Einleitung

Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen auf. Nach Daten der amtlichen Statistik lebten im Jahr 2017 mehr als 2,7 Mio. Kinder und Jugendliche in Familien, deren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegt. Die Armutsrisikoquote ist in den letzten Jahren gestiegen und liegt in der unter 18-jährigen Bevölkerung inzwischen über 20 % und damit deutlich höher als bei Erwachsenen im mittleren und höheren Lebensalter, die zu etwa 15 % in Armut leben oder durch Armut bedroht sind [1]. Für betroffene Kinder und Jugendliche bedeutet Armut und der damit verbundene stark begrenzte finanzielle Handlungsspielraum des Haushaltes, in dem sie leben, erhebliche Einschränkungen in Bezug auf die Lebensbedingungen und sozialen Teilhabechancen [2, 3]. Diese Einschränkungen sowie daraus resultierende psychosoziale Belastungen spiegeln sich oftmals auch in der Gesundheit und dem Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen wider [2,3,4].

Die Einschulungsuntersuchungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zeigen hierzu z. B., dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien kurz vor der Einschulung, also etwa im Alter von 5 bis 6 Jahren, häufiger körperliche, kognitive, emotionale, sprachliche und motorische Entwicklungsdefizite als Kinder aus sozial bessergestellten Familien aufweisen [5,6,7]. Eine soziale Benachteiligung bzw. Besserstellung wird dabei allerdings zumeist nicht am Einkommen, sondern an der Bildung und dem Erwerbsstatus der Eltern festgemacht. Aussagekräftige Ergebnisse für Jugendliche liefert unter anderem die Health-Behaviour-in-School-aged-Children-Studie (HBSC). Demnach sind Jugendliche im Alter von 11 bis 15 Jahren deutlich häufiger in ihrer psychosozialen Gesundheit und ihrem Gesundheitsverhalten beeinträchtigt, wenn sie in Familien mit geringerem Wohlstand aufwachsen [8]. Neben dem familiären Wohlstand, der in der HBSC-Studie über mehrere Lebensstandardindikatoren erfasst wird, wie z. B. Vorhandensein eines eigenen Zimmers der Heranwachsenden, Anzahl der Autos bzw. Computer im Haushalt, lassen sich diese Unterschiede auch an der Bildung und beruflichen Stellung der Eltern festmachen [9, 10]. Die umfangreichsten Ergebnisse zu sozialen Unterschieden in der Gesundheit und im Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen wurden im Rahmen der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) erzielt [11,12,13]. Sowohl in Bezug auf die körperliche und psychische Gesundheit als auch hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens und assoziierter Risikofaktoren zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien geringere Gesundheitschancen haben [11, 13]. Betrachtet wurde dabei zumeist der soziale Status der Familie, der anhand von Angaben der Eltern zu ihrer Bildung, beruflichen Stellung und zur Einkommenssituation des Haushaltes gemessen wurde [14].

Im Folgenden werden die Daten der zweiten Folgeerhebung von KiGGS, die in den Jahren 2014–2017 durchgeführt wurde, genutzt, um anhand ausgewählter Indikatoren Unterschiede im Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten zwischen Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten und sozial begünstigten Familien zu betrachten. Das Interesse richtet sich im Unterschied zu zwei bereits vorliegenden Publikationen, die den sozialen Status der Herkunftsfamilie herangezogen haben [15, 16], auf die Einkommenssituation der Familie. Darüber hinaus werden die Bildung und berufliche Stellung der Eltern in den Auswertungen berücksichtigt. Auf diese Weise soll eine Aussage darüber getroffen werden können, ob bzw. inwieweit die beobachteten Unterschiede im Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten der Heranwachsenden tatsächlich der Einkommenssituation oder aber eher der häufig mit Armut einhergehenden geringen Bildung und niedrigen beruflichen Stellung der Eltern zuzuschreiben sind. Durch den Fokus auf die Einkommenssituation sollen die Ergebnisse anschlussfähig für die Diskussion über Kinderarmut in Deutschland und deren Auswirkungen auf verschiedene Lebens- und Entwicklungsbereiche im Kindes- und Jugendalter sein.

Methode

Stichprobendesign und Studiendurchführung

KiGGS ist Bestandteil des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut (RKI) und beinhaltet unter anderem wiederholt durchgeführte, für Deutschland repräsentative Querschnitterhebungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren. Während die KiGGS-Basiserhebung (2003–2006) als Untersuchungs- und Befragungssurvey konzipiert war, wurde die erste Folgeerhebung (KiGGS Welle 1, 2009–2012) als telefonischer Befragungssurvey durchgeführt. In KiGGS Welle 2 (2014–2017) wurden erneut sowohl Untersuchungs- als auch Befragungsdaten erhoben, wobei anders als in der KiGGS-Basiserhebung ein Teil der Teilnehmenden ausschließlich befragt und der andere Teil zusätzlich untersucht wurde. Konzept und Design von KiGGS sind an anderer Stelle ausführlich beschrieben [17,18,19,20]. Insgesamt nahmen 15.023 Kinder und Jugendliche (7538 Mädchen, 7485 Jungen) an der Querschnitterhebung von KiGGS Welle 2 teil (Teilnahmequote 40,1 %; [18]). Am Untersuchungsprogramm beteiligten sich 3567 Kinder und Jugendliche (1801 Mädchen, 1766 Jungen; Teilnahmequote 41,5 %).

Indikatoren

Um einen Überblick über zentrale, möglichst unterschiedliche Aspekte der gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen zu erhalten, wurden insgesamt zehn Gesundheitsindikatoren aus fünf Kategorien ausgewählt.

Allgemeiner Gesundheitszustand

In KiGGS Welle 2 wurden die Eltern entsprechend einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) per schriftlichem Fragebogen gefragt: „Wie würden Sie den Gesundheitszustand Ihres Kindes im Allgemeinen beschreiben?“ [21]. Die Antwortskala war fünfstufig angelegt: „sehr gut“, „gut“, „mittelmäßig“, „schlecht“, „sehr schlecht“. Um Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Einschränkungen zu identifizieren, wurden den Eltern drei weitere Fragen gestellt, die aus einem international häufig verwendeten Instrument, dem sogenannten CSHCN-Screener (Children with Special Health Care Needs Screener), stammen [22]: 1. „Ist Ihr Kind in irgendeiner Art und Weise eingeschränkt oder daran gehindert, Dinge zu tun, die die meisten gleichaltrigen Kinder tun können?“ 2. „Geschieht dies aufgrund einer Krankheit, Verhaltensstörung oder eines anderen gesundheitlichen Problems?“ 3. „Dauert dieses Problem bereits 12 Monate an oder ist eine Dauer von mindestens 12 Monaten zu erwarten?“ Nur wenn alle drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, ist von andauernden oder absehbar längerfristig bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen mit Auswirkungen auf die alterstypische Entwicklung auszugehen. Im Folgenden wird der Anteil der 3‑ bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen dargestellt, deren Gesundheit von ihren Eltern als mittelmäßig, schlecht oder sehr schlecht eingestuft wird, sowie der Anteil derer, die von andauernden gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sind.

Psychische Gesundheit

Psychische Auffälligkeiten wurden anhand von Elternangaben des Stärken-und-Schwächen-Fragebogens (Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ; [23]), eines international häufig eingesetzten Screeninginstruments, beurteilt [24]. Für die vorliegende Auswertung wurden die vier Problemskalen des Fragebogens verwendet: emotionale Probleme, Probleme mit Gleichaltrigen, Verhaltensprobleme und Hyperaktivität. Hierbei bewerteten die Eltern insgesamt 20 Aussagen bezüglich ihrer Kinder als nicht zutreffend (0), teilweise zutreffend (1) oder eindeutig zutreffend (2). Kinder und Jugendliche mit einem über alle Problembereiche summierten SDQ-Gesamtproblemwert bis einschließlich 12 Punkte werden den Cut-off-Werten einer deutschen Normstichprobe entsprechend [25, 26] als psychisch unauffällig, ab 13 Punkten als psychisch auffällig eingestuft. Zudem wurden die Eltern von Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren gefragt, ob jemals die ärztliche oder psychologische Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gestellt wurde [27]. Im Folgenden wird der Anteil der 3‑ bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten dargestellt sowie die Lebenszeitprävalenz einer ärztlich oder psychologisch vergebenen ADHS-Diagnose.

Ernährung

Der Konsum ausgewählter Lebensmittelgruppen wurde mittels eines Verzehrshäufigkeitsfragebogens erhoben [28, 29]. Hierbei wurden auch der Verzehr von frischem Obst und der Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke „in den vergangenen vier Wochen“ erfasst. Die Fragen wurden bei den 3‑ bis 10-Jährigen von den Sorgeberechtigten, bei den 11- bis 17-Jährigen von den Kindern und Jugendlichen selbst beantwortet [29]. Im Folgenden wird der Anteil der Kinder und Jugendlichen dargestellt, die in den letzten vier Wochen vor der Befragung nicht täglich frisches Obst verzehrt bzw. täglich zuckerhaltige Erfrischungsgetränke zu sich genommen haben.

Bewegung

Das Bewegungsverhalten wurde in KiGGS Welle 2 durch die Selbstangabe der Befragten (bei 11- bis 17-Jährigen) bzw. ihrer Sorgeberechtigten (bei 3‑ bis 10-Jährigen) in einem schriftlich ausgefüllten Fragebogen erfasst [30]. Das Ausmaß körperlicher Aktivität wurde auf Basis folgender Frage bestimmt: „An wie vielen Tagen einer normalen Woche bist du/ist Ihr Kind für mindestens 60 min am Tag körperlich aktiv?“ Die acht Antwortkategorien reichen von „an keinem Tag“ bis zu „an 7 Tagen“. Von geringer körperlicher Aktivität wird im Folgenden ausgegangen, wenn die Kinder bzw. Jugendlichen an weniger als zwei Tagen pro Woche mindestens 60 min am Tag körperlich aktiv sind [30]. Um die sportliche Aktivität zu erheben, wurde die Frage gestellt: „Treibst du/treibt ihr Kind Sport?“ Dabei wurde folgender Hinweis gegeben: „Hier sind alle Arten von Sport im Verein oder außerhalb eines Vereins, außer Sportunterricht in der Schule bzw. außer Bewegungsangebote im Kindergarten gemeint.“ Ausgewiesen wird im Folgenden der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die in ihrer Freizeit keinen Sport treiben.

Übergewicht und Adipositas

Körpergröße und -gewicht wurden bei den am Untersuchungsprogramm von KiGGS Welle 2 teilnehmenden 3‑ bis 17-Jährigen standardisiert gemessen [31]. Aus dem Verhältnis von Körpergewicht zur Körpergröße im Quadrat (kg/m2) wurde der Body-Mass-Index (BMI) berechnet. Da sich das Verhältnis von Körpergröße und -gewicht im Kindes- und Jugendalter wachstumsbedingt verändert, gibt es keinen für alle Altersgruppen einheitlichen Grenzwert, ab welchem ein Kind als übergewichtig bzw. adipös eingestuft wird. Aus diesem Grund werden in der Altersgruppe bis 18 Jahre zur Einordnung eines individuellen Wertes BMI-Perzentilkurven verwendet, die die Verteilung des BMI unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht in einer Referenzpopulation darstellen. In Deutschland wird Übergewicht und Adipositas entsprechend der Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) zumeist anhand der Perzentilkurven nach Kromeyer-Hauschild et al. definiert [32]. Demnach werden Kinder und Jugendliche als übergewichtig eingestuft, wenn ihr BMI-Wert oberhalb des 90. Perzentils liegt. Ein BMI-Wert oberhalb des 97. Perzentils wird als Adipositas definiert.

Einkommen der Eltern/Armut

Das Einkommen wurde im Rahmen der schriftlichen Elternbefragung mit der Frage erhoben: „Wie hoch ist in etwa das monatliche Netto-Einkommen Ihres Haushalts insgesamt?“ Dabei wurde folgender erläuternder Hinweis gegeben: „Bitte zählen Sie die monatlichen Einkommen aller Haushaltsmitglieder (einschließlich Elterngeld, Kindergeld usw.) nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben zusammen.“ Die Befragten konnten entweder einen exakten Betrag angeben oder eine ihrer Einkommenssituation entsprechende Kategorie aus einer Liste auswählen. Lagen keine konkreten Einkommensangaben der Eltern, sondern kategoriale Angaben zu Einkommensbereichen vor, wurden diese, auf das entsprechende Intervall gleichmäßig verteilt. Fehlende Werte beim Haushaltsnettoeinkommen wurden durch ein Regressionsmodell imputiert [14]. Im Einklang mit den Vorgaben der Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung wurde im Anschluss unter Berücksichtigung der Haushaltszusammensetzung (Anzahl und Alter der Haushaltsmitglieder) das bedarfsgewichtete Haushaltsnettoeinkommen (Nettoäquivalenzeinkommen) berechnet. Laut Mikrozensus lag der Median der Nettoäquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) 2016 bei monatlich 1615 €. Von diesem Wert ausgehend wurden für die folgenden Auswertungen drei Einkommensgruppen gebildet (Tab. 1). Kinder, die einem Armutsrisiko ausgesetzt sind, leben in Haushalten, die über weniger als 60 % des durchschnittlichen Einkommens verfügen. Die mittlere Einkommensgruppe umfasst jene Kinder, die in Haushalten leben, die zwischen 60 % und unter 150 % des Nettoäquivalenzeinkommens verfügen. Der oberen Einkommensgruppe wurden schließlich all jene Heranwachsenden zugeordnet, deren Eltern ein relativ hohes Einkommen angegeben haben (mindestens 150 % des Nettoäquivalenzeinkommens).

Tab. 1 Stichprobenbeschreibung der zweiten Folgebefragung der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS Welle 2, 2014–2017) in Bezug auf die Altersgruppe der 3‑ bis 17-Jährigen (n = 13.568)

Bildung und berufliche Stellung der Eltern

Anders als beim Einkommen, das als Haushaltsmerkmal erhoben wurde, wurden der höchste schulische und berufliche Bildungsabschluss sowie die berufliche Stellung für beide Elternteile jeweils getrennt voneinander erhoben [14]. Die Bildungsabschlüsse wurden auf Basis der internationalen Klassifikation Comparative Analysis of Social Mobility in Industrial Nations (CASMIN; [33]), die berufliche Tätigkeit der Eltern wurde nach dem International Socio-Economic-Index of Occupational Status (ISEI) nach Ganzeboom und Treimann [34] in eine Rangfolge gebracht.

Migrationshintergrund

Der Migrationshintergrund wird anhand der Angaben zum Geburtsland des Kindes sowie zum Geburtsland und der Staatsangehörigkeit der Eltern bestimmt. Ein einseitiger Migrationshintergrund liegt vor, wenn ein Elternteil nicht in Deutschland geboren ist und/oder eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ein beidseitiger Migrationshintergrund ist gegeben, wenn das Kind selbst aus einem anderen Land zugewandert ist und mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren ist oder wenn beide Elternteile in einem anderen Land geboren sind und/oder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben [35].

Statistische Analysen

Die Analysen des vorliegenden Beitrags basieren auf Befragungsdaten von 13.568 Teilnehmenden im Alter von 3 bis 17 Jahren, da für die Mehrzahl der untersuchten Gesundheitsindikatoren für die 0‑ bis 2‑Jährigen keine vergleichbaren Daten erhoben wurden (Tab. 1). Je nach verwendetem Indikator mussten unterschiedlich viele Teilnehmende wegen fehlender Angaben aus den Analysen ausgeschlossen werden. Den Auswertungen zu Übergewicht und Adipositas liegen hingegen Untersuchungsdaten von 3561 Heranwachsenden im Alter von 3 bis 17 Jahren mit gültigen Messwerten zu Körpergröße und -gewicht zugrunde. Die Ergebnisse werden stratifiziert nach Geschlecht und drei Einkommensgruppen als Prävalenzen (Häufigkeiten) mit 95 %-Konfidenzintervallen (95 %-KI) dargestellt. Zusätzlich werden adjustierte Odds Ratios (aOR) mit 95 %-Konfidenzintervallen angegeben. Diese bringen zum Ausdruck, um welchen Faktor die statistische Chance des Auftretens des jeweils betrachteten Gesundheitsoutcomes in der Armutsrisikogruppe bzw. mittleren Einkommensgruppe im Verhältnis zur hohen Einkommensgruppe, die als Referenzkategorie definiert wurde, abweicht (im Folgenden auch Risikoerhöhung genannt). Der Einfluss relevanter Drittvariablen wird dabei statistisch kontrolliert. In Modell 1 wird zunächst der Einfluss des Alters, des Geschlechts und des Migrationshintergrundes konstant gehalten. In Modell 2 erfolgt zudem eine Kontrolle für die Bildung und berufliche Stellung der Eltern. Durch den Vergleich der Ergebnisse von Modell 1 und 2 lässt sich somit abschätzen, inwieweit die zwischen den Einkommensgruppen beobachteten Unterschiede in der Gesundheit und im Gesundheitsverhalten auf die Bildung und die berufliche Stellung der Eltern zurückzuführen sind.

Um repräsentative Aussagen hinsichtlich regionaler Struktur sowie Alter (in Jahren), Geschlecht, Bundesland (offizielle Bevölkerungszahlen, Stand 31.12.2015), deutscher Staatsangehörigkeit (Stand 31.12.2014) sowie Bildung der Eltern nach der Klassifikation Comparative Analysis of Social Mobility in Industrial Nations (CASMIN; [33]; Mikrozensus 2013 [36]) treffen zu können, wurde für die Analysen ein entsprechender Gewichtungsfaktor erstellt.

Alle Analysen wurden mit Stata 14.2 unter Verwendung des Datensatzes KiGGS Welle 2 (Version 13) durchgeführt (Stata Corp., College Station, TX, USA, 2015). Um die Clusterung der Teilnehmenden innerhalb der Untersuchungsorte und die Gewichtung bei der Berechnung von Konfidenzintervallen und p-Werten angemessen zu berücksichtigen, wurden in allen Analysen Stata-Survey-Kommandos verwendet [37]. Es wird von einem statistisch signifikanten Unterschied zwischen Gruppen ausgegangen, wenn der entsprechende p-Wert kleiner als 0,05 ist.

Ergebnisse

Nach den Daten von KiGGS Welle 2 haben 4,3 % der 3‑ bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland eine nur mittelmäßige, schlechte oder sehr schlechte subjektive Gesundheit. Von den Jungen betrifft dies 4,6 %, von den Mädchen 4,0 %. Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem Einkommen weisen mit 8,0 % weitaus häufiger eine nur mittelmäßige oder schlechtere subjektive Gesundheit auf als Gleichaltrige aus Familien mit mittlerem oder hohem Einkommen (3,6 % bzw. 1,6 %). Die Unterschiede nach der Einkommenssituation der Familie finden sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen einen deutlichen Ausdruck (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Allgemeiner Gesundheitszustand von 3‑ bis 17-jährigen Jungen und Mädchen nach Nettoäquivalenzeinkommen. a Subjektive Gesundheit (mittelmäßig bis sehr schlecht), b gesundheitliche Einschränkung (dauerhaft eingeschränkt)

Von dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen sind insgesamt 4,3 % der 3‑ bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen betroffen. Mit 4,6 % gegenüber 3,9 % gilt dies für Jungen etwas häufiger als für Mädchen. Wie für die subjektive Gesundheit so zeigt sich auch für gesundheitliche Einschränkungen, dass beträchtliche Unterschiede nach der Einkommenssituation der Familie bestehen. Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem Einkommen sind zu 6,0 % dauerhaft gesundheitlich eingeschränkt, während es von den Gleichaltrigen aus der mittleren und hohen Einkommensgruppe 4,1 % bzw. 2,1 % sind. Die einkommensbezogenen Unterschiede fallen bei Jungen noch stärker aus als bei Mädchen (Abb. 1).

Anhaltspunkte für psychische Auffälligkeiten finden sich bei insgesamt 16,9 % der 3‑ bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen. Erneut sind Jungen mit 19,1 % gegenüber 14,5 % häufiger betroffen als Mädchen. Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem Einkommen sind zu 23,1 % psychisch auffällig im Vergleich zu 16,2 % der Gleichaltrigen aus der mittleren und 9,2 % der Gleichaltrigen aus der hohen Einkommensgruppe. Mädchen sind zwar insgesamt seltener betroffen als Jungen, die einkommensbezogenen Unterschiede fallen bei ihnen aber noch deutlicher aus (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Psychische Gesundheit von 3‑ bis 17-jährigen Jungen und Mädchen nach Nettoäquivalenzeinkommen. a Psychische Auffälligkeiten (SDQ-Gesamtproblemwert: grenzwertig/auffällig), b ADHS (Lebenszeitprävalenz)

Dass ein Arzt oder Psychotherapeut schon einmal eine ADHS-Diagnose gestellt hat, trifft auf insgesamt 4,4 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren zu, auf Jungen noch weitaus häufiger als auf Mädchen (6,5 % gegenüber 2,3 %). Die Prävalenz beträgt in der niedrigsten Einkommensgruppe 6,1 % im Vergleich zu 4,5 % in der mittleren und 3,4 % in der hohen Einkommensgruppe. Eine geschlechterspezifische Betrachtung macht deutlich, dass die einkommensbezogenen Unterschiede bei Jungen wie Mädchen bestehen (Abb. 2).

Mit Blick auf das Ernährungsverhalten zeigen die Daten von KiGGS Welle 2 unter anderem, dass 44,2 % der 3‑ bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen nicht täglich frisches Obst essen. Von den Jungen gilt dies für 47,8 %, von den Mädchen für 40,5 %. Mit 51,3 % ist dieser Anteil bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit niedrigem Einkommen am höchsten. Die Vergleichswerte für Kinder und Jugendliche aus Familien mit mittlerem und hohem Einkommen belaufen sich auf 43,2 % und 37,4 %. Die Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen fallen bei Jungen und Mädchen ähnlich aus (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Ernährungsverhalten von 3‑ bis 17-jährigen Jungen und Mädchen nach Nettoäquivalenzeinkommen. a Verzehr von frischem Obst (nicht täglich), b Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke (täglich)

Dass sie täglich zuckerhaltige Erfrischungsgetränke konsumieren, trifft auf insgesamt 19,6 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren zu. Die Prävalenz bei Jungen liegt wiederum über der bei Mädchen (22,2 % gegenüber 16,9 %). Der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit einem täglichen Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke variiert zudem zwischen 28,2 % in der niedrigen Einkommensgruppe über 18,4 % in der mittleren Einkommensgruppe bis 11,1 % in der hohen Einkommensgruppe. Diese einkommensbezogenen Unterschiede sind bei Jungen und Mädchen gleichermaßen zu beobachten (Abb. 3).

Dass sie an weniger als an zwei Tagen für mindestens 60 min körperlich aktiv sind, trifft auf insgesamt 9,0 % der 3‑ bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen zu. Von den Jungen gilt dies für 7,0 %, von den Mädchen für 11,1 %. Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem Einkommen zeigen zu 12,5 % eine geringe körperliche Aktivität und damit häufiger als Kinder und Jugendliche aus Familien mit mittlerem und hohem Einkommen (8,4 % bzw. 3,9 %). Diese Variation mit dem Einkommen ist für Jungen wie Mädchen festzustellen (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Bewegungsverhalten bei 3‑ bis 17-jährigen Jungen und Mädchen nach Nettoäquivalenzeinkommen. a Geringe körperliche Aktivität (<2 Tage/pro Woche für mind. 60 min aktiv), b in der Freizeit nicht sportlich aktiv

Insgesamt 27,0 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren treiben in ihrer Freizeit keinen Sport. Jungen sind zu 24,9 % nicht sportlich aktiv, Mädchen sogar zu 29,1 %. Auch bezüglich der sportlichen Inaktivität zeigen sich beträchtliche Unterschiede zuungunsten von Kindern und Jugendlichen aus der niedrigen im Vergleich zu denen aus der mittleren und hohen Einkommensgruppe (28,2 % gegenüber 18,4 % bzw. 11,1 %), was sich sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen beobachten lässt (Abb. 4).

Von Übergewicht sind insgesamt 15,4 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren betroffen. Bei Jungen und Mädchen ist die Prävalenz ähnlich hoch (15,6 % bzw. 15,3 %). Von den Kindern und Jugendlichen aus der niedrigen Einkommensgruppe sind 23,9 % übergewichtig, während es von den Gleichaltrigen aus der mittleren und hohen Einkommensgruppe 13,6 % bzw. 8,4 % sind. Dabei zeigt sich bei Jungen und Mädchen das gleiche Verteilungsmuster über die Einkommensgruppen (Abb. 5). Die Prävalenz von Adipositas liegt bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren bei 5,9 %, wobei Jungen mit 6,3 % etwas häufiger betroffen sind als Mädchen mit 5,5 %. Zwischen den Einkommensgruppen variiert die Prävalenz von 10,1 % in der niedrigen über 4,8 % in der mittleren bis 3,2 % in der hohen Einkommensgruppe. Wie für Übergewicht so gilt auch für Adipositas, dass sich die Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen bei Jungen und Mädchen sehr ähnlich darstellen (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Übergewicht und Adipositas bei 3‑ bis 17-jährigen Jungen und Mädchen nach Nettoäquivalenzeinkommen. a Übergewicht, b Adipositas

Mit Blick auf den Gesundheitszustand bestätigen die Ergebnisse der Regressionsanalysen, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen bestehen. Am stärksten sind diese bei der subjektiven Gesundheit ausgeprägt: Nach Kontrolle für Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund (Tab. 2, Modell 1) haben Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem Einkommen im Verhältnis zu denen aus Familien mit hohem Einkommen ein fünffach erhöhtes Risiko für eine nur mittelmäßige, schlechte oder sehr schlechte subjektive Gesundheit. Hinsichtlich der anderen Gesundheitsprobleme zeigt sich eine 2,3- bis 3,4-fache Erhöhung des Risikos im Vergleich der niedrigen zur hohen Einkommensgruppe. Auch bei zusätzlicher Kontrolle der Bildung und beruflichen Stellung der Eltern (Tab. 2, Modell 2) sind hinsichtlich der meisten Gesundheitsindikatoren beträchtliche und signifikante Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen zu beobachten. Eine Ausnahme stellt ADHS dar, was darauf verweist, dass die zunächst zwischen den Einkommensgruppen beobachteten Unterschiede auf die Bildung und berufliche Stellung der Eltern zurückzuführen sind. Mit Blick auf die subjektive Gesundheit und psychische Auffälligkeiten weist die Risikoreduktion, die durch Berücksichtigung der Bildung und beruflichen Stellung der Eltern erzielt wird, darauf hin, dass dies zumindest zum Teil zutrifft. Der Einkommenseffekt bleibt aber auch nach Berücksichtigung dieser Variablen beträchtlich und signifikant.

Tab. 2 Zusammenhang zwischen Familieneinkommen und Gesundheitszustand von 3‑ bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse binär logistischer Regressionen

Auch bezüglich des Gesundheitsverhaltens bestätigen die Regressionsanalysen weitgehend die deskriptiven Ergebnisse. Nach Kontrolle für Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund (Tab. 3, Modell 1) haben Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem im Verhältnis zu denen aus Familien mit hohem Einkommen ein etwa 1,8-fach erhöhtes Risiko, nicht täglich frisches Obst zu essen und an weniger als an zwei Tagen pro Woche für mindestens 60 min körperlich aktiv zu sein. Für die anderen betrachteten Aspekte des Gesundheitsverhaltens weisen die Ergebnisse sogar auf ein etwa dreifach erhöhtes Risiko in der niedrigen gegenüber der hohen Einkommensgruppe hin. Nach Kontrolle für die Bildung und berufliche Stellung der Eltern (Tab. 3, Modell 2) lässt sich hinsichtlich der meisten betrachteten Aspekte des Gesundheitsverhaltens beobachten, dass sich die Odds Ratios deutlich verringern und überwiegend nicht mehr signifikant sind. Lediglich für den täglichen Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke und die sportliche Aktivität lässt sich ein unabhängiger Effekt des Einkommens beobachten.

Tab. 3 Zusammenhang zwischen Familieneinkommen und Gesundheitsverhalten von 3‑ bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse binär logistischer Regressionen

Diskussion

Die Ergebnisse aus KiGGS Welle 2 zeigen, dass Kinder und Jugendliche, die in Armut aufwachsen, deutlich häufiger in ihrer Gesundheit beeinträchtigt sind als Gleichaltrige aus der mittleren und hohen Einkommensgruppe. Dies gilt sowohl hinsichtlich der betrachteten Indikatoren des allgemeinen Gesundheitszustandes (subjektive Gesundheit und dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen) als auch der Indikatoren der psychischen Gesundheit (psychische Auffälligkeiten und ADHS). Außerdem weisen sie ein ungünstigeres Ernährungsverhalten (kein täglicher Verzehr von frischem Obst und täglicher Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke) und Bewegungsverhalten auf (kein Sport in der Freizeit und geringe körperliche Aktivität) und sie sind zu einem größeren Anteil übergewichtig oder adipös. Die zusätzliche Berücksichtigung der Bildung und beruflichen Stellung der Eltern spricht dafür, dass das Einkommen einen von diesen Indikatoren unabhängigen Effekt auf den Gesundheitszustand der Heranwachsenden hat. Im Gegensatz dazu verringert sich der Effekt des Einkommens auf das Gesundheitsverhalten deutlich, wenn die Bildung und berufliche Stellung der Eltern einbezogen wird. Dies entspricht Ergebnissen früherer Studien, denen zufolge der Bildung der Eltern eine hervorgehobene Bedeutung für das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen zukommt, vermittelt z. B. über das Gesundheitswissen und gesundheitsbezogene Einstellungen der Eltern sowie das elterliche Vorbild und den elterlichen Erziehungsstil [38]. Bemerkenswert ist zudem, dass sich die berichteten einkommensbezogenen Unterschiede im Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen sowie die Bedeutung, die der Bildung und beruflichen Stellung der Eltern in diesem Zusammenhang zukommt, bei Jungen und Mädchen ähnlich darstellen.

Die Erklärung der gesundheitlichen Auswirkungen von Armut muss an den eingeschränkten Lebensbedingungen und sozialen Teilhabechancen ansetzen. Mit Blick auf den Lebensstandard betrifft dies z. B. die Wohnsituation und die Qualität des Wohnumfeldes, das Taschengeld, Urlaube, Ausflüge und andere Aktivitäten mit der Familie sowie die Ausstattung mit Bekleidung, Sport- und Freizeitartikeln, elektronischen Geräten und sonstigen Konsumgütern [39]. Im sozialen Vergleich erleben dies viele Kinder und Jugendliche als soziale Ausgrenzung und Zurücksetzung. Hinzu kommen oftmals Sorgen um die eigene Zukunft [40], zumal Kinder und Jugendliche aus armutsgefährdeten Familien deutlich geringere Bildungschancen haben, was sich bereits beim Übergang auf weiterführende Schulen zeigt und dann noch einmal verstärkt hinsichtlich der Schulabschlüsse und berufsqualifizierenden Ausbildungsabschlüsse zum Ausdruck kommt [41, 42]. Von Bedeutung sind zudem häufigere Konflikte und höhere Stressbelastungen in armutsgefährdeten Familien, die für die Kinder und Jugendlichen oftmals mit einem geringeren sozialen und emotionalen Rückhalt einhergehen. Nachteilig kann sich zudem ein Mangel an positiven Rollenvorbildern auswirken, die z. B. für die Bewältigung von Herausforderungen und die Entwicklung von personalen Ressourcen und sozialen Kompetenzen wichtig sind [43, 44].

Eine Stärke der vorliegenden Querschnittuntersuchung ist, dass die beobachteten Ergebnisse aufgrund des Stichprobendesigns, der Durchführung und der Gewichtung auf die deutsche Wohnbevölkerung übertragen werden können. Dennoch ist die Möglichkeit eines Bias aufgrund selektiver Nichtbeteiligung nicht auszuschließen [18]. Eine geringere Teilnahmequote von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien kann zwar bis zu einem gewissen Grad durch die Gewichtung ausgeglichen werden. Falls jedoch besonders benachteiligte Kinder und Jugendliche systematisch seltener an der Studie teilgenommen haben (z. B. bei fehlenden Lese- und Schreibkompetenzen der Eltern), ist davon auszugehen, dass die hier berichteten sozialen Unterschiede im Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen sogar noch unterschätzt werden. Sämtliche der hier berichteten Prävalenzen – mit Ausnahme der Ergebnisse zu Übergewicht und Adipositas – beruhen zudem auf Eltern- und Selbstangaben der 3‑ bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen. Wie bei anderen Befragungsstudien bleibt daher unklar, inwieweit sozial erwünschtes Antwortverhalten die Ergebnisse verzerrt haben könnte. Hinsichtlich der einkommensbezogenen Unterschiede wäre dies insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn das Ausmaß der sozialen Erwünschtheit im Antwortverhalten der Eltern zwischen den Einkommensgruppen variiert. Nicht auszuschließen ist ferner, dass generell bei der Einschätzung der Gesundheit und der Symptomaufmerksamkeit die Bewertungsmaßstäbe zwischen unterschiedlichen Statusgruppen differieren [15]. Als Limitation bei der Interpretation der Ergebnisse zur psychischen Gesundheit muss berücksichtigt werden, dass der eingesetzte Stärken-und-Schwächen-Fragebogen (SDQ) ein Screeninginstrument darstellt, das zur Identifikation von Risikogruppen für psychische Auffälligkeiten und Störungen herangezogen werden kann, aber keinesfalls ein psychodiagnostisches Interview ersetzt [45].

Aus Sicht von Public Health und der Gesundheitspolitik stellt die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit ein wichtiges Ziel dar. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus der KiGGS-Basiserhebung wurde 2008 die „Strategie der Bundesregierung zur Förderung der Kindergesundheit“ beschlossen [46]. Zentrales Ziel der Strategie war es, Prävention und Gesundheitsförderung auszubauen und die gesundheitliche Chancengleichheit der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Bei der 2010 umgesetzten Aktualisierung des nationalen Gesundheitsziels „Gesund aufwachsen“ wurde „Gesundheitliche Chancengleichheit“ als wichtige Querschnittsanforderung in den Zieldefinitionsprozess der Gesundheitsziele für das Kindes- und Jugendalter integriert [47]. Mit dem 2015 verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention werden zusätzliche Ressourcen für lebensweltorientierte Maßnahmen bereitgestellt [48]. Sozialversicherungsträger, Länder und Kommunen sind dazu verpflichtet, auf dem Gebiet der Prävention und Gesundheitsförderung stärker zusammenzuarbeiten. Das Präventionsgesetz unterstreicht dabei in besonderer Weise die Bedeutung von Lebenswelten als „für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme“ (§ 20 SGB V), die alltägliche Lebens‑, Lern- und Arbeitsbedingungen widerspiegeln. Je nach Lebensphase werden dabei unterschiedliche Lebenswelten und Zielgruppen in den Fokus gerückt. Da Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit in Kindertageseinrichtungen [49] und Schulen [50] verbringen, eignen sich diese besonders gut als Orte der Gesundheitsförderung (Settings). Dies gilt auch mit Blick auf den angestrebten Ausgleich sozialer Unterschiede in den Gesundheitschancen, da in Bildungseinrichtungen Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer sozialen Herkunft erreicht werden [51].

Schlussfolgerungen

Die vorliegenden Ergebnisse können dazu beitragen, Zielgruppen für Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitsversorgung zu identifizieren sowie gesundheitliche Probleme im Kindes- und Jugendalter aufzuzeigen, bei denen besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten besteht. Um allen Kindern und Jugendlichen die bestmöglichen Chancen für ein gesundes Aufwachsen zu bieten, sollten Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention bereits früh im Lebenslauf ansetzen und zielgruppenbasiert zugeschnitten werden. Nur wenn auch sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen von diesen Angeboten profitieren, kann eine Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheiten erreicht werden. Neben der Gesundheitspolitik sind dabei auch weitere Politikfelder im Sinne des Health-in-All-Policies-Ansatzes einzubeziehen, um gesundheitliche Aspekte und das Ziel gesundheitlicher Chancengleichheit auf allen Ebenen und in allen Bereichen von Politik und Gesellschaft zu verankern [52, 53].