphoidalen Raum, der in seiner Verlängerung zum vorderen Mediastinum führt (Abb. 3). Ist das hintere Blatt der Rektusscheide abgelöst lässt sich ein ausreichend großes Netzlager retroxiphoidal meist stumpf präparieren. Nach vorangegangener Sternotomie muss dies scharf erfolgen.

Damit ist die Phase der Präparation beendet. Nach Entfernung des abdeckenden Bauchtuchs beginnt die Reparation mit dem fortlaufenden Verschluss des Peritoneums bzw. des Bruchsacks, wenn möglich unter Einbeziehung des hinteren Blattes der Rektusscheide zur Verstärkung des Nahtlagers. Diese Naht wird mit einem resorbierbaren Faden durchgeführt (z. B. Vicryl® 1–0). Sie hat keine mechanisch tragende Bedeutung für die Reparation, sondern dient vor allem der Protektion, um einen direkten Kontakt der alloplastischen Netzprothese mit den Baucheingeweiden zu verhindern. Der Verschluss gewährleistet somit eine extraperitoneale Position des Netzes. Überstehende Anteile des Bruchsacks sollten folgend reseziert werden, um insbesondere eine mögliche postoperative Serombildung nicht zu provozieren.

Biomaterial

Ziel einer jeden Netzplatzierung ist die Schaffung eine großzügige Kontaktfläche zwischen Netzmaterial und muskulofaszialem Gewebe des Patienten. Dies ermöglicht eine breite fibrokollagene Integration und sichert eine gute Einheilung in das präparierte Netzlager.

Die Auswahl einer geeigneten Netzprothese ist dabei sorgfältig zu treffen. Bei der Netzaugmentation sollten sich die textilen Parameter der Netze nach der Physiologie der Bauchwand richten. Eine Reißfestigkeit über das Maß der Faszienreißfestigkeit hinaus erscheint überdimensioniert. Die Elastizität, beziehungsweise Dehnbarkeit, sollte auch nach Einwachsen des Netzes gewährleistet sein. Die von Klinge et al. Mitte der 1990er Jahre propagierten großporigen Netze scheinen diesen Anforderungen am ehesten nachzukommen [12, 13, 14, 15]. Dabei geht es heute nicht mehr um das reine Gewicht der Netze („light weight“), sondern vor allem um die Porengröße („large pore“) und Kontaktfläche („low surface“) [16]. Daraus ergeben sich folgende Anforderungen einer geeigneten Netzprothese für die retromuskuläre Netzaugmentation:

  • nichtresorbierbares Polymer mit monofilamentärer Fadenstruktur,

  • Porengröße mindestens >1 mm,

  • Reißfestigkeit von 16 N/cm und

  • eine Dehnbarkeit entsprechend der physiologischen Bauchwand von bis zu 25%.

Für Netze, die als Bauchdeckenersatz zur Defektüberbrückung eingesetzt werden, gelten hingegen andere Anforderungen. Werden sie in extraperitonealer Position eingesetzt, sollten sie eine höhere Reißfestigkeit aufweisen (32 N/cm), in der intraperitonealen Position mit entsprechendem antiadhäsiven Potenzial auf der dem Darm zugewandten Seite.

Netzplatzierung

Nach Ausmessung des Netzlagers, wobei vor allem die Längsmessung von Bedeutung ist, wird das Netz auf die passende Größe zugeschnitten. Vor der Netzeinlage sollte Bluttrockenheit sichergestellt werden. Das Netz wird so eingebracht, dass es faltenfrei das präparierte Netzlager ausfüllt und den bestehenden Fasziendefekt in alle Richtungen um mindestens 5 cm unterfüttert. Bei Netzprothesen mit anisotropen textilen Eigenschaften ist zu beachten, dass dieses entsprechend den physiologischen Eigenschaften der Bauchdeckenmechanik in adäquater Orientierung platziert werden sollte. Bei der retromuskulären Netzaugmentation ist die Netzfixation, wenn überhaupt, nur punktuell mit resorbierbaren Einzelknopfnähten zur Erleichterung der Platzierung sinnvoll. Durch den Verschluss des vorderen Blattes der Rektusscheide mit Rekonstruktion der Linea alba wird das Netz nach ventral abgedeckt. Dies wirkt als Widerlager für den intraabdominellen Druck, sodass dadurch das Netz von innen gegen die verschlossene Faszie gedrückt wird. Wird das Netz hingegen als Bauchdeckenersatz („bridging“) eingesetzt, muss es unbedingt suffizient fixiert werden, da es sonst zu sogenannten „Blowout-Rezidiven“ kommen kann (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Intraoperativer Situs bei gigantischer Narbenhernie. a Retromuskuläre Netzimplantation als Bauchdeckenersatz („bridging“). b Eine Netzfixation ist obligat, der freie Faszienrand wird zur Vermeidung einer postoperativen Lateralisation am Netz fixiert

Die Indikation zur Einlage einer prophylaktischen Drainage des retromuskulären Raumes ist nicht zwingend und sollte fallbezogen, in Abhängigkeit von der Größe des Netzlagers und den Nebenerkrankungen (Antikoagulation) gestellt werden. Bislang gibt es keine ausreichende Evidenz für oder gegen das Einbringen von prophylaktischen Drainagen, eine evidenzbasierte Empfehlung kann daher nicht ausgesprochen werden [17].

Mit der Komponentenseparationstechnik sind große Defekte spannungsarm zu verschließen

Der Faszienverschluss über dem eingelegten Netz wird in fortlaufender Nahttechnik mit nichtresorbierbarem Nahtmaterial durchgeführt (z. B. Prolene® Schlingennaht 1–0). Dies erfolgt in einem Fadenlängen-Wundlängen-Verhältnis von 4:1 [18]. Die Adaptation der Faszienränder sollte spannungsarm sein. Einen Faszienverschluss unter starker Spannung zu erzwingen, sollte unbedingt vermieden werden. Die früher propagierten Entlastungsinzisionen, längsverlaufende Inzisionen in die vordere Rektusscheide, finden heute kaum noch Anwendung. Zum einen lässt sich dadurch nur wenig Spannung aufheben, zum anderen führen sie zu einem Stabilitätsverlust der vorderen Bauchwand mit Protrusion der Rektusmuskulatur. Das zu favorisierende Vorgehen stellt in diesem Fall das von Oscar Ramirez 1990 beschriebene Verfahren dar, bei dem Teile der seitlichen Bauchwand separiert und gegeneinander zur Mittellinie hin verschoben werden [19]. Bei dieser Bauchdeckenkomponentenseparation erfolgt eine vertikale Inzision der Externusaponeurose in der gesamten Länge. Nach stumpfer Präparation zwischen M. obliquus externus und M. obliquus internus können die separierten Muskeln gegeneinander verschoben werden, dabei wird die Durchblutung der verschobenen Muskulatur geschont und ein spannungsfreier Verschluss des Defekts mit dynamisch kompetenter Bauchwand ermöglicht.

Durch den Verschluss der vorderen Rektusscheide wird die Linea alba rekonstruiert und die Anatomie und somit auch die Physiologie der vorderen Bauchwand wiederhergestellt. Das Fremdmaterial ist von gut durchblutetem muskulofaszialem Gewebe abgedeckt; dies reduziert die Rate an Netzinfektionen deutlich [20]. Die Verwendung prophylaktischer subkutaner Drainagen scheint verzichtbar, dies sollte jedoch im Einzelfall individuell entschieden werden. Auch hier liegen suffiziente, evidenzbasierte Daten nicht vor.

Der Nabelpfeiler wird nun auf der rekonstruierten Mittellinie mit einer einfachen resorbierbaren Naht fixiert. Adaptierende Subkutannähte und ein Hautverschluss mit fortlaufender intrakutaner Naht (z. B. Monocryl® 4–0) beenden den operativen Eingriff. Nach Anlage eines sterilen, trockenen Wundverbandes wird ein Bauchgurt mit Klettverband angelegt. Dies soll dem Patienten vor allem das Abhusten und die Mobilisation erleichtern.

Bauchwandersatz durch Netzüberbrückung

Die Defektüberbrückung mit einem Kunststoffnetz ist immer die zweitbeste Lösung und sollte nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden, wenn selbst nach einer Komponentenseparation nach Ramirez kein spannungsarmer Faszienverschluss über dem Netz zu erzielen ist. Dies kann vor allem bei lang bestehenden Narbenhernien mit ausgeprägter Lateralisation durch die seitliche Bauchwandmuskulatur, bei Heberdefekten nach TRAM („transverse rectus abdominis musculocutaneous“) -Lappen mit Verlust der Rektusmuskulatur oder bei der Versorgung von Laparostomatas vorliegen. In manchen Fällen beginnt die Narbenhernienreparation als geplante Netzaugmentation und macht im weiteren Verlauf aufgrund anatomischer Einschränkungen eine Netzüberbrückung notwendig.

Ähnlich wie bei der Netzaugmentation ist zum einen eine extraperitoneale Netzpositionierung, zum anderen ein breitflächiger retromuskulärer Netz-Gewebe-Kontakt anzustreben. Um ein Frührezidiv zu vermeiden, ist aber bei fehlendem Faszienverschluss und somit fehlendem Netzwiderlager eine ausreichende Netzfixation notwendig. Dies kann mit langzeitresorbierbaren oder nichtresorbierbaren Fäden in transfaszialer Einzelknopfnahttechnik erfolgen (Abb. 5).

Literatur

Bei Durchsicht der Ergebnisse zur offenen Narbenhernienreparation ist im Abschnitt Material und Methode immer sorgfältig auf die Operationstechnik zu achten:

  • Welches Netz in welcher Position?

  • Wie viel Zentimeter Unterfütterung?

  • Augmentations- oder Überbrückungstechnik?

Die verfügbare Datenlage zur retromuskulären Netzaugmentation ist leider eingeschränkt und lässt insbesondere Studien von höheren Evidenzgraden vermissen. Neben 7 retrospektiven Studien sind lediglich eine prospektive sowie eine prospektiv randomisierte Studie verfügbar, die Rezidivraten werden hier zwischen 2% und 12% angegeben (Tab. 1). Die eingehende Aufarbeitung der eigenen Daten hat zu der Erkenntnis geführt, dass insbesondere eine nicht ausreichende Netzunterfütterung im kranialen Rand des Fasziendefekts, welche in Einzelfällen bis nach retroxiphoidal notwendig ist, signifikante operationstechnische Ursache der Rezidiventstehung war. Dies hat in unserer Klinik zu einer hochgradigen Standardisierung des operativen Vorgehens beigetragen, woraus den Ergebnissen einer bisher noch nicht publizierten, prospektiv randomisierten Studie zufolge, eine signifikante Verbesserung unserer Ergebnisse resultierte.

Tab. 1 Ergebnisse verfügbarer Studien zur Reparation von Narbenhernien mit retromuskulärer Netzaugmentation

Zu postulieren ist daher, dass die fortwährende Weiterentwicklung der alloplastischen Netzmaterialien mit Verbesserung sowie Standardisierung der angewandten Technik der retromuskulären Netzaugmentation eine weitere Reduktion der Rezidivrate mit Verbesserung der Patientenzufriedenheit nach sich ziehen wird. Ergebnisse aktueller, prospektiv randomisierter Studien, die dies untersuchen, werden beweisen müssen, ob diese Hypothese aufrecht erhalten werden kann.

Fazit für die Praxis

Das Standardverfahren in der offenen Narbenhernienreparation ist die retromuskuläre Netzaugmentation mit Verschluss der vorderen Faszie über dem eingebrachten Netz. Die Abdeckung des Netzes durch Faszie und gesundem, gut durchblutetem Muskel fördert die Gewebeintegration der Netzprothese und reduziert die Infektanfälligkeit. Die extraperitoneale Netzposition verhindert mögliche fremdkörperinduzierte Nebenwirkungen wie Adhäsionen und Fistelbildungen und erleichtert evtl. notwendige spätere Relaparotomien wegen anderer Indikationen. Typische Fehlerquellen sind eine unzureichende Präparation des Netzlagers vor allem in der Mittellinie, unzureichende Unterfütterung der gesamten Fasziennarbe („Pseudorezidive“) und ein fehlender Faszienverschluss über dem Netz (Widerlager). Konventionelle Nahtverfahren sollten nur noch in Ausnahmefällen Anwendung finden.