Die Milzanlage differenziert sich in der 5. Gestationswoche aus dem Zölommesothel des dorsalen Mesogastrium. Von hieraus wandern die Zellen in das mesogastrische Mesenchym ein und bilden mehrere separate, zunehmend vaskularisierte Kondensationspunkte, die letztlich zur korrespondierend segmentierten Milz verschmelzen. Finden solche Nukleationen keinen Anschluss an das Konglomerat, so entstehen eine oder mehrere heterotope Nebenmilzen, die zumeist im oder in der Nähe des Hilus der Hauptmilz zwischen Magen und Pankreas liegen (Abb. 1).

Abb. 1.
figure 1

Lagevarianten ektopen Milzgewebes (modifiziert nach Abb. B12.2 in [24a])

Anhand dreier Fallbeschreibungen aus dem eigenen Patientengut (intrapankreane Nebenmilz mit Schwanzpankreatitis durch Kompressionsstenose des Ductus wirsungianus, retroperitoneale Nebenmilz bei splenorenaler Fusion, Polysplenievariante des Ivemark-Syndroms mit torsionsinfarzierter Wandermilz) sollen die diversen chirurgisch relevanten Heterotopien und mit Anomalien des Milzgewebes einhergehenden Syndrome in Zusammenschau mit der Embryologie des splenopankreanen Feldes dargestellt werden.

Kasuistik 1

Ein 31-jähriger Krankenpfleger stellte sich wegen seit ca. 6 Wochen bestehender, linksseitiger Oberbauchbeschwerden in der chirurgischen Ambulanz vor. Er beklagte anhaltende Schmerzen dumpfen Charakters, die von wechselnder Intensität, jedoch nicht kolikartig seien. Übelkeit und Erbrechen wurden verneint. Acholer Stuhl, dunkler Urin oder ein ikterisches Hautkolorit seien ihm nicht aufgefallen, einen Gewichtsverlust habe er nicht verzeichnet. Nikotin- und Alkoholkonsum seien moderat, es bestünde keine Dauermedikation.

Bei der körperlichen Untersuchung präsentierte sich der athletische Patient in altersentsprechend gutem Allgemein- und Ernährungszustand. Im linken Hypogastrium fand sich ein lokalisierter Druckschmerz in Projektion auf die Pankreasschwanzregion, kein Perkussionsschmerz, keine Defense musculaire.

Laborchemisch waren die Amylase bei 365 U/l, die Lipase bei 734 U/l erhöht, Leukozyten, CRP, AP, GGT und Gesamtbilirubin wie auch CEA und CA19–9 normwertig.

In der bildgebenden Diagnostik fand sich weder sonographisch noch in einer bereits frühzeitig ambulant durchgeführten Computertomographie ein eindeutiges morphologisches Korrelat der laborchemisch nachgewiesenen Pankreatitis, ebensowenig eine Cholezysto- oder Choledocholithiasis bei normal weitem intra- und extrahepatischem Gallengangssystem. Eine Punktmutation des kationischen Trypsinogens als Ursache einer hereditären Pankreatitis wurde mittels PCR ausgeschlossen.

Bei dieser Befundkonstellation erfolgte die stationäre Aufnahme zur weiteren klinischen Überwachung. Unter Nahrungskarenz sistierten die Beschwerden zwar vorübergehend, auch die Amylase- und Lipasewerte waren rückläufig. Bei wiederholten Versuchen des oralen Kostaufbaus exazerbierten die Schmerzen allerdings, konsekutiv stiegen auch die laborchemischen Parameter wieder an. In der hierauf veranlassten ERCP demaskierte sich als Ursache eine Stenose des distalen Ductus wirsungianus mit prästenotischer Dilatation des kurzen Restgangsegmentes (Abb. 2). In einer neuerlichen Computertomographie war der Pankreasschwanz nun im Vergleich zur Voruntersuchung im Sinne einer ödematösen Pankreatitis prominent ohne exsudative Veränderungen (Abb. 3). Zudem fand sich eine dem dorsalen Pankreasschwanzparenchym zumindest anliegende und von diesem nicht sicher abgrenzbare, echogene, Kontrastmittel speichernde und somit gut vaskularisierte, ca. 1 cm durchmessende tumoröse Raumforderung unklarer Ätiologie. Endosonographisch war der Pankreasschwanz nicht sicher zu beurteilen, die computertomographisch nachgewiesene fokale Läsion konnte nicht dargestellt werden. Der Patient wies keine klinischen Zeichen des Hyperinsulinismus auf, Glukose- und Insulinspiegel wie auch das HBA1C waren normwertig, ebenso die Gastrin- und Glukagonspiegel.

Abb. 2.
figure 2

ERCP mit stenosierendem Pelottement des Ductus wirsungianus (Pfeilmarkierungen) und prästenotischer Dilatation

Abb. 3.
figure 3

Computertomographie des Oberbauches mit entzündlich-ödematöser Auftreibung des Pankreasschwanzes und ca. 1 cm messender intrapankreaner Nebenmilz (Pfeilmarkierung)

Wegen der unklaren Ätiologie der vorbeschriebenen Läsion und den durch die Stenose bedingten therapieresistenten Beschwerden wurde nun die Indikation zur abdominellen Exploration gestellt. Intraoperativ fand sich das linksseitige Hemipankreas ab Korpusmitte induriert und ödematös aufgetrieben, die Läppchenstruktur war bei verdickter Kapsel nur noch angedeutet erkennbar. Es erfogte die milzerhaltende Linksresektion mit regionaler Lymphadenektomie an Pankreasober- und -unterrand sowie im Milzhilus. Ein extrapankreaner retroperitonealer Tumor fand sich nicht, auch im Resektat war palpatorisch keine Läsion abgrenzbar. Die intraoperative Schnellschnittuntersuchung des Resektatrandes und der separat asservierten Lymphknoten ergab keinen Malignitätsnachweis. Nach deszendierender Wirsungographie, die die Resektion des stenosierten Segmentes sowie ein glattes Restgangsystem mit promptem Kontrastmittelübertritt über die Papilla vateri ins Duodenum dokumentierte, wurde die Resektionsfläche versorgt und der Eingriff beendet.

Bei der histopathologischen Aufarbeitung des Operationpräparates fand sich eine teils floride, teils chronisch-rezidivierende Schwanzpankreatitis mit fibrosiertem Bindegewebe, nur noch wenigen eingelagerten Langerhans-Inseln und wenig serösem Drüsengewebe sowie lymphoplasmazellulären und leukozytären, teils herdförmigen Infiltraten. Ursächlich war eine in das Pankreasgewebe eingelagerte, ca. 1,2 cm durchmessende Nebenmilz, die im Sinne eines Pellotement zu der in der ERCP vorbeschriebenen Stenose des Ductus wirsungianus geführt hatte und in Größe und Lokalisation mit dem computertomographisch beschriebenen Befund korrelierte (Abb. 4). Im Resektat wie auch den teilweise separat asservierten Lymphknoten ergab sich kein Anhalt für Malignität.

Abb. 4.
figure 4

a Makropathologie: Pankreasschwanzresektat mit eingelagerter Nebenmilz. b Histopathologie: randständiges Pankreasgewebe mit Leukozyteninfiltration und Fibrose als Zeichen der chronischen Entzündung (1), bindegewebiger Kapsel (2) und Milzgewebe mit Lymphfollikeln und hyalinisierten Follikelarterien (3)

Der postoperative Verlauf war durch einen überdurchschnittlich hohen Analgetikabedarf geprägt, im weiteren aber komplikationslos. Eine pathologische Glukosetoleranz stellte sich nicht ein, auch die exkretorische Funktion war unbeeinträchtigt. Der Patient wurde beschwerdefrei entlassen.

Kasuistik 2

Der 48-jährige Patient wurde wegen einer akuten OGI-Blutung in die internistische Ambulanz eingewiesen. Bei Aufnahme beklagt er orthostatischen Schwindel, am morgen habe er erstmals Meläna abgesetzt. 1976 sei ebenfalls im Rahmen einer OGI-Blutung bei Ösophagusvarizen eine Milzvenenthrombose unklarer Ätiologie mit hämorrhagischem Milzinfarkt diagnostiziert worden. Es erfolgte die Splenektomie mit Anlage einer splenorenalen Anastomose, die jedoch frühzeitig thrombosierte. In den folgenden Jahren seien mehrere interventionspflichtige Blutungsrezidive aufgetreten. Auch zwischenzeitlich habe er immer wieder Teerstühle abgesetzt, jedoch von einer ärztlichen Vorstellung abgesehen.

Bei der körperlichen Untersuchung fanden sich außer einem anämischen Hautkolorit und blassen Konjunktiven keine weiteren Auffälligkeiten. Die Pulsfrequenz lag bei einem Blutdruck von 110/80 mmHg bei 85/min.

In einer Ösophagogastroskopie fanden sich bei Ösophagusvarizen II. Grades und dem Verdacht auf Fundusvarizen keine aktuellen Blutungsstigmata. In einer im 24-Stunden-Intervall durchgeführten Kontrolle ergab sich keine Befundänderung. Sonographisch fand sich im Bereich der linken Nebenniere eine tumoröse Raumforderung, die kernspintomographisch bestätigt wurde. Bei einer Größe von 5×3,5 cm war sie dem oberen Nierenpol und der Nebenniere direkt angelagert, da sich jedoch allseits ein Interface fand, war ein infiltratives Wachstum ausgeschlossen. Die Läsion wies bei guter Vaskularisation ein kräftiges Kontrastmittelenhancement auf (Abb. 7a). In der MR-Angiographie fand sich typischerweise eine separate Gefäßversorgung über den Truncus coeliacus, so dass in Zusammenschau von Anamnese und Bildgebung der Verdacht auf eine nach Splenektomie kompensatorisch vergrößerte retroperitoneale Nebenmilz geäußert wurde (Abb. 7b). Die Diagnose wurde per Szintigramm mit Technetium-99-markierten, hitzedenaturierten autologen Erythrozyten gesichert (Abb. 7c, d). Eine bioptische Abklärung erübrigte sich somit.

Der Patient wurde auftransfundiert und bei subjektivem Wohlbefinden aus der stationären Behandlung entlassen.

Kasuistik 3

Eine 20-jährige, geistig retardierte Frau wurde von ihren Eltern in der chirurgischen Ambulanz vorgestellt, da sie seit ca. 10 Tagen unter diffusen Bauchschmerzen leide. Übelkeit und Erbrechen wurden verneint, Stuhlgang und Miktio seien unauffällig. Vergleichbare Beschwerden habe sie früher nie gehabt, einen Gewichtsverlust habe man bislang nicht verzeichnet. Die Ätiologie des demenziellen Syndroms sei unklar. Es bestünde eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit, im Alter von 3 Jahren sei ein Vorhofseptumdefekt operativ versorgt worden.

Bei der Inspektion fand sich eine kleinwüchsige Patientin mit leptosomem Habitus und den Stigmata des Hypogonadismus. Das Abdomen war insgesamt druckdolent ohne Abwehrspannung, mit Betonung im linksseitigen Unterbauch. Hier ließ sich palpatorisch eine über den linken Beckenkamm hinausragende, feste, glatt begrenzte aber mobile Raumforderung abgrenzen.

In einer Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen fehlte der milztypische Weichteilschatten im linken Subphrenium, stattdessen war die linke Kolonflexur in der Zwerchfellkuppel fixiert. Im linken Unterbauch war eine große, glattberandete Raumforderung abgrenzbar (Abb. 5). Sonographisch fand sich eine Splen mobilis, die im Stehen in die linke Beckenebene wanderte. Die Verdachtsdiagnose einer symptomatischen Stieldrehung bestätigte sich in der Computertomographie des Abdomens, wobei der Gefäßstiel den typisch wirbelartig torquierten Aspekt bot und die Wandermilz als Zeichen der Infarzierung kein Kontrastmittelenhancement aufwies (Abb. 6a). Im Gefäßstiel fand sich darüber hinaus eine weitere, ca. 1,5 cm messende isoechogene Struktur, bei der es sich am ehesten um eine kleine Nebenmilz handelte (Abb. 6b). Bei überdimensioniertem linken Leberlappen war die Gefäßanatomie im Oberbauch normabweichend, u. a. konnte die Vena cava inferior retrohepatisch und subphrenisch nicht mehr sicher abgegrenzt werden, was auf eine zumindest hypoplastische Variante oder eine Agenesie hinwies.

Abb. 5.
figure 5

Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen mit "leerem" linken Subphrenium, ausschließlich in der Mesenterialachse fixiertem Kolon und Weichteilschatten der in die Beckeneingangsebene migrierten Wandermilz (Pfeilmarkierungen)

Abb. 6.
figure 6

a Computertomographie des Oberbauches mit Splenomegalie und typischer vortexartiger Struktur des lienalen Gefäßhilus (Pfeilmarkierung). b Computertomographie des Oberbauches nach Kontrastmittelapplikation: Kontrastmittelenhancement der Leber, fehlendes Enhancement der vergrößerten Milz und der Nebenmilz (Pfeilmarkierung) als Zeichen der ischämischen Infarzierung

Bei Laparotomie fand sich der gesamte Kolonrahmen extrem mobil, er wies nur in der Mesenterialachse und in das linke Subphrenium hinein eine Fixierung auf, eine Verklebung der Mesokolonblätter mit dem Retroperitoneum hatte nicht stattgefunden. Die massiv vergrößerte und mobile Milz wies außer dem Gefäßstiel keinen ligamentären Aufhängeapparat auf. Durch die extreme Mobilität war es zur Torsion des Gefäßstieles um 540° mit konsekutiver kongestiver Stauung und Infarzierung des Organs gekommen, die für die von der Patientin beklagten Beschwerden verantwortlich war. Milz und Nebenmilz fielen der Resektion anheim. Nebenbefundlich fand sich ein überproportional großer linker Leberlappen, so dass der Situs zusammenfassend und ex post den Aspekt der mit einer Dextrisomerisierung einhergehenden Polysplenievariante des Ivemark-Syndroms bot.

Die histologische Aufarbeitung des Operationspräparates ergab eine 710 g schwere, 19×13×8 cm große, vollständig von einer hämorrhagischen Nekrose betroffene Milz mit ausgedehnten Parenchymblutungen, Gerinnselauflagerungen auf der Kapsel und älterer Thrombosierung der Hilusgefäße sowie eine angrenzende, ebenfalls hämorrhagisch infarzierte, 1,5 cm große Nebenmilz.

Der postoperative Verlauf gestaltet sich komplikationslos. Es stellte sich eine passagere Thrombozytose bis 938.000 Plt/ul ein, die jedoch bei Entlassung bereits wieder rückläufig war.

Diskussion

Nebenmilzen finden sich in großen Sektionsstatistiken in 10–15% des Sektionsgutes [12, 21]. Dabei ist das ektope Milzgewebe gemäß seiner vorbeschriebenen Embryogenese typischerweise im Hilus der Hauptmilz, den milznahen Ligamenta gastrolienale, phrenikolienale, pankreatikolienale oder kolikolienale lokalisiert (ca. 80%) [12, 21, 48]. Durch ihre engen räumlichen Nachbarschaftsbeziehungen zur dorsalen Pankreasknospe und zum Mesonephros können einzelne Kondensationspunkte der Milzanlage mit den Anlagen des Pankreasschwanzes, der linken Niere und Nebenniere oder der linken Gonade fusionieren und im Rahmen der embryonalen Rotations- und Translokationsvorgänge in eine ektope Position verlagert werden. Außerdem können einzelne Anlagen auswandern und im Omentum majus, aber auch im Dünndarmmesenterium bis in die Mesoappendix hinein sowie in dem linksseitig der Mesenterialwurzel bis zur parakolischen Rinne gelegenen Retroperitoneum versprengte Nebenmilzen ausbilden. (Abb. 1).

Nebenmilz im Pankreasschwanz

Tatsächlich ist die Heterotopie im Pankreasschwanz ausweislich der aktuellen Literatur nach derjenigen im Milzhilus die zweithäufigste (11–16%), in der Sektionsstatistik von Halpert und Gyorkey fand sich bei jedem 6. Sezierten mit einer Nebenmilz eine intrapankreane Lage im Pankreasschwanz (Abb. 4a) [12, 21, 20, 48]. Dies erklärt sich aus der Embryonalentwicklung des splenopankreanen Feldes, die durch das in der 5.–6. Gestationswoche beginnende Einwachsen der dorsalen Pankreasanlage auf die Milzanlagen zu und in das dorsale Mesogastrium hinein gekennzeichnet ist—sofern eine der Milznukleationen in der Wachstumszone liegt, kann sie eingeschlossen werden, und nach vollständiger Differenzierung findet sich eine intrapankreane Nebenmilz im Pankreasschwanz, die typischerweise fibrös enkapsuliert und somit vom umgebenden Pankreasgewebe scharf abgegrenzt ist (Abb. 4b) [23].

Pätau-Syndrom

Intrapankreanes Milzgewebe ist auch eines der pathognomonischen Stigmata des mit weiteren, nicht mit dem Leben zu vereinbarenden kardiovaskulären, zerebralen und intestinalen Anomalien einhergehenden Pätau-Syndroms (Trisomie 13), wobei Milz- und Pankreasgewebe diagnoseweisende pathologische Veränderungen aufweisen [20, 23, 32, 50].

Ivemark-Syndrom

Im Gegensatz zur numerischen Chromosomenaberration des Pätau-Syndroms handelt es sich beim Ivemark-Syndrom um eine chromosomale Mutation, die während der Embryogenese zu einer Störung der Aktivierung verschiedener, asymetrisch um die Mittellinie lokalisierter genetischer Systeme führt [7, 16, 36]. Es resultieren Heterotaxiesyndrome, die u. a. durch Lateralisationsstörungen der diversen Organsysteme, aber auch durch Fehlbildungen des splenopankreanen Feldes charakterisiert sind. Etwa 50% der Patienten weisen Störungen der Mittelliniendifferenzierung mit Spaltbildungen auf [45]. Am einen Ende des Spektrums steht das Polyspleniesyndrom, das typischerweise durch multiple Milzen, u. U. auch als Wandermilz mit langem Gefäßstiel, ein kurzes Pankreas mit dysplastischem Korpus und Schwanz, eine präduodenal verlaufende Pfortader, eine Agenesie der supradiaphragmalen Vena cava inferior mit Kollateralisierung über die Vena azygos, eine intestinale Malrotation und typischerweise eine als Levoisomerie ("bilateral left-sidedness") bezeichneten situs ambiguus mit symmetrischer Organentwicklung z. B. der Leber oder der pulmonalen Gefäßstrombahn gekennzeichnet ist [28, 35, 47]. Unsere 16-jährige Patientin mit Wandermilz wies einige dieser Stigmata auf (Abb. 5, 6). Ist die Komplexfehlbildung mit dem Leben vereinbar und werden die Patienten nicht bereits als Kinder durch kardiovaskuläre Fehlbildungen oder biliäre Atresien symptomatisch, so wird das Polyspleniesyndrom zumeist als Zufallsbefund bei sonst asymptomatischen Patienten erkannt [35].

Das Aspleniesyndrom am anderen Ende des Spektrums wiederum ist typischerweise durch die fehlende Milz, mitunter schwere Herzfehler und vaskuläre Fehlbildungen der großen Gefäße, eine präaortale Hufeisennebenniere, eine Analstenose oder -atresie und einen situs ambiguus, allerdings mit einer Dextroisomerie ("bilateral right-sidedness") gekennzeichnet [44, 45]. Ist die Komplexfehlbildung mit dem Leben vereinbar und stehen nicht die kardiovaskulären Komplikationen im Vordergrund, so werden die jungen Patienten meist durch hochseptisch verlaufende Pneumokokkeninfektionen symptomatisch [17, 39].

Splenorenale und splenogonadale Fusion

Aufgrund der räumlichen Nähe können lokale Noxen zu Adhäsionen der Milznukleationen am linksseitigen Mesonephros führen [26]. Die Nebenmilz kommt durch diese splenorenale Fusion retroperitoneal auf Höhe der linken Niere oder Nebenniere zu liegen und täuscht in Computer- oder Kernspintomographie eine renale oder adrenale Neoplasie vor (Abb. 7a )[4, 43, 46]. Typischerweise weist sie eine separate Blutversorgung auf (Abb. 7b) [27, 43]. Bei unserem Patienten wurde die retroperitoneale Nebenmilz erst infolge der kompensatorischen Hyperplasie nach Entfernung der Hauptmilz als so genanntes "Regenerat" auffällig.

Abb. 7.
figure 7

a Kernspintomographie des Oberbauches mit retropankreaner, dem linken oberen Nierenpol aufsitzender, kontrastmittelverstärkter Nebenmilz (Pfeilmarkierung). b MR-Angiographie mit typischerweise separater Gefäßversorgung der Nebenmilz (vertikale Pfeilmarkierung) und im Rahmen der Splenektomie im Pankreasschwanzbereich abgesetzter Arteria lienalis (horizontale Pfeilmarkierung). c Spezifischer szintigraphischer Nachweis des ektopen Milzgewebes mit Technetium-99-markierten, hitzedenaturierten autologen Erythozyten (Insert: Darstellung in SPECT-Technik). d 3-D-Rekonstruktion des Technetium-Scans mit Darstellung von Leber und Nebenmilz

Bei der "splenogonadalen Fusion" transloziert die Nebenmilz im Rahmen des Deszensus mit der linken Adnexe ins kleine Becken oder mit dem linken Hoden in den Canalis inguinalis oder das Skrotum [41, 42]. Sind die gonadale Nebenmilz und Hauptmilz durch einen bindegewebigen Strang verbunden, so handelt es sich um einen kontinuierlichen Typ, der zumeist mit einer Peromelie insbesondere der unteren Extremitäten, seltener mit anderen Fehlbildungen wie Mikrognathie, Ventrikelseptumdefekt, Analatresie etc. einhergeht [43, 44]. Besteht keine Verbindung zwischen der Neben- und der Hauptmilz, so spricht man vom diskontinuierlichen Typ. Der Begriff "Fusion" ist allerdings irreführend, da die Nebenmilzen enkapsuliert und nicht interdigitierend mit dem Nieren-, Nebennieren- oder Gonadenparenchym verwachsen sind [42].

Wandermilz

Bei dieser Entität handelt es sich nicht um eine in der Embryonalentwicklung begründete Ektopie, sondern um eine lageabhängige Dislokation der normal entwickelten Milz, die jedoch der Vollständigkeit halber in diesem Kontext dargestellt werden soll. Grundsätzlich muss die angeborene von der erworbenen Wandermilz unterschieden werden. Erstere ist extrem selten und auf eine unzulängliche Entwicklung oder das vollständige Fehlen der lienalen Aufhängebänder, insbesondere des Ligamentum phrenikolienale, zurückzuführen, das normalerweise mit der dorsalen retroperitonealen Bauchwand verwächst und das Organ hierdurch unter dem linken Zwerchfell in Position hält. Fehlt dieser Aufhängeapparat, so kann die Milz insbesondere im Stehen bis ins kleine Becken migrieren (Abb. 5) [6,15, 29]. Bei unserer Patientin fand sich eine angeborene Wandermilz im Rahmen der Polysplenievariante des Ivemark-Syndroms (s. Kasuistik 3; Abb. 6b).

Erworbene Wandermilzen hingegen treten trotz komplett ausgebildeten Aufhängeapparates insbesondere bei mehrfachgebärenden Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf [3, 9, 13]. Die hormonalen Veränderungen während der Schwangerschaft führen zu allgemeiner Bindegewebslaxizität mit konsekutiver Ptose der Milz [25, 38]. Aber auch ein erhöhtes Milzgewicht im Rahmen einer Splenomegalie unterschiedlichster Ätiologie wie auch Folgezustände nach Abdominaltraumen können zur Splen mobilis führen.

Diagnose und Differenzialdiagnose

Gewöhnlich wird die Nebenmilz als unklare Raumforderung im orientierenden Ultraschall gesehen, um dann mittels Computer- oder Kernspintomographie verifziert zu werden. Sie demaskiert sich als ovalärer oder runder, typischerweise 1,0–1,5 cm großer Tumor, der als Zeichen der guten Vaskularisierung ein kräftiges Kontrastmittelenhancement aufweist. In der unverstärkten und kontrastmittelverstärkten Phase verhält er sich zur Hauptmilz isoechogen, was bereits zur Verdachtsdiagnose Anlass geben sollte (Abb. 3, 6b) [5, 10, 22, 40].

Die intrapankreane Nebenmilz ist typischerweise komplett in das Parenchym eingelagert und somit topographisch nicht von echten pankreanen Neoplasien abzugrenzen. Mit einer Prävalenz von 1–2% ist sie die bei weitem häufigste "tumoröse" Raumforderung des Pankreas—erstaunlicherweise wird sie in keinem der renommierten deutsch- oder englischsprachigen Lehrbücher der Chirurgie erwähnt [11, 19, 31, 41, 42, 49]. Diese Tatsache wie auch die geringe Zahl an Publikationen zum Thema dokumentieren eindrücklich, dass es sich bei dieser Heterotopie eben weniger um ein pathologisches Substrat als um eine anatomische Normvariante handelt. Nichtdestotrotz sollte die intrapankreane Nebenmilz, wie unsere Kasuistik 1 zeigt, als seltene Ursache in die Überlegungen zur Ätiologie einer segmentalen Entzündung des linksseitigen Pankreas einbezogen werden. Aus einem weiteren Grund jedoch muss diese scheinbar vernachlässigte Entität dem Kliniker, besonders dem Viszeralchirurgen, geläufig sein: Da sich das Auflösungsvermögen der modernen diagnostischen Schnittbildverfahren zunehmend erhöht, lassen sich immer kleinere Läsionen abgrenzen, so dass kleine Nebenmilzen immer häufiger als fraglich neoplastische Raumforderungen der intra- und peripankreanen Schwanzregionen erfasst werden [30]. Das duktale Adenokarzinom kann gewöhnlich per CT oder MRT ausgeschlossen werden, da es typischerweise dem umgebenden Pankreas-, nicht aber dem Milzgewebe iso- bis hypoechogen ist und wegen fehlender Vaskularisierung kein Kontrastmittelenhancement aufweist [30]. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung der neuroendokrinen Pankreastumore ist wesentlich schwieriger, da diese ebenfalls gut vaskularisiert, wenn auch nicht unbedingt isoechogen zur Hauptmilz sind. Sind sie hormonaktiv, so gehen sie oft mit mehr oder minder typischen klinischen Symptomen einher und können durch eine differenzielle Hormonanalyse diagnostiziert werden (ca. 60–70%) [27]. Zum Nachweis nichthormonaktiver Tumore eignen sich Somatostatin-Rezeptor- oder Sesta-MIBI-Szintigramme. Vaskularisierte intrapankreane Metastasen hingegen sind Raritäten.

Die Sicherung der Verdachtsdiagnose "ektopes Milzgewebe" erfolgt szintigraphisch: Während das hochspezifische, konventionelle Leber-Milz-Szintigramm mit Technetium-99-markierten Kolloiden bei kompromittierter Phagozytosefunktion des retikulohistiozytären Systems falsch-negativ ausfallen kann, weist die Untersuchung mit Technetium-99-markierten, hitzedenaturierten autologen Erythrozyten, die in vitalem Milzgewebe sequestriert werden, eine noch höhere Sensitivität auf und ist diagnostischer Goldstandard (Abb. 7c, d) [1, 8, 24b, 37].

Findet sich beim Splenektomierten eine tumoröse Raumforderung, so ist an eine ektope Nebenmilz zu denken (Kasuistik 2; Abb. 7a). In diesen Fällen ist bereits ein einfaches Erythrozytenausstrichpräparat diagnoseweisend—finden sich keine Howell-Jolly-Körperchen als Zeichen einer verlängerten Lebensdauer, so ist die Zellmauserung intakt und eine Nebenmilz indirekt nachgewiesen. Die Diagnosesicherung erfolgt, wie auch bei Poly- oder Asplenie-Syndromen, szintigraphisch.

Die Wandermilz wird klinisch (tastbares, mobiles Organ) und sonographisch diagnostiziert, wobei kontrastmittelverstärktes CT oder MRT ergänzt werden können, um das Ausmaß einer möglichen ischämischen Infarzierung zu evaluieren. Angiographie oder Szintigraphie sind gewöhnlich nicht erforderlich.

Symptomatik und Therapie

Die vorbeschriebenen Milzektopien sind fast immer asymptomatisch. Da sie jedoch als tumoröse Raumforderung imponieren und somit insbesondere bei intrapankreaner oder pararenaler Lage bis zum Beweis des Gegenteils malignomverdächtig sind, ist eine weitere Abklärung imperativ. Die Kenntnis der verschiedenen Entitäten der Milzektopie, respektive das "Darandenken", ist wichtig, um eine extensive und u. U. aggressive diagnostische Abklärung eines per se nicht pathologischen, sondern als Normvariante einzustufenden Befundes zu vermeiden. So wird die Nebenmilz im Pankreas fast immer nebenbefundlich entdeckt, die Dignität aber histologisch per Resektionseingriff geklärt, der mit der allen Pankreaseingriffen innewohnenden erhöhten peri- und postoperativen Morbidität und Mortalität vergesellschaftet ist und folglich zur Abklärung einer benignen Läsion möglichst zu vermeiden, wenn auch nicht selten unumgänglich ist. Bei der von uns vorgestellten Kasuistik einer Kompressionsstenose des Ductus wirsungianus war die Operationsindikation durch die konsekutiv rezidivierende Schwanzpankreatitis gegeben, allerdings finden sich in der aktuellen Literatur nur wenige vergleichbare Kasuistiken, in denen eine intrapankreane Nebenmilz eindeutig als pathologisches Substrat identifiziert werden konnte.

Die unter dem Begriff des Ivemark-Syndroms subsummierte Variante des Heterotaxiesyndroms mit Polysplenie kann im Kindesalter durch kardiovaskuläre Malformationen oder biliäre Atresien symptomatisch werden, die einer operativen Korrektur bedürfen. Für den Chirurgen ist von Belang, dass er damit rechnen muss, bei einer abdominellen oder thorakalen Exploration auf eine normabweichende vaskuläre Anatomie der Oberbauchorgane und Lungen zu stoßen. Die von uns vorgestellte Kasuistik einer Stieldrehung der als Wandermilz angelegten Hauptmilz bei Ivemark-Syndrom ist eine absolute Rarität, die sich in dieser Form bislang nicht in der Literatur findet (Kasuistik 3). Die Wandermilz, angeboren oder erworben, ist gewöhnlich asymptomatisch und als mobiler Tumor im linken Mittel- oder Unterbauch zu tasten, der seine Position entsprechend der jeweiligen Lage des Patienten ändert. Erst durch die Torquierung des Gefäßstieles treten Beschwerden auf, wobei eine akute und eine chronische Form unterschieden werden [6]. Kommt es zur plötzlichen und kompletten Stieldrehung, so infarziert die Milz unter dem klinischen Bild des akuten Abdomens. Bei der chronischen Torsion, die mit schubweisen Schmerzattacken, Obstipation und unklaren Fieberschüben einhergeht, kann sich stauungsbedingt eine erhebliche Organvergrößerung einstellen (Kasuistik 3) [29]. Wird eine asymptomatische Wandermilz diagnostiziert, so ist das Organ zur Vermeidung einer Torsion zu pexieren, bevorzugt in laparoskopischer Technik. Je nach Situs und Organgröße kommen hierzu die Anheftung durch Direktnaht ans Peritoneum, die Umhüllung mit alloplastischen Netzen oder die Bildung einer Omentum-Tasche infrage [9]. Beim teilinfarzierten Organ ist in üblicher Weise parenchymsparend zu resezieren, um zur Vermeidung einer "overwhelming post-splenectomy infection" (OPSI) eine möglichst große, immunologisch kompetente Restmilz zu erhalten. Bei massiver Organvergrößerung kann auch eine präliminare segmentale Reduktion erwogen werden, die die Fixierung erleichtert. Die Splenektomie sollte nur bei kompletter Ischämie und erst dann erfolgen, wenn der Gefäßstiel detorquiert wurde und nach einer angemessenen Wartezeit kein erholtes, vitales Gewebe zu erkennen ist.

Die retroperitoneale Milzheteropie bei splenorenaler Fusion und die extrem seltene intrahepatische Nebenmilz werden gewöhnlich bei aus den unterschiedlichsten Gründen splenektomierten Patienten als so genanntes "Milzregenerat" gefunden, das aufgrund der Anpassungshyperplasie eine beträchtliche Größe erreichen kann (Kasuistik 2). Auch hier sichert das Szintigramm mit Technetium-99-markierten Erythrozyten die Diagnose. Außerdem eignet es sich zur Lokalisationsdiagnostik, wenn das ektope Milzgewebe z. B. wegen einer rezidivierenden Thrombozytopenie oder Anämie bei hämatologischer Grunderkrankung exstirpiert werden soll. Die adhärente Niere oder Nebenniere ist durch subtile Präparation in der Grenzschicht zwischen Organparenchym und enkapsulierter Nebenmilz zu schonen.

Bei der splenogonadalen Fusion werden männliche Patienten typischerweise wegen Tumoren des Leistenkanals oder der Hoden vorstellig, so dass die meist schlichtweg überflüssige Orchiektomie erfolgt [26]. Kasuistiken einer splenogonadalen Fusion bei der Frau mit Nachweis einer pelvinen Raumforderung, die zu Unterbauchbeschwerden führt, finden sich wesentlich seltener, da die weiblichen Adnexe intrakorporal liegen [33]. Ist die Entfernung des ektopen Milzgewebes unumgänglich, so sind die adhärenten Gonaden bei den meist jugendlichen Patienten unbedingt wie vorbeschrieben zu schonen.

Abschließend ist festzuhalten, dass der Chirurg über grundlegende Kenntnisse der verschiedenen Milzheterotopien verfügen sollte, insbesondere dann, wenn er im fachübergreifenden Grenzbereich zu den urologischen und gynäkologischen Gebieten tätig ist und hier mit den aufgeführten Entitäten konfrontiert werden kann. Aufwendige diagnostische Abläufe und überflüssige Resektionseingriffe von der Pankreasschwanzresektion bis zur Orchiektomie könnten vermieden werden, wenn öfter an die Nebenmilz gedacht würde.